Drogenabhängigkeit und Haft Josef Bausch-Hölterhoff RMD Anstaltsarzt der JVA-Werl Langenwiedenweg 50 59457 Werl/NRW Facharzt für Allgemeinmedizin Betriebsmedizin Suchtmedizin Ernährungsmedizin
Statistisches Bundesamt (Stand 12.02.2008) Zahl der Haftplätze insgesamt: 80 708 durchnittliche Belegung: 73 581 davon 3917 weiblich Erstaufnahmen aus Freiheit: 117 667 davon 10 180 weiblich - Eintritte aus Freiheit und anderer JVA: 232 682, weibl. 15 725 - Zugänge (Strafantritt) im Monat November 2007: 5 142, davon 414 weibl. - Entlassungen: 4098 (361w)
Verurteilte wegen Straftaten gegen das BtMG ( Stat.Bundesamt) 1982 : 17 105, werw. 1428, merw. 9517 1996 : 37 024, werw. 3004, merw. 25357 2006 : 52 165. werw. 4180, merw. 36 588
Erstauffällige Konsumenten harter Drogen (EKhD Statistik des BKA ) Zeitraum 01.01.2007-31.12.2007 Gesamt: 18 620 / - 3,6 % im Vergleich zu 2006 Heroin : 4153 / - 7,5% Kokain : 3812 / - 9,8 % Meth-/ Amphetamine: 9949 / + 1,2% Extacy : 2038 / -12,1% Crack : 498 / + 40,3 % LSD : 456 / + 15,7 %
Diagnosen bei Inhaftierten bei Haftantritt und Stichtagsuntersuchungen (eigene Untersuchungen) 40 70 % Drogenabhängige je nach Haftart über 50 % davon sind HCV-PCR pos. ca, 1-1,5 % HIV- Infizierte, viele mehrfach Infizierte HIV/HCV/HBV etwa 80 % haben Erfahrungen mit Substitution extramural die meisten extramural Substituierten weisen in bei Haftantritt durchgeführten Drogenscreenings einen Beigebrauch multipler Substanzen auf d.h. große Zahl polytoxikomane, schwerstabhängige, Drogenabhängige
Ergebnisse (einer zweizeitigen Längsschnittstudie über 7 Monate in 2 Anstalten des Langstrafenvollzuges in Hamburg,d.h. Haftzeiten > 2 Jahre ) 50,5% Heroin und Kokainvorerfahrung, ohne sog. Probierer 19 % des Gesamtkollektivs der Inhaftierten und davon 38% der Personen mit Vorerfahrung gaben aktuellen Konsum zu 22,5 % applizieren ausschließlich intravenös 40 % auch gelegentlich 52 % der Konsumenten geben polyvalente Konsummuster an 29 % der mit Methadon Substituierten geben Beigebrauch zu
Prävalenzen und Risikoverhalten (zweizeitige Längsschnittstudie über 7 Monate in 2 Anstalten des Langstrafenvollzuges in Hamburg) Hepatitis-A/B/C und HIV : 72%,43%,27%, 1% im Gesamtkollektiv bei ausschließl. i.v Applizierenden in Haft: 85% / 85% / 96% / 7% Needle- Sharing praktizieren 70% der aktuellen i.v.- Konsumenten, 45% in hoher Frequenz, 45 % der Needle - Sharer gaben ineffektive Reinigungsmethoden ihrer Spritzbestecke an 10 % erhielten Tätowierungen, 45 % davon besaßen einen potentiell infektiösen Serostatus
Pävalenz psychischer Erkrankungen im Justizvollzug von Schönfeld 2006 88,2 % Störung im SKID I f. Achse I und II 71,2 % Alkohol- Drogenmissbrauch 50 % Persönlichkeitstörungen 27,3 % Angststörung 17,3 % affektive Sörung 7,9 % psychotische Störung untersucht wurden 76 Männer und 63 Frauen der JVA Bielefeld
Substitution in Haft es gibt sie.., In Werl zur Zeit 130 in Hamm 35 Pat keine aussagekräftigen Daten, weil keine Erhebung stattfindet verlässliche Daten wären nur über die BfAm zu erhalten nicht flächendeckend/ vereinzelt/ gar nicht trotz vergleichsweise eindeutiger Verordnungslage/ Äquvalenzprinzip/ Fürsorge- und / NUB- Richtlinien der GKV und Leitlinien der BÄK,ist es in deutschen Gefängnissen immer noch völlig willkürlich, wer, wen, wann, wo, und wie substituiert! Therapieziele: Überlebenssicherung Besserung des Allgemeinzustandes und/oder Stabilisierung bestehender Erkrankungen Minderung des Infektionsrisikos HIV und Hepatitis die Verminderung des Drogenkonsums Vermeidung von riskantem, polyvalenten, iatrogenen Suchtmittelmissbrauch Verminderung der anstaltsinternen Beschaffungskriminalität und Subkultur Entwicklung von Perspektiven für eine vorzeitige- Entlassung und für die Zeit nach der Haft
Probleme der Substitutionsbehandlung in Haft? prinzipiell überhaupt keine oder kein ausreichendes Angebot einer Dauer- Substitution, - Substitution ist Kapitulation vor der Sucht! Vorsubstituierte mit zum Haftantritt nachgewiesenem Beigebrauch gelten a priori als ungeeignet (> 80 %) Angst vor einer ärztlich assistierten Intoxikation, einem tödlichen Zwischenfall, Todesermittlungsverfahren, Nachfragen der Aufsichtsbehörden, vor dem Hintergrund unzureichender medizin. Kenntnisse und Erfahrungen mit verschiedenen Substitutionsmittel, Polypharmazie zu optimistische ( dogmat. ) Vorstellung von den Fähigkeiten der Drogenabhängigen zur Abstinenz im geschützten Raum des Justizvollzugs unzureichende Personalausstattung, Ärzte, Krankenpfleger,Psychologen, Sozialarbeiter und Suchtkrankenhilfe. Wer macht die Arbeit? weil allgemeingültige Auffassung: Drogentherapie in Haft ist unmöglich psychosoziale Begleitung reduziert sich auf Unterbringung Behandlung reduziert auf Abgabe des Substitutionsmittels und Kontrolle auf Beigebrauch aus organisatorischen und sicherheitsrelevanten Gründen Beschränkung auf ein flüssiges Substitutionsmittel ( Methadon, Polamidon), Buprenorphin nur selten und zum Ausschleichen oder Überbrücken
Probleme der Substitutionsbehandlung in Haft? häufig niedrigere Dosierung die praktizierte Art der täglichen Vergabe des Substitutionsmittels und der Urin- Kontrollen auf Beigebrauch bedeuten für viele nicht zu tolerierenden Stress -für Pat., Krankenpfleger und Arzt keine Arbeit mit dem Rückfall oder wiederholtem Beigebrauch, sondern schnelle Sanktion (Abbruch der Behandlung)- Substitution ist ein Privileg und verlangt vom Pat. regelkonformes Verhalten, Behandlung als Disziplinierungsmittel ( anders als z.b. bei Diabetes, Hypertonus, Adipositas u.a.) Substituierte genießen kein Ansehen/ in Substitution Gescheiterte noch weniger. die Erwartungen an die Schaffung vollzuglicher Perspektiven bleiben unerfüllt bzw. wer so blöde ist, sich zu seiner Sucht zu bekennen und nicht länger in der Lage ist, seine Sucht auch in Haft zu finanzieren und zu verbergen, büßt damit alle möglichen Vorzüge ein.
Schnittstellenprobleme 2 Ärzte zwei Meinungen am Beispiel des Urteil des LG Dortmund ( LG Bochum u.a.): Der Strafvollzug wird zum Angebot verpflichtet, nicht der Arzt der Zufluss einer immer größeren Zahl Substituierter von draußen sprengt die Kapazität bei den wenigen substitutionsbereiten Behandlern in den Anstalten Behandlungsunterlagen werden nicht ausgetauscht - unzureichende Kommunikation Schweigepflicht keine Weitersubstitution in Haft und/oder nach Haftentlassung zu wenig Therapieplätze für substituierte, abstinenzwillige Pat. in und nach der Haft zu wenig Therapieplätze für Pat. mit Doppel- und Mehrfachdiagnosen zu niedrige Zahl an Ärzten im KV-System, die bereit sind zu substituieren, da nicht attraktiv und lukrativ
Kannst nichts ersinnen für ein krank Gemüt? Tief wurzelnd Leid aus dem Gedächtnis reuten? Die Qualen löschen, die ins Hirn geschrieben? Und mit Vergessens süßem Gegengift Die Brust entled`gen jener gift`gen Last, die schwer das Herz bedrückt? Macbeth zu seinem Arzt