Urlaubsanspruch bei langdauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit.



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Transkript:

Urlaubsanspruch bei langdauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Jürgen Jendral (HMAV) Entwicklung der Rechtsprechung: Grundsatzentscheidung des EuGH: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) positionierte sich in seinen Urteilen vom 20.1.2009 1 klar und eindeutig: Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt nicht bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, diesen ihm mit der Richtlinie 2003/88 gewährten Anspruch auszuüben. Wenn das Arbeitsverhältnis endet, ist es nicht mehr möglich, tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Um zu verhindern, dass dem Arbeitnehmer wegen dieser Unmöglichkeit jeder Genuss dieses Anspruches, selbst in finanzieller Form, verwehrt wird, sieht Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/ 88 vor, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle Vergütung hat. Anmerkung: Das in Leitsätzen dargestellte Urteil des EuGH bezieht sich auf den gesetzlichen Mindestjahresurlaub im Sinne von 3 BUrlG. Diese Rechtsprechung stieß auf massive Bedenken. Einige Arbeitgeber wiesen auf die enorme finanzielle Belastung hin und überlegten laut und medienwirksam über ihre Arbeitgeberverbände, dass der EuGH damit vermehrt personenbedingte Kündigungen wegen Krankheit provoziert. Auch Arbeitnehmerverteter sahen die Gefahr vermehrter Kündigungen bei längerer Krankheit und machten auch praktische Erfahrungen damit. Nach der vorstehend aufgezeigten Rechtsprechung des EuGH konnten langfristig erkrankte Arbeitnehmer ohne jede zeitliche Begrenzung Urlaubsansprüche ansammeln und sich diese im Falle der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses finanziell abgelten lassen. 1 EuGH, Urteile vom 20.1.2009: C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 1

Als Folge der Entscheidungen des EuGH gab das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine bisherige Rechtsprechung auf und schloss sich der Rechtsprechung des EuGH an. 2 Entwicklung der Rechtsprechung: Der EuGH ändert seine Rechtsauffassung: Mit Urteil vom 22. November 2011 3 änderte der EuGH seine vorstehend dargestellte Rechtsprechung Er nuancierte (welch eine wunderbare Wortkosmetik!) seine eigenen Schlussfolgerungen: In seinem Urteil kommt der EuGH nun zu der Rechtsauffassung dass es mit der seiner Rechtsprechung zugrunde liegenden europäischen Richtlinie vereinbar sei, in einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten, wie etwa Tarifverträgen, die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugszeiträume (Kalenderjahre) in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einzuschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt. Der Entscheidung lag ein Fall eines Arbeitnehmers zugrunde, auf dessen Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag anwendbar war, der bezüglich der Urlaubsübertragung folgende Regelung beinhaltete: Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf 30 Tage bezahlten Jahresurlaub, eine Abgeltung des nicht in Anspruch genommenen Jahresurlaubs ist nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zulässig, ein wegen Krankheit nicht genommener Jahresurlaub erlischt nach Ablauf einer Übertragungsfrist von 15 Monaten nach Ablauf des Bezugszeitraums (Kalenderjahr). 2 BAG, Urteil vom 24.3.2009, 9 AZR 983/07 3 EuGH, C-214/10 2

Aus aus der Urteilsbegründung des EuGH: Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Mindesturlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruches am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraumes umfassen. Weiter stellt der EuGH zunächst eine wichtige Voraussetzung für den Anspruchsverlust fest: Allerdings hat er dieser grundsätzlichen Feststellung die Voraussetzung hinzugefügt, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben muss, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben. Nun erkennt der EuGH in seinem Urteil jedoch, dass der Kläger während des gesamten Bezugszeitraums und über den im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums krankgeschrieben war und es keinen Zeitraum gab, in dem er in den Genuss seines bezahlten Jahresurlaubs hätte kommen können. Der EuGH spielt geschickt mit seiner eigenen Schlussfolgerung, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben muss, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben, indem er seine eigene Schlussfolgerung nuanciert : Diese Schlussfolgerung muss jedoch unter besonderen Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nuanciert werden. Begründet wird dies wie folgt: Andernfalls wäre nämlich ein Arbeitnehmer wie der Kläger des Ausgangsverfahrens, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig ist, berechtigt, unbegrenzt alle während des Zeitraums seiner Abwesenheit von der Arbeit erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln. 3

Ein derartiges unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub, die während des Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit erworben wurden, würde jedoch nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub entsprechen. Welchen Zweck hat der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Auffassung des EuGH? Der EuGH spricht von einem doppelten Zweck, der darin besteht es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Freizeit und Entspannung zu verfügen. Deshalb darf der Urlaubsanspruch eines während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreiten, denn, so der EuGH: Über eine solche Grenze hinaus fehlt dem Jahresurlaub nämlich seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine Eigenschaft als Zeitraum für Entspannung und Freizeit. Den Übertragungszeitraum von 15 Monaten, stuft der EuGH vernünftigerweise als Zeitraum ein, bei dessen Überschreitung der bezahlte Jahresurlaub für den Arbeitnehmer keine positive Wirkung als Erholungszeit mehr hat. 4

Der EuGH sieht, dass: Zugunsten der Arbeitnehmer gewährleistet sein muss, dass der Übertragungszeitraum die Dauer des Bezugszeitraums, für den der Anspruch gewährt wird, deutlich überschreitet. Zugunsten der Arbeitgeber sicherzustellen ist, dass sie vor der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den Schwierigkeiten, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können, geschützt werden. Der EuGH nimmt ferner Bezug auf Artikel 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Deutschland und 13 weitere Mitgliedsstaten der EU haben dieses Abkommen unterzeichnet, in dem es unter anderem heißt, dass der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen ist. Diese Vorschrift wird vom EuGH dahingehend aufgefasst, dass sie auf der Erwägung beruht, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann. Die jetzige Rechtslage geht von der Begrenzung des gesetzlichen Übertragungszeitraums auf 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres aus. 4 4 BAG 7.8.2012 9 AZR 353/10 5

Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des LAG Hamm verweist Conze zunächst auch darauf, dass krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres (=Bezugszeitraum) erlischt und stellt dann fest: Generell dürfte in solchen Fällen eine Verfallsfrist von 18 Monaten in Betracht kommen. 5 Hier nochmals der wichtige Hinweis, dass grundsätzlich immer zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch nach 3 Bundesurlaubsgesetz in Höhe von 20 Tagen bei einer Fünftagewoche bzw. dem Zusatzurlaub nach 125 SGB IX für schwerbehinderte Menschen und dem tariflichen Mehrurlaub nach 26 TV- EKBO zu unterscheiden ist. Für den Teil des tariflichen Mehrurlaubs nach 26 TV-EKBO, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt, bleibt es bei den tariflichen Verfallsfristen. Urlaubsanspruch im ruhenden Arbeitsverhältnis (befristete Rente wegen Erwerbsminderung): Hierzu verweise ich auf das Rundschreiben unseres Arbeitsrechtsreferenten Dr. Markus Kapischke vom 30.08.2012 (Ref. 7.2. Az.2306-32:00). Dort wird (unter Bezugnahme auf 33 Abs. 2 TV-EKBO und die Rechtsprechung des BAG) festgestellt: (...) dass auch dann ein Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub besteht, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat und eine tarifliche Regelung bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis während des Bezugs dieser Rente auf Zeit ruht. Damit ist auch im Geltungsbereich des TV-EKBO davon auszugehen, dass Mitarbeitern, die eine befristete Erwerbsminderungsrente beziehen, der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub zusteht, der dann nach dem Ende des Ruhens des Arbeitsverhältnisses zu erfüllen bzw. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten wäre. Auch hier verfällt der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. 5 Conze / Karb: Personalbuch Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst, 3. Auflage, Rdnr. 3051 a, unter Bezugnahme auf: LAG Hamm vom 12.1.2012, 16 SA 1352/ 11. 6