Anwendungstechnische Information Rheologische Eigenschaften von Pektinen in Lösungen, Fruchtzubereitungen und Gelen: Praxisrelevante rheologische Messmethoden Teil 1: Viskosität
Rheologische Eigenschaften von Pektinen in Lösungen, fruchtzubereitungen und Gelen Pektine bestimmen das rheologische Verhalten von Lösungen, Fruchtzubereitungen und Gelen. Pektine sind Makromoleküle, die zur gezielten Texturgebung von Lebensmitteln eingesetzt werden, weil sie das rheologische Verhalten bestimmen. So ist zum Beispiel bei Pektinlösungen die Viskosität ein wichtiger Faktor für die Verarbeitbarkeit und die sensorische Bewertung der Produkte. In Fruchtzubereitungen bestimmt das jeweilige Pektin das rheologische Fließverhalten und somit die Qualität der Produkte. In Gelen sind Pektine maßgeblich für das Gelierverhalten und die Textur verantwortlich. Die Kenntnis, Anwendung und Interpretation von geeigneten praxisrelevanten rheologischen Messmethoden zur Charakterisierung der Pektine in diesen unterschiedlichen Anwendungsgebieten ergänzen die sensorische Beurteilung und Texturbewertung. Weiterhin ermöglichen sie eine zielgerichtete Qualitätskontrolle sowie eine effiziente Produktentwicklung und Verfahrensoptimierung bei der Herstellung und Weiterverarbeitung in der Produktion. Ob flüssig, halbfest oder geliert, zur rheologischen Charakterisierung der Produkte werden je nach Beschaffenheit zum Teil sehr unterschiedliche Messmethoden angewendet, die im Folgenden beschrieben werden sollen. Bestimmung der Viskosität (Viskosimetrie) Die Viskositätsmessung ist geeignet, um das Fließverhalten von nicht gelierten Proben zu bestimmen. Dieses können zum Beispiel Pektinlösungen, Saft- und Milchgetränke, nicht gelierte Fruchtzubereitungen aber auch heiße Gelzubereitungen sein. Die Messmethodik erfolgt meist nach einem vorgegebenen Schema, welches nach Kenntnis der einfachen Grundlagen verständlich wird. 2
h, Medium Das Fließverhalten von Pektinlösungen wird durch Viskositätsmessungen bestimmt. Grundlagen und Begriffe der Viskositätsmessung F / A bewegliche Platte A feste Platte v / h v = 0 Schubspannung τ Viskosität η = τ D Schergeschwindigkeit D Abb. 1: Das Plattenmodell (laminares Fließen im Scherspalt) Durch Bewegung der oberen Platte mit der Fläche A und der Kraft F wird die Flüssigkeit im Spalt mit der Höhe h zwischen den beiden planparallelen Platten geschert. Die für die Scherung notwendige Kraft wird umso größer, je enger der Spalt und je höher die Geschwindigkeit der oberen Platte wird. Der Einfluss der Messgeometrien wird berücksichtigt, indem statt der Kraft die Schubspannung und statt der Plattengeschwindigkeit die Schergeschwindigkeit betrachtet werden. F, v Typisches Viskositätsverhalten von Pektinlösungen Das Viskositätsverhalten von Pektinlösungen ist vor allem von der Schergeschwindigkeit (Scherbelastung), der Temperatur und der Pektinkonzentration abhängig und hat daher besondere Bedeutung bei der Verarbeitbarkeit und somit der Auslegung von Produktionsanlagen (z. B. Pumpen, Rührwerke, Rohrleitungen). Weiterhin wird durch das Viskositätsverhalten der sensorische Aspekt bei der Bewertung der Endprodukte beeinflusst. 1. Abhängigkeit der Viskosität von der Schergeschwindigkeit Zur Bestimmung der Viskosität in Rheometern wird gewöhnlich die Schergeschwindigkeit in einer vorgegebenen Zeitspanne erhöht, die resultierende Schubspannung gemessen und als Fließkurve dargestellt. Die Viskosität wird für jede Schergeschwindigkeit berechnet und als Viskositätskurve aufgezeichnet. Die Fließ- und Viskositätskurven können für verschiedene Fluide unterschiedlich verlaufen. Schubspannung τ auf das Messsystem einwirkende Kraft Schubspannung τ = F / A [Pa] D [s -1 ] Vorgabeprofil Schergeschwindigkeit D (auch Scherrate, Geschwindigkeitsgefälle) Geschwindigkeitsgradient der Probe im Messsystem (Maß für die Scherbelastung) 3 Schergeschwindigkeit D = v / h [s -1 ] Viskosität η Proportionalitätsfaktor zwischen Schubspannung τ und Schergeschwindigkeit D Viskosität η = τ / D [Pas] lineare Erhöhung der Schergeschwindigkeit Abb. 2: Messprofil einer Viskositätsmessung t [s] Die Viskosität ist also ein Maß für den Widerstand, den eine Flüssigkeit dem Fließen entgegenbringt und beschreibt die innere Reibung oder die Zähflüssigkeit.
Pektinlösungen sind scherverdünnend. Ihre Viskosität hängt von der Schergeschwindigkeit ab. τ [Pa] Messergebnis newton sch Dieses Verhalten wird als strukturviskos (auch scherverdünnend oder pseudoplastisch) bezeichnet. Die Ursache liegt zum Beispiel in der strukturviskos (pseudoplastisch) Orientierung von Makromolekülen oder Fasern in Richtung der Scherbewegung im Messspalt wodurch die einzelnen Partikel besser aneinander vorbeigleiten können. Orientierung bei Scherbelastung Fließkurve D [s -1 ] Abb. 3: Schubspannung in Abhängigkeit der Schergeschwindigkeit η [mpas] Messergebnis Pektinmoleküle sind ineinander verschlauft hohe Viskosität bei geringer Scherung Abb. 5: Ursache für strukturviskoses Fließverhalten Pektinmoleküle sind entschlauft abnehmende Viskosität bei steigender Scherung Bei wenigen Flüssigkeiten z. B. Wasser, Öl besteht ein linearer Zusammenhang zwischen der Schubspannung und der Schergeschwindigkeit. Unabhängig von der Scherbelastung ist dann die Viskosität konstant und hängt lediglich von der Temperatur und vom Druck ab. Solche Flüssigkeiten werden als newton sche Fluide bezeichnet. Viskositätskurve Pektinlösungen folgen wie die meisten Lebensmittel dieser Proportionalität nicht. Werden sie mit steigender Schergeschwindigkeit geschert, beobachtet man eine Viskositätsabnahme. Bei zunehmender Scherbelastung werden diese Fluide also dünnflüssiger. newton sch strukturviskos (pseudoplastisch) D [s -1 ] Abb. 4: Viskosität in Abhängigkeit der Schergeschwindigkeit Zur Bestimmung verschiedener Produkteigenschaften wie zum Beispiel der Lagerstabilität, der sensorischen Eigenschaften oder der Verarbeitbarkeit ist es sinnvoll, wenn die vorgegebene Schergeschwindigkeit bei der Messung in etwa dem Anwendungsbereich entspricht. Beispiele für typische Schergewindigkeiten Sedimentation von Partikeln: < 0,001 0,1 s -1 Pumpen: 0,1 10 s -1 Kauen, Schlucken: 10 100 s -1 Streichen (z. B. mit dem Messer): 10 1000 s -1 Mischen, Rühren: 10 10000 s -1 Quelle: Mezger, T., Das Rheologie Handbuch, Vincentz, Hannover, 2006, 2. Auflage, Ten Ways to..optimize Rheology to Increase Dispersion/Colloidal/Emulsion Stability - WP140820-2014 Malvern Instruments Limited und Ten Ways to..control Rheology by Changing Particle Properties (Size, Zeta Potential and Shape) - WP140820-2014 Malvern Instruments Limited 4
2. Abhängigkeit der Viskosität von der Temperatur Die Temperatur ist sicherlich die bekannteste Größe, die die Viskosität beeinflusst. So nimmt die Viskosität von Pektinlösungen mit zuneh- mender Temperatur stark ab. Mit steigender Temperatur verringert sich die Viskosität von Pektinlösungen. HV-Pektin, D = konstant Viskosität 0 20 40 60 80 100 Temperatur [ C] Abb. 6: Viskosität einer Pektinlösung in Abhängigkeit von der Temperatur 3. Abhängigkeit der Viskosität von der Pektinkonzentration Die Pektinkonzentration oder allgemein die Stoff- konzentration in Lösungen beeinflusst die Viskosität so, dass mit zunehmender Konzentration die Viskosität exponentiell ansteigt. Eine Erhöhung der Pektinkonzentration in Lösungen bewirkt einen starken Viskositätsanstieg. HV-Pektin, D = konstant, τ = konstant Viskosität 5 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 Konzentration [%] Abb. 7: Viskosität von Pektinlösungen in Abhängigkeit von der Pektinkonzentration
Es sind aber auch schon sehr geringe Konzentrationen von geeigneten H&F-Pektinen in der Lage, die Viskosität leicht zu erhöhen und infolge das Geschmacksprofil z. B. von kalorienarmen Getränken von wässrig über saftig bis hin zu einem vollmundigen Charakter zu verändern. 4,0 HV-Pektin (D = 100 s -1 ) Viskosität [mpas] 2,0 0 wässriger Charakter saftiger Charakter vollmundiger Charakter 0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 0,3 Pektinkonzentration [%] Abb. 8: Geschmacksprofil von kalorienarmen Getränken in Abhängigkeit der Viskosität Messgeräte zur Bestimmung der Viskosität von Pektinlösungen Die Bestimmung der Viskosität kann mit verschiedenen Messgeräten durchgeführt werden. Ob in der Qualitätskontrolle oder zur Produktentwicklung, wichtig ist neben der Korrelation der Ergebnisse mit den zu bestimmenden Eigenschaften eine gute Reproduzierbarkeit der Messergebnisse. Gängige Messgeräte und Messmethoden in der Lebensmittelindustrie sind sehr einfache empirische Messgeräte und Spindel-Viskosimeter mit relativen Messsystemen einerseits sowie Absolutrheometer mit genormten Messgeometrien andererseits. Empirische Messgeräte wie Fließrinne (z. B. Bostwick) oder Auslaufbecher sind mit äußerst geringen Investitionskosten beschaffbar und auch für Messungen in der Qualitätskontrolle geeignet, wenn die Messbedingungen konstant gehalten werden. Bei einfachen Spindel-Viskosimetern mit relativer Messgeometrie (z. B. Brookfield-Viskosimeter) taucht eine rotierende Messspindel häufig eine Scheibe oder ein Flügeldrehkörper meist bei Raumtemperatur in ein Gefäß mit der Pektinlösung. Die genaue Schergeschwindigkeit lässt sich bei dieser Einpunktmessung nicht berechnen und daher sind die Messergebnisse nur vergleichbar, wenn unter exakt gleichen Bedingungen gearbeitet wird. Obwohl dieses Verfahren streng genommen nur für newton sche Flüssigkeiten geeignet ist und keine Aussage über das Fließverhalten der Probe getroffen werden kann, wird es aufgrund der geringen Anschaffungskosten und der Einfachheit häufig verwendet und ist für vergleichende Messungen in der Qualitätskontrolle gut geeignet. 6
Mit Absolutrheometern z. B. Rotationsviskosimetern oder Rheometern wird die dynamische Viskosität unter definierten Bedingungen in genormten Messgeometrien (z. B. DIN 53019 bzw. ISO 3219 für Zylindermesssysteme) bestimmt und kann als Absolutwert angegeben und mit allen anderen Absolutwerten verglichen werden. Mit diesen Geräten können schergeschwindigkeitsabhängige Messungen nicht nur durchgeführt, sondern mit einer entsprechenden Software auch aufgezeichnet werden. Ein weiterer Vorteil ist auch die Möglichkeit der genauen Temperierung. Die Bestimmung der Viskosität von Pektinlösungen ist mit relativen und absoluten Messmethoden möglich. Die Angabe von Absolutwerten der Viskosität von Pektinlösungen ist bei vergleichenden Messungen nur bei gleichzeitiger Angabe der Schergeschwindigkeit, der Temperatur und der verwendeten Pektinkonzentration sinnvoll. Mit Rheometern können über die Viskositätsmessung hinaus viele weitere Eigenschaften von Lebensmitteln, wie zum Beispiel die Fließgrenze von Fruchtzubereitungen, die im zweiten Teil beschrieben wird, bestimmt werden. Labor Anwendungstechnik Herbstreith & Fox Unternehmensgruppe 27.02.2015 7