Bundesjustizministerin Brigitte Zypries



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Transkript:

18 Kongresse & Tagungen Wir können Krise Berlin. Über 700 Teilnehmer fanden den Weg zum 6. Deutschen Insolvenzrechtstag nach Berlin, der vom 25. bis 27.3.2009 ganz im Zeichen der Wirtschaftskrise stand. Ob Investorensuche im arabischen Raum, der Debt-Equity-Swap, Compliance oder die Krise der Automobilwirtschaft: Mit den vorgetragenen und diskutierten Themen signalisierten die Insolvenzverwalter, gewappnet für die Krise zu sein und damit der Insolvenzordnung zu ihrer ersten großen Bewährungsprobe zu verhelfen. Text: Peter Reuter INDat-Report 03_2009 Bundesjustizministerin Brigitte Zypries Nur mit einem Buchstaben lässt sich der Verlauf der Finanzkrise abbilden. Kein unseriöses Unterfangen, denn der Urheber dieser einfach gewählten Sicht ist Dr. Hans Reckers, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, der sich dazu in seiner Dinner Speech am Vorabend des Deutschen Insolvenzrechtstags äußerte. Verläuft die Krise wie ein»v«, vergeht sie genauso schnell, wie sie gekommen ist? Eher nicht, meint Dr. Reckers und bringt zwei weitere Buchstaben ins Gespräch, das»u«mit längerer Talsohle als das»v«und das»l«, das einen deutlich schlechteren Verlauf beschreibt. Es beruhigte, dass er nicht das»l«favorisiere und wählte eine Mischung aus»u«und»l«für seine Prognose, wann es wieder aufwärts geht. Es war zumindest ein eindeutiges Signal an die Insolvenzverwalter, dass auf sie noch einiges an Arbeit zukommen wird. Eine klare Ansage dazu machte am nächsten Morgen der Vorsitzende der Arge Insolvenzrecht und Sanierung im DAV, RA Horst Piepenburg, zur Begrüßung der über 700 Teilnehmer:»Wir können Krise«. Man stehe als Insolvenzverwalter derzeit besonders im Fokus und werde auch am sozialen Verantwortungsbewusstsein gemessen. Das BMJ könne jederzeit die Unterstützung der Arge, die über 1100 Mitglieder zählt, abrufen und sprach Vorhaben wie Debt-Equity-Swap, Verbesserungen beim Insolvenzplanverfahren und Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen an. Nachdem er Professor Wilhelm Uhlenbruck begrüßt, RA Werner Folger, der zur Wahl des Geschäftsführenden Ausschusses nicht mehr antreten will, verabschiedet und dem»gentleman im deutschen Bankrecht«, RA Dr. Manfred Obermüller, zum 65. Geburtstag gratuliert hatte, bat er neugierig um das Wort von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Fotos: Woltersdorf Die Ministerin bedankte sich für die»schöne Tradition«, immer eingeladen zu sein.»ich denke, wir werden diese Tradition auch fortsetzen können.«nach dem ersten Applaus wechselte sie zur Wirtschaftskrise, in der die InsO vor einer sehr großen Bewährungsprobe stehe.»wir haben in Deutschland nach meiner Wahrnehmung das erste Mal eine Situation, wo die Lage ernster ist als die Stimmung. Man habe den Eindruck, die wirkliche Krise sei bei den Menschen noch nicht hinreichend an-

RA Horst Piepenburg Dr. Hans Reckers 19 gekommen.«bevor sie auf die Herausforderungen der Krise einging, äußerte sie sich zur Auswahl des Insolvenzverwalters, die durch die EU-Dienstleistungsrichtlinie eine neue Dimension erhalten habe.»unstreitig sollte sein, dass eine professionelle Verfahrensabwicklung nur durch hoch spezialisierte Kanzleien möglich ist. Solche Kanzleien können nur betrieben werden, wenn sie mit einer ausreichenden Anzahl von Verfahren versorgt werden.«der Weg zu einer Regelung sei schwierig, betonte Zypries, denn»richtlinienwidrige Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit müssten auch für deutsche Verwalter«abgeschafft werden.»problematisch«sei vor allem das Zulassungskriterium der Ortsnähe. Auf dem Prüfstand stehe zudem die Beschränkung auf natürliche Personen.»Bereits diese wenigen Punkte zeigen, dass die Verwalterauswahl noch einen Tick komplizierter geworden ist.«das BMJ werde einen Entwurf vorlegen,»den wir dann zügig nach den Bundestagswahlen beschließen können«. Ausgehend vom 15.9.2008, dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, erläuterte sie das Finanzmarktstabilisierungsgesetz, in dem die Änderung des Überschuldungsbegriffs enthalten ist. Eine Lehre aus der Pleite von Lehman sei, dass das Insolvenzrecht offenbar nicht das richtige Instrumentarium ist, sytemrelevante Kreditinstitute zu retten.»lehman war unter Chapter 11, auch wenn das manche Herrschaften nicht wahrhaben wollen.«daher habe man das Rettungsübernahmegesetz verabschiedet, das vorsieht, im Wege einer Hauptversammlung einen Kapitalschnitt zu machen. Wenn der nicht zustandekommt und keine Übernahme möglich ist, ist als ultima ratio eine Enteignung vorgesehen. Inzwischen hat der Gesetzentwurf auch den Bundesrat passiert. WORKSHOP I: ARABISCHE UND ASIATISCHE FINANZSYSTEME UND DER UMGANG MIT NOTLEIDENDEN KREDITEN (v. li.) Zaid el-mogaddedi, RA Wilhelm Klaas, RA Peter Hoegen, RA Dr. Olaf Faßhauer, RA Dr. Christian Pleister, Dr. Philipp Wackerbeck Scharia-konforme Finanzierungen sind auf dem Vormarsch, stellten die fünf Podiumsteilnehmer Zaid el-mogaddedi (Institute of Islamic Banking & Finance), RA Peter I Hoegen, RA Dr. Olaf Faßhauer, RA Dr. Christian Pleister und Dr. Philipp Wackerbeck (Booz & Company) fest. Nach einer Studie von Booz & Company machte die Bilanzsumme islamischer Banken Ende 2008 rund 500 Milliarden US-Dollar aus. Die Wachstumsraten betrugen in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich 15 bis 20 Prozent im Jahr, was den Bereich des Islamic Bankings zu einem der am schnellsten wachsenden Sektoren der Finanzbranche mache. Im Einführungsreferat erläuterte Zaid el-mogaddedi die Scharia-Regeln, wie Zinsverbot (Riba) sowie den Ausschluss, in»verbotene«branchen zu investieren sowie spekulativen Handel zu betreiben und die Vorgabe,»profit-and-loss-sharing«zu beachten. Letzteres bedeutet die angemessene Beteiligung aller Vertragsparteien an Gewinnchancen und Verlustrisiken. Nach den Anlagekriterien der Scharia werde die Finanzkrise besser überstanden, da zum Beispiel das Fremdkapital zum Wert des Eigenkapitals maximal nur ein Drittel betragen darf. Der Islamic Finance-Markt biete große Potenziale für Insolvenzverwalter, die Investoren suchen, da man dort ein potenzielles und als Cash verfügbares Anlagevermögen von etwa 1,5 Billionen Euro vermute. Desweiteren wurden die Scharia-konformen Anlageformen Murabaha und Ijara sie sollen das Zinsverbot umgehen vorgestellt und welches Recht in Krisenfällen zur Anwendung kommt. Murabaha, eine Art des Steckengeschäfts, eigne sich in Deutschland aber nur begrenzt, da die Grunderwerbsteuer ggf. doppelt anfallen würde. Der Ilja-Vertrag ermögliche die Kombination mit einem konventionellen, d.h. verzinslichen Bankdarlehen. Damit sei es islamischen Investoren möglich, so führte es RA Dr. Olaf Faßhauer aus, kapitalintensive Akquisition mit nur einem begrenzten Einsatz von Eigenkapital zu finanzieren und den Hebeleffekt eines Bankdarlehens zu nutzen. Die Besonderheit des sog. Leveraged-Ijara-Vertrags bestehe darin, dass keine vertraglichen Beziehungen zwischen den islamischen Investoren und der konventionellen Bank bestehen.

20 Kongresse & Tagungen WORKSHOP II: COMPLIANCE HAFTUNGSVERMEIDUNG IN DER INSOLVENZVERWALTUNG Modell des BMWi untauglich INDat-Report 03_2009 (v. li.) RA Dr. Stefan Vogelsang, RA Dr. Thomas Schürrle, RA Dr. Klaus Olbing, RA Dr. Burkard Göpfert, RA Dr. Sven Thomas Mit dem»schillernden«begriff der Compliance, der Risikovermeidung und Haftungsbegrenzung im Unternehmen, befassten sich die fünf Referenten RA Dr. Burkard Göpfert, RA II Dr. Klaus Olbing, RA Dr. Stefan Vogelsang, RA Dr. Thomas Schürrle und RA Dr. Sven Thomas. Die vorausschauenden Compliance-Abteilungen in den Unternehmen,»keine Verhinderer, sondern Ermöglicher«, geben den Mitarbeitern ein Regelwerk an die Hand, wie sie guten Gewissens Geschäfte machen können, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Im Vergleich zu den USA befinde sich die Compliance in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Doch der Bedarf wachse: Interne Ermittlungen in Unternehmen, um Korruptions- und Kartellverstöße aufzuklären, häuften sich. Zudem bestehe ein großer Druck für die Unternehmen, da hohe Strafzahlungen, Auftragssperren der öffentlichen Hand und Rufschädigungen drohten. Es stellte sich daher im Workshop die Frage, wie man von haftungsrelevanten Handlungen erfährt. Der Arbeitgeber sei auf die Mitwirkung der Arbeitnehmer angewiesen, um Hinweise wie diesen zu erhalten: In Saudi-Arabien sind»nützliche«bestechungsgelder verteilt worden, die schwarze Kasse ist noch vorhanden. Hier gelte es nun zu klären, wie mit dem Hinweisgeber (Whistle-Blower) umgegangen werden soll. Der, der dadurch Schaden vom Unternehmen abwendet, könnte regresslos gestellt werden (Amnestie, Kronzeugenregelung), wie es in den USA praktiziert werde. Im Speziellen wurde auch die Tax Compliance diskutiert, die ein hohes Maß an Spezialwissen verlange. Die Teilnehmer fragten sich, ob die Compliance nicht als verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft zu betrachten sei. Außerdem könnte Compliance»ungewollt«eine Art vorauseilenden Gehorsam nach sich ziehen und»kontraproduktiv«wirken. Gerade im Bereich der Steuern neige man dazu, gerne bis an den Rand des Erlaubten zu gehen, ohne illegal zu agieren. Dieses»Engagement«könnte durch Compliance»zunichte gemacht«werden. Auch schaffte der Workshop einen direkten Bezug zum Insolvenzverwalter. Um Sachverhalte zu erfassen und Fehler im Unternehmen zu entdecken, Haftungsansprüche und Anfechtungstatbestände geltend zu machen, sei der Compliance-Gedanke in rückwirkender Betrachtung sehr wichtig. Bei Fortführung sollte über eine Compliance- Abteilung nachgedacht werden, um Haftungsgefahren zu vermeiden. Alle waren sich einig: Hier besteht und entsteht ein neues und weites Beratungsfeld für Anwälte. Um im Vorfeld bei anbahnenden Krisen systemrelevanter Banken eingreifen zu können, brauche man ein»leistungsfähiges Sanierungs- und Reorganisationsverfahren«. Die Bundesregierung habe das BMJ und das Bundeswirtschaftsministerium beauftragt, ein Modell für ein solches Verfahren zu entwickeln. Das als»eingeschränkte Insolvenz«bekannt gewordene Modell des BMWi bezeichnete Zypries als»nicht praxistauglich«. Das BMWi verfüge, das sei kein Vorwurf, über»keine eigenen Erkenntnisse in Insolvenzverfahren, weil dafür das BMJ zuständig ist«. Am Ergebnis der beauftragten Anwaltskanzlei merke man, dass es»eine andere Form der Herangehensweise«ist, ob ein Anwalt oder Ministerialbeamter ein Gesetz formuliert. Das»wesentliche Problem«dieses Modells sei, dass das Finanzunternehmen unter Staatsverwaltung gestellt werden solle, wofür eine neue Behörde geschaffen würde. Diese erstelle einen behördlichen Restrukturierungsplan, und alle Verfahrensschritte würden jeweils durch Verwaltungsakte vorgenommen. Es solle dann im Rahmen einer Suspendierung der Aktionärsrechte möglich sein, die Ausübung der Stimmrechte der Hauptversammlung auf die Anstalt zu übertragen.»sie sehen«, so Zypries,»es sind zwei Punkte, die schon problematisch sind: Zum einen die Ausübung der Stimmrechte in der Hauptversammlung, Stichwort, zweite Kapitalmarktrichtlinie, ob das hinhaut, ist die große Frage.«Nächstes Problem sei, so Zypries,»der Rechtsweg gegen jeden Verwaltungsakt. Das Ganze führt zu ex-

Prof. Dr. Rolf Stürner Dr. Jürgen Allerkamp Dr. Andreas R. Dombret 21 VorsRiBGH Dr. Hans Gerhard Ganter (li.) und Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck tremen Verzögerungen«. Das BMWi setze auf eine staatliche Verwaltung, das BMJ auf ein privatautonomes Planverfahren, nämlich»aus den bewährten Strukturen des Insolvenzplanverfahrens vielleicht einen Weg zu finden und auf die Banken zu übertragen«. Man denke über einen Reorganisationsberater nach, der»eine zentrale Rolle«spielen und mit den Rechten eines Sonderbeauftragten nach 36 KWG ausgestattet werden könne. Dieses Verfahren würde frühzeitig,»weit im Vorfeld einer möglichen Insolvenz«, einsetzen.»das sind zurzeit unsere Überlegungen.«Reichten diese Maßnahmen nicht aus, könne ein Reorganisationsplan einen Debt-Equity-Swap enthalten. Auch eine Umwandlung oder Ausgliederung von Unternehmensteilen sei denkbar, über die die Gläubiger und Anteilseigner in getrennten Gruppen abzustimmen hätten. Für diese Ansätze brauche das BMJ»Ihren Rat und Ihre Expertise«, sagte Zypries. Das Arbeitsprogramm des BMJ decke sich mit dem des Insolvenzrechtstags.»Noch schöner wäre es, wenn Sie den Stein der Weisen hätten und wir den nach Hause tragen könnten.«im Anschluss stellte VorsRiBGH Dr. Hans Gerhard Ganter das jüngst erledigte Arbeitsprogramm des BGH vor. Im Zentrum stand das Urteil vom 19.2.2009 (IX ZR 62/08 = ZIP 2009, 526 ff.) zur Kenntnis des Arbeitnehmers von der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers bei rückständigen Lohnzahlungen (siehe dazu Titel INDat- Report 2_2009). 130 Abs. 2 InsO setzt voraus, dass der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Man habe es dahingehend präzisiert, so Ganter, dass eine»ungewisse Möglichkeit der Zahlungsunfähigkeit«nicht ausreicht. Presseberichte über eine finanzielle Schieflage des Schuldners könnten hingegen aber für einen Großgläubiger, wie das Finanzamt oder die Sozialkasse, eine Beobachtungsund Erkundigungspflicht auslösen. Derartige Pflichten träfen einen Arbeitnehmer aber nicht. Man habe derzeit noch weitere sechs Fälle, die aber unterschiedlich gelagert seien, zur Entscheidung vorliegen. Desweiteren befasste sich Ganter mit zwei Entscheidungen zum Fall»Phoenix«. Er erörterte den Beschluss vom 5.2.2009 (IX ZB 230/07 = ZIP 2009, 480 ff.) zu den Grenzen des Insolvenzplans. Gegen die Versagung der Bestätigung des Insolvenzplans habe der Insolvenzverwalter ein Beschwerderecht selbst dann nicht, wenn er den Plan vorlegt hat. Man möge das Ergebnis dieses Urteils bedauern, sagte

22 Kongresse & Tagungen WORKSHOP III: BANKENWORKSHOP (v. li.) RA Dr. Christian Dawe, RA Dr. Marcel Köchling, RA Dr. Clemens Clemente, RA Frank Kirchner, Dr. Gero Fischer, RA Rainer M. Bähr INDat-Report 03_2009 III Genehmigung zu werten. Über die Fristen würde er mit sich Mit 230 Teilnehmern war der Bankenworkshop der bestbesuchte. Er begann mit einem Impulsreferat von VorsRiBGH a. D. Dr. Gero Fischer über den Lastschriftwiderruf in der Insolvenz. Er behandelte die Gemeinsamkeiten des IX. und des XI. Zivilsenats des BGH, aber auch, was beide trennt. Anschließend stellte er ein eigenes Konzept vor,»das den Charme der Einfachheit hat und konsensfähig sein könnte«, sagte RA Dr. Clemens Clemente. Allerdings bedinge dieses Konzept eine grundlegende Neuorientierung der Rechtsprechung. Noch verbinde beide Senate die Genehmigungstheorie, führte Fischer aus. Unterschiedlich beurteilten beide Senate, ob die rechtliche Verpflichtung des Schuldners, sittenwidrige Lastschriftwiderrufe zu unterlassen, auch den vorläufigen Verwalter trifft und ob Nr. 7 Abs. 3 AGB- Banken gegenüber dem schwachen Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt wirkt. Er machte deutlich, dass der Verwalter, der widerspricht, nur seinen Job mache und seiner Pflicht nachkomme, die Masse zusammenzuhalten. Der Nr. 7 Abs. 3 könne den vorläufigen Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt deswegen nicht treffen, weil er keine Genehmigungsbefugnis habe. Er meinte daher, die Rechtsprechung müsse zukünftig das Augenmerk darauf legen, ob und wann eine konkludente Genehmigung vorliegt. Denn es sei schon immer anerkannt, dass Schweigen als Zustimmung zu werten ist, wenn dem Schweigen ganz klar und unmissverständlich Konkludenz zukommt. Deshalb sei die beanstandungslose Weiterführung des Girovertrags nach Erscheinen der Kontobelastung als konkludente reden lassen. Er könne sich gut 30 Tage vorstellen. Dieser Vorschlag, so Fischer, würde an der Genehmigungstheorie nicht rütteln. Und für die Praxis würde es bedeuten, dass die Möglichkeit eines Widerspruchs durch den Verwalter auf Belastungen beschränkt wäre, die einen Monat vor Antragstellung erfolgt sind. Im zweiten Teil befasste sich RA Frank Kirchner, Chefsyndikus der Citibank AG, mit der Kontopfändung. Über 53.000 Kontopfändungen im Jahr bedeuteten für sein Haus erheblichen Arbeitsaufwand. Er stellte das Pfändungsschutzkonto vor, dessen Gesetzentwurf der Bundestag inzwischen am 23.4. beschlossen hat. Es sieht einen Basispfändungsschutz von 985,15 Euro vor. Dieses Gesetz stelle Banken wieder vor neue Herausforderungen, da neben diesem Konto ein»schattenkonto«geführt werden müsse, in dem das nicht von der Pfändung betroffene Guthaben berechnet wird.»auf diesen Kosten bleibt die Bank sitzen.«im dritten Komplex beschäftigten sich Dr. Marcel Köchling, Lone Star, und RA Dr. Clemens Clemente mit dem Forderungsverkauf und dem Risikobegrenzungsgesetz. Dieses Gesetz sei im vergangenen Jahr»mit der heißen Nadel«gestrickt worden und werfe zahlreiche neue Fragen auf. Es sei ungeklärt, ob und unter welchen Umständen der Verkauf von Forderung und Grundschuld zulässig ist. Als einer der großen Käufer notleidender Kredite meinte Köchling, dass der deutsche Markt einen sicheren und verlässlichen Rechtsrahmen biete. Dennoch wolle die Branche freiwillige, über das Gesetz hinausgehende Regelungen, wie Code of Conduct und Ombudsmannverfahren, schaffen. Im vierten Teil erörterte RA Dr. Christian Dawe das Thema Verbraucherdarlehen und Restschuldversicherung und stellte dazu ein IFF-Gutachten vor. Die Versicherungskosten machten einen immensen Teil aus. Würde man sie in den Effektivzinssatz einberechnen, kämen statt 13 Prozent 23 Prozent zum Vorschein. Seine Recherchen hätten ergeben, dass ohne Restschuldversicherung in der Regel kein Darlehen erteilt würde. Seine These: Beides ist als verbundenes Geschäft zu werten. Eine mangelnde Widerrufsbelehrung führe dann bei Widerruf zur Rückabwicklung und damit zu einer Massemehrung. Mit dem Widerruf sei die Lohnabtretung hinfällig, eine Haftung des Schuldners oder Verwalters löse der Widerruf nicht aus. Er wies aber darauf hin, dass dazu die letzte Rechtsprechung noch aussteht.

Prof. Dr. Ulrich Falk Prof. Dr. Hans-Ulrich Heyer Prof. Dr. Heribert Hirte 23 Ganter, aber aus rechtlichen Gründen sei es zwingend gewesen. Als Ausblick für 2009 nannte er drei Komplexe: Der Senat werde in der Hauptsache zum 28e Abs. 1 SGB IV entscheiden. Zudem mache man sich»ernsthafte Gedanken«über die Anrufung des Gemeinsamen Senats, welcher Rechtsweg bei der Anfechtung von Lohnzahlungen gegeben sei.»die Rechtsprechung des BAG trifft uns ins Mark.«Und zu guter Letzt bleibe die Divergenz des IX. mit dem XI. Zivilsenat des BGH zum Lastschriftwiderruf ein Thema. Er habe die Hoffnung, dass die»ungute Rechtszersplitterung«bald beendet wird, notfalls mit Anrufung des Großen Senats. Den Verwaltern»die Leviten gelesen«habe der nächste Referent, sagte Horst Piepenburg nach dessen Ausführungen zum Berufsethos des Insolvenzverwalters in der modernen Marktgesellschaft. Jahrzehnt für Jahrzehnt beleuchtete Prof. Dr. Rolf Stürner, wie sich die gesellschaftliche Grundverfassung und ihr Ethos im Insolvenzrecht und im Verständnis der Insolvenzverwaltung widergespiegelt hat und sich der Verwalter vom Organ der Rechtspflege zum Organ der Restrukturierungspflege entwickelte. Seiner Meinung nach lasse die InsO genügend Spielraum für den sozialen Ethos zu, man müsse ihn nur nutzen. Die Chancen des DES (v. li.) RA Dr. Michael Jaffé, RA Kolja von Bismarck, Dieter Fockenbrock, Prof. Dr. Horst Eidenmüller Unter der Überschrift»Umsetzung einer Vision«stand der folgende Vortrag mit Podiumsdiskussion: der Debt-Equity-Swap (DES) in Deutschland. Als größtes Hindernis für einen DES im Rahmen des Insolvenzplans nannte Prof. Dr. Horst Eidenmüller (siehe ZIP 2009, 541 ff.), dass die bisherigen Anteilseigner und auch Gläubiger trotz der Insolvenz weiterhin über die erforderlichen Kapitalmaßnahmen zu entscheiden haben. Er plädiert für den insolvenzrechtlichen Verteilungsansatz, dass Gesellschafter nur einen etwaigen Rest erhalten, Fortführungswert minus Nominalwert der Schulden. Die starke Stellung der Gesellschafter sei weder verfassungsund europarechtlich geboten. In seinem Reformansatz sollten die Anteilseigner als letztrangig Berechtigte in das Planverfahren einbezogen werden. Der Plan soll die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse neu ordnen und Kapitalmaßnahmen festsetzen dürfen. Als Plan B stellte er ein Modell vor, das die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen für Kapitalmaßnahmen im Planverfahren herabsetzt. Das Podium aus RA Kolja von Bismarck und RA Dr. Michael Jaffé stimmte im Großen und Ganzen Eidenmüllers Vorschlägen zu.»änderungsbedarf gibt es jetzt und nicht nach der Wahl«, betonte von Bismarck. Das DES könne auch»unter der Vermeidung der Insolvenz«außergerichtlich eine Rolle spielen. Hier warf RiBGH Dr. Gerhard Pape ein, dass er für einen DES außergerichtlich in Hinblick auf die Altgesellschafter keine Chance sehe. Für Jaffé kommt ein schlankes, schnelles und mit wenig Publizität verbundenes Vorverfahren nur unter Gerichtsaufsicht in Frage. Ein außergerichtliches Verfahren würde die InsO entwerten und ihr den Stempel»nur zur Liquidation«aufdrücken, meinte Eidenmüller

24 Kongresse & Tagungen WORKSHOP IV: DIE FAMILIE DES SCHULDNERS: MITGEFANGEN MITGEHANGEN? INDat-Report 03_2009 IV RiBGH Dr. Gerhard Pape (re.) Im Einführungsreferat führte RiBGH Dr. Gerhard Pape aus, dass die Insolvenz vielfältige Konsequenzen auf die Familie habe. In den Restschuldbefreiungsverfahren mache er oft die Erfahrung, dass die Versagungsantragsteller aus dem familiären Umfeld kämen, die dadurch eher Aversionen,»das Scheidungsverfahren wird fortgesetzt«, auslebten, als über finanzielle Fragen stritten. Hier müsse man zwischen intakter und»gesprengter«familie unterscheiden, bei der sich die Konflikte im Insolvenzverfahren fortsetzen könnten. Während sich RAin Katrin Wedekind mit den Bürgschaften und gemeinsamen Verträgen befasste und RA Lutz Erdmann das Pfändungsrecht beleuchtete, erörterte RAin Hildegard Allemand steuerliche Folgen. Hier ging es u. a. um die rechtsmissbräuliche Steuerklassenwahl, womit sich der BGH kürzlich befasst hatte. Sie könne einen Versagungsgrund darstellen, wenn die Schädigung der Gläubiger eindeutig gegeben sei. Diskutiert wurde auch, ob der Treuhänder die Steuerklassenwahl beeinflussen könne. Man kam zu dem Ergebnis, er dürfe darüber nicht entscheiden, da es alleinige Sache des Schuldners sei. Im letzten Teil stellte RA Volker Burgard verschiedene erb- und familienrechtliche Konsequenzen vor. Von zentraler Bedeutung war die Frage, ob der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode ein Erbe, das in dieser Zeit anfällt, ausschlagen kann oder nicht, um die Gläubiger nicht zu benachteiligen. Muss er zumindest den Pflichtanteil geltend machen? Ob hier eine Obliegenheitsverletzung vorliegt, werde der BGH demnächst zu entscheiden haben, so Pape. von den Fragezeichen der Richter am EuGH stand ganz im Zeichen der Finanzkrise. ganz abgesehen. Er zweifelte daran, dass Warum, wer ist schuld an der Finanzkrise, man ein schlankes Gesetz produzieren fragte Dr. Jürgen Allerkamp von der könne. Im Anschluss daran verteilten sich NORD LB. Nicht monokausal könne die die Teilnehmer auf die fünf Workshops, Antwort ausfallen, wenngleich primär die wobei der zum Bankrecht der bestbesuchte war, gefolgt von dem zur Krise der Aber an die Nase fassen müssten sich in Schuld bei den Bankern zu suchen sei. Automobilwirtschaft. seiner Aufzählung der elf Schuldigen auch Der Beginn des zweiten Kongresstages Ratingagenturen, Wertpapieranalysten und renditeorientierte Anleger. Wie das Vertrauen in das weltweite Bankenwesen wiederhergestellt werden kann, führte Dr. Andreas R. Dombret (Bank of America) aus. Seine zehn Punkte reichten von Erweiterung staatlicher Rettungsmaßnahmen über international harmonisierte Rechnungslegungsgrundsätze bis zur verstärkten Kontrolle der Ratingagenturen. An die eigene Nase fassen sollten sich die Verwalter während des kurzweiligen und amüsanten sowie auf Empirik gestützten Vortrags von Prof. Dr. Ulrich Falk über kognitive Dissonanzen. Das sind unbewusste und schwer vermeidbare Abweichungen der Wahrnehmung, wozu die Selbstübereinschätzungs-, Ästhetik- oder die Verfügbarkeitsverzerrung zählen. Bei letzterer bewertet man»frische«informationen automatisch höher. Da das Insolvenzverfahren eine Kette unsicherer Entscheidungen und man vielen Akteuren ausgesetzt sei, drohe der Verwalter häufig Opfer von Wahrnehmungsverzerrungen zu werden seine eigene Leistung inbegriffen. Im Anschluss folgten drei Anmerkungen zu einem jüngst verabschiedeten Gesetz, zu einer ausgebliebenen Reform und zu einer seit Längerem angedachten: WP/StB Eberhard Hickethier erläuterte das inzwischen von Bundestag und Bundesrat verabschiedete BilMoG, dessen Rechnungslegungsvorschriften ab 1.1.2010 auch durch den Verwalter zu erfüllen sind. Das neue Verfahren werde das alte sein, verkündete RiAG Prof. Dr. Hans-Ulrich Heyer zum Verbraucherinsolvenzverfahren. Die Politik habe nicht den Mut und die Kraft

25 WORKSHOP V: KRISE IN DER AUTOMOBILWIRTSCHAFT für eine Reform gehabt. Man hätte diesen Teil der Reform aus dem Paket mit GAVI und der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen lösen sollen, dann wäre man schon ein Stück weiter. Wie die Konzerninsolvenz geregelt werden könnte, wurde Prof. Dr. Heribert Hirte schließlich nicht müde, in Richtung Gesetzgeber zum wiederholten Male zu formulieren. Er beschrieb die Problemkreise, wie divergierende örtliche Zuständigkeiten der Insolvenzgerichte, unterschiedliche Insolvenzverwalter in verschiedenen Verfahren über einer Unternehmensgruppe angehörige Schuldnerunternehmen sowie unterschiedliche Vermögensmassen. Er plädierte für die Bestellung eines Insolvenzverwalters, nur bei Interessenkonflikten solle es einen weiteren Verwalter bzw. einen Sonderwalter geben. Für die Zusammenfassung der Massen sprächen ökonomische Gründe,»the size of the pie is more important than the size of the slice«, doch es gebe auch ein gutes Gegenargument: Die Kreditvergabe sei auf der Grundlage der Selbstständigkeit vergeben worden. Vor der Mitgliederversammlung erfolgte zum Abschluss des thematisch hoch aktuellen wie spannenden Fachkongresses noch die bewährte und fundierte Rechtsprechungsübersicht. Erwartungsgemäß wurde danach der Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses, Horst Piepenburg, in der Wahl bestätigt sowie für RA Werner Folger wurde RA Peter Depré gewählt die bisherigen sechs Mitglieder bestätigt. Alle dankten für das Vertrauen und nahmen die Wahl an. «(v. re.) Dr. Hans Albrecht, VDr. Joachim Türk, RA Christopher Seagon, RA Dr. Martin Prager, Joachim Koolmann Die Automobilbranche befindet sich in der Krise und beklagt einen Absatzrückgang von 18 Prozent im Februar dieses Jahres, führte RA Dr. Martin Prager aus. Als wichtiges Wirtschaftsgut habe sie in 2008 einen Anteil von zirka zehn Prozent am BIP gehabt, der Anteil am Export liege bei zirka 17,5 Prozent. Die Branche zählt etwa 756.000 Beschäftigte. Unbestritten seien auf dem Markt Überkapazitäten von 20 bis 40 Prozent. Dr. Joachim Türk, Risikomanager bei der BMW AG, stellte die Vernetzung der Automobilzulieferer und deren Abhängigkeiten vor. Zur Lage der rund 2000 Unternehmen der Automobilindustrie äußerte er, dass dieses Jahr wohl noch 50 Firmen Insolvenz anmelden müssten. Insgesamt sei die Struktur der Zulieferer dennoch gesund. Es bestehe keine systemische Krise im europäischen Netzwerk. Zweidrittel der Unternehmen in Deutschland sei überhaupt nicht insolvenzgefährdet, ein Viertel trage ein kleines Risiko. Neben außerinsolvenzlichen Aktivitäten in der Krise liege in Insolvenzverfahren ein Potenzial zum»nachhaltigen gesamtwirtschaftlichen Erfolg«. Cluster sollten um aktuelle Insolvenzen aufgebaut werden, um eine»vernünftige Struktur«für die Zukunft zu entwickeln. Er regte an, dass auch Verwalter dieser Betriebe sich zu Clustern zusammenschließen sollten. RA Christoper Seagon stellte das Thesenpapier»Das Insolvenzverfahren als Chance für die Automobilzulieferer«vor, das fünf Verwalter im März dieses Jahres erstellt hatten. Mit entwickelten Grundsätzen solle die Sanierung mittels Insolvenzverfahren populärer gemacht werden. Die Sicht eines Londoner Investmentbankers referierte Joachim Koolmann (J. P. Morgan). Zwischen ihnen und Verwaltern bestehe keine»love-relationship«, da man das deutsche Verfahren als intransparent betrachte. Die hohe Unabhängigkeit des Verwalters werde von Großinvestoren»nur eingeschränkt verstanden«. Seine Forderung: Reaktivierung der alten Vergleichsordnung verbunden mit der Zulässigkeit des Debt-Equity-Swaps als vorinsolvenzliches Verfahren mit gerichtlicher Beaufsichtigung und Absegnung. Eine düstere Prognose stellte RA Prof. Dr. F. Christian Genzow an: In den kommenden fünf Jahren würden 3000 bis 5000 Autohäuser»verschwinden«. Leasinggesellschaften müssten die Restwerte ihrer Fahrzeuge nach unten korrigieren und gerieten dadurch ebenfalls in Schieflage. Dass die langfristige Perspektive für Automobilzulieferer gar nicht so schlecht ist, betonte Dr. Hans Albrecht (Nordwind Capital). Dieser Markt sei derzeit für Investments interessanter, als viele glaubten.