1 Socially Responsible Investments (SRI) in Deutschland - Stellungnahme Univ.-Prof. Dr. Henry Schäfer Stellungnahme anlässlich der Sitzung der Arbeitsgruppe 6 des nationalen CSR-Forums am 12. Oktober 2009 in Berlin
2 Besonderheiten von SRI in Deutschland (1) Finanzmarktnische mit nicht ganz 1% Anteil an den professionell verwalteten Assets under Management (25,5 Mrd. EUR Publ.Fonds) Hauptanbieter für Privatanleger von SRI sind traditionell deutsche Kirchenbanken und Nischenbanken, Schweizer und EU-Adressen Angelsächsisch getriebenes Produktangebot: von 301 Fonds, ca. 3/5 Aktienfonds, 30% jeweils hälftig Anleihen- und Mischfonds, Rest Dachfonds, ETFs, teilweise stark themengetrieben institutionelle Anleger: primär Kirchen nahestehende Einrichtungen, verstärkt Stiftungen, kaum Altersvorsorgeinrichtungen, Versicherungen und Unternehmen Privatanleger: im LoHaS-Bereich für Nachhaltigkeit sensibilisiert, SRI-affiner Anlegertyp: tendenziell gut bis sehr gebildet, Bezieher höherer Einkommen, hat Erfahrung mit Aktien und Investmentfonds
3 Besonderheiten von SRI in Deutschland (2) Gesetzliche Pflicht: 115 Abs. 4 VAG und 1 Absatz 1 Alterszertifizierungsgesetz - keine wirkliche gesetzlich signifikante Verpflichtung, Altersvorsorgegelder in SRI anzulegen Engagement findet so gut wie nicht statt. CSR-Umsetzung außerhalb SRI hoch: gesetzliche Vorgaben z.b. Mitbestimmung, Betriebsverfassungsges., Mitarbeiterbeteiligungen Anlageobjekte fehlen: in die Mehrheit der deutschen Unternehmen keine SRI möglich, da nicht börsennotiert Arm s Length Principle der Unternehmensfinanzierung in D: Kreditinstitute in einer potenziellen Rolle als SRI-Investoren (via Kreditgeschäft), spielen sie aber nicht Renaissance der Deutschland AG? öffentliche Wahrnehmung: Nachhaltigkeit dominiert von Umwelt-, insbesondere Energie- und THG-Themen
4 Problemzonen von SRI in Deutschland (1) SRI derzeit rein Produkt bezogen verstanden Nachhaltigkeit sollte sich auch erstrecken auf das Beratungsangebot von Banken und Sparkassen hinsichtlich privater Finanzplanung SRI-Produktangebot passt nicht zu den Anlagewünschen der meisten Privatanleger und vieler institutioneller Anleger (Pensionskassen, etc.) Andererseits fehlen SRI-Beteiligungsprodukte, die in nicht börsennotierte Unternehmen investieren lassen ( grünes Private Equity, Venture Capital) SRI sind meist sehr erklärungsbedürftige Anlageformen verantwortungsvolle Anlageberatung erforderlich generell hohe Intransparenz bei Anlegern bzgl. SRI und Ratings, keine verlässlichen Erkennungsmerkmale wie in anderen Nachhaltigkeitsfeldern (z.b. Bio-Label, Textiles Vertrauen, PEFC, LEED)
5 Problemzonen von SRI in Deutschland (1) Wachsende SRI-Vielfalt bei nicht börsennotierten Anlagen (Mikrofinanz-Investmentfonds, nachhaltige Forstfonds, Zertifikate geschlossene Fonds, GmbH-Anteile, Genussscheine etc.) Spenden-Verdacht vieler Anleger: SRI führt zu einem Verlust im Anlageerfolg Sinn- und Impact-Frage: Mit Müll trennen kann man mehr für die Umwelt tun, als mit Sparen, Geld ist immer etwas Unsauberes, Zinsen sind Ausbeutung Konventionelle Bankinstitute und Finanzmärkte insgesamt haben teilweise Glaubwürdigkeit in Sachen Nachhaltigkeits- Transmitter verspielt mangelnde finanzielle Bildung der Privatanleger blockiert Zugänge zu SRI
Was bewirken SRI? (Forschungsstand, sehr gerafft) Transmitter Fremdkapital: o o Bankkredite: teilweise müssen umweltrisiko-behaftte Unternehmen höheren Risikoaufschlag zahlen (höhere Kapitalkosten) Anleihen: so gut wie kaum relativ niedrigere Credit Spreads von als besonders nachhaltig gerateten Unternehmen nachweisbar Transmitter Eigenkapital: o o Liegen nur für börsennotierte unternehmen vor Doing good by doing well? Doing well by doing good? Ereignisstudien belegen manchmal kurzfristige Wirkungen auf den Aktienkurs, wenn Nachhaltigkeitsthemen für ein Unternehmen relevant werden (negative externe Effekte) Transmitter Engagement: für Deutschland keine Studien, international kommt man zu sehr widersprüchlichen Ergebnissen, keine belastbaren Aussagen möglich 6
Impulse zur Weiterentwicklung von SRI in Deutschland (1) Privathaushalte: Qualitätsinitiative vergleichbar eines Bio Labels für SRI Informationsoffensive der öffentlichen Hände (z.b. Bundesz. f. polit. Bildung) Rette die Welt mit deinem Geld Institutionelle Investoren : Betriebliche Altersvorsorgeeinrichtungen: gesetzliche Regelungen analog SRI-förderlicher Regelungen wie in UK oder F Bei Stiftungen Aufhebung des Trennprinzips, wenn Stiftungszweck auch mit SRI erreichbar ist (Änderung u.a. 58 AO nötig) Unternehmen (Anlageobjekte): Gesetzliche Verpflichtung zur regelmäßigen Berichterstattung zwecks Transparenz für börsennotierte Unternehmen Besondere Rolle von Non-Financial Key Performance Indicators (überschaubare, inhaltlich fixierte Anzahl) 7
Impulse zur Weiterentwicklung von SRI in Deutschland (2) Finanz-/Versicherungsinstitute: Politik/Eigentümer sollten von öffentlichen/öffentlich-rechtlichen Instituten mehr SRI-Angebote fordern, vorhandene Aktivitäten unterstützen Integration von Nachhaltigkeitsthemen und SRI in die Mitarbeiterqualifizierung Nachhaltigkeit im Beratungs- und Betreuungsprozess berücksichtigen Anleger/Versicherten bedarfsgerechte SRI-Anlage- /Versicherungsprodukte anbieten Rating-Agenturen: zur Einhaltung von Qualitätsstandards und Transparenz ihrer Arbeit verpflichten Staat: Reform der Novelle des Investmentgesetzes von Ende 12/2007 Erhöhung der Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen über PPP und Verbriefung als (verzinsliches) SRI-Produkt Gesetzliche Verpflichtung zur Berücksichtigung von SRI in den staatlichen Kapitalanlagen 8
9 Koordinaten Universität Stuttgart Univ.-Prof. Dr. Henry Schäfer BWI/Abt. III (Finanzwirtschaft) Keplerstr. 17 D- 70174 Stuttgart Fon: +49-(0)711-685 86001 Fax: +49-(0)711-685 86009 h.schaefer@bwi.uni-stuttgart.de www.susfin.uni-stuttgart.de