2. Wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus im ländlichen Raum

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Transkript:

Manfred Zeiner, Bernhard Harrer 11 2. Wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus im ländlichen Raum Dr. Manfred Zeiner (Deutsches Wirtschaftswissenschaftliches Institut für Fremdenverkehr (dwif)- Consulting GmbH München), Dr. Bernhard Harrer (Deutsches Wirtschaftswissenschaftliches Institut für Fremdenverkehr (dwif) e. V. München) 1 2 3 3.1 3.2 3.3 4 5 Einführung... 12 Was ist der ländliche Raum?... 12 Berechnung der ökonomischen Bedeutung des ländlichen Tourismus... 15 Abgrenzung und Gewichtungsgrundlagen... 15 Berechnungsmethode und -weg... 18 Ergebnisdarstellung: Wirtschaftsfaktor ländlicher Tourismus... 19 Sonstige Effekte des Tourismus im ländlichen Raum... 24 Ausblick... 25 Literatur... 26 Dr. Manfred Zeiner ist Geschäftsführer der dwif-consulting GmbH in München. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen u. a. Studien zur ökonomischen Bedeutung des Tourismus, Organisationsberatung, Markt- und Grundlagenforschung im Tourismus sowie die Moderation von Workshops und (Groß-)Veranstaltungen. Dr. Bernhard Harrer ist Vorstand des dwif e.v. (München). Zu seinen Arbeitsfeldern zählen Berechnungen zum Wirtschaftsfaktor Tourismus für Kommunen, Regionen und Marktsegmente (z. B. Tagesreisen, Städte-, Kultur-, Bus-, Rad-, Camping-, Jugendherbergs-, Großschutzgebietstourismus). Auch Tourismuskonzepte, Machbarkeitsstudien und Potenzialanalysen gehören zu seinem täglichen Handwerkszeug. H. Rein, A. Schuler (Hrsg.), Tourismus im ländlichen Raum, DOI 10.1007/978-3-8349-3820-6_2, Gabler Verlag Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

12 Wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus im ländlichen Raum 1 Einführung Der Tourismus zählt weltweit unbestritten zu den wichtigsten Branchen im Hinblick auf ökonomische Bedeutung und Zukunftsfähigkeit. Dass Deutschland als Quellmarkt aufgrund seiner Bevölkerungszahl und auch wegen seiner Wirtschaftskraft eine weltweit führende Rolle einnimmt, darüber besteht Konsens. Deutschland zählt aber auch zu den führenden Zielländern im Tourismus (Binnen- und Incomingnachfrage). Eine Tatsache, die vielfach noch mit Überraschung zur Kenntnis genommen wird. Nach Angaben von Eurostat (DSGV 2010) rangiert Deutschland mit rund 380 Mio. registrierten Übernachtungen in gewerblichen Beherbergungsbetrieben mit 9 und mehr Betten im Jahr 2010 in Europa auf Rangplatz 1 noch vor Tourismusländern wie Italien (rd. 378 Mio.), Spanien (rd. 366 Mio.) und Frankreich (rd. 300 Mio.). Vielfach werden mit Tourismus in Deutschland Begriffe wie: Geschäftsreiseverkehr Messeplatz Nr. 1 Kongressdestination oder Städtereiseziel assoziiert und dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass ein Großteil des Tourismus in Deutschland im ländlichen Raum stattfindet und nicht in erster Linie oben genannten Märkten bzw. Motiven zuzurechnen ist. Wie groß dieser Anteil quantitativ ist und welche ökonomische Bedeutung diesem ländlichen Tourismus beizumessen ist, damit befasst sich dieser Beitrag. 2 Was ist der ländliche Raum? Abgrenzungsversuche des ländlichen Tourismus Mit der Problematik des Findens einer konsensfähigen definitorischen Abgrenzung befassen sich andere Beiträge in diesem Buch. Dennoch kann zur Beantwortung der hier interessierenden Fragen nicht gänzlich darauf verzichtet werden, einen eigenen definitorischen Rahmen abzustecken. Das dwif hat sich im Jahr 2010 im Rahmen der Bearbeitung des Sparkassen Tourismusbarometers für Ostdeutschland (Ostdeutscher Sparkassenverband 2010) dem Thema Landtourismus gewidmet. Dort wurde das Dilemma der nicht vorliegenden klaren Definitionen umfassend beleuchtet. Heraus kam, dass von dem ländlichen Tourismus nicht gesprochen werden kann, zu unterschiedlich sind die Sichtweisen. Zwischen einem eng gefassten Kern (sogenannter Agrotourismus) und weitreichenderen Begriffsbestimmungen (z. B. in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl im Zielgebiet) liegen Welten. Nachfolgendes Schaubild verdeutlicht dies.

Manfred Zeiner, Bernhard Harrer 13 Abbildung 1 Abgrenzung: Tourismus im ländlichen Raum Landtourismus Agrartourismus Quelle: Ostdeutscher Sparkassenverband, Sparkassen-Tourismusbarometer 2010, S. 154 Städtetourismus als Gegenpol Neben dem aufgezeigten Definitionsansatz gibt es die unterschiedlichsten Abgrenzungsversuche für den Begriff ländlicher Tourismus. Unstrittig ist mit Sicherheit, dass echter Städtetourismus nicht unter diesen Begriff subsummiert werden kann. In der dwif Grundlagenuntersuchung zum Städte- und Kulturtourismus (DTV 2006) von 2006 wurde Städtetourismus wie folgt abgegrenzt: Bei der Abgrenzung der Grundgesamtheit ( des Städtetourismus.) wurden die Größe der Städte und die (nachfragebezogene) Bedeutung des Tourismus für die Wirtschaft berücksichtigt. Die so gebildete Gesamtheit besteht aus 203 Städten, darunter die 82 deutschen Großstädte (> 100.000 Einwohner) und 121 Mittelstädte (> 25.000 Einwohner und > 100.000 Übernachtungen) (Deutscher Tourismusverband e.v. 2006, S. 9). In dieser Grundlagenuntersuchung des dwif zum Städtetourismus in Deutschland wurde nachgewiesen, dass allein in den Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern (mehr als 70 davon sind gleichzeitig kreisfreie Städte) rund 25 % der Übernachtungen und sogar rund 50 % der Tagesreisen Deutschlands ihr Ziel finden. Zusammen mit den in der Studie erfassten Klein- und Mittelstädten vereinen die Städte rund ein Drittel der Übernachtungen und rund 60 % der Tagesreisen auf sich. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch gleichzeitig, dass auf den verbleibenden ländlichen Raum rund zwei Drittel aller Übernachtungen und rund 40 % der Tagesreisen entfallen. Damit ist der ländliche Raum wahrlich ein bedeutendes touristisches Ziel in Deutschland.

14 Wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus im ländlichen Raum Landkreise Deutschlands als Bezugsgröße für ländlichen Tourismus Eine im Jahr 2011 vom dwif vorgelegte Untersuchung zum Thema Tourismus in den Landkreisen in Deutschland (Deutscher Landkreistag 2011) kann wertvolle Hinweise zur Beantwortung der Ausgangsfrage der wirtschaftlichen Bedeutung des ländlichen Tourismus bieten und wird deshalb als Bezugsgröße für die Berechnungen herangezogen. Die dahinter stehende Grundüberlegung ist, dass Landkreise (als politische Einheiten) eine Art Gegenposition zur Gesamtheit der kreisfreien Städte (inkl. der Großstädte) bilden. Diese Studie des Deutschen Landkreistages bietet demnach eine sehr gute, weit gefasste Annäherung an das Nachfragevolumen im ländlichen Tourismus. Für die Gesamtheit aller Landkreise werden insgesamt folgende Nachfragemengen erfasst: Tabelle 1 Touristische Nachfrage in den deutschen Landkreisen 2010 Quelle: dwif 2011 in Deutscher Landkreistag 2011, S. 10 Wenn man nun berücksichtigt, dass in diesen Zahlen lediglich die Werte von 11 landkreisangehörigen Großstädten enthalten sind, die ihrerseits jedoch nur rund 4,2 Mio. Übernachtungen in gewerblichen Betrieben verzeichnen, was einem relativen Anteil von 1,7 % entspricht, so erscheint es gerechtfertigt, dass die in dieser Studie dargestellten ökonomischen Aussagen auch für die hier anstehende Thematik Verwendung finden, zumal es hier primär um eine Einschätzung der wirtschaftlichen Effekte gehen muss. Detailanalysen zu Teilsegmenten (z. B. Tourismus in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern, Urlaub auf dem Bauernhof) müssten ohnedies separat ermittelt und individuell berechnet werden. Es soll an dieser Stelle nur darauf hingewiesen werden, dass in ländlichen Regionen zweifellos auch Geschäftsreiseverkehr oder Gesundheitstourismus in Sanatorien auf Basis von Verschickungen stattfindet. Dies sind Marktsegmente, die nicht unbedingt den Prototyp des ländlichen Tourismus widerspiegeln. Andererseits gibt es auch einzelne Großstädte (z. B. Lübeck mit seinem Ortsteil Travemünde oder Rostock mit dessen Ortsteil Warnemünde), in denen der dort anzutreffende Tourismus nicht den Ideal-

Manfred Zeiner, Bernhard Harrer 15 vorstellungen des klassischen Städtetourismus entspricht und folglich inhaltlich weit eher dem Klischee des ländlichen Tourismus zuzurechnen sind. Fazit Auch wenn Landkreise und ländlicher Raum nicht deckungsgleich sind, so sollte die sich dafür ergebende touristische Bedeutung doch geeignet sein, zumindest einen überschlägigen Eindruck von der ökonomischen Potenz des ländlichen Tourismus zu vermitteln. Das dargestellte Volumen der touristischen Nachfrage in den Landkreisen Deutschlands ist im Endeffekt sozusagen als Maximum des ländlichen Tourismus anzusehen. 3 Berechnung der ökonomischen Bedeutung des ländlichen Tourismus 3.1 Abgrenzung und Gewichtungsgrundlagen Inhaltliche Abgrenzung des Nachfragevolumens Folgende Erläuterungen zur Klarstellung des Erfassungsumfanges sind notwendig: Die Gesamtheit der Nachfrage im Bereich Dauercamping blieb unberücksichtigt, da hierzu kein landkreisbezogenes Mengengerüst vorliegt. Die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums vom dwif erstellte Grundlagenuntersuchung (BMWi 2010) zum Campingmarkt in Deutschland 2009/2010 liefert hierzu nur Ergebnisse auf Ebene der Bundesländer. Der Besucherverkehr bei Einheimischen (sogenannter Sofatourismus) wurde nicht berücksichtigt. Zwar hat dieser mit Sicherheit eine große Bedeutung. Zur Quantifizierung fehlt es jedoch an flächig anwendbaren Kennzahlen zu heterogen sind die bislang vom dwif auf Ortsebene ermittelten Daten zu diesem touristischen Nachfragesegment. Es sollte nicht verwundern, wenn entsprechende Untersuchungen ein Volumen zu Tage befördern würden, das jenes der statistisch registrierten Übernachtungen übersteigt. Das Volumen des Tagestourismus wurde aus den vorliegenden Grundlagenuntersuchungen des dwif (dwif 2005-2007) abgeleitet. Eine Differenzierung nach tagestouristischen Motiven über die regionale Aufteilung hinaus, wurde nicht vorgenommen. Differenzierung der Übernachtungen nach Betriebstypen Ein weiterer wichtiger Schritt, neben der reinen Erfassung der Nachfragezahlen, um die ökonomische Bedeutung des Tourismus realitätsnah abbilden zu können, ist die Differenzierung der Übernachtungen nach Betriebstypen. Der mit Abstand größte Anteil der Übernachtungen in gewerblichen Beherbergungsbetrieben entfällt auf Hotels und Hotel garnis. Dies ist, wie nachstehende Grafik zeigt, auch im hier zu beleuchtenden ländlichen Raum der Fall.

16 Wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus im ländlichen Raum Abbildung 2 Verteilung der Übernachtungen in den Landkreisen Deutschlands im Jahr 2010 nach Betriebstypen Quelle: Berechnungen des dwif auf der Basis des Statistischen Bundesamtes 2011 und eigener Erhebungen Differenzierung des Bettenangebotes nach Preiskategorien Grundlagenuntersuchungen des dwif (dwif 2010) haben nachgewiesen, dass zwischen der Preiskategorie der gewählten Unterkunft und der Höhe der pro Tag getätigten Ausgaben der Gäste ein signifikanter Zusammenhang besteht. Dieser Zusammenhang bezieht sich nicht nur auf die reinen Übernachtungskosten dies wäre zu trivial, sondern er gilt auch für weitere wichtige Ausgabensegmente wie beispielsweise Gastronomiekonsum oder Einkäufe. Um das von der amtlichen Statistik durch die Aufgabe der Beherbergungskapazitätserhebung, die letztmalig für das Jahr 1999 durchgeführt wurde, hinterlassene Datenvakuum zu füllen, hat das dwif in umfangreicher Detailarbeit eine Aufteilung des gesamten Beherbergungsangebotes von Hotels und Hotel garnis in Deutschland nach Preiskategorien durchgeführt. Die in über einjähriger Kleinarbeit entstandene Datenbank erlaubt es nun, für beliebig auszuwählende Regionszuschnitte, tiefgegliederte Auswertungen vorzunehmen. Als Ergebnis lässt sich die Aufteilung der Übernachtungen in Hotels und Hotel garnis nach fünf Preiskategorien darstellen. Nachstehende Grafik zeigt die für den hier interessierenden ländlichen Raum (= Summe der Landkreise in Deutschland) zutreffende Verteilung.

Manfred Zeiner, Bernhard Harrer 17 Abbildung 3 Aufteilung des Bettenangebots von Hotels und Hotels garnis auf Preiskategorien 0,07 Landkreise > 100 0,176 0,35 Kreisfreie Städte 0,129 Deutschland gesamt 75-100 0,164 0,139 50-75 0,284 0,248 0,27 0,429 30-50 0,205 0,345 < 30 0,033 0,07 0,088 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50% Quelle: dwif, eigene Erhebung 2012 Das starke Übergewicht der Angebote im unteren Preissegment im ländlichen Raum ist als Hinweis darauf anzusehen, dass die von den Übernachtungsgästen getätigten Ausgaben dort deutlich unter jenen in Städten liegen. Diese Aussage bezieht sich nicht nur auf die reinen Übernachtungsausgaben, sondern sie lässt sich auch auf Gastronomieausgaben übertragen, denn auch dort ist der Anteil höherpreisiger Angebote in den Städten signifikant größer. Auch bei den Einzelhandelsausgaben der Gäste finden sich in den Städten merklich höhere Werte. Gründe hierfür sind sowohl in der wesentlich höheren Dichte der Einzelhandelsgeschäfte in den Städten im Vergleich zum flachen Land zu suchen als auch in den Reisemotiven der Gäste, denn Shopping und ähnliche Reisen werden in erster Linie zu (groß-)städtischen Zielen unternommen. Last but not least sind, angebotsbedingt, auch die Ausgaben der Gäste für Unterhaltung, Kultur etc. in den Städten höher als im ländlichen Raum. Anzumerken ist, dass die in der Grafik abgebildete Verteilung nach Beherbergungspreiskategorien nur als Information für den gesamten ländlichen Raum anzusehen ist und nicht auf Teilräume, Einzelregionen oder sogar einzelne Orte übertragen werden kann, da jede einzelne Gebietseinheit ihre ganz spezifische Verteilung aufzuweisen hat, die mit dem auf sie entfallenden Gewicht in die Aggregation eingeht. Ein Rückschluss von der Gesamtheit auf die Einzeldestination ist deshalb nicht möglich.

18 Wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus im ländlichen Raum 3.2 Berechnungsmethode und -weg Die nachfrageseitige Bestimmung der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus in unterschiedlichen Zielgebieten oder für einzelne Teilsegmente wurde maßgeblich vom dwif entwickelt. Die zentralen Arbeitsschritte zur Ermittlung der Umsätze und Einkommenseffekte sollen nachfolgend kurz erläutert werden: 1. Schritt: Ermittlung der Bruttoumsätze (inkl. MwSt.) Nachfrageumfang x Tagesausgaben = Bruttoumsatz 2. Schritt: Ermittlung der Nettoumsätze (ohne MwSt.) Bruttoumsatz - Mehrwertsteuer = Nettoumsatz Anzumerken ist hierbei, dass unterschiedliche Mehrwertsteuersätze in Ansatz gebracht werden müssen. So sind beispielsweise Umsätze von Privatvermietern und von Jugendherbergen von der MwSt. befreit oder Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel z. T. mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz belegt. Hieraus erklärt sich, dass je nach Zusammensetzung der Umsätze ganz spezifische Abzüge vorgenommen werden müssen. 3. Schritt: Ermittlung der Einkommenswirkungen 1. Umsatzstufe (EW1) Nettoumsatz x Wertschöpfungsquote = EW1 Die Wertschöpfungsquote gibt den Anteil des Nettoumsatzes an, welcher unmittelbar zu Löhnen, Gehältern oder Gewinnen also zu Einkommen wird. Der verbleibende Rest wird für Vorleistungen aufgewendet. 4. Schritt: Ermittlung der Einkommenswirkungen 2. Umsatzstufe (EW2) (Nettoumsatz - EW1) x Wertschöpfungsquote = EW2 In der 2. Umsatzstufe werden alle Einkommenswirkungen aus den Vorleistungen (Nettoumsatz EW1) dargestellt, die zur Aufrechterhaltung der touristischen Dienstleistungsqualität aufgebracht werden. Hierunter fallen beispielsweise die Zulieferung von Waren (z. B. Brötchen vom Bäcker, Strom vom Energieversorger), die Bereitstellung von Dienstleistungen (z. B. Prospekte von der Werbeagentur, Versicherungen, Kredite von der Bank) und Investitionen in die Substanzerhaltung (z. B. Neubau bzw. Renovierungsarbeiten durch Handwerker). 5. Schritt: Ermittlung des touristischen Einkommensbeitrages EW 1 + EW 2 = absoluter touristischer Einkommensbeitrag Von besonderer Bedeutung für die Verlässlichkeit der Ergebnisse ist es, die einzelnen Rahmendaten entsprechend der spezifischen Situation in den Landkreisen Deutschlands aufzubereiten und zu gewichten. Die Übertragung durchschnittlicher Ausgabenwerte, Mehrwertsteuersätze oder Wertschöpfungsquoten würde der individuellen Situation des Tourismus in den Landkreisen Deutschlands nicht gerecht werden. Ebenso ist eine Übertragung der hier ermittelten Werte für den ländlichen Tourismus auf spezielle Teilsegmente nicht sinnvoll. Individuelle Berechnungen sind nötig, um verlässliche Ergebnisse auf örtlicher und regionaler Ebene ausweisen zu können.

Manfred Zeiner, Bernhard Harrer 19 3.3 Ergebnisdarstellung: Wirtschaftsfaktor ländlicher Tourismus Definitorische Grundlage Bestandteil der nachfolgenden Berechnungen sind neben den Übernachtungen in gewerblichen Betrieben (9 und mehr Betten), in Privatquartieren (8 und weniger Betten) und auf Touristikstandplätzen auch die Tagestouristen. Gemäß der definitorischen Grundlage der UNWTO gehören alle Übernachtungsreisen unabhängig vom Anlass der Reise (z. B. Kur, Geschäftsreise, Freizeit, Erholung) zur touristischen Nachfrage. Als Tagestourismus wird jedes Verlassen des Wohnumfeldes (der gewohnten Umgebung) bezeichnet, mit dem keine Übernachtung verbunden ist und das nicht als Fahrt von oder zur Schule, zum Arbeitsplatz, zur Berufsausübung vorgenommen wird, nicht als Einkaufsfahrt zur Deckung des täglichen Bedarfs dient (z. B. Lebensmittel) und nicht einer gewissen Routine oder Regelmäßigkeit unterliegt (z. B. regelmäßige Vereinsaktivitäten im Nachbarort, Krankenhausbesuche, Arztbesuche, Behördengänge o. Ä.). Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass folgende Segmente in den nachfolgend genannten Daten nicht enthalten sind: Fahrtkosten für den Transfer zwischen Quell- und Zielgebiet Ausgaben der Touristen für Reisevor- und -nachbereitung Einkommenseffekte durch Outgoing-Reisen der Bevölkerung (z. B. Taxi zum Flughafen, Ausgaben im Reisebüro) Spezielle Marktsegmente wie beispielsweise Tagesreisen aus dem Ausland, der Urlauberlokalverkehr, Übernachtungen auf Dauerstandplätzen, in Freizeitwohnsitzen, von Reisemobilisten außerhalb von Campingplätzen oder auch in den Privatwohnungen bei Verwandten und Bekannten Ergebnisse der Berechnungen Durch ländlichen Tourismus werden jährlich rund 73,4 Mrd. Euro touristischer Bruttoumsatz bewirkt (Deutscher Landkreistag 2011): Durch die Übernachtungsnachfrage in gewerblichen Beherbergungsbetrieben, in Privatquartieren und auf Campingplätzen (ohne Dauercamping) rund 33,9 Mrd. Euro. Durch Tagesreisen rund 39,5 Mrd. Euro. Dieser Rechnung zu Grunde liegen die Mengenangaben zur touristischen Nachfrage (vgl. obige Tab. 1) und zu den Tagesausgaben der Touristen (vgl. nachfolgende Tab. 2).

20 Wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus im ländlichen Raum Die jeweiligen Ausgaben der touristischen Zielgruppen schwanken von durchschnittlich rund 26,- Euro pro Kopf beim Tagesbesucherverkehr bis fast 110,- Euro pro Kopf und Tag bei den Übernachtungsgästen in den gewerblichen Beherbergungsstätten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Bandbreite innerhalb der genannten Gruppierungen enorm groß ist. So reicht bei den Tagesgästen die Spannweite beispielsweise von 0,- Euro bei Gästen, die eine Wanderung machen und die gesamte Verpflegung im Rucksack von zu Hause mitnehmen, bis zu sicherlich weit über 100,- Euro bei Gästen, die eine kulturelle Veranstaltung mit hohen Eintrittspreisen besuchen, danach zum Essen gehen und sich auch noch eine CD mit nach Hause nehmen. Auch bei den gewerblichen Beherbergungsbetrieben liegen die enormen Unterschiede zwischen Übernachtungsgästen in Ferienwohnungen und in Top-Hotels auf der Hand. Die in der nachfolgenden Tabelle ausgewiesenen Ergebnisse ergeben sich aus der landkreisspezifischen Gewichtung gemäß der relativen Bedeutung der einzelnen Zielgruppen zueinander. Dies verdeutlicht, dass die Tagestouristen auch im ländlichen Raum von hoher Bedeutung sind und einen wichtigen Beitrag zu einer zufriedenstellenden Auslastung der Infrastruktureinrichtungen über das gesamte Jahr leisten. Viele Einrichtungen könnten ohne die relativ gleichmäßig über das gesamte Jahr verteilte Nachfrage durch Tagestouristen kaum existieren. Tabelle 2 Tagesausgaben und Umsätze durch ländlichen Tourismus 2010 Profitierende Wirtschaftszweige Quelle: dwif 2011 in Deutscher Landkreistag 2011, S. 10 Der Tourismus ist als typische Querschnittsbranche anzusehen, von der viele Wirtschaftszweige profitieren. Diese Aussage trifft sowohl für die erste als auch für die zweite Umsatzstufe zu. Von den direkten Ausgaben der Touristen (1. Umsatzstufe) entfällt der größte Anteil auf das Gastgewerbe (47,5 %), gefolgt vom Einzelhandel (34,2 %) und den übrigen Dienstleistungen (18,3 %):

http://www.springer.com/978-3-8349-3353-9