Der Demografische Wandel eine Gefahr für unser Gesundheitssystem? Rolf Steinbronn IGES Innovationskongress, 27. Oktober 2011, Berlin
Agenda I. Demografischer Wandel in Sachsen und Thüringen II. Versorgungssituation in Sachsen und Thüringen III. Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation Fazit 2
Presseschau In Sachsen gibt es immer weniger pflegende Angehörige (Ärzte Zeitung vom 30.09.2011) Versorgungszentren gegen Ärztemangel (Thüringer Allgemeine vom 08.10.2011) Sachsens Kliniken schlagen Alarm (Dresdner Neueste Nachrichten vom 18.10.2011) Warum sind Pflegeberufe so unbeliebt? (Sächsische Zeitung vom 02.10.2011) Verwaiste Praxisräume (Thüringer Allgemeine vom 11.10.2011) Akuter Anstieg der Pflegefälle (Leipziger Volkszeitung vom 28.09.2011) Kommt bald der Ärztebus? (Sächsische Zeitung vom 05.09.2011) Ärzte-Nachwuchs fehlt in Suhl (Freies Wort vom 30.09.2011) Ländliche Regionen suchen neue Ärzte (Freie Presse vom 02.09.2011) Sachsen ist Deutschlands Alters-Pionier (Freie Presse vom 14.10.2011) Sachsen muss auch Land der Altenpfleger werden (Freie Presse vom 23.08.2011) Gesundheit wird teurer (Thüringische Landeszeitung vom 14.09.2011) Fast jeder vierte Thüringer im Rentenalter (Thüringer Allgemeine vom 08.10.2011) Demenz-Rate in Sachsen steigt (Freie Presse vom 29.09.2011) 3
Bevölkerungsrückgang in den einzelnen Regionen Bevölkerungsdynamik 2011-25 Veränderung in Prozent Gesamtbevölkerung Sachsen u. Thüringen, in Mio. 6,3 9,5 % 5,7 > -15-14 -6-5 +5 +6 +14 > +15 2011 2025 Quelle: Team AOK 4
Anteil der über 65-Jährigen in den einzelnen Regionen Anteil der über 65-Jährigen in der Bevölkerung, in Prozent 2025 35-50 25-29 0-20 30-34 20-24 Anteil der über 11,8 % 65-Jährigen in der Bevölkerung Minimum (Stadt Dresden) Quelle: Team AOK 30,8 % Durchschnitt 46,7 % Maximum (Region Zwickau) 5
Morbidität in den einzelnen Regionen Anteil hypermorbider Versicherter AOK PLUS > 65 Jahre an Gesamtzahl Versicherter AOK PLUS > 65 Jahren, in Prozent 2025 35 50 25-29 0-20 30-34 20-24 Anteil 18,6 % hypermorbider Versicherter Minimum (Region Liebstadt, Sächsische Schweiz) Quelle: Team AOK 37,5 % Durchschnitt 59,5 % Maximum (Region Weilar, Wartburgkreis) 6
Zusammenfassung Demografischer Wandel Entscheidende Einflussfaktoren des Demografischen Wandels (insb. für die Regionen Sachsen und Thüringen) Rückgang der Bevölkerung Alterung der Bevölkerung Urbanisierung Geringere Wirtschaftskraft Versorgungslage in Sachsen und Thüringen steht vor großen Herausforderungen 7
Agenda I. Demografischer Wandel in Sachsen und Thüringen II. Versorgungssituation in Sachsen und Thüringen III. Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation Fazit 8
Versorgungslage in Sachsen und Thüringen Berufstätige Ärzte je 100 Tsd. Einwohner, 1991-2009 Sachsen +22% +11% Die Anzahl der Ärzte je 100 Tsd. Einwohner ist seit 1991 sowohl im 316 352 259 Bund als auch in Sachsen und Thüringen deutlich gestiegen - deutliche Steigerung in Thüringen Thüringen +29% +12% (+ 44,5%) 318 357 Damit grds. kein Versorgungsmangel 247 auf Bundes- bzw. Landesebene. Bund +19% +10% 361 397 304 1991 2001 2009 Quelle: Ärzteatlas WIDO; Team AOK 9
Versorgungsgrad in Sachsen und Thüringen Versorgungsgrad je Fachrichtung und Landkreis, Stand Januar 2011 in Prozent Überversorgung > 150% Überversorgung 110-150% Normalversorgung Unterversorgung Augenärzte Internisten Sachsen Sachsen Thüringen Thüringen Orthopäden Hausärzte Sachsen Sachsen Thüringen Thüringen Quelle: Team AOK 10
Altersstruktur der Hausärzte in Sachsen und Thüringen Anteile der Hausärzte > 60 und > 65 im Vergleich Anteile in Prozent Hausärzte > 60 Davon > 65 Abweichung vom Bundesdurchschnitt Sachsen Thüringen 24,8 +8% 25,3 +10% 12,6 +121% 12,8 +125% Deutschland 22,9 5,7 Deutliche Nachwuchsproblematik in Sachsen und Thüringen im hausärztlichen Bereich. Quelle: Team AOK 11
Zusammenfassung Versorgungssituation (+) steigende Arztzahlen im Bund sowie in Sachsen und Thüringen (+) hohe Arztdichte, zum Teil mit Überversorgung (-) Regionale Unterversorgung durch ungleichmäßige Verteilung der Ärzte (-) hohe Altersstruktur (insb. der Hausärzte) 12
Agenda I. Demografischer Wandel in Sachsen und Thüringen II. Versorgungssituation in Sachsen und Thüringen III. Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation Fazit 13
Lösungsvorschläge auf Landesebene kommunale Unterstützung Sektorenübergreifende Versorgung ( 116a SGB V Unterversorgung / Ermächtigungen) Förderung von Niederlassung Weiterbildung Allgemeinmedizin (Förderprogramm / Blockweiterbildung) Zweigpraxen/Filialpraxen Ideen/ Maßnahmen Delegierbare Leistungen Förderung von Medizinstudenten weitere... Erfolg ist nur erreichbar, wenn alle Verantwortlichen daran mitwirken 14
Beschlossene Förderpakete in Sachsen und Thüringen für Gebiete mit aktueller oder drohender Unterversorgung oder zusätzlichem lokalen Versorgungsbedarf: Investitionskostenzuschuss bei Praxisneugründung und Übernahme einer bestehenden Praxis in Höhe von bis zu 60.000 Investitionskostenzuschuss bei Gründung einer Zweigpraxis in Sachsen in Höhe von bis zu 6.000 und in Thüringen in Höhe von bis zu 15.000 Sachsen: Umsatzgarantie für neue Ärzte Thüringen: Haltearbeit Ärzte über 65 Jahre erhalten 1.500 je Quartal 15
Delegierbare Leistungen Delegierbar an nichtärztliche Mitarbeiter sind Leistungen, die der Arzt wegen ihrer Art oder der mit ihnen verbundenen besonderen Gefährlichkeit für den Patienten oder wegen der Umstände ihrer Erbringung, insbesondere der Schwere des Krankheitsfalles, nicht höchstpersönlich erbringen muss. Quelle: Bundesärztekammer 16
Delegierbare Leistungen (Beispiel Hausärzte) Wie können Hausärzte in strukturschwachen Gebieten entlastet werden und trotzdem für eine gute ambulante ärztliche Betreuung sorgen? Delegierbare Leistungen bei Hausärzten: Blutdruckmessungen, Arzneimittelkontrolle u.v.m. durch nichtärztliche Praxisassistenten Erprobt in Modellprojekten AGnES, VeraH, MoPra Überführt in eine Regelleistung Delegations-Vereinbarung, Anlage 8 BMV-Ä und EKV 17
Hausarztzentrierte Versorgung in Thüringen Hausarzt als Lotse für die Behandlung der Versicherten Vertragspartner: Thür. Hausärzteverband e. V. in Kooperation mit der KVT Vertragsbeginn: 1. November 2010 Teilnehmende Versicherte:* 62.160 leitliniengerechte Versorgung,speziell für chronisch Kranke Förderung ambulanter Operationen Optimierung der Praxisprozesse durch Softwareeinsatz mehr Zeit für den Patienten Einsatz einer VERAH 18
VERAH in der Hausarztpraxis Der Hausarzt kann verschiedene nichtärztliche Hilfeleistungen auf die VERAH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) delegieren und gewinnt somit mehr Zeit zur Behandlung und Betreuung seiner Patienten. bereits 38 VERAHs für 59 Ärzte im Einsatz 19
VERAH in der Hausarztpraxis (2) Aufgaben Überprüfung des Medikamentenplanes patientenbezogene Aufklärung über DMP- Programme Durchführung von Hausbesuchen bei delegierbaren Leistungen Überprüfung der häuslichen Situation regelmäßige Überprüfung der Verordnungen von Wundversorgungsmitteln Sturzprävention 20
Standpunkt der AOK PLUS Die Diskussion zur Delegierbarkeit von ärztlichen Leistungen sollte immer zum Ziel haben, dass die Qualität und die Patientenorientierung in der Behandlung im Vordergrund stehen. Patientensicherheit Qualität der Versorgung 21
Agenda I. Demografischer Wandel in Sachsen und Thüringen II. Versorgungssituation in Sachsen und Thüringen III. Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation Fazit 22
Was brauchen wir? Regionale sektorenübergreifende Versorgungskonzepte sektorenübergreifendes Planungsgremium mit Entscheidungskompetenz sektorenübergreifende Bedarfsplanungssysteme sektorenübergreifende Vertragssysteme Rahmenvorgabe durch die Bundesgesetzgebung 23
Wir sind Realisten! Bis zur Umsetzung von regionalen sektorenübergreifenden Versorgungskonzepten ist es noch ein weiter Weg. Deshalb verstärkter Abschluss von Selektivverträgen mit dem Ziel flächendeckende Versorgung sektorübergreifende Versorgung ganzheitliche Behandlungskonzepte Steigerung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung 24
Versorgungsstrukturgesetz (+) flexiblere Bedarfsplanung (Regionalität, Kleinräumigkeit) (+) Abbau von Unterversorgung (Landarztförderung) (+) Einführung sektorenübergreifende Versorgung (ambulante spezialärztliche Versorgung) (-) Abbau von Überversorgung (Praxenaufkauf ist nicht verpflichtend) (-) keine Bedarfsplanung und Mengensteuerung bei der spezialärztlichen Versorgung ( Wer kann, der darf ) 25
Fazit Für das Gesundheitssystem in Deutschland ist der Demografische Wandel eine Herausforderung und keine Gefahr. Voraussetzung ist, dass alle Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen rechtzeitig und gemeinsam versorgungs- und gesellschaftspolitische Veränderungen vereinbaren und umsetzen. 26
Vielen Dank für Ihr Interesse. Rolf Steinbronn IGES Innovationskongress, 27. Oktober 2011, Berlin
BACKUP
Versorgungssituation in Sachsen (1) Ärzte pro 10.000 Einwohner in Sachsen 40 35 30 29,8 3,0 sonstige stationär ambulant 30,5 30,9 31,2 31,6 32,0 32,6 33,1 33,5 34,0 34,0 3,0 3,1 3,1 3,2 3,1 3,2 3,3 3,2 3,3 2,9 3,4 34,7 35,4 3,4 36,5 3,7 25 20 14,2 14,7 14,8 14,9 15,0 15,5 15,9 16,4 16,9 17,2 17,6 18,0 18,6 19,6 15 10 5 12,8 12,9 13,1 13,3 13,5 13,6 13,6 13,5 13,7 13,6 13,6 13,6 13,6 13,4 0 1.997 1.998 1.999 2.000 2.001 2.002 2.003 2.004 2.005 2.006 2.007 2.008 2.009 2.010 Quelle: Sächsische Landesärztekammer 2011
Versorgungssituation in Sachsen (2) Altersentwicklung sächsischer Ärzte 25.000 20.000 66 Jahre und älter 15.000 60 bis unter 66 Jahre 50 bis unter 60 Jahre 10.000 40 bis unter 50 Jahre 5.000 0 35 bis unter 40 Jahre bis 35 Jahre 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Quelle: Sächsische Landesärztekammer 2011