ARUD Zürich Evaluation und Forschung Info 1/07



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ARUD Zürich Evaluation und Forschung Info 1/07 Subjektive Lebensqualität opioidabhängiger Menschen in einer substitutionsgestützten Behandlung Magdalena Dampz Luis Falcato

ARUD Zürich, Evaluation und Forschung Info 1/07 Seite 2 Zusammenfassung Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit der Lebensqualität von opioidabhängigen Menschen bei Eintritt in eine substitutionsgestützte Behandlung und in deren Verlauf nach 6, 12 und 18 Monaten. Eingesetzt wurde der Fragebogen WHOQOL-BREF mit 26 Items und einer 100er Skala für einzelne Bereiche und den Globalwert der Lebensqualität. Das Alter der untersuchten Population liegt zwischen 18.8 und.9 Jahren mit einem Durchschnitt von 34,6, ±8.1. Die subjektive Lebensqualität bei Behandlungsbeginn liegt bis zu ca. % tiefer als die Lebensqualität in der Allgemeinbevölkerung. Die Mittelwerte der Lebensqualität der Opioidabhängigen gleichen denjenigen von hoch betagten Personen über 85 Jahren. Die bis 25-jährigen Opioidabhängigen weisen bei Behandlungsbeginn mit 46 Punkten einerseits den niedrigsten Globalwert der Lebensqualität aus, andererseits mit Punkten den höchsten Wert im Bereich soziale Beziehungen. In der Allgemeinbevölkerung weist die Gruppe der 46--jährigen mit 66 Punkten den niedrigsten Globalwert auf, den höchsten Wert, 87 Punkte, erreichen die bis 25-jährigen im physischen Bereich. Die Lebensqualität unserer PatientInnen beim Eintritt in die substitutionsgestützte Therapie ist mit derjenigen von Psychiatrie-PatientInnen vergleichbar. Ein allmähliches Sinken der Lebensqualität mit steigendem Alter, das in der Allgemeinbevölkerung deutlich zu beobachten ist, wurde bei unseren PatientInnen nicht festgestellt. Hingegen liegt die allgemeine Einschätzung der Lebensqualität (Domäne Globalwert) bei der jüngsten Altersgruppe von Opioidabhängigen (bis 25 Jahre alt) tiefer als bei anderen Altersgruppen. In der Allgemeinbevölkerung schätzen die Jüngsten ihre Lebensqualität am höchsten ein. Während der Behandlung steigt die subjektive Lebensqualität am deutlichsten in den ersten 6 Monaten der Substitution. Die Veränderungen sind für die Domänen physisch, psychisch und global hoch signifikant (p< 0.001). In den nächsten Zeitabschnitten (nach 12 und 18 Monaten) bleiben die Werte relativ stabil oder sinken ein wenig. Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit denjenigen anderer Studien (Habrat 2002, Padaiga 2007), die gezeigt haben, dass die meisten Veränderungen in der subjektiven Lebensqualität in den ersten Monaten der Behandlung stattfinden und die Werte nachher konstant bleiben oder sinken. Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die substitutionsgestützte Behandlung einen positiven Effekt vor allem auf die physische, psychische und globale Dimension der subjektiven Lebensqualität von opioidabhängigen Menschen hat. Einleitung Weshalb Lebensqualität? Seit der breiteren Diskussion über die Qualität und Effizienz medizinischer Versorgung, die in den 1990er Jahren stattgefunden hat, ist es unbestritten, dass neben medizinischen Kriterien die subjektive Perspektive des Patienten eine zentrale Rolle für die Beurteilung der Qualität medizinischer Leistungen spielt (Tüchler & Lutz 1991). Die Effektivität substitutionsgestützter Behandlungen bei Opioidabhängigkeit wurde bezüglich Beikonsum, Risikverhalten und Kriminalität in vielen anderen Studien belegt (Ward, Mattick 1998). Da die Substanzstörung durch Opioide eine oft chronifizierende Krankheit ist, ist auch die regelmässige Erhebung der subjektiven Lebensqualität der PatientInnen für die Beurteilung der Qualität der substitutionsgestützten Behandlungen sinnvoll und wichtig. Fragestellungen Wie hoch ist die Lebensqualität von opioidabhängigen PatientInnen, die in eine substitutionsgestützte Behandlung eintreten, verglichen mit der Lebensqualität in der Allgemeinbevölkerung? Gibt es Unterschiede in der Lebensqualität von heroinabhängigen Menschen nach Alter und Geschlecht? Wie verändert sich die subjektive Lebensqualität von substituierten PatientInnen im Behandlungsverlauf? Datengrundlage und Methodik Was ist Lebensqualität? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 1991 unter der Beteiligung mehrerer Forschungszentren in der ganzen Welt ein internationales Instrument zur Erfassung der subjektiven Lebensqualität entwickelt, das die interkulturellen Unterschiede, den Grad der Industrialisierung, der medizinischen Versorgung sowie andere für die Wahrnehmung der Lebensqualität relevante sozialökonomische Aspekte berücksichtigt. Die Grundlage dieses Instrumentes war eine Definition der Lebensqualität, welche die gesamte Lebenssituation und die kulturellen Besonderheiten des Befragten in den Vordergrund stellt: «Lebensqualität ist die individuelle Wahrnehmung der eigenen Lebenssituation im Kontext der jeweiligen Kultur und des jeweiligen Wertesystems und in Bezug auf die eigenen Ziele, Erwartungen, Beurteilungsmassstäbe und Interessen». (Angermeyer 2000, S.10) Mittels qualitativer Befragungen, Pilotstudien und Faktorenanalyse wurden ein 100-Item-Fragebogen (WHOQOL- 100) sowie seine gekürzte Version mit 26 Items entwickelt. Instrument Zur Erfassung der subjektiven Lebensqualität in unserer Studie wurde das 26-Item Instrument WHOQOL-BREF (QoL eng. Quality of Life) eingesetzt (Angermeyer 2000).

ARUD Zürich, Evaluation und Forschung Info 1/07 Seite 3 Die Antwortmöglichkeiten bilden eine 5-stufige Likert-Skala (von 1 = sehr unzufrieden bis 5 = sehr zufrieden ). Die 26 Fragen wurden anhand einer Faktorenanalyse von der WHO 5 Domänen zugeordnet, welche die Multidimensionalität der subjektiven Lebensqualität wiedergeben (Tab.1): Die physische Domäne umfasst Fragen zur physischen Gesundheit und alltäglichen Lebensbewältigung. Der psychischen Dimension wurden Fragen zur Zufriedenheit mit sich selbst, Konzentrationsfähigkeit, Akzeptanz des Aussehens sowie negativen und positiven Gefühlen zugeordnet. Die Domäne soziale Beziehungen umfasst Fragen zu Freundschaften, privater Unterstützung und Sexualleben. Die Dimension Umwelt widerspiegelt die Zufriedenheit mit der Wohn- und Finanzsituation, mit Freizeitaktivitäten und mit dem Zugang zu Informationen und Infrastruktur. Dem Globalwert entnehmen wir die Beurteilung der Lebensqualität im Allgemeinen. Die Domänenwerte wurden zu einer 0-100 Punkte Skala transformiert. Die interne Reliabilität (Cronbachs α) liegt für alle Domänen über.75. Tab. 1 Aufbau des Instrumentes zur Messung der subjektiven Lebensqualität WHOQOL-BREF Domäne Anzahl Fragen C α Physisch 7.88 Psychisch 6.83 Soziale Beziehungen 3.76 Umwelt 8.78 Global 2 Facetten (Items) Schmerz, Energie, Schlaf, Mobilität, Aktivität, Medikation, Arbeitsfähigkeit positive Gefühle, Konzentration, Selbstwert, Aussehen persönliche Beziehungen, Unterstützung durch Freunde, Sexualität Sicherheit, Wohnung, finanzielle Ressourcen, gesundheitliche Versorgung, Zugang zu Informationen, Freizeitaktivitäten, Umweltbedingungen, Verkehrsmittel Beurteilung der Lebensqualität allgemein, Zufriedenheit mit der Gesundheit Andere Studien zur Lebensqualität opioidabhängiger Menschen Es gibt einige Studien, welche die subjektive Lebensqualität heroinabhängiger Personen in Substitutionsprogrammen untersuchen (Tab. 2). Die Vergleichbarkeit ist jedoch erschwert, dadurch dass unterschiedliche Befragungsinstrumente eingesetzt werden. In der Studie von Ž. Padaiga (2007) wurde der gleiche Fragebogen eingesetzt wie in unserem Forschungsvorhaben. Es wurden signifikante Veränderungen in den Domänen physisch, psychisch und Umwelt nach 6 Monaten Behandlung festgestellt. In einer Studie aus Polen (Habrat 2002) wurde zwar ein anderes Instrument eingesetzt, das Forschungsdesign ist aber unserem insofern ähnlich, als hier auch der 12-Monate Verlauf berücksichtigt wurde. Die meisten signifikanten Veränderungen fanden nach dieser Studie bei PatientInnen nach 6 Monaten substitutionsgestützter Behandlung statt. Nach weiteren 6 Monaten kam es zu keiner weiteren Verbesserung und die Lebensqualitätswerte sanken in fast jeder Domäne ein wenig. Die Lebensqualitätsdimensionen in diesem Instrument (SF-36) sind jedoch anders als in dem von uns eingesetzten. Tab. 2 Andere Studien zur Lebensqualität opioidabhängigen Menschen in einer substitutionsgestützten Behandlung Autor, Land Ž. Padaiga Litauen B. Habrat Polen Material und Methode Die drei ARUD Zürich-Polikliniken für Drogenmedizin (Zokl1, Zokl2 in Zürich und DBB in Horgen) behandeln ca. 7 Opioidabhängige. Die subjektive Lebensqualität wird seit 2005 bei jedem Eintritt und dann halbjährlich als Selbstrating erhoben. Ausserdem wird ein Fragebogen mit Angaben zur sozialen Lage und zum Substanzkonsum der PatientInnen ausgefüllt (Fremdrating durch die Behandelnden). Die zwei Datensätze aus diesen Erhebungen wurden einander mittels Patienten-Identifikationsnummer und Befragungsdatum zugeordnet. Instrument 1 Ein + bedeutet eine signifikante Veränderung, n.s. eine nicht signifikante. WHOQOL- BREF SF-36 Probanden, Treatment, Design 102 Personen Methadon 3 und 6 Monate Personen Methadon 6 und 12 Monate Resultat Anfang/6 Monate: + physisch, psychisch, Umwelt n.s. soziale Beziehungen 1 Anfang/6 Monate: + physisch, sozial, somatische Beeinträchtigungen, psychische Beeinträchtigungen, psychische Gesundheit, Schmerz, Gesundheit allg. n.s. Energie/Vitalität 6 Monate/12 Monate: Werte für jede Domäne (ausser Energie, die steigt) tiefer als nach 6 Mon., aber in keinem Fall tiefer als am Anfang. Anfang/12 Monate: + Energie/Vitalität steigt sig. im Vergleich zum Anfang der Therapie.

ARUD Zürich, Evaluation und Forschung Info 1/07 Seite 4 Für die Analyse wurden alle Erhebungen berücksichtigt, die in einem Zeitraum von bis zu 6 Wochen vor oder nach Fälligkeitsdatum erhoben wurden. Es wurden vier getrennte Analysen für unterschiedliche Behandlungsdauern durchgeführt. Für jedes Subsample wurden nur die Behandlungen mit jeweils vollständigem Dataset der Erhebungen einbezogen, um keine Verzerrungen der Verlaufskurven durch Missing Data zu haben: Stichprobe Baseline umfasst alle PatientInnen, für die QoL-Daten für Eintritt vorhanden sind (N = 432). Stichprobe bis 6 Monate umfasst alle Personen, für die QoL-Daten für Eintritt und für den 6 Monate Verlauf vorhanden sind (N = 124). Stichprobe bis 12 Monate umfasst alle Personen, für welche die QoL-Erhebung zu den Zeitpunkten Eintritt, 6- und 12 Monate Follow-up stattgefunden hat (N = 46). Stichprobe bis 18 Monate umfasst alle Behandelten, für welche die QoL-Daten für Eintritt, 6-, 12- und 18 Monate vorliegen (N = 20). Die Daten für die letzte Stichprobe werden in den Grafiken mit einer gestrichelten Linie gekennzeichnet, da sie wegen der kleinen Fallzahl als noch ungesichert betrachtet werden müssen. Die Erhebung für die Stichprobe bis 6 Monate hingegen wird mit einer dickeren Linie gezeichnet, da hier eine ausreichende Datenlage gegeben ist. Die Signifikanz der Unterschiede wird mit -Symbolen angezeigt ( = Sig. < 0.05, = Sig. < 0.01, = Sig. < 0.001). Im ersten Schritt wird die subjektive Lebensqualität von PatientInnen beim Eintritt beschrieben (Stichprobe Baseline ). Es werden Unterschiede in der Lebensqualität unter Berücksichtigung des Alters und Geschlechts besprochen. Die Werte unserer PatientInnen beim Eintritt werden mit den Standardwerten für die deutsche Allgemeinbevölkerung sowie für psychiatrische PatientInnen verglichen. Im zweiten Schritt wurden Veränderungen in der subjektiven Lebensqualität während der substitutionsgestützten Behandlung in den drei oben beschriebenen Stichproben getrennt nach Geschlecht untersucht. Die Daten wurden mit der Statistiksoftware SPSS-12 ausgewertet. Die Veränderungen während der Therapie wurden mittels t-test für abhängige Stichproben auf Signifikanz überprüft (zweiseitig, p < 0.05). Die Standardwerte für die deutsche Allgemeinbevölkerung und für PatientInnen der psychiatrischen Kliniken wurden dem Buch von M.C. Angermeyer entnommen (Angermeyer 2000). Resultate Opioidabhängige Menschen beim Eintritt in eine substitutionsgestützte Behandlung Demografische Beschreibung Es liegen Daten zur Lebensqualität bei Eintritt für 432 PatientInnen (3 Männer und 92 Frauen) vor (Stichprobe Baseline ). Der Altersdurchschnitt betrug in dieser Stichprobe 34.6 Jahre (18.8 bis.9 Jahre, ± 8.2). Die Personen traten zumeist in ein Methadonprogramm ein (77.3%), nur wenige dieser Stichprobe wurden mit Heroin (8.1%) oder Buprenorphin (9%) substituiert. Wer sind diese Personen und wie ist ihre Lebenssituation? Wohnsituation 72.5% lebten in einer stabilen Wohnsituation (eigene Wohnung, bei den Eltern, usw.), gegenüber 13.7%, die sich in einer instabilen Wohnsituation befanden (vorübergehend bei Kollegen, auf der Gasse). Der Rest 13% gab eine Institution (wie z.b. Betreutes Wohnen ) als den Wohnort in den letzten Tagen vor dem Eintritt an. Arbeitssituation 43.5% der PatientInnen aus der Stichprobe Baseline gaben an, nicht auf dem Arbeitsmarkt aktiv zu sein (Hausfrau/ -mann, AHV-/IV RentnerIn). Etwa 20% waren gerade auf Stellensuche und 25% gingen einer Voll- oder Teilzeitarbeit nach. Soziale Beziehungen 44.2% der Befragten aus der Stichprobe Baseline hatten eine/n (Ehe)PartnerIn. Etwa % hatten mindestens ein Kind, die meisten lebten jedoch nicht mit ihren Kindern zusammen. 144 Personen, das heisst mehr als 26%, gaben an, keine nahe stehenden Freunde (PartnerIn ausgenommen) zu haben. Konsumanamnese, Straftaten Das Durchschnittsalter beim ersten Heroinkonsum betrug 19.9 Jahre (12 bis 44, ± 5.4), das Alter bei Beginn des regelmässigen Heroinkonsums 21.8 Jahre (± 5.7). Die PatientInnen aus dieser Stichprobe hatten durchschnittlich 8.4 Jahre Heroinkonsum hinter sich (± 6.5). Fast 64% der Befragten hatten schon einmal eine illegale Substanz injiziert..5% gaben an, mindestens einmal wegen einem Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagt worden zu sein. Opioidabhängige Menschen beim Eintritt in eine substitutionsgestützte Behandlung Wie ist ihre subjektive Lebensqualität im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung? Die Lebensqualität unserer PatientInnen beim Eintritt in die substitutionsgestützte Behandlung ist vergleichbar mit derjenigen von PatientInnen in der Psychiatrie. Die subjektive Lebensqualität opioidabhängiger Menschen beim Eintritt in eine substitutionsgestützte Behandlung liegt bis zu ca. % tiefer als die Lebensqualität in der Allgemeinbevölkerung 2. Unsere PatientInnen schätzen ihre Lebensqualität ähnlich hoch ein wie die PatientInnen der psychiatrischen Kliniken 3 (Abb. 1). Die höchsten Werte haben unsere PatientInnen in der Domäne Umwelt (Frauen Punkte, Männer Punkte), die Allgemeinbevölkerung hingegen in der physischen Domäne. Am tiefsten, ähnlich 2 Es liegen Vergleichsdaten nur für die deutsche Allgemeinbevölkerung vor. Quelle: Angermeyer 2000, S. 117-118. 3 Es liegen Daten für PatientInnen mit Schizophrenie und mit schizotypen und wahnhaften Störungen vor. Die Befragung wurde in Universitätskliniken in Leipzig und Halle durchgeführt. Quelle: Angermeyer 2000, S..

ARUD Zürich, Evaluation und Forschung Info 1/07 Seite 5 wie in der Allgemeinbevölkerung, liegt der Globalwert (opioidabhängige Frauen: 46, opioidabhängige Männer: 49 Punkte; Frauen aus der Allgemeinbevölkerung: 66, Männer aus der Allgemeinbevölkerung: 69 Punkte). In der Allgemeinbevölkerung sind Männer grundsätzlich zufriedener mit ihrer Lebensqualität als Frauen. Unter Opioidabhängigen haben die Männer (N = 3) für die Domänen physisch, psychisch und global höhere Werte als die Frauen (N = 92). Anders als in der Allgemeinbevölkerung liegen die Werte der behandelten Frauen für die Dimensionen soziale Beziehungen und Umwelt höher als diejenigen der männlichen Patienten. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in unserer Stichprobe sind nicht signifikant, ausgenommen der Globalwert (p < 0.01) (Abb. 3). Abb. 1 Lebensqualität opioidabhängiger Menschen beim Eintritt in eine substitutionsgestützte Behandlung verglichen mit den Werten für die Allgemeinbevölkerung und PatientInnen der psychiatrischen Kliniken (Quelle: Angermeyer 2000) 100 90 80 20 10 0 77 51 74 72 48 51 Physisch Psychisch Sozial Umwelt Globalwert unsere Stichprobe "Baseline" beim Eintritt (N=432) Psychiatrie PatientInnen (N=98) deutsche Allgemeinbevölkerung (N=20) Die Lebensqualitätsmittelwerte der opioidabhängigen Menschen aus unserer Stichprobe (Durchschnittsalter: 34.6 Jahre) sind für jede Domäne tiefer als die Werte für über 76-jährige Menschen aus der Allgemeinbevölkerung. Unter Berücksichtigung des Alters, liegen die QoL-Mittelwerte für Opioidabhängige (im Alter zwischen 18.8 und.9 Jahre) im mittleren Bereich. Wenn man die Werte für die einzelnen Altersgruppen betrachtet, findet man den tiefsten Wert bei den bis 25-jährigen (46 Punkte in der Domäne Global) und den höchsten ebenfalls bei dieser Gruppe ( Punkte, Domäne soziale Beziehungen). Bei der Allgemeinbevölkerung liegen diese Werte (auch für Personen zwischen 19 und Jahren) zwischen 66 (46 - -jährige, Globalwert) und 87 Punkten (bis 25-jährige, Domäne physisch). Werte, die vergleichbar sind mit denjenigen unserer PatientInnen finden wir bei der Allgemeinbevölkerung erst in der Gruppe der über 85-jährigen. Man kann sagen, dass die opioidabhängigen Menschen aus unserer Baseline Stichprobe (Durchschnittsalter = 34,6, ±8.1) ihre Lebensqualität ungefähr gleich tief einschätzen wie die hochbetagten Personen aus der Allgemeinbevölkerung (vgl. Abb. 2). 68 Abb. 2 Globalwert beim Eintritt in eine substitutionsgestützte Behandlung verglichen mit den Werten für die Allgemeinbevölkerung nach Altersgruppen 90 80 76 46 73 69 49 49 66 46 63 62 bis 25 26-35 36-46- - 66-75 76-85 >85 Alter deutsche Allgemeinbevölkerung (N=20) unsere Stichprobe (N=432) Altersgruppe Unsere Stichprobe bei Eintritt: N (%) Deutsche Allgemeinbevölkerung: N (%) Bis 25 Jahre 73 (17.3%) 2 (11.7%) 26 35 Jahre 1 (38.2%) 394 (19.2%) 36 Jahre 1 (37.0%) 364 (17.7%) 46 Jahre 32 ( 7.5%) 269 (13.1%) Jahre 395 (19.2%) 66 75 Jahre 269 (13.1%) 76 85 Jahre 112 ( 5.5%) > 85 Jahre 12 ( 0.5%) Ein allmähliches Sinken der Lebensqualität mit steigendem Alter, das bei der Allgemeinbevölkerung deutlich beobachtet wurde (Abb. 2), wird bei unseren PatientInnen nicht festgestellt. Hingegen liegen die QoL-Werte bei der jüngsten Altersgruppe von Opioidabhängigen (bis 25 Jahre alt) je nach Domäne sogar tiefer als bei höheren Altersgruppen. In der Allgemeinbevölkerung sind die Jüngsten gleichzeitig diejenigen, die ihre Lebensqualität am höchsten einschätzen. So haben die jüngsten opioidabhängigen Personen aus unserer Stichprobe die tiefsten Werte (unter allen Altersgruppen Abb. 3 Lebensqualität opioidabhängiger Frauen und Männer beim Eintritt in eine substitutionsgestützte Behandlung verglichen mit den Werten für die Allgemeinbevölkerung 90 80 79 75 76 72 71 69 72 71 66 49 Physisch Psychisch Sozial Umw elt Globalw ert Männer/Allgemeinbevölkerung (N=925) Frauen/Allgemeinbevölkerung (N=1123) Männer/Stichprobe (N=3) Frauen/Stichprobe (N=92) 46

ARUD Zürich, Evaluation und Forschung Info 1/07 Seite 6 überhaupt) im Globalwert (46 Punkte) und gleichzeitig die höchsten Werte für die Domäne soziale Beziehungen ( Punkte). Die gleichaltrigen Menschen aus der Allgemeinbevölkerung haben in den entsprechenden Domänen 76 Punkte (Global) und 77 (soziale Beziehungen). Veränderungen in der subjektiven Lebensqualität im Behandlungsverlauf Der Vergleich der Lebensqualitätsmittelwerte beim Eintritt, nach 6, 12 und 18 Monaten soll die Entwicklung der subjektiven Lebensqualität von opioidabhängigen Menschen im Verlauf einer substitutionsgestützten Therapie aufzeigen. Dabei wird postuliert, dass die Behandlung kausal ist für objektive Veränderungen, welche für das Individuum subjektiv wiederum zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen. In den folgenden Abschnitten werden Veränderungen im Verlauf der Behandlung für jede einzelne Domäne geschildert. Dabei wird der Verlauf der drei Stichproben beobachtet (s. Kap. Material und Methode), welche Personen umfassen, die unterschiedlich lange im Substitutionsprogramm verblieben. Jede Grafik stellt zusätzlich die Mittelwerte für die Gruppe Baseline dar, das heisst für alle Personen, für welche die Eintrittswerte vorhanden sind. Die subjektive Lebensqualität ist während den ersten 6 Monaten substitutionsgestützter Behandlung in der physischen Domäne signifikant gestiegen. Die Steigerung in der physischen Domäne ist für die grösste Stichprobe ( bis 6 Monate ) hoch signifikant (p < 0.001), für die anderen zwei signifikant (p < 0.05). Nach weiteren 6, bzw. 12 Monaten bleibt die Einschätzung des physischen Wohlbefindens stabil (Abb. 4). Die Veränderung in der physischen Domäne verläuft bei Männern und Frauen ähnlich: In den ersten 6 Monaten kommt es zu einer Steigerung (die bei den Frauen nicht signifikant ist) und dann zu einem leichten Absinken nach weiteren 6 Monaten. Für jene Personen, für welche die Follow-up Erhebungen bis zu 18 Monate vorhanden sind, ist der Verlauf anders: Bei den Frauen steigen die Werte stetig bis zur letzten vorhandenen Erhebung und die Verbesserungen nach 12 Monaten sowie zwischen 6- und 18 Monate Follow-up sind signifikant. In der Männergruppe hingegen bleibt die physische Lebensqualität nach 12 und 18 Monaten unverändert. Angesichts der kleinen Fallzahl sind die hier festgestellten Geschlechtsunterschiede im Verlauf der Substitution noch als ungesichert zu betrachten. Es müsste weiter untersucht werden, ob bei Frauen die substitutionsgestützte Therapie eine andere Auswirkung auf die Wahrnehmung des physischen Wohlbefindens hat und ob geschlechtsspezifische Faktoren auf den Verbleib in Behandlung wirken. Bemerkenswert ist, dass die PatientInnen, für die mehrere Erhebungen vorliegen (die also länger in der Behandlung bleiben), ebenfalls tiefere Eintrittswerte in der physischen Domäne vorweisen. Die Gruppe Baseline hingegen schätzt ihr physisches Wohlbefinden am höchsten ein. Abb. 4 Domäne physisch: Veränderungen im Verlauf der substitutionsgestützten Behandlung für drei PatientInnengruppen sowie Eintrittswerte für die Stichprobe Baseline Gesamt Männer Frauen 49 48 51 46 43 49 Stichprobe "Baseline" (N=432) Stichprobe bis 6 Mon. (N=124) Stichprobe bis 12 Mon. (N=46) Stichprobe bis 18 Mon. (N=20) Männer "Baseline" (N=3) Männer bis 6 Mon. (N=91) Männer bis 12 Mon. (N=32) Männer bis 18 Mon. (N=13) Frauen "Baseline" (N=92) Frauen bis 6 Mon. (N=33) Frauen bis 12 Mon. (N=14) Frauen bis 18 Mon. (N=7) Eine signifikante Steigerung in der psychischen Dimension der Lebensqualität erfolgt in den ersten 6 Monaten Therapie sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern. Die Werte in der psychischen Dimension der Lebensqualität steigen signifikant in den ersten 6 Monaten der Behandlung sowohl insgesamt als auch getrennt für Männer und Frauen (Abb. 5). Ähnlich wie in der physischen Domäne bringen die weiteren Follow-ups keine signifikanten Verbesserungen mehr. In der PatientInnengruppe, für die Daten bis zum 18- Monate-Follow up vorhanden sind, sinken die Werte ein wenig zwischen 12 und 18 Monaten Behandlung. Diese Veränderung wird am deutlichsten in der Frauengruppe beobachtet (N = 7). Ihre tieferen Werte für diesen Messzeitpunkt wirken sich auf das Gesamtergebnis aus. Die Eintrittswerte sind für die Stichproben Baseline und bis 6 Monate am höchsten (Gesamtheit und Männer). Wie es schon in der Domäne physisch beobachtet wurde, bleiben tendenziell diejenigen Personen länger in der Behandlung, die am Anfang tiefere Werte vorweisen. In der psychischen Dimension der Lebensqualität wird diese Tendenz bei den Frauen nicht beobachtet.

ARUD Zürich, Evaluation und Forschung Info 1/07 Seite 7 Abb. 5 Domäne psychisch: Veränderungen im Verlauf der substitutionsgestützten Behandlung für drei PatientInnengruppen sowie Eintrittswerte für die Stichprobe Baseline Gesamt 51 48 Männer 48 66 Frauen 67 Stichprobe "Baseline" (N=428) Stichprobe bis 6 Mon. (N=123) Stichprobe bis 12 Mon. (N=46) Stichprobe bis 18 Mon. (N=20) Männer "Baseline" (N=336) Männer bis 6 Mon. (N=90) Männer bis 12 Mon. (N=32) Männer bis 18 Mon. (N=13) Frauen "Baseline" (N=92) Frauen bis 6 Mon. (N=33) Frauen bis 12 Mon. (N=14) Frauen bis 18 Mon. (N=7) Die substitutionsgestützte Therapie hat keine positive Auswirkung auf die soziale Dimension der subjektiven Lebensqualität. In der sozialen Dimension wird eine leichte, nicht signifikante Steigerung der Werte bis zum Zeitpunkt 6-Monate beobachtet (Gesamtheit und Männer bis 6 Monate und bis 12 Monate, Frauen: Stichprobe bis 12 Monate ) (Abb. 6). Lediglich in der 18-Monate-Stichprobe ist im ersten halben Jahr eine deutlichere Verbesserung sichtbar: Die Werte steigen, gesamthaft betrachtet, um 11 Punkte (p < 0.01), um 8 Punkte bei den männlichen Patienten (p < 0.05) und um 14 Punkte bei den weiblichen (n.s.). Im weiteren Verlauf ab 6 Monaten wird in der sozialen Domäne eine sinkende Tendenz beobachtet, was in den anderen besprochenen Domänen nicht der Fall ist. Bei den Männern bis 12 Monate (N = 32) fallen die Werte nach einem Jahr unter das Niveau der Eintrittsmessung (5 Punkte tiefer), bei den Frauen nach einer Steigerung nach 6 Monaten, fallen die Werte wieder bis ungefähr auf das Niveau der Eintrittsmessung. Die absinkende Tendenz ab 12 Monate Behandlung bleibt auch in der kleinsten Stichprobe bis 18 Monate erhalten, die Mittelwerte liegen hier allerdings nie tiefer als die Eintrittswerte. Alle drei Gruppen: Baseline, bis 6 Monate und bis 12 Monate schätzen ihre soziale Lebensqualität beim Eintritt in die Therapie näherungsweise gleich hoch ein. Nur die Eintrittswerte für die Stichprobe bis 18 Monate liegen tiefer. Die positive Veränderung nach 6 Monaten ist dafür in der letzten Gruppe am stärksten, so dass ihre Werte zu diesem Erhebungszeitpunkt sogar höher als in den übrigen PatientInnengruppen liegen. Abb. 6 Domäne sozial: Veränderungen im Verlauf der substitutionsgestützten Behandlung für drei PatientInnengruppen sowie Eintrittswerte für die Stichprobe Baseline Gesamt 64 Männer Frauen 69 66 62 Stichprobe "Baseline" (N=426) Stichprobe bis 6 Mon. (N=124) Stichprobe bis 12 Mon. (N=46) Stichprobe bis 18 Mon. (N=20) Männer "Baseline" (N=336) Männer bis 6 Mon. (N=91) Männer bis 12 Mon. (N=32) Männer bis 18 Mon. (N=13) Frauen "Baseline" (N=90) Frauen bis 6 Mon. (N=33) Frauen bis 12 Mon. (N=14) Frauen bis 18 Mon. (N=7)

ARUD Zürich, Evaluation und Forschung Info 1/07 Seite 8 Die Domäne Umwelt ist für Personen in der substitutionsgestützten Behandlung die am meisten konstante Dimension der Lebensqualität. Nur die Männer aus der Gruppe bis 6 Monate weisen eine signifikante (p < 0.05) Verbesserung in der Domäne Umwelt aus, welche unter den Patienten, für die weitere Follow-up Daten vorhanden sind (Stichproben bis 12 und bis 18 Monate ) nicht mehr stattfindet (Abb. 7). Bei den Frauen zeigt die Entwicklung in den Gruppen bis 12 Monate und bis 18 Monate einen steigenden Trend (keine Veränderungen signifikant). Ähnlich wie in der Domäne soziale Beziehungen, weisen auch hier die PatientInnen aus der Stichprobe bis 18 Monate die tiefsten Eintrittswerte aus und die drei übrigen Gruppen schätzen ihre Lebensqualität beim Eintritt etwa gleich hoch ein. Anders als in der sozialen Domäne, bleibt die 18 Monate Gruppe in den ersten 6 Monaten, wie im weiteren Verlauf auf tieferem Niveau. Abb. 7 Domäne Umwelt: Veränderungen im Verlauf der substitutionsgestützten Behandlung für drei PatientInnengruppen sowie Eintrittswerte für die Stichprobe Baseline Gesamt 62 62 63 Männer Frauen 67 66 63 Stichprobe "Baseline" (N=428) Stichprobe bis 6 Mon. (N=123) Stichprobe bis 12 Mon. (N=46) Stichprobe bis 18 Mon. (N=20) Männer "Baseline" (N=336) Männer bis 6 Mon. (N=90) Männer bis 12 Mon. (N=32) Männer bis 18 Mon. (N=13) Frauen "Baseline" (N=92) Frauen bis 6 Mon. (N=33) Frauen bis 12 Mon. (N=14) Frauen bis 18 Mon. (N=7) Der Globalwert steigt hoch signifikant während der ersten 6 Monate in Behandlung. Der Globalwert hat, verglichen mit allen anderen Dimensionen der Lebensqualität, die tiefsten Werte (die Eintrittswerte liegen für jede Stichprobe unter Punkte). Diese Tendenz wird auch in der Allgemeinbevölkerung beobachtet. Die Mittelwerte steigen im Lauf der Behandlung sehr deutlich und signifikant (Abb. 8). In der Gesamtheit ist die Verbesserung nach 6 Monaten für alle Stichproben signifikant. Bei den Männern verbessert sich die subjektive Einschätzung der globalen Lebensqualität signifikant nach 6 Monaten in den Gruppen bis 6 (p<0.001) und bis 12 Monate (p<0.01). Für Männer aus der 18-Monate-Stichprobe, für die 3 Followup-Erhebungen vorliegen (N = 13), ist die Steigerung erst beim zweiten Follow-up, d.h. nach 12 Monaten hoch signifikant. Nach 18 Monaten wird ein Absinken der Werte beobachtet, angesichts der kleinen Fallzahl kann jedoch der für diese Zeitreihe gefundene Trend nicht als gesichert betrachtet werden. Die Frauen weisen eine etwas weniger ausgeprägte Steigerung im Globalwert auf, die zwar nach 6 Monaten für alle Stichproben stark ist, jedoch nur für die grösste Stichprobe (bis 6 Monate) signifkant (p<0.05). Für die weiteren Messzeitpunkte bleibt der Globalwert relativ konstant. Wie es schon in den anderen Dimensionen beobachtet wurde, schneidet die Stichprobe Baseline beim Eintritt am besten ab. Die Werte für die 18 Monate Stichprobe, welche anfänglich am tiefsten liegen, überschreiten dafür beim 12-Monate-Verlauf das Niveau aller anderen Gruppen. Abb. 8 Globalwert: Veränderungen im Verlauf der substitutionsgestützten Behandlung für drei PatientInnengruppen sowie Eintrittswerte für die Stichprobe Baseline Gesamt Männer Frauen 35 48 42 41 62 35 49 47 43 42 63 35 41 46 38 Stichprobe "Baseline" (N=426) Stichprobe bis 6 Mon. (N=124) Stichprobe bis 12 Mon. (N=46) Stichprobe bis 18 Mon. (N=20) Männer "Baseline" (N=336) Männer bis 6 Mon. (N=91) Männer bis 12 Mon. (N=32) Männer 18 Mon. (N=13) Frauen "Baseline" (N=90) Frauen bis 6 Mon. (N=33) Frauen bis 12 Mon. (N=14) Frauen bis 18 Mon. (N=7)

ARUD Zürich, Evaluation und Forschung Info 1/07 Seite 9 Diskussion Schadensminderung, Stabilisierung der Lebenssituation, Erhalten und Fördern vorhandener Ressourcen und Verbesserung der Lebensqualität sind grundlegende Ziele der substitutionsgestützten Behandlung opioidabhängiger Menschen. Die vorliegende, erstmalige Auswertung der seit 2005 in unseren Polikliniken routinemässig im Rahmen der Basisevaluation durchgeführten Erhebung der subjektiven Lebensqualität von PatientInnen zeigt eine eindrückliche Verbesserung des physischen, psychischen und allgemeinen Wohlbefindens von SubstitutionspatientInnen über den untersuchten Behandlungszeitraum von bis zu 18 Monaten. Für die subjektive Einschätzung der sozialen Beziehungen und der Dimension Umwelt konnte ein solch positiver Effekt jedoch nicht gefunden werden. Die subjektive Lebensqualität der untersuchten opioidabhängigen Personen bei Eintritt in eine substitutionsgestützte Behandlung ist im Vergleich zur Normstichprobe aus der Allgemeinbevölkerung deutlich beeinträchtigt, und zwar ähnlich wie bei einer Stichprobe von Psychiatriepatienten mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis. Neben der Beeinträchtigung durch die Folgen des Drogenkonsums selbst, kommt bei diesem Ergebnis die bekannt hohe psychische Komorbidität Opioidabhängiger zum Ausdruck. Es wurden kaum bedeutende Unterschiede in der Einschätzung der subjektiven Lebensqualität zwischen den in die Behandlung eintretenden Männern und Frauen festgestellt. Lediglich die Einschätzung der allgemeinen Lebensqualität und Gesundheit (Domäne Global) ist bei Frauen signifikant tiefer als bei Männern. Auch im weiteren Behandlungsverlauf unterscheiden sich die erhobenen Werte bei beiden Geschlechtern kaum. Das bedeutet, dass die substitutionsgestützte Behandlung sich in vergleichbarer Weise auf die Lebensqualität der beiden Geschlechter auswirkt. In der Allgemeinbevölkerung zeigt sich mit steigendem Alter ein sinkender Trend in jeder Domäne (ausser Dimension Umwelt, die relativ stabil bleibt). Dieser Zusammenhang zwischen dem Alter und der Lebensqualität wurde in unserer Stichprobe nicht festgestellt. Die jüngste Gruppe Opioidabhängiger hat zwar die höchsten Werte in der sozialen Dimension, jedoch für jede andere Dimension weist sie tiefere Werte aus als mindestens eine der älteren PatientInnengruppen. Es wurde beobachtet, dass die deutlichsten positiven Veränderungen in der Einschätzung der Lebensqualität während der ersten 6 Monate der Behandlung stattfinden, zu den wieteren Zeitpunkten bleibt die Einschätzung gleich oder geht leicht zurück. Es müsste noch genauer untersucht werden, wie dieser Verlauf der subjektiven Lebensqualität in substitutionsgestützten Behandlungen zu erklären ist. könnte abschliessend klären, in welchem Mass die beobachtete Verbesserung und Stabilisierung der Lebensqualität tatsächlich als ein Effekt der substitutionsgestützten Behandlung zu werten ist. Eine weitere Limitation ist die kleine Fallzahl der Probanden mit einer Behandlungsdauer über 6 Monaten. Aussagen zur Entwicklung der subjektiven Lebensqualität nach länger als einem Jahr müssen mit Vorsicht interpretiert werden. Angesichts der unterschiedlichen Gruppengrössen ist es auch nicht sinnvoll, die Signifikanzen in der zeitlichen Veränderung zwischen den Gruppen zu vergleichen. Die nicht nachweisbaren Verbesserungen bzw. das leichte Absinken der Werte in den Domänen Umwelt und soziale Beziehungen deuten darauf hin, dass das bestehende Behandlungsangebot hier an seine Grenzen stösst und zu einer Verbesserung in diesen Bereichen die Anwendung anderer, zusätzlicher Massnahmen geprüft werden müsste. Hier stellt sich natürlich die Frage, wieweit derartige zusätzliche Angebote über das Medizinalsystem zu finanzieren sind. Die soziale Domäne umfasst Fragen zur Zufriedenheit mit den persönlichen Beziehungen (1), mit der Unterstützung durch Freude (2) sowie mit dem Sexualleben (3). Die Auswertung einzelner Items zeigt, dass der festgestellte Rückgang des Ratings vor allem auf die Antworten auf die zwei ersten Fragen zurückzuführen ist. Das kann bedeuten, dass ein Eintritt in die substitutionsgestützte Therapie die Einstellung der sozialen Umgebung gegenüber der behandelten Person (negativ) verändert. Zum einen ist es denkbar, dass sich durch eine Distanzierung von der Drogenszene die bisherigen Beziehungen und Unterstützung verschlechtern. Zum anderen könnte ein Behandlungseintritt zu einer Entlastung bzw. einer Ablösung des informellen Hilfesystems (Familie, Freunde) führen. Ausserdem könnte die Behandlung eine kritischere Wahrnehmung eigener persönlicher Beziehungen bewirken. Eine qualitative Befragung könnte helfen, diese Befunde besser zu verstehen. Die Lebensqualität wurde in dieser Studie als ein subjektives Konstrukt definiert. Die objektiven Lebensbedingungen wurden dabei nicht berücksichtigt. Wir planen, in einem weiteren Forschungsvorhaben zu untersuchen, inwieweit die objektiven Behandlungsmerkmale (Substitutionsmittel, Dosis, Behandlungsdauer, Adherence, etc.) und die objektiven Lebensumstände (Arbeit, Wohnen, Freizeit, familiäre Situation usw.) die subjektive Lebensqualität der PatientInnen beeinflussen. Erste Auswertungen zeigen, dass hier durchaus plausible Zusammenhänge bestehen. Interessant wäre auch eine Untersuchung der Frage, wie sich die subjektive Lebensqualität über die Dauer der Behandlung hinaus, das heisst nach Abschluss oder Abbruch der Behandlung, entwickelt. Eine Einschränkung dieser im Rahmen einer Behandlungs- Basisevaluation durchgeführten Auswertung besteht darin, dass unser Design keine Kontrollgruppe beinhaltet. Nur ein Vergleich mit nicht behandelten opioidabhängigen Personen

ARUD Zürich, Evaluation und Forschung Info 1/07 Seite 10 Literatur Angermeyer M.C., Kilian R., Matschinger H. (2000): WHOQOL 100 und WHOQOL BREF. Handbuch für die deutschsprachige Version der WHO Instrumente zur Erfassung von Lebensqualität. Habrat B., Chmielewska K., Baran-Furga H., Keszycka B., Taracha E. (2002): [Subjective Quality of Life in opiate-dependent patients before admission after six months and one-year participation in methadone program], Przeg Lek; (4-5):351-4. Padaiga Ž., Emilis S., Vanagas G. (2007): Outpatient methadone maintenance treatment program Quality of life and health of opioid-dependent persons in Lithuania, Medicina (Kaunas), 43(3): 235-241. Tüchler H. & Lutz D. (Hrsg.) (1991): Lebensqualität und Krankheit. Auf dem Weg zu einem medizinischen Kriterium Lebensqualität. Ward J., Mattick R. P., Hall W. (1998): Methadone Maintenance Treatment and Other Opioid Replacement Therapies. Impressum ARUD Zürich Evaluation und Forschung Magdalena Dampz, Luis Falcato Sihlhallenstrasse Postfach CH-8026 Zürich Telefon (0041) +44 248 37 31 (0041) +44 248 37 32 E-Mail m.dampz@arud-zh.ch l.falcato@arud-zh.ch Internet www.arud-zh.ch www.gain-zh.ch www.dbb-zh.ch Die «Info Evaluation und Forschung» der ARUD Zürich erscheint seit 2004. Sie kann kostenlos abonniert werden: Senden Sie ein E-Mail an sekretariat@arud-zh.ch