Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST. die Entgleisung einer Rangierbewegung

Ähnliche Dokumente
der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über die Kollision von Zug 218 der WSB mit einem vom Dienstag, 02. November 2010

über die Kollision eines ICT (DB AG) mit einer Rangierbewegung von SBB Personenverkehr vom Sonntag, 11. Februar 2007

der Schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle SUST

Schlussbericht der Schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle SUST. Kollision auf Bahnübergang

der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe

Risikoanalyse Stellwerk-Ersatz Hafenbahn CH. Safety in Transportation, , Braunschweig Dr. Sonja-Lara Bepperling, Ernst Basler + Partner AG

Modellbahn-Signaltechnik Einführung für Jedermann

Schlussbericht. der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe

über die Auffahrkollision zwischen zwei Trams der Verkehrsbetriebe Zürich VBZ

vom Donnerstag, 16. November 2006

01. Mai 2015 V 1.2 de Referenz/Aktenzeichen:

Ereignis-, Notfall- und Krisenmanagement bei der SBB

Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle für Bahnen und Schiffe

Ich schütze mich! Sicherheit im Gleisbereich.

Safety Requirements für Bahnbetriebsverfahren HAZOPS für den Zugleitbetrieb

Stressmanagement und Extremereignisse. Teil 2: Extremereignisse

Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen. Gleisanschluss Wahlstedt der Mittelzentrumsholding Bad Segeberg/Wahlstedt GmbH & Co.

Örtliche Richtlinien zur Richtlinie für das Zugpersonal

Bedienungsanleitung. für Massagestuhl- Steuerung

die Neuherausgabe der Richtlinie "Bahnübergangssicherungsanlagen; Hilfseinschaltung

Es kann ein Fahrzeug entgegenkommen, das Ihren Fahrstreifen mitbenutzt. Auf Ihrem Fahrstreifen kann sich ein langsam fahrendes Fahrzeug befinden

Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln

Inhaltsverzeichnis. Seite 2 von 8

1 IPS WebViewer öffnen Detektion aktivieren oder deaktivieren Profil auswählen Text-Einblendungen... 3

Ich schütze mich! Sicherheit im Gleisbereich.

Behelf für das Verhalten von Einsatzkräften im Bereich Bahnanlagen im Kanton Bern

Drucken und Löschen von angehaltenen Druckaufträgen Erkennen von Formatierungsfehlern Bestätigen von Druckaufträgen Reservieren von Druckaufträgen

Montageanleitung M-Bus Repeater AMB8466-M-RP1

Ergänzungsregelung 1 Nr. B 003 zu Bremsanzeige- und Bremskontrolleinrichtungen

Reißverschluss verfahren

Micro. Scale Models. Beispiele für die Signalisierung von Modellbahnen. Inhalt. 1 Anwendung

Ae 610 (Ae 6/6) SBB KURZBESCHREIBUNG

Eisenbahner Sportverein Blau Gold Bischofsheim 1958 e. V. Abteilung Großbahn

Bogobit Bremsmodul Classic automatische Blockstrecke

Bedienungsanleitung Primor 1000 / 3000 / 3010 / Level 15

Verordnung über die Verbürgung von Darlehen zur Finanzierung schweizerischer Hochseeschiffe

Umgang mit der Bahn. auf dem Betriebsareal

ANSCHLUSSGLEISVERTRAG INFRASTRUKTUR

Das Trassenpreissystem. Wer bezahlt wie viel an die Bahninfrastruktur?

7.2 Taste drücken. Im Display wird das eingestellte Streugut, die Arbeitsbreite und die Ausbringmenge kg/ha angezeigt.

Elektrische Anlagen und Betriebsmittel

Untersuchung von komplexen Problemstellungen bei der Bahn

1.1 Wann hat sich der Unfall ereignet? Datum: Uhrzeit: 1.2 Ihre Arbeitszeit am Unfalltag? Beginn: Uhr Ende: Uhr

Drag Racing Mobile Vielen Dank, dass Sie sich für Drag Racing Mobile entschieden haben. Wir hoffen Ihre Erwartungen getroffen zu haben.

Elektronisches Stellwerk Tunnelstammstrecke Pressekonferenz

ANSCHLUSSGLEIS - VERTRAG INFRASTRUKTUR

Industriebahn Premnitz

Merkblatt über die Ausrüstung und den Betrieb von Fahrzeugen und Fahrzeugkombinationen für den Einsatz bei Brauchtumsveranstaltungen

Bedienungsanleitung für Lieferanten und Hersteller

VERTRAG. über die Nutzung der Infrastruktur der Eisenbahninfrastrukturgesellschaft Aurich Emden GmbH (EAE)

Verwenden der Druck- und Zurückhaltefunktion

Word starten. Word Word 2010 starten. Schritt 1

Schiefe Ebene / Energieerhaltung

Verordnung über den schweizerischen Fähigkeitsausweis zum Führen von Jachten zur See

Chronis Uno easy die Programmschaltuhr aus dem inteo-steuerungsprogramm von Somfy für die Steuerung eines elektrisch betriebenen

zum Fahrzeug Feuerwehr Oldtimer Referenz KOR-FORA Revision 1 (gültig ab ) Datum Reg. Nr Seite 1 von 6

Baustellenordnung. gilt für sämtliche Bau-, Reparatur-, und Montagearbeiten bei den Firmen: Rudolf Flender GmbH & Co. KG

Berichtsheft (Ausbildungsnachweis)

Uepaa Alleinarbeiterschutz

Schweiz. Swiss signals

Schlussbericht. Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe

die Neuherausgabe der Richtlinie "Bahnübergangssicherungsanlagen; Rangierschalter

LCD-4 Display Fahrradcomputer. Bedienungsanleitung

Bedienungsanleitung ELFEi V3 Tuning Tool Für Pedelec s mit ELFEi V3 Umbausatz bzw. Heinzmann Direct Power System

INFOBLATT VO (EU) Nr. 165/2014 / VO (EWG) Nr. 3821/85. Einleitung

Untersuchungsbericht

Microsoft PowerPoint 2013 Folienübergänge

Tipps und Infos rund ums Blinken

Neue E-Banking Oberfläche

Script-Upgrade. Vorraussetzungen. Folgende Meldungstypen werden dabei verwendet: Vom Fahrzeug zur Zentrale. Quittungstexte vom Fahrzeug (Type 11.

Verordnung über die Behandlung von Fundsachen (Fundsachenverordnung)

Bundesanstalt für Verkehr Seite 59 / 105 Untersuchungsbericht

RAIN BIRD TYPENREIHE ITC PROGRAMMIERUNG

Der Sicherheitsfahrplan für unterwegs.

BGV A 3 * Elektrische Anlagen und Betriebsmittel vom 1. April 1979, in der Fassung vom 1. Januar BG-Vorschrift. Unfallverhütungsvorschrift HVBG

Verkehrsabsicherung von Einsatzstellen

ANLEITUNG FÜR EINZELBENUTZER & GRUPPENADMINISTRATOREN

Analyse des Betriebszustandes der ZKS-Abfall. Empfehlungen für den zukünftigen Betrieb

GeoPilot (Android) die App

Prüfung der Anforderungen vor Ort zur Bewilligung eines Telearbeitsplatzes

Rahmendienste und Dienstfolgen

Vorbeifahren an einem Hindernis Vorbeifahren an einem Hindernis

Reglement für Veranstaltungen

Merkblatt über die Ausrüstung und den Betrieb von Fahrzeugen & Fahrzeugkombinationen für den Einsatz bei Brauchtumsveranstaltungen

Verordnung des UVEK über die Änderung von Departementsverordnungen in Ausführung der Änderung vom 1. Oktober 2010 des Luftfahrtgesetzes

ACS Data Systems AG. Bestellungen. (Version ) Buchhaltung für Schulen. ACS Data Systems AG. Bozen / Brixen / Trient. Tel

MUSTER Alle Angaben zu Personen sind fiktiv. VERTRAG ZUR GEWÄHRUNG EINES AUSBILDUNGSDARLEHENS. zwischen. Vorname Nachname Strasse Hausnummer PLZ Ort

Verhaltenskodex für Transport von lebenden Rindern auf Straβe

Bedienungsanleitung. Programmierbarer Handschalter (HCP)

Bedienungsanleitung. LED-Leuchtmittel-Set CU-2CTW mit Fernbedienung

Verordnung des UVEK über das Rechnungswesen der konzessionierten Unternehmen

SBB Cargo Asset Management.

Anleitung Mailbox Anrufbeantworter im Netz. Inhaltsverzeichnis. 1 Mailbox einrichten. 1.1 Ersteinrichtung. 1.2 Ansage ändern

Produktbeschreibung - Datafox Zutrittskontrolle - Version II Steuerung von mehreren Türen Produktbeschreibung

2. Der Auftraggeber bzw. sein Beauftragter erhält auf Wunsch eine Durchschrift des Auftragsscheins.

Bestimmungen für die Aufzeichnung von Telefonanrufen, die über die Telefonzentrale oder den Sicherheitsdienst der EIB eingehen

Datensicherung. Beschreibung der Datensicherung

Leitlinie für die Informationssicherheit

Infrarot-fernbedienung YB1FA

Modulare Ausbildung von Lokführern SBB P Stellungnahme VSLF

Transkript:

Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST Service suisse d enquête de sécurité SESE Servizio d inchiesta svizzero sulla sicurezza SISI Swiss Transportation Safety Investigation Board STSB Bereich Bahnen und Schiffe Schlussbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST über die Entgleisung einer Rangierbewegung vom 1. April 2016 in Stein-Säckingen (AG) Reg.-Nr.: 2016040101 Monbijoustrasse 51A, 3003 Bern Tel. + 41 58 462 54 30, Fax +41 58 463 00 76 info@sust.admin.ch www.sust.admin.ch

Allgemeine Hinweise zu diesem Bericht Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Gemäss Artikel 15 des Eisenbahngesetzes (EBG, SR 742.101) sind Schuld und Haftung nicht Gegenstand der Untersuchung. Es ist daher auch nicht Zweck dieses Berichts, Schuld- und Haftungsfragen zu klären. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 2 von 22

Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung...5 Überblick...5 Untersuchung...5 Kurzdarstellung...5 Ursachen...5 Sicherheitsempfehlung...5 1 Sachverhalt...6 1.1 Ausgangslage... 6 1.1.1 Ort des Ereignisses... 6 1.2 Vorgeschichte... 7 1.3 Ablauf des Ereignisses... 7 1.4 Schäden... 9 1.4.1 Personen... 9 1.4.2 Infrastruktur... 9 1.4.3 Fahrzeuge... 9 1.5 Beteiligte und betroffene Personen... 9 1.5.1 Lokführer... 9 1.5.2 Rangierleiter... 10 1.5.3 Fahrdienstleiter... 10 1.6 Beteiligte und betroffene Unternehmen... 11 1.6.1 Infrastruktur... 11 1.6.2 Transportunternehmung... 11 1.6.3 Personalvermittlung... 11 1.6.4 Fahrzeugeigentümer... 11 1.7 Infrastruktur... 11 1.7.1 Bahnanlage... 11 1.7.2 Stellwerk... 11 1.7.3 Leittechnik... 12 1.8 Fahrzeuge... 13 1.8.1 Übersicht... 13 1.8.2 Fahrzeuge der Rangierbewegung... 13 1.9 Kommunikation... 14 1.10 Datenaufzeichnung... 14 1.10.1 Fahrdatenschreiber... 14 1.10.2 Stellwerkdaten... 14 1.10.3 Gesprächsaufzeichnung... 15 1.11 Besondere Untersuchungen... 15 1.11.1 Wetter, Sichtverhältnisse, Schienenzustand... 15 Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 3 von 22

1.11.2 Faktoren mit Einfluss auf das menschliche Verhalten... 15 1.12 Regelungen... 16 1.12.1 Verlangen des Fahrwegs... 16 1.12.2 Einstellen des Fahrweges... 16 1.12.3 Zustimmung zur Rangierbewegung... 16 1.12.4 Befehle zur Rangierbewegung... 16 1.12.5 Beobachten des Fahrweges... 16 1.12.6 Höchstgeschwindigkeiten im Bahnhof... 17 2 Analyse...18 2.1 Technische Aspekte... 18 2.1.1 Funktion der Stellwerkanlage... 18 2.1.2 Funktion der Bremsen... 18 2.1.3 Funktion der Sicherheitssysteme... 18 2.2 Betriebliche Aspekte... 18 2.2.1 Einstellung einer Teilfahrstrasse für die Rangierbewegung... 18 2.2.2 Verständigung... 18 2.2.3 Beobachten des Fahrwegs... 18 2.2.4 Fahrgeschwindigkeit... 19 2.3 Menschliche Aspekte... 19 2.3.1 Reaktion auf die drohende Entgleisung... 19 2.3.2 Diensttauglichkeit... 19 3 Schlussfolgerungen...20 3.1 Befunde... 20 3.1.1 Technische Aspekte... 20 3.1.2 Betriebliche Aspekte... 20 3.1.3 Menschliche Aspekte... 20 3.2 Ursachen... 20 4 Sicherheitsempfehlungen und -hinweise und seit dem Unfall getroffene Massnahmen.21 4.1 Sicherheitsempfehlungen... 21 4.2 Sicherheitshinweise... 21 4.3 Seit dem Unfall getroffene Massnahmen... 21 Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 4 von 22

Zusammenfassung Überblick Verkehrsmittel Beteiligte Unternehmen Transportunternehmen Infrastrukturunternehmen Eisenbahn SBB Cargo AG (SBB-C), Olten SBB AG, Infrastruktur (SBB-I), Bern Beteiligte Fahrzeuge Lokomotive Re 420 11179 SBB-C Güterwagen Xas 99 85 9351 101-2 SBB-I Güterwagen Xans 99 85 9351 201-0 SBB-I Güterwagen Tgpps 21 85 0789 012-5 SBB-C Güterwagen Tgpps 21 85 0789 391-3 SBB-C Güterwagen Tagnpps 31 85 0664 073-5 SBB-C Güterwagen Tagnpps 31 85 0664 070-1 SBB-C Güterwagen Faccnpps 31 85 6937 047-7 SBB-I Ort Datum und Zeit Stein (AG) 1. April 2016, 10:12 Uhr Untersuchung Am 1. April 2016 um 10:51 Uhr traf die Meldung über einen Rangierunfall in Stein-Säckingen beim Untersuchungsdienst der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) ein und es wurde eine Untersuchung eröffnet. Für die Untersuchung standen zur Verfügung: Bestandsaufnahme auf der Unfallstelle Fotos Datenaufzeichnungen Befragungen der Beteiligten und Betroffenen Hoheitliche und interne Regelungen für den Eisenbahnbetrieb Kurzdarstellung Am 1. April 2016 sind um 10:12 Uhr bei einem Manöver im Bahnhof Stein-Säckingen eine Streckenlokomotive und das Drehgestell des ersten Wagens entgleist. Personen wurden nicht verletzt. Ursachen Die Entgleisung einer Rangierbewegung am 1. April 2016 in Stein-Säckingen ist darauf zurückzuführen, dass die Rangierbewegung über eine in Schutzstellung stehende Schutzweiche hinaus gefahren ist. Aufgrund seiner Erwartungshaltung war der Lokführer zu wenig aufmerksam, das Halt zeigende Zwergsignal und den Fahrweg zu beachten. Sicherheitsempfehlung In diesem Bericht wird keine Sicherheitsempfehlung ausgesprochen. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 5 von 22

1 Sachverhalt 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Ort des Ereignisses Abbildungen 1 und 2: Ort der Entgleisung. Basiskarten reproduziert mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopografie Swisstopo (JA150149). Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 6 von 22

1.2 Vorgeschichte Im Bahnhof Stein-Säckingen mussten mehrere Rangierbewegungen ausgeführt werden. Die Rangierarbeiten wurden durch einen Lokomotivführer und einen Rangierleiter mit einer Streckenlokomotive durchgeführt. Für die Rangierbewegungen musste mehrmals aus den Bahnhofsgleisen gegen ein Streckengleis in Richtung Basel und wieder zurück gefahren werden. Der Lokomotivführer und der Rangierleiter führten in Stein-Säckingen solche Rangierbewegungen schon oft durch. 1.3 Ablauf des Ereignisses In der Anlage 1, Abbildung 5 ist ein Gleisplan ersichtlich, der eine Übersicht über die nachstehend genannten Gleisbenutzungen bietet. Von Sisseln her fuhr ein Güterzug in Stein-Säckingen auf Gleis 5 ein und hielt an. Die Wagen wurden von der Lokomotive abgekuppelt und blieben im Gleis 5 stehen. Der Rangierleiter forderte über Funk bei der Betriebszentrale Mitte in Olten (BZ Mitte) die Fahrstrasse von Gleis 5 nach Gleis 94 und zurück ins Gleis 6 an. Mit der Lokomotive wurde als Rangierfahrt gegen das Streckengleis auf Seite Basel und zurück ins Gleis 6 an dort stehende Wagen angefahren und angekuppelt. Danach verlangte der Rangierleiter eine Fahrstrasse von Gleis 6 wiederum nach Gleis 94 und zurück ins Gleis 7. Der Fahrdienstleiter bestätigte den Erhalt der Fahrstrassenanforderung. Die Rangierfahrt fuhr gegen das Streckengleis auf Seite Basel und zurück in das Gleis 7, um einen weiteren Wagen anzukuppeln. Danach sollte wieder in das Streckengleis und zurück in das Gleis 5 gefahren werden, um die vorher dort abgestellten Wagen anzukuppeln. Als die Rangierbewegung noch im Gleis 7 stand, forderte der Rangierleiter die Fahrstrasse von Gleis 7 nach Gleis 94 und zurück in das Gleis 5 an. Der Fahrdienstleiter in der BZ Mitte bestätigte wiederum am Funk den Erhalt der Anforderung. Er bediente die Sicherungsanlage mit der entsprechenden Eingabe und wandte sich einer anderen Aufgabe zu. Der Rangierleiter teilte dem Lokführer der Rangierfahrt mit, dass er wenn offen, vorwärtsfahren könne. Als die drei Zwergsignale ab Gleis 7 bis zum Ende von Gleis 75 1, das vor einer Schutzweiche 2 ist, in Fahrtrichtung Fahrt, Fahrt mit Vorsicht und Halt zeigten, beschleunigte der Lokomotivführer die Rangierbewegung. Der Lokführer war davon überzeugt, die Rangierbewegung könne ungehindert bis ins angeforderte Zielgleis fahren. Etwa zur gleichen Zeit fuhr aus dem Gleis 3 und über das Gleis 94 ein Regionalzug in Richtung Basel ab. Um 10:12:22 Uhr fuhr die Rangierbewegung am Halt zeigenden Zwergsignal am Ende von Gleis 75 vorbei. Die Rangierbewegungen in Stein-Säckingen machte der Lokführer oft, wobei das Zwergsignal am Ende von Gleis 75 noch nie auf Halt gestellt gewesen war. Der Lokführer war überrascht von der Fahrt Richtung Schotter. Er machte sich um die mögliche Beschädigung der Fahrleitung Sorgen und befasste sich deshalb mit dem Senken des Stromabnehmers und nicht mit dem Bremsen. 1 Das Gleis 75 ist ein fiktives Gleis. Es wird für die Stellwerkanlage als Zielpunkt benötigt, ist in der Aussenanlage jedoch physisch nicht vorhanden. 2 Eine Schutzweiche ist eine Weiche, die in der Schutz bietenden Stellung eine Flankenfahrt verhindert. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 7 von 22

Die Rangierbewegung fuhr mit der Lokomotive sowie dem vorderen Drehgestell des ersten Wagens um rund 35 m über das Ende der in Schutzstellung stehenden Schutzweiche hinaus, rutschte durch das Kiesbett und riss dabei den Kabelkanal mit sich (Abbildung 3). Abbildung 3: Unfallstelle, Blick entgegen Fahrtrichtung. Ende Schutzweiche Abbildung 4: Unfallstelle, Blick in Fahrtrichtung. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 8 von 22

1.4 Schäden 1.4.1 Personen Es wurde niemand verletzt. 1.4.2 Infrastruktur Die Lokomotive hatte sich nach dem Ende der Schutzweiche im Schotter eingegraben. Dabei wurden Zugsicherungselemente und der Kabelkanal zerstört. Die Gleisanlage auf Seite Basel konnte nicht mehr bedient werden. 1.4.3 Fahrzeuge Die Lokomotive wurde so stark beschädigt, dass sie ausser Verkehr gesetzt und entsorgt wird. 1.5 Beteiligte und betroffene Personen 1.5.1 Lokführer Person Jahrgang 1984 Anstellung bei MEV Schweiz AG (MEV) Arbeitsort Basel Berechtigung BAV 3 -Ausweis Kategorie B100; die Bescheinigung weist Kenntnis über Infrastruktur und bedientes Triebfahrzeug aus. Letzte Befähigungsprüfung Abschluss der Lokführerausbildung im August 2012 Werdegang Er kam 2006 in die Schweiz und arbeitete auf verschiedenen Baustellen der Privatindustrie, unter anderem war er während des Umbaus des Bahnhofs Stein-Säckingen eingesetzt. 2009 nahm er eine Tätigkeit bei der Gleisbaufirma Vanoli auf, wo er eine Ausbildung zum Begleiter Kategorie B absolvierte. 2012 erfolgten der Wechsel zu MEV Schweiz und der Beginn der Ausbildung zum Lokführer Kategorie B100, die er im August 2012 abschloss. Seitdem arbeitet er als Lokführer bei MEV. Arbeitszeit Der Dienstag, 29. März 2016, war arbeitsfrei, ab Mittwoch, 30. März 2016, war ihm täglich die gleiche Arbeit zugeteilt wie am Unfalltag. Der Arbeitsbeginn erfolgte jeweils um 02:42 Uhr bis zum Arbeitsende um 12:50 Uhr, mit einer Pause von jeweils 05:47 Uhr bis 07:52 Uhr. Arbeitszeit bis zum Unfall Ab Arbeitsbeginn 07:30 Std, seit letzter Pause 02:20 Std. Medizinische Feststellungen Der Alkoholtest ergab 0.00. 3 Bundesamt für Verkehr Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 9 von 22

Gesundheitszustand Er fühlte sich laut seiner Aussage dienstfähig und hatte sich in der vorangegangenen Pause mit einer Zwischenmahlzeit und einem Getränk verpflegt. 1.5.2 Rangierleiter Person Jahrgang 1985 Anstellung bei SBB Cargo AG Arbeitsort Birsfelden Hafen Berechtigung BAV-Ausweis Kategorie Ai 40 Letzte Befähigungsprüfung Periodische Prüfung November 2014 Werdegang Er absolvierte die Berufslehre als Rangierspezialist von 2006 bis 2009. Arbeitszeit Am Freitag, 01. April 2016, hatte er Arbeitsbeginn um 06:20 Uhr und Pause von 08:10 Uhr bis 08:40 Uhr. Arbeitszeit bis zum Unfall Ab Arbeitsbeginn 03:52 Std, seit letzter Pause 01:32 Std. Medizinische Feststellungen Der Alkoholtest ergab 0.00. Gesundheitszustand Es wurden keine Angaben erhoben. 1.5.3 Fahrdienstleiter Person Jahrgang 1985 Anstellung bei SBB AG, Infrastruktur Arbeitsort Olten Letzte Befähigungsprüfung Abschlussprüfung zum Zugverkehrslenker im Dezember 2013 Werdegang Nach den Ausbildungen zum Koch und zum Finanzberater wechselte er im Mai 2013 zu SBB Infrastruktur und absolvierte bis Dezember 2013 in Olten die Ausbildung zum Zugverkehrslenker. Arbeitszeit Am Dienstag, 29. März 2016, hatte er Arbeitsbeginn um 06:00 Uhr und Arbeitsende um 14:10 Uhr. Am Mittwoch, 30. März 2016, hatte er Arbeitsbeginn um 04:00 Uhr und Arbeitsende um 12:05 Uhr. Am Donnerstag, 31. März 2016, hatte er Arbeitsbeginn um 04:30 Uhr und Arbeitsende um 13:30 Uhr. Am Freitag, 01. April 2016, hatte er Arbeitsbeginn um 04:00 Uhr und Pause von 08:00 Uhr bis 08:30 Uhr. Arbeitszeit bis zum Unfall Ab Arbeitsbeginn 06:12 Std, seit letzter Pause 01:42 Std. Medizinische Feststellungen Keine. Gesundheitszustand Es wurden keine Angaben erhoben. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 10 von 22

1.6 Beteiligte und betroffene Unternehmen 1.6.1 Infrastruktur SBB AG, Infrastruktur, Bern 1.6.2 Transportunternehmung SBB Cargo AG, Olten 1.6.3 Personalvermittlung MEV Schweiz AG, Basel 1.6.4 Fahrzeugeigentümer Fahrzeug Identifikation Eigentümer Lokomotive Re 420 11179 SBB Cargo AG Güterwagen Xas 99 85 9351 101-2 SBB AG, Infrastruktur Güterwagen Xans 99 85 9351 201-0 SBB AG, Infrastruktur Güterwagen Tgpps 21 85 0789 012-5 SBB Cargo AG Güterwagen Tgpps 21 85 0789 391-3 SBB Cargo AG Güterwagen Tagnpps 31 85 0664 073-5 SBB Cargo AG Güterwagen Tagnpps 31 85 0664 070-1 SBB Cargo AG Güterwagen Faccnpps 31 85 6937 047-7 SBB AG, Infrastruktur 1.7 Infrastruktur 1.7.1 Bahnanlage 1.7.1.1 Beschreibung Der Bahnhof Stein-Säckingen liegt an der Doppelspurstrecke zwischen Basel und Brugg und damit an einer Hauptverkehrsachse des europäischen Nord-Süd-Güterverkehrs. In Stein-Säckingen zweigt eine einspurige Linie in Richtung Laufenburg ab. Der Bahnhof verfügt über acht für den Zugverkehr nutzbare Gleise, wobei deren fünf für durchfahrende Züge dienen können. Dazu bestehen eine Abstellgruppe und diverse Stumpengleise. Es sind zwei Aussenperrons vorhanden, die dem Publikumsverkehr Zugang zu auf den Gleisen 2 bis 5 haltenden Reisezügen ermöglichen. 1.7.2 Stellwerk 1.7.2.1 Beschreibung Der Bahnhof Stein-Säckingen ist mit einer Sicherungsanlage des Typs Siemens SIMIS W, mit dem Zentralrechner in Stein-Säckingen sowie mit einem abgesetzten Rechner in Laufenburg ausgerüstet. Als Spurplanstellwerk ausgeführt, wird beim Einstellen einer Fahrstrasse nach vorgegebenen Regeln ein Fahrweg zwischen Start und Ziel gesucht und alle auf diesem Weg (dieser Spur) liegenden Fahrwegelemente (vor allem Weichen) werden Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 11 von 22

markiert und für diese Fahrt reserviert. Sind mehrere Wege vom Start zum Ziel möglich, existieren Regeln, welcher Fahrweg zu bevorzugen ist. Alle in der gefundenen Spur liegenden Fahrwegelemente werden nun daraufhin überprüft, ob ihr Status der gewünschten Fahrt entgegensteht. An bewegliche Fahrwegelemente werden Stellbefehle ausgegeben und die ordnungsgemässe Ausführung wird überwacht. Elemente, die sich in der richtigen Lage befinden, werden verschlossen. Liegen von allen Elementen entsprechende Verschlussmeldungen sowie alle Gleisfreimeldungen vor, tritt für die Gesamtfahrstrasse die Festlegung ein und das Startsignal geht auf Fahrt. Bei der Auflösung wird die Fahrstrasse elementweise freigegeben. Zwei Fahrstrassen schliessen sich immer dann aus, wenn sie mindestens ein befahrenes Fahrwegelement gemeinsam bzw. ein flankenschutzbietendes Fahrwegelement in unterschiedlicher Lage beanspruchen. Die Ausgestaltung der technischen Einrichtungen des Stellwerks sorgt dafür, dass sich auftretende Fehler zur sicheren Seite hin auswirken. Signale gelangen durch einen Fehler nicht von der Halt- in die Fahrtstellung oder wechseln nicht von einem niedrigeren zu einem höheren Fahrbegriff, Weichen werden nicht umgestellt. 1.7.2.2 Feststellung Bis zum Unfallzeitpunkt stand das Stellwerk störungsfrei in Betrieb. Die erste Weiche nach Gleis 7 ist eine Handweiche. Die Handweiche war in korrekter Stellung und die Plombierung war intakt. Bis zur Schutzweiche folgten zwei weitere Weichen. Die Schutzweiche nach Gleis 75 stand in Schutzstellung. Alle vier Weichen waren verschlossen in der Stellung für eine Fahrt von Gleis 7 bis über die Schutzweiche nach Gleis 75 hinaus. Das erste Zwergsignal aus Gleis 7 zeigte Fahrt, das zweite Zwergsignal zeigte Fahrt mit Vorsicht und das dritte, vor der Schutzweiche stehende Zwergsignal zeigte Halt. Durch den Unfall wurden die Kabelstränge für Steuerung und Energieversorgung der Fahrwegelemente zerstört. 1.7.3 Leittechnik 1.7.3.1 Beschreibung Die Bedienung der Stellwerkanlage erfolgt ferngesteuert von der BZ Mitte aus über die Leittechnik Iltis. Die BZ Mitte befindet sich in Olten. Durch Vorprogrammierung des geplanten Zugverkehrs übernimmt die Leittechnik weitgehend die Steuerung des Stellwerks. Ausserdem kann der Fahrdienstleiter weitere Fahrstrassenanforderungen eingeben. Stehen mehrere Anforderungen an, werden diese vorgemerkt (umgangssprachlich: laufen in den Speicher ein). Vorgemerkte Fahrstrassenanforderungen werden ohne weiteres Zutun des Fahrdienstleiters nach vorprogrammierten Kriterien dann umgesetzt, wenn die Voraussetzungen dazu vorhanden sind. Dabei werden angeforderte Fahrstrassen soweit eingestellt, als es das Spurplanstellwerk zulässt. Kann nicht die vollständige Fahrstrasse eingestellt werden, wird die restliche Fahrstrasse im Speicher vorgemerkt. Sobald die Voraussetzungen gegeben sind, wird die restliche Fahrstrasse wiederum ohne weiteres Zutun des Fahrdienstleiters eingestellt. Die Programmierung für die Stellwerkanlage von Stein-Säckingen ermöglicht im Automatikmodus das Einstellen einer gespeicherten Rangierfahrstrasse ab dem Start erst, wenn die Voraussetzungen für den gesamten Weg bis zum Zielgleis vorhanden sind. Mit einer Bedienhandlung kann die Speicherung abgebrochen und eine Teilfahrstrasse oder eine andere Fahrstrasse eingestellt werden. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 12 von 22

1.7.3.2 Feststellung Kurz vor dem Unfallzeitpunkt meldete die Leittechnik eine korrekte Zugfahrstrasse aus Gleis 3 nach Gleis 94 und weiter auf die Strecke Richtung Basel. Gleichzeitig war zuerst auch eine Rangierfahrstrasse von Gleis 7 in das Gleis 94 im Speicher vorgemerkt. Danach war eine Rangierfahrstrasse von Gleis 7 bis Gleis 75 angezeigt, wobei das erste Zwergsignal Fahrt, das zweite Fahrt mit Vorsicht und das dritte Halt zeigte. Die zuvor gespeicherte Rangierfahrstrasse ab Gleis 75 bis in das Gleis 94 war gelöscht. Kurz darauf war wieder eine Rangierfahrstrasse ab Gleis 75 bis Gleis 94 im Speicher vorgemerkt. Nach dem Unfallzeitpunkt meldete die Leittechnik um 10:12:26 Uhr Störungen an allen Fahrwegelementen auf der Bahnhofseite in Richtung Basel. 1.8 Fahrzeuge 1.8.1 Übersicht Fahrzeug Identifikation Bemerkung Lokomotive Re 420 11179 Zog die Rangierbewegung, war nach der Entgleisung mit beiden Drehgestellen ausserhalb der Schienen. Güterwagen Xas 99 85 9351 101-2 Stand nach der Entgleisung mit dem in Fahrtrichtung vorderen Drehgestell ausserhalb der Schienen. Güterwagen Xans 99 85 9351 201-0 Güterwagen Tgpps 21 85 0789 012-5 Güterwagen Tgpps 21 85 0789 391-3 Güterwagen Tagnpps 31 85 0664 073-5 Güterwagen Tagnpps 31 85 0664 070-1 Güterwagen Faccnpps 31 85 6937 047-7 1.8.2 Fahrzeuge der Rangierbewegung 1.8.2.1 Beschreibung Die Rangierbewegung wurde von einer elektrisch angetriebenen, vierachsigen Streckenlokomotive gezogen. Die Anhängelast bestand aus zwei zweiachsigen und fünf vierachsigen unbeladenen Güterwagen. Die Rangierbewegung hatte eine Länge von rund 145 m und eine Masse von rund 235 t. Bei eingeschalteten und funktionstüchtigen Bremsen betrug das Bremsverhältnis 105 %. 1.8.2.2 Sicherungssysteme Fahrzeuge Die Streckenlok ist mit einer Zugbeeinflussung und einer Sicherheitssteuerung ausgerüstet. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 13 von 22

1.8.2.3 Feststellung An der Unfallstelle wurden folgende Feststellungen gemacht: Die Schalter für die Stirnbeleuchtung der Lokomotive waren in der Stellung für drei rote Lichter. Das Führerbremsventil stand in Fahrstellung. Alle Systeme waren eingeschaltet und deren Bedienungseinrichtung wo nötig oder üblich mit einer intakten Plombierung versehen. Der Stromabnehmer war gesenkt, der Hauptschalter war ausgeschaltet und die Hauptlufthähne waren geöffnet. Bei allen Fahrzeugen waren die Bremsen eingeschaltet. Bei den Wagen standen die Hebel für die Bremsart auf Stellung P. Auf der Lokomotive stand der Umschalter für die Bremsart in Stellung R. Die Hauptleitung war durchgehend verbunden und die zugehörigen Absperrhähne waren geöffnet. Die Bremssohlen lagen fest an den Radlaufflächen an. 1.9 Kommunikation Die Fahrstrassenanforderung und die Fahrbefehle kommunizierte der Rangierleiter über sein tragbares Rangierfunkgerät. Laut den Aussagen der Beteiligten funktionierte die Funkverbindung einwandfrei. Die Zustimmung zur Fahrt erteilte der Fahrdienstleiter über die ortsfesten Signale. 1.10 Datenaufzeichnung 1.10.1 Fahrdatenschreiber Die Fahrdaten wurden auf einem Registrierstreifen und einer Registrierscheibe aufgezeichnet. Für die Fahrstrecke vor der verunfallten Rangierfahrt zeigen die Fahrdaten eine Zunahme der Geschwindigkeit innerhalb von 75 m von 0 km/h bis 30 km/h. Danach bleibt die Geschwindigkeit konstant über eine Wegstrecke von 410 m. Es folgt innerhalb von 70 m die Abnahme der Geschwindigkeit von 30 km/h auf 0 km/h. Für die letzte Fahrstrecke bis zum Unfall zeigen die Fahrdaten eine kontinuierliche Zunahme der Geschwindigkeit innerhalb von 215 m von 0 km/h bis 30 km/h. Die Geschwindigkeit nimmt danach auf einer Wegstrecke von rund 7 m bis auf 0 km/h ab. 1.10.2 Stellwerkdaten Es stand der Iltis-Film von Stein-Säckingen am 1. April 2016, von 10:05:09 Uhr bis 10:13:52 Uhr zur Verfügung. Um 10:05 Uhr fuhr die Rangierfahrt gegen das Streckengleis auf Seite Basel und um 10:07 Uhr zurück in das Gleis 7. Zur gleichen Zeit war die Zugfahrstrasse für einen Güterzug von Frick in das Gleis 4 bis zum Ausfahrsignal in Richtung Basel eingestellt und im Speicher 4 war die Weiterfahrt vorgemerkt. Um 10:09 Uhr war die Zugfahrstrasse eingestellt für die Ausfahrt des Güterzugs Richtung Basel. Um 10:10 Uhr hatte der Güterzug den Bahnhof Stein-Säckingen verlassen. 4 Erklärung der Funktionsweise ist beschrieben in Ziffer 1.7.3.1 Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 14 von 22

Um 10:10:30 Uhr hielt ein Regionalzug in Richtung Basel auf Gleis 3 an. Die Zugfahrstrasse für die Weiterfahrt war über Gleis 94 und weiter bereits eingestellt. Kurz vor 10:11 Uhr lief die Fahrstrassenanforderung für die Rangierbewegung von Gleis 7 bis ins Gleis 94 in den Speicher ein. Um 10:11:39 Uhr war eine Rangierfahrstrasse von Gleis 7 bis nach Gleis 75 eingestellt. Die drei Zwergsignale bis zum Ende von Gleis 75 zeigten in Fahrtrichtung Fahrt, Fahrt mit Vorsicht und Halt. Die zuvor gespeicherte Anforderung ab Gleis 75 bis ins Gleis 94 war gelöscht. Um 10:11:46 Uhr lief die Fahrstrassenanforderung ab Gleis 75 bis nach Gleis 94 erneut in den Speicher ein. Um 10:11:50 Uhr fuhr der Regionalzug in Gleis 3 in Richtung Basel über Gleis 94 ab und weiter auf die Strecke. Um 10:12:02 Uhr begann die Rangierbewegung die Fahrt aus Gleis 7 in Richtung Gleis 75. Um 10:12:11 Uhr erreichte die Spitze des Regionalzugs das Gleis 94. Um 10:12:15 Uhr erreichte die Spitze der Rangierbewegung das Gleis 75. Um 10:12:22 Uhr fuhr die Rangierbewegung am Halt zeigenden Zwergsignal am Ende von Gleis 75 vorbei. Um 10:12:26 Uhr wurden für den gesamten Weichenkopf auf Seite Basel Störungen angezeigt. 1.10.3 Gesprächsaufzeichnung Es standen die Aufzeichnungen der Funkgespräche vom 1. April 2016, von 09:50:43 Uhr bis 10:24:21 Uhr zwischen dem Rangierleiter oder dem Lokführer in Stein-Säckingen und der BZ Mitte zur Verfügung. Der Rangierleiter forderte um 09:51 Uhr über Funk bei der BZ Mitte die Fahrstrasse von Gleis 5 nach Gleis 94 und zurück ins Gleis 6 an. Um 10:03 Uhr verlangte er eine Fahrstrasse von Gleis 6 wiederum nach Gleis 94 und zurück ins Gleis 7. Weiter forderte er um 10:10 Uhr die Fahrstrasse von Gleis 7 nach Gleis 94 und zurück in das Gleis 5 an. Der Fahrdienstleiter in der BZ Mitte bestätigte jeweils am Funk den Erhalt der Anforderungen. Die Funkgespräche zwischen dem Rangierleiter und dem Lokführer wurden nicht aufgezeichnet. 1.11 Besondere Untersuchungen 1.11.1 Wetter, Sichtverhältnisse, Schienenzustand Es war ein bewölkter Tag ohne Niederschlag mit einer Temperatur um 10 C. Entsprechend war der Schienenzustand griffig. Die Sichtverhältnisse waren durch die Witterung nicht beeinflusst. 1.11.2 Faktoren mit Einfluss auf das menschliche Verhalten Der Lokomotivführer ist in einem Arbeitsmodell beschäftigt, bei dem er vorzugsweise Frühdienste leistet. Als Frühdienste gelten Dienste, bei denen der Arbeitsbeginn zwischen Mitternacht und 06:00 Uhr erfolgt. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 15 von 22

1.12 Regelungen Die nachfolgenden Regelungen sind auszugsweise wiedergegeben und beziehen sich auf die im vorliegenden Unfall wesentlichen Teile. 1.12.1 Verlangen des Fahrwegs Auszug FDV 5 300.4, Ziffer 2.2.1: In Anlagen mit zentralisierten Weichen verlangt der Rangierleiter den Fahrweg beim Fahrdienstleiter. Ein Fahrweg ist unmittelbar vor der Ausführung und bis zum Zielgleis der Rangierbewegung zu verlangen. 1.12.2 Einstellen des Fahrweges Auszug FDV 300.4, Ziffer 2.3.1: Vor dem Einstellen des Fahrweges hat der Fahrdienstleiter sicherzustellen, dass keine Zugfahrstrassen oder andere Rangierbewegungen gefährdet werden. Schutzweichen und Entgleisungsvorrichtungen genügen als Sicherheitsmassnahme. 1.12.3 Zustimmung zur Rangierbewegung Auszug FDV 300.4, Ziffer 2.4.3: Stellt der Fahrdienstleiter den Fahrweg in ein anderes als das verlangte Zielgleis, hat er den Rangierleiter vor dem Erteilen der Zustimmung zu verständigen. Kann die Zustimmung nicht bis zum vorgängig durch den Rangierleiter verlangten Zielgleis erteilt werden, ist dieser zu verständigen, sofern keine ortsfesten Signale Halt zeigen. Auszug R I-30111 6, Kapitel 4.2, Ziffer 3 (Ersatz für R 300.4, Ziffer 2.4.3): Der Fahrdienstleiter verständigt den Rangierleiter vor dem Erteilen der Zustimmung, wenn der Fahrweg in ein anderes als das verlangte Zielgleis eingestellt ist der eingestellte Fahrweg vor dem verlangten Zielgleis endet und kein ortsfestes Signal Halt zeigt. 1.12.4 Befehle zur Rangierbewegung Auszug FDV 300.4, Ziffer 2.5.5: Bei gezogener Rangierfahrt kann der Rangierleiter mit dem Lokführer vereinbaren, dass dieser nach einem Halt vor einem ortsfesten Signal für Rangierbewegungen von sich aus weiterfährt, wenn am betreffenden Signal die Zustimmung erteilt wird. 1.12.5 Beobachten des Fahrweges Auszug FDV 300.4, Ziffer 2.6.2: Wird bei gezogener Rangierfahrt das Triebfahrzeug vom vorderen Führerstand aus bedient, ist der Lokführer für die Beobachtung des Fahrweges verantwortlich. 5 Schweizerische Fahrdienstvorschriften (gültig vom 01. Juli 2015 bis 30. Juni 2016) 6 Ausführungsbestimmungen zu den Fahrdienstvorschriften (AB FDV Infrastruktur) Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 16 von 22

1.12.6 Höchstgeschwindigkeiten im Bahnhof Auszug FDV 300.4, Ziffer 3.6.2 und 3.6.3: Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit beträgt 30 km/h. Sofern die beiden Nachbargleise frei sind, darf bei Rangierfahrten im Bahnhof mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h gefahren werden, wenn: der Fahrweg übersichtlich und der vom Lokführer besetzte Führerstand an der Spitze ist und über weichenfreie Zonen gefahren wird und sämtliche Fahrzeuge mit der Luftbremse gebremst werden können. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 17 von 22

2 Analyse 2.1 Technische Aspekte 2.1.1 Funktion der Stellwerkanlage Die Rangierfahrstrasse war vorerst soweit eingestellt, als es die Kriterien zuliessen. Die ebenfalls eingestellte Zugfahrstrasse für den ausfahrenden Regionalzug in Richtung Basel wurde durch die Stellung der Schutzweiche in der Rangierfahrstrasse vor der Rangierbewegung geschützt. Die Stellwerkanlage hat die über die Leittechnik erteilten Befehle korrekt umgesetzt. 2.1.2 Funktion der Bremsen Die Fahrzeuge der Rangierbewegung wurden nicht über das Führerbremsventil im Führerstand gebremst. Die Bremssohlen der Wagen waren angelegt. Die Fahrzeuge mussten durch die automatisch eintretende Bremswirkung nach Beschädigung der Hauptleitung nach der Entgleisung sowie das Eingraben in das Schotterbett abgebremst worden sein. 2.1.3 Funktion der Sicherheitssysteme Im Bereich des Ereignisortes waren ausser der Sicherheitssteuerung auf der Lokomotive für die Rangierbewegung keine infrastruktur- oder fahrzeugseitigen Sicherheitssysteme verfügbar oder wirksam. 2.2 Betriebliche Aspekte 2.2.1 Einstellung einer Teilfahrstrasse für die Rangierbewegung Die Auswertung der Stellwerkaufzeichnungen ergibt, dass die zuvor gespeicherte Rangierfahrstrasse von Gleis 7 nach Gleis 94 zuerst im Speicher vorgemerkt war. Die Rangierfahrstrasse konnte nicht vom Start- bis ins Zielgleis einlaufen, weil die Zugfahrstrasse für den Regionalzug aus Gleis 3 in Richtung Basel eingestellt war. Der Fahrdienstleiter hatte dann eine Bedienung vorgenommen und eine Rangierfahrstrasse vom Gleis 7 zunächst bis in das Gleis 75 eingestellt. Die Zugfahrt war vor der Rangierfahrt durch die vorhandene Schutzweiche geschützt. 2.2.2 Verständigung Durch eine Bedienungshandlung hat der Fahrdienstleiter die zuvor gespeicherte Rangierfahrstrasse vom Gleis 7 nach Gleis 94 gelöscht und eine Rangierfahrstrasse von Gleis 7 bis zum Gleis 75 eingestellt. Das Zwergsignal 75A zeigte Halt. Nach den bestehenden Anordnungen und dem üblichen Vorgehen war eine zusätzliche mündliche Verständigung des Rangierleiters nicht zwingend, obwohl die verlangte Rangierfahrstrasse nicht vom Start- bis zum Zielgleis eingestellt wurde. 2.2.3 Beobachten des Fahrwegs Der Rangierleiter erteilte dem Lokführer vor Beginn der Rangierbewegung den Fahrbefehl wenn offen, vorwärtsfahren. Damit wurden die Rangierleitung und das Beobachten des Fahrwegs für die Fahrt bis in das Gleis 94 an den Lokführer übergeben. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 18 von 22

2.2.4 Fahrgeschwindigkeit Vor der verunfallten Fahrt wurde die Rangierbewegung ab Stillstand beschleunigt, wobei innerhalb einer Wegstrecke von 75 m eine Geschwindigkeit von 30 km/h erreicht wurde. Die verunfallte Rangierbewegung beschleunigte langsam und kontinuierlich ab Stillstand über eine Wegstrecke von 215 m auf die Geschwindigkeit von 30 km/h. Zum Zeitpunkt der Entgleisung waren 30 km/h erreicht. Das deutet darauf hin, dass eine kleine Zugkraft eingestellt und bis zur Entgleisung aufrechterhalten wurde. 2.3 Menschliche Aspekte 2.3.1 Reaktion auf die drohende Entgleisung Laut Aussage des Lokführers und der bei der Untersuchung der Lokomotive vor Ort festgestellten Stellung des Führerbremsventils wurde die Rangierbewegung nicht mit dem Führerbremsventil gebremst. Erfahrungsgemäss besteht bei Lokführern ein Automatismus, bereits bei kleinen Anzeichen von Gefahrensituationen eine Bremsung einzuleiten. Unerklärlicherweise reagierte der Lokführer nicht mit einer Bremsung auf die drohende Fahrt weg vom Gleis in den Schotter. 2.3.2 Diensttauglichkeit Der Lokführer verfügte über ausreichende Ortskenntnisse. Er war bereits beim Umbau des Bahnhofs Stein-Säckingen einige Jahre vor dem Unfall im Rahmen seiner vormaligen Tätigkeit bei einem Bauunternehmen sehr oft in dieser Gleisanlage. Auch gemäss seiner Aussage kennt er den Bahnhof sehr gut. In der Regel waren die Rangierfahrstrassen bis zum Zielgleis eingestellt. Entsprechend war seine Erwartung auch bei der durch das Ereignis betroffenen Rangierbewegung. Er arbeitete im Frühdienst-Arbeitsmodell. Dieses Arbeitsmodell erfordert erhöhte Disziplin, was die Nutzung der Ruhezeit anbetrifft. Die Sicht war nicht behindert durch Hindernisse, Witterungseinflüsse oder andere Umstände. Die kontinuierliche, langsame Zunahme der Fahrgeschwindigkeit, das Ignorieren von Begebenheiten wie die querende Zugfahrt, die Stellung der Schutzweiche und der Zwergsignale sowie letztlich die fehlende Reaktion mit einer Bremsung deuten auf eine vorübergehende Schwächung der Konzentration hin. Dass der Lokführer während der Ausführung der Rangierbewegung einen Sekundenschlaf gehabt haben könnte, dementiert dieser. Er habe nicht mit Anzeichen von Müdigkeit kämpfen müssen. Es muss angenommen werden, dass die Diensttauglichkeit nicht beeinträchtigt war. Allerdings war die Aufmerksamkeit des Lokführers nicht auf das unmittelbare Geschehen gerichtet, sonst wäre er nicht derart von der Fahrt weg vom Gleis in den Schotter überrascht worden. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 19 von 22

3 Schlussfolgerungen 3.1 Befunde 3.1.1 Technische Aspekte Eine technische Fehlfunktion der Fahrzeuge oder der Stellwerkanlage kann ausgeschlossen werden. Die Bremsung der Rangierbewegung erfolgte durch die bei der Entgleisung entstandene Trennung der Hauptleitung und durch das Eingraben der Fahrzeuge in den Schotter. Der Automatikmodus der Sicherungsanlage in Stein-Säckingen stellt für eine Rangierbewegung stets eine Fahrstrasse vom Start- zum Zielgleis ein. 3.1.2 Betriebliche Aspekte Der Fahrdienstleiter hat durch eine Bedienhandlung eine Teilfahrstrasse für die Rangierbewegung eingestellt. Die Zugfahrstrasse für den Regionalzug war durch die Stellung der Schutzweiche vor der Rangierbewegung geschützt. Der Fahrdienstleiter musste bei Vorhandensein eines Halt zeigenden Zwergsignals nicht über die noch nicht bis zum Zielgleis eingestellte Fahrstrasse informieren. Der Rangierleiter hat die Leitung für die Rangierbewegung an den Lokführer übergeben. 3.1.3 Menschliche Aspekte Der Lokführer kannte die Bahnanlage in Stein-Säckingen und führte schon oft Rangiermanöver durch. In der Regel waren die Rangierfahrstrassen dafür bis zum Zielgleis eingestellt. Auf die vorhandenen Begebenheiten, die eine Fahrt ins Zielgleis nicht möglich machten, hat der Lokführer nicht reagiert. Der Lokführer hat die Rangierbewegung nicht gebremst. Es muss angenommen werden, dass der Lokführer diensttauglich war. 3.2 Ursachen Die Entgleisung einer Rangierbewegung am 1. April 2016 in Stein-Säckingen ist darauf zurückzuführen, dass die Rangierbewegung über eine in Schutzstellung stehende Schutzweiche hinaus gefahren ist. Aufgrund seiner Erwartungshaltung war der Lokführer zu wenig aufmerksam, das Halt zeigende Zwergsignal und den Fahrweg zu beachten. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 20 von 22

4 Sicherheitsempfehlungen und -hinweise und seit dem Unfall getroffene Massnahmen 4.1 Sicherheitsempfehlungen Es werden keine Sicherheitsempfehlungen ausgesprochen. 4.2 Sicherheitshinweise Es werden keine Sicherheitshinweise gegeben. 4.3 Seit dem Unfall getroffene Massnahmen Es sind keine Massnahmen bekannt. Dieser Schlussbericht wurde von der Kommission der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) genehmigt (Art. 10 Bst. h der Verordnung über die Sicherheitsuntersuchung von Zwischenfällen im Verkehrswesen vom 17. Dezember 2014). Bern, 20. Januar 2017 Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 21 von 22

Anlage 1 Erstes Zwergsignal zeigt Fahrt Zweites Zwergsignal zeigt Fahrt mit Vorsicht Drittes Zwergsignal zeigt Halt Abbildung 5: Ausschnitt Gleisplan Bahnhof Stein-Säckingen, Weichenkopf auf Seite Basel. Die grüne Linie zeigt die Ausfahrt des Regionalzuges aus Gleis 3 über Gleis 94 Richtung Basel. Die rote Linie zeigt den Fahrweg der Rangierbewegung von Gleis 7 nach Gleis 75 und über die Schutzweiche nach links in das Schotterbett. Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Seite 22 von 22