Berlin, 2.12.2014 Der Spiegel Ausgabe 49 ziert ein Cover mit dem Titel Volksverdämmung, Verdämmt in alle Ewigkeit. Der Gesamtverband Dämmstoffindustrie e.v. stellt zu denen vom Spiegel erhobenen Vorwürfen gegenüber der guten Praxis jahrelanger Fassadendämmung folgendes richtig: 1. Wärmedämmung rechnet sich nicht: Studien belegen, wie sich Bauherren systematisch verschätzen, wenn sie auf die Angaben der Dämmstoffhersteller trauen. Die Kosten der Wärmedämmung sind oft höher, die Energieeinsparungen hingegen niedriger als erwartet. GDI: Es gibt viele Studien*, die belegen, dass sich Wärmedämmung lohnt. Zahlreiche erfolgreiche Sanierungsprojekte - bei denen die Fassade verschönert wurde, die Heizkosten gesunken sind und das Innenraumklima behaglicher geworden, sind einfach zu finden. Denn sie stehen von Flensburg bis Passau, von Aachen bis Cottbus überall in Deutschland. 2. Styropor ist gefährlicher Sondermüll. GDI: Styropor ist kein Sondermüll. In Verbindung mit anderen Bau- oder Abbruchabfällen ist Styropor dem Abfallschlüssel 17 09 04 zugeordnet und gilt damit als nicht gefährlicher Abfall. 3. Arbeitsmediziner sehen die Gesundheit von Bauarbeitern gefährdet, die Styropor an die Hausfassade anbringen, sollten diese ohne Mundschutz hantieren. Nach dem heutigen Erkenntnis- und Wissensstand geht von der Verwendung von Styropor keine nachweisliche gesundheitliche oder umweltrelevante Gefährdung aus. GDI: Polystyrol ist physiologisch unbedenklich und für Lebensmittelverpackungen z. B. für rohes Fleisch oder Fisch uneingeschränkt zugelassen. 4. Der verordnete Dämmwahn bedroht die Akzeptanz der Energiewende. (Überall in der Republik klagen Betroffene über den verordneten Styropor-Zwang.) GDI: Die EnEV sieht für den Gebäudebestand keine Pflicht vor, die Fassade zu dämmen. Vorschrift ist lediglich das Dämmen der obersten Geschossdecke und der Kellerdecke. Aber 1
auch hier mit Ausnahmen: Ausgenommen von der Nachrüstverpflichtung sind z.b. selbst genutzte Häuser mit maximal zwei Wohnungen, wenn der Eigentümer schon vor dem 1. Februar 2002 im Haus gewohnt hat. Hier greift die Dämmpflicht nur bei einem Eigentümerwechsel. Sanktionen bei Nichtbeachtung gibt es bisher nicht. Wer bei seinem Haus an den Außenwänden eine Fassadendämmung anbringen möchte, muss die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV 2014) einhalten. Das heißt aber nicht, dass hier ein Ordnungsrecht vorliegt, dass etwa eine Wärmedämmung mit Styropor vorschreibt. Jedem Bauherren bleibt es selbst überlassen, welches Dämmmaterial er wählt. Nur ca. 16 Prozent der Dämmstoffe werden in Wärmedämmverbundsystemen verwendet. Der verbleibende Rest entfällt auf die Dämmung von Dach, Boden und Innenwand, sowie die Kerndämmung von Ziegelwänden. Wer die Verschandelung der Städte beklagt, sollte an Architekten und Bauherren appellieren, die vorhandenen technischen und gestalterischen Möglichkeiten der Wärmedämmung besser zu nutzen. Der Erfolg der Energiewende ist hingegen gefährdet, werden die enormen Energieeinsparpotenziale im Gebäudebereich nicht gehoben: Der Gebäudebestand ist für circa 30 Prozent des Treibhausgasausstoßes in Deutschland verantwortlich. 40 Prozent des Primärenergieverbrauchs entfällt auf den Gebäudesektor. Da die Energie am umweltfreundlichsten ist, die gar nicht erst verbraucht wird, ist die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden der Schlüssel zur Energiewende. Die energetische Sanierung von Gebäuden durch Wärmedämmung und energieeffizientere Neubauten sind wichtige Schritte, um die gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen. 5. Der Bedarf für Sanierungen besteht nicht. Doch solche Immobilien (unsaniertes Haus aus den frühen Nachkriegsjahren) gibt es in Deutschland kaum noch. GDI: Eine umfassende Untersuchung zum Gebäudebestand in Deutschland wurde von der Arge Kiel durchgeführt. Die Studie Wohnungsbau in Deutschland 2011 Modernisierungen oder Bestandsersatz kommt zu dem Ergebnis, dass in den älteren Gebäudealtersklassen (errichtet vor der ersten Wärmeschutzverordnung 1977) zwar bereits insgesamt viele Sanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Jedoch entfallen die meisten Maßnahmen auf die Kategorie teils modernisiert, das heißt es wurde maximal die Anlagentechnik erneuert oder eine Maßnahme an der Gebäudehülle durchgeführt. Die Mehrzahl der Häuser aus der Zeit in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg ist daher noch weit entfernt von den heutigen energetischen Standards. Auch die Wohnhäuser, die vor der Einführung der Wärmeschutzverordnung von 1995 gebaut wurden, sind bis heute größtenteils nur gering modernisiert und bedürfen einen größeren Modernisierung, um dem heutigen energetischen Standards gerecht zu werden. Die Metastudie Wärmedämmstoffe des Forschungsinstitutes Wärmeschutz e.v. München (FIW) im Auftrag der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR kommt zu dem Ergebnis, dass derzeit 65 Prozent aller Wohngebäude in Deutschland modernisierungsbedürftig sind. 2
6. Die Dämmung hat Schuld an Mieterhöhungen: In der Praxis führt die teure Dämmung der Wände dazu, dass die Modernisierungskosten die späteren Einsparungen häufig um den Faktor drei bis vier übersteigen, wie der Deutsche Mieterbund ermittelt hat. GDI: Energetische Sanierungsmaßnahmen werden als wohlfeile Begründung für Mieterhöhungen gerne ins Feld geführt. Tatsächlich sind die Kosten für Wärmedämm- Maßnahmen gering gegenüber anderen Maßnahmen wie z. B. der Modernisierung der sanitären Anlagen, Einbau von Balkonen und Aufzügen, von den steigenden Grundstückpreisen und Renditeerwartungen ganz zu schweigen. Die Arbeitsgemeinschaft für Zeitgemäßes Bauen hat ermittelt, dass die Lebenshaltungskosten seit dem Jahr 2000 um 24 Prozent gestiegen sind und die Baukosten um zirka 25 Prozent. Die Wärmedämmung geht dabei gegen den Trend. Sie ist eher günstiger geworden und ist unterhalb der Teuerungsrate geblieben. Die Materialkosten der Dämmstoffe in einem Neubau betragen etwa 1-2 % an den gesamten Baukosten. Würde der Dämmstoffpreis hypothetisch -um 60 % steigen, würden die Gesamtbaukosten demnach um 0,6 1,2 % zunehmen. Das kann nicht als Erklärung für die Mieterhöhungen um 30 % dienen, Die Investitionskosten für Wärmedämmverbundsysteme sind bei gleicher energetischer Qualität in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Die Dämmung der Gebäudehülle gehört nicht zu den Kostentreibern am Bau. Der Anteil des Rohbaus einschließlich der Dämmung an den Gesamtbaukosten ist nach Angaben der Immobilienwirtschaft von 54 % (2000) auf 46 % (2014) zurückgegangen. Der Eigentümer bekommt heute einen höheren Wärmeschutz für das gleiche Geld als noch vor 10 oder 20 Jahren. 8. Brand: Fassadenplatten aus Styropor sind gefährlicher, als die Industrie in ihren Werbekampagnen behauptet. GDI: Die deutsche Dämmstoffindustrie setzt sich innerhalb von Europa für ein hohes Sicherheits- und Qualitätsniveau ein. Alle in Deutschland verwendeten Dämmstoffe sind bauaufsichtlich zugelassen und sicher. Die bisherigen Regelungen zum Brandschutz basieren auf dem Brandszenario Wohnungsbrand, also Brand von innen. Nach Aussage der Branddirektion Karlsruhe entsteht die überwiegende Anzahl von Bränden im Inneren von Gebäuden. Die Bauministerkonferenz hatte für dieses Szenario eine Analyse durch unabhängige Experten in Auftrag gegeben, die 2013 ergab, dass WDV-Systeme für diesen Fall mit den Anforderungen z.b. an Brandriegel, wie sie in den Zulassungen der WDV-Systeme vorgeschrieben sind, sicher sind. In ihrer 126. Bauministerkonferenz (BMK) am 13./14.November 2014 haben die Bauminister über ein neues Brandszenario Feuer, verursacht von außen berichtet. Das Ergebnis, so die BMK, hat gezeigt, dass neue und ergänzende Regelungen sinnvoll sind. Deshalb werden Änderungen in den Zulassungsbestimmungen vorgenommen, insbesondere bei Neubauten, Erneuerungen und der nachträglichen Dämmung bestehender Gebäude. Die Dämmstoffindustrie hat Lösungen entwickelt und im Einsatz, um Wärmedämmverbundsysteme brandschutztechnisch zu optimieren. Dazu gehört der a) der Einsatz von Brandriegeln, um die Brandausbreitung lokal zu begrenzen und b) die Entwicklung von neuen Lösungen, um eine Brandausbreitung selbst in unverputztem Zustand zu begrenzen. 3
Auch wird die BMK für bestehende Gebäude Empfehlungen wie beispielsweise Abstände für oder Einhausungen von Müllcontainern aussprechen. Der IVH unterstützt diese Empfehlung ausdrücklich. 9. HBCD: Die acht Hersteller, die nach eigenen Angaben die Hälfte des europäischen Marktes beherrschen, wehren sich. Sie wollen erwirken, dass der Einsatz von HBCD in Dämmplatten bis mindestens 2019 erlaubt bleibt. GDI: Die von der UN-Chemikalienkonferenz beschlossene Aufnahme von HBCD in die weltweit geltende Stockholm-Konvention über persistent organische Schadstoffe (POPs), sieht ein grundsätzliches Verbot ab Sommer 2015 vor. Den jeweiligen Vertragsstaaten werden für ihren Bereich jedoch Übergangszeiten bis 2019 eingeräumt. Ein Konsortium, zu dem mit Ausnahme von BASF vornehmlich Rohstoffhersteller wie Versalis (Mailand / Italien), Ineos (Rolle / Schweiz), StyroChem (Porvoo / Finnland) und Synthos (Oswiecim / Polen) angehören, stellte vor Anlauf der Einreichungsfrist am 21. Februar 2014 einen entsprechenden Antrag bei der Europäischen Chemikalienagentur. Eine Entscheidung darüber wird für Ende 2014 erwartet. Die Mitglieder des Industrieverband Hartschaum e.v. (IVH), die unter dem Dach des Gesamtverband Dämmstoffindustrie e.v. GDI versammelt sind, haben sich schon frühzeitig auf europäischer Ebene ausdrücklich gegen eine mögliche Verlängerung eingesetzt. Die deutschen Dämmstoffhersteller werden alle schon gegen Ende des Jahres 2014 ihre Styroporplatten ohne HBCD produzieren. Der größte Teil der IVH-Mitglieder hat bereits Mitte 2014 das Flammschutzmittel umgestellt, damit ein drei Viertel bis einem Jahr vor dem Fristtermin 21.08.2015. 10. Auf Deutschland kommt ein großes Recycling-Problem zu. GDI: Wärmedämmstoffe halten so lange wie die gedämmten Bauteile, erfordern im Gegensatz zur Haustechnik keine Instandhaltung und verursachen keine Folgekosten. Wird heute ein Gebäude saniert, so verbleiben die vorhandenen Dämmstoffe oft im Gebäude, während Installationen regelmäßig ersetzt werden. Dämmstoffabfälle von Styropor werden thermisch wiederverwertet, d.h. sie werden der energetischen Verwertung in Müllheizkraftwerken zugeführt. Die Abfallmengen von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) sind aufgrund ihrer langen Lebenszyklen gegenwärtig sehr gering. Bei einer Sanierungsquote von unter einem Prozent in Deutschland wird deshalb auch mit keinen größeren Mengen zu rechnen sein. Zum Vergleich: Das gesamte Abfallaufkommen in Deutschland beträgt derzeit knapp 390 Millionen Tonnen, davon sind geschätzt maximal 10.000 Tonnen EPS aus WDVS. Unabhängig davon werden heute schon Lösungen entwickelt, um in der Zukunft auch größere Mengen von Wärmedämmverbundsystemen zurückzubauen. Verschiedene Forschungsvorhaben zur energetischen Verwertung oder zum Recycling von 4
Wärmedämmverbundsystemen wie der CreaSolv-Prozess des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising stellen vielversprechende Ansätze dar, wie aus gebrauchten Materialien neue Rohstoffe gewonnen werden können. * IWU 2008: http://www.iwu.de/fileadmin/user_upload/dateien/energie/werkzeuge/wirtschaftlichkeit_enev_bestand.pdf Dena Sanierungsstudie 2010/11:http://www.dena.de/fileadmin/user_upload/Presse/studien_umfragen/Sanierungsstudie/dena- Sanierungsstudie_Teil_1_MFH.pdf http://www.dena.de/fileadmin/user_upload/presse/meldungen/2012/12-03-26_dena-sanierungsstudie_einfamilienhaeuser.pdf ARGE 2011: http://www.dgfm.de/uploads/media/arge-kiel-kurz_01.pdf IWU 2013: http://www.bausparkassen.de/fileadmin/user_upload/pdf_service/endbericht_energetische_sanierung_dez2013.pdf 5