Tiergesellschaften Sozialverhalten bei Tieren (1)

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Transkript:

Tiergesellschaften Sozialverhalten bei Tieren (1) Ein Film von Wolfgang Voelker Beitrag: Dr. Horst Wisniewski Inhalt Tierdressur und ihre Folgen Dressuren widersprechen normalerweise dem natürlichen Verhalten von Tieren. Elefanten, die Wasserski fahren oder Fußball spielen, Schimpansen, die rauchen oder eine Fernsehsendung "moderieren", wurden nur durch Zwang oder Belohnung dazu gebracht, sich so untypisch für ihre Art zu verhalten. Welche gefährlichen Folgen das Aneignen menschlicher Verhaltensmuster haben kann, zeigt sich bei Tieren, die lange in Gemeinschaft mit dem Menschen lebten. So müssen etwa Orang-Utans bei ihrer Auswilderung Verhaltensweisen wie Futter suchen oder Hangeln erst mühsam erlernen. Nur so haben sie in der Wildnis eine Überlebenschance. Erforschung des tierischen Verhaltens Zu den Begründern der vergleichenden Verhaltensforschung zählen Konrad Lorenz (1903-1989) mit seinen Versuchen zur Prägung von Tieren und Karl von Frisch (1886-1982), der unter anderem die Sprache der Bienen erforschte. Auch Wolfgang Köhler (1887-1967) hatte mit seinen Experimenten zum einsichtigen Lernen bei Schimpansen Anteil bei der Entwicklung der Verhaltensforschung. In den letzten Jahren sind die Ursachen und die unterschiedlichen Aspekte tierischen Sozialverhaltens in den Blickpunkt der empirischen Forschung gelangt. Die Wissenschaftler beschäftigen sich dabei mit den unterschiedlichsten Tierarten. Von den staatenbildenden Insekten wie Bienen und Ameisen, über Zugvögel und Fische bis hin zu den Säugetieren werden Verhaltensmuster der Paarbeziehung, der Gruppenbildung oder der Feindabwehr untersucht. Die verschiedenen Formen dieses Sozialverhaltens dienen dabei sowohl dem Leben als auch dem Überleben des einzelnen Individuums. Natürliches Sozialverhalten Nicht nur bei in der freien Wildbahn lebenden Schimpansen, Orang-Utans und Gorillas regeln bestimmte Verhaltensweisen die Beziehungen der Tiere untereinander. Bei den Menschenaffen äußert sich dieses Sozialverhalten unter anderem in Streit und Aggression, in Zuneigung und Sex, in der Pflege und Aufzucht der Jungen, in der Nahrungsbeschaffung, dem Werkzeuggebrauch und der Selbstmedikamentation in Krankheitsfällen. Allerdings zeigen sie, je nach Art, dabei deutlich unterschiedliche Verhaltensmuster. Während Orang-Utans Einzelgänger sind, lebt ein Gorillamännchen in einer haremsähnlichen Gruppe mit mehreren Weibchen zusammen. Schimpansen bilden streng hierarchisch aufgebaute Großfamilien. Das Sozialverhalten vieler Tiere ist genetisch bestimmt. Aber je höher entwickelt ein Lebewesen ist, umso größer werden Bayerischer Rundfunk 1

die Verhaltensanteile, die erlernt und innerhalb der Gruppe modifiziert, verbessert und weitergegeben werden können. Auswirkungen der Verhaltensforschung Die Ergebnisse der tierischen Verhaltensforschung führen immer mehr dazu, diese auch bei Haus- oder Zootieren anzuwenden. Hühner werden heute vielfach nicht mehr in engen Legebatterien, sondern artgerecht gehalten. Dies trifft auch auf andere Nutztiere wie etwa Schweine zu. Auch bei der Haltung von Wildtieren im Zoo und der Gestaltung von Tierhäusern in zoologischen Gärten berücksichtigt man die Erkenntnisse über die natürlichen Verhaltensweisen der Tiere. Und erfolgreiche Tiertrainer arbeiten inzwischen längst nicht mehr nur nach dem Belohnung-Strafe-Prinzip. Auch sie nutzen bestimmte Verhaltensweisen, zum Beispiel den Spieltrieb oder Unterwerfungsrituale, für ihre Dressuren. Kommunikation im Tierreich Eine grundlegende Voraussetzung für jedes soziale Zusammenleben ist die Fähigkeit zur Kommunikation. Die e i n z e l n e n Mitglieder einer Gruppe müssen sich verständigen können. Dazu verfügen auch Tiere über Sprachen. Allerdings darf man diese nicht im Sinne einer menschlichen Sprache verstehen. Viele dieser Tiersprachen bleiben der Wahrnehmung unserer Sinne verborgen. Selbst Vögel - wie etwa die Kolkraben - die gut verständliche menschliche Laute hervorbringen, können dennoch nicht mit dem Menschen kommunizieren. Allerdings gibt es schon seit einiger Zeit beispielsweise bei Schimpansen oder Orang-Utans Versuche, eine Zeichensprache zu entwickeln, die eine Verständigung zwischen Mensch und Tier ermöglicht. Fakten Die Mitbegründer der klassischen Verhaltensforschung Karl von Frisch (1886 1982) wurde in Wien geboren. Er studierte anfangs Medizin und wechselte dann zur Zoologie, seinem eigentlichen Interessengebiet. Als Professor lehrte er u. a. in München. Er wies nach, dass Fische verschiedene Töne und Farben voneinander unterscheiden können. Berühmt wurde er durch die Entdeckung und Entschlüsselung der Bienensprache. Dabei stellte er fest, dass sich Bienen gegenseitig die Lage, die Art sowie die Entfernung und Ergiebigkeit einer Futterquelle mitteilen können. Konrad Lorenz (1903-1989) wurde wie Karl von Frisch in Wien geboren. Auch er studierte Medizin und Zoologie. Bereits in frühester Jugend beschäftigte er sich insbesondere mit Vögeln, wie Dohlen, Kolkraben und vor allem mit Gänsen. Seine Tiere hielt es stets frei lebend, um ihr Verhalten unter möglichst natürlichen Voraussetzungen beobachten und untersuchen zu können. Als Professor lehrte und forschte er in Königsberg. 1961 wurde er Leiter des Max-Planck-Instituts für Verhaltensforschung in Seewiesen bei Starnberg. Berühmtheit erlangte er unter anderem durch die Erforschung des Phänomens der Prägung, wobei er herausfand, dass Gänseküken erst lernen müssen, wer ihre Mutter ist. Nikolaas Tinbergen (1907-1988) war Professor für Zoologie in Leiden (Holland). Er beschäftigte sich unter anderem mit den evolutionären Ursprüngen vieler gesellschaftlicher Signale und ihren nachfolgenden Ritualisationen. Tinbergen, der die gegenseitige Wechselwirkung zwischen Raubtier und Beute betonte, erhielt 1973 zusammen mit Karl v. Frisch und Konrad Lorenz den Nobelpreis für Medizin. Bayerischer Rundfunk 2

Faktoren des Verhaltens Damit Tiere bestimmte Verhaltensweisen ausüben, müssen sie dazu in der richtigen "Stimmung" sein, es muss eine Handlungsbereitschaft vorhanden sein. So geht beispielsweise ein Löwe nur dann auf Jagd, wenn er Hunger hat und ein Wolf sucht sich nur dann einen Partner zur Fortpflanzung, wenn in seinem Blut die nötigen Sexualhormone vorhanden sind. Doch die Handlungsbereitschaft allein genügt noch nicht, um ein Verhalten auszulösen. Wenn ein Löwe Hunger hat und dann von weitem eine Antilope erblickt, schleicht er auf diese zu und versucht sie zu fangen. Die Antilope wirkt auf den Löwen als Reiz. Sie ist der Schlüssel zum Auslösen des Fangverhaltens. Man spricht in diesem Fall daher auch von einem Schlüsselreiz. Solche Schlüsselreize können nicht nur Beutetiere oder Feinde sein, sondern beispielsweise auch Wärme oder Dunkelheit. Wird ein bestimmtes Verhalten durch einen Artgenossen ausgelöst, bezeichnet man diesen Reiz als Auslöser. Dringt beispielsweise eine Katze in ein fremdes Revier ein, kommt es meist schnell zu einer Auseinadersetzung mit dem Revierinhaber: Die fremde Katze ist der Auslöser eines Drohund Aggressionsverhaltens. Jeder Schlüsselreiz oder jeder Auslöser kann immer nur eine ganz bestimmte Verhaltensweise in Gang setzten. Dafür sorgen die so genannten Auslösemechanismen. Sie wirken im Gehirn wie Filter, die bloß jenen Reiz aus der Vielfalt der eintreffenden Reize auswählen, der für das Lebewesen in der jeweiligen Situation gerade wichtig ist. Und dieser Reiz löst dann das entsprechende Verhalten aus. Ein Stichlings-Weibchen mit einem normalen Körperumfang wird von einem Männchen nicht beachtet. Dagegen löst ein Weibchen mit einem dicken Bauch beim Stichlings-Männchen sofort ein auffälliges Balzverhalten aus. Die Auslösemechanismen sind teilweise angeboren. Zum Teil werden sie aber durch Lernen auch verändert. Bedingte Reaktion Kennt eine Erdkröte noch keine Mehlwürmer, so löst der Geruch eines Mehlwurms bei ihr keine Fangreaktion aus. Es ist ein neutraler Reiz. Hat die Erdkröte aber bereits mehrfach Erfahrungen mit Mehlwürmern als geeigneten Nahrungsobjekten gemacht, reagiert sie auf den Mehlwurmgeruch mit einer Fangreaktion. Auch die Bewegung eines Mehlwurms führt stets zu einer Fangreaktion. Sie stellt einen unbedingten Reiz dar. Macht eine Erdkröte mehrfach die gleichzeitige Erfahrung von einem sich bewegenden Mehlwurm und seinem typischen Geruch, lernt sie den Zusammenhang zwischen beiden Reizen. Als Folge reagiert sie jetzt auch allein auf den Geruch. In diesem Fall ist der Mehlwurmgeruch nun kein neutraler Reiz mehr, sondern ein bedingter Reiz. Dieser löst eine bedingte Reaktion aus. Diese Form des Lernens bezeichnet man als Bildung bedingter Reaktionen oder auch als klassische Konditionierung. Sie wurde von dem russischen Nobelpreisträger Iwan P. Pawlow (1849 1936) entdeckt und intensiv untersucht. Nachahmung Seit 1948 erforschen Wissenschaftler auf der japanischen Insel Koshima das Verhalten der dort vorkommenden Rotgesichtsmakaken. Die Tiere leben normalerweise in kleinen Gruppen mit einer ausgeprägten Rangordnung. Um sich die Beobachtung zu erleichtern und die Affen am Beobachtungsort zu halten, wurden sie mit Süßkartoffeln gefüttert. Im Jahre 1953 beobachtete man nun erstmals, wie das 1½-jährige Weibchen Imo eine Süßkartoffel zu einem Bach brachte, diese wusch und erst dann verzehrte. Den Waschvorgang, bei dem sie den anhaftenden Sand sorgfältig abspülte, wiederholte Imo in der Folgezeit regelmäßig. Wenige Wochen später hatten auch Imos Mutter und einige wenige Spielgefährten dieses Verhalten übernommen. 1957 wuschen dann aber bereits 15 Affen und 1962 sogar 42 von den 59 Tieren der Beobachtungsgruppe ihre Süßkartoffeln vor dem Verzehr. Nur die ranghohen erwachsenen Männchen übernahmen das Verhalten nicht. Erst bei den nachfolgenden Generationen säuberten alle Tiere ihre Kartoffeln. Das durch Nachahmung erlernte Verhalten war so zur Tradition geworden. Bei einer anderen Gruppe von japanischen Makaken konnte man eine ähnliche Traditionsbildung beobachten: Einzelne junge Tiere fanden heraus, dass besonders im kalten Winter das Baden in warmen Quellen sehr angenehm ist. Auch hier ahmten in der Folgezeit vor allem rangniedere Tiere dieses Verhalten nach. Das Lernen durch Nachahmung ist abhängig vom Zuschauen und Abgucken. Es ist an die jeweilige Situation gebunden. Nur in dieser Situation werden die Informationen weitergegeben. Bayerischer Rundfunk 3

Einsichtiges Verhalten Im Jahre 1920 machte W. Köhler in der Schimpansenstation auf Teneriffa folgende Beobachtung: Eine Banane war von ihm so hoch an der Decke eines Schimpansenkäfigs aufgehängt worden, dass die Schimpansen sie nicht erreichen konnten. Einer der Schimpansen saß bei dem Versuch zunächst da und betrachtete die Situation. Im Käfig lagen auch mehrere Holzkisten herum. Die Tiere fanden die Lösung auf Anhieb. Sie benötigten keine Einübung und kein Vorbild. Köhler nannte dieses Verhalten, das zielgerichtet und neu kombiniert auftrat, einsichtiges Handeln. Man kann dies auch bei frei lebenden Schimpansen beobachten. Plötzlich sprang das Tier auf und schob drei Kisten an die Stelle, über der die Banane hing. Vorsichtig stapelte es die Kisten übereinander, baute einen Turm daraus und kletterte an ihnen hoch, um sich die Banane zu holen. Köhler konnte in anderen Versuchen auch beobachten, dass Schimpansen Stöcke ineinander steckten, um damit an die Nahrung zu gelangen. Didaktische Hinweise Die Sendung eignet sich für den Einsatz im Biologieunterricht ab der Jahrgangsstufe 7 des Gymnasiums, der Realschule und der Haupt-/Mittelschule. Bei der Behandlung des Themenkreises "Programme und Regeln für das Zusammenleben" kann der Film sinnvoll genutzt werden. Bei der Umsetzung des Themas ist allerdings darauf zu achten, dass den Schülerinnen und Schülern deutlich wird, dass tierisches niemals mit menschlichem Verhalten verglichen oder gar an ihm gemessen oder bewertet werden darf. Mithilfe des im Film vorgestellten Auswilderungsprojekts für Affen in SO-Asien kann man darauf hin - weisen, welche Verantwortung der Mensch gegenüber einem Tier übernimmt, das er zu seinem Haustier und "Lebensgefährten" macht und was er ihm antut, wenn er es bei Nichtgefallen wieder aussetzt. Dieses Schicksal droht exotischen Tieren bei uns, aber besonders auch in deren Heimatländern. Lernziele Die Schülerinnen und Schüler sollen Beispiele für Vermenschlichung von Tieren nennen; Vermutungen darüber anstellen, auf welche Weise Tiere menschliche Verhaltensweisen erlernen; die wichtigsten Menschenaffen unterscheiden; Arbeitsschwerpunkte der Begründer der vergleichenden Verhaltensforschung aufzeigen; die Bedeutung sozialer Verhaltensformen im Tierreich erklären; Beispiele für Kommunikation bei Tieren erläutern; Möglichkeiten der Nutzung von Ergebnissen der modernen Verhaltensforschung beschreiben. Bayerischer Rundfunk 4

Anregungen Problembegegnung Während der Motivationsphase können die ersten Szenen des Films, in denen verschiedene Tierdressuren zu sehen sind, ohne Ton gezeigt werden. Anschließend sollen die Schülerinnen und Schüler dazu spontan ihre Eindrücke und Meinungen äußern, die diese Bilder bei ihnen ausgelöst haben. Die Schüleräußerungen werden stichpunktartig zum Beispiel an einer Seitentafel festgehalten und dort, wo es sich anbietet sofort problematisiert. Daraus ergibt sich die Zielangabe der Stunde: Das Verhalten von Tieren Problemlösung Bevor der Film zum Einsatz kommt, werden die Schülerinnen und Schüler der Klasse in fünf Gruppen eingeteilt. Jedes Team erhält Gelegenheit, sich mit den jeweiligen Arbeitsaufträgen kurz vertraut zu machen. Gruppe 1: Dressur Im ernsten Teil des Filmes sind dressierte Tiere zu sehen. Sucht eine Dressur heraus und überlegt euch, wie ihr vorgehen würdet, um einem Tier dieses "Kunststücke" beizubringen. Begründet eure vorgeschlagene Vorgehensweise. Gruppe 2: Menschenaffen Im Film werden drei Menschenaffenarten vorgestellt. Wie heißen sie? Erläutert, was man unter sozialen Verhaltensweisen versteht. Beschreibt, worin sich die Menschenaffenarten in ihren sozialen Verhaltensweisen jeweils voneinander unterscheiden. HINWEIS: Nehmt zur Klärung eurer Fragen auch Kontakt mit der Gruppe 5 auf. (Der Gruppe 2 sollte man nach Möglichkeit Bilder oder Dias verschiedener Menschenaffen zur Verfügung stellen. Daraus sollen dann die im Film gezeigten Arten ausgewählt und bei der Präsentation vorgestellt werden.) Gruppe 3: Auswilderungsprojekt Erklärt, was man unter einem Auswilderungsprojekt versteht. Begründet, weshalb derartige Projekte notwendig sind. Zeigt an einer Weltkarte, den Großraum, in dem dieses Auswilderungsprojekt durchgeführt wird. Beschreibt dabei auch die Lage Deutschlands. (Die Gruppe 3 kann auch einen fächerverbindenden, geographischen Aspekt in das Unterrichtsgeschehen einbringen, wenn im Klassenzimmer eine Weltkarte zur Verfügung steht. Dabei genügt es, wenn die Gruppe großräumig die Lage SO-Asiens beschreibt und auch einige Staaten dieser Region nennt. Es muss aber immer der geographische Bezug zum Heimatraum hergestellt werden.) Gruppe 4: Verhaltensforscher Im Film werden zwei Mitbegründer der vergleichenden Verhaltensforschung genannt. Wie heißen sie? Stellt je eine wichtige Arbeit dieser Wissenschaftler kurz vor. (In den meisten Biologie-Schulbüchern werden K. v. Frisch und K. Lorenz in kurzen Monographien vorgestellt. Die Schülerinnen und Schüler der Gruppe 4 sollten nach Möglichkeit selbständig zur Beantwortung ihrer Aufgabe das Buch zu Rate ziehen. Falls im eingeführten Schülerbuch keine Informationen enthalten sind, könnte auch auf das Internet zurückgegriffen werden.) Gruppe 5: Kommunikation Erklärt den Begriff "Kommunikation". Begründet, weshalb Kommunikation eine wichtige Voraussetzung für soziales Verhalten ist. Bayerischer Rundfunk 5

Nennt Beispiele für Kommunikation im Tierreich. HINWEIS: Nehmt zur Klärung eurer Fragen auch Kontakt mit der Gruppe 2 auf. Gruppe 6: Bedeutung der Verhaltensforschung Begründet, inwiefern die Erkenntnisse der Verhaltensforschung sowohl dem Menschen, als auch Tieren nützen können. Erklärt in diesem Zusammenhang auch, weshalb es falsch ist, von den fleißigen Bienen zu sprechen. Während die einzelnen Gruppen ihre Ergebnisse der Klasse präsentieren, fixiert die Lehrkraft wichtige Inhalte im Tafelbild. Problemanwendung Hier kann man vor allem die Ergebnisse der Gruppe 6 diskutieren. Als Hausaufgabe können die Schülerinnen und Schüler eine graphisch ansprechende Anleitung zur artgerechten Haltung von Haustieren entwerfen. Mit diesen gestaltet man abschließend einen Schaukasten im Schulhaus. Literatur Biologie 7. Realschule Bayern. Cornelsen. Berlin 2002. Biologie Oberstufe. Cornelsen. Berlin 2001. Hacker, F.: Aggression. Econ. Düsseldorf 1985. Franck, D.: Verhaltensbiologie. Thieme. Stuttgart 1997. Krebs, J. R. / Davies, N.B.: Einführung in die Verhaltensökologie. Backwell. Berlin 1996. Hornung, G. u. a.: Verhaltensbiologie Materialien für die Sekundarstufe II. Schroedel. Hannover 1998. Wuketits, F. M.: Konrad Lorenz - Leben und Werk eines großen Naturforschers. Piper. München 1990. Festetics, A. : Konrad Lorenz. dtv. München 1988. Internettipps http://www.zum.de/faecher/bio/sa/stoff10/verhalten_stoff5.htm Erworbenes Verhalten bei Tier und Mensch http://austria-lexikon.at/af/aeiou/lorenz%2c_konrad Kurzer Überblick über Leben und Werk von K. Lorenz http://www.eduvinet.de/mallig/bio/7insekt/bienri3c.htm Versuchsanordung zur Entschlüsselung der Bienensprache Bayerischer Rundfunk 6