Zur Aufteilung der PSPP-Anleihekäufe auf die Euro-Mitgliedstaaten

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Transkript:

Zur Aufteilung der PSPP-Anleihekäufe auf die Euro-Mitgliedstaaten Friedrich Heinemann Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und Universität Heidelberg Januar 2018 Zusammenfassung Diese Analyse aktualisiert eine Vorgängerstudie vom Oktober 2017 mit Blick auf die Länderaufteilung der Staatsanleihekäufe des Eurosystems. Der Vergleich der Käufe 2015, dem ersten Jahr des Public Sector Purchasing Programme (PSPP), mit 2017 belegt, dass sich die Übergewichtung von hoch verschuldeten Euro-Staaten weiter verstärkt. Immer deutlicher verfehlt die EZB dabei ihr selbst gestecktes Ziel, die Anleihekäufe proportional zum EZB-Kapitalschlüssel auf die Mitgliedstaaten zu verteilen. Für die 2017 getätigten Käufe liegen die Anteile von Italien, Frankreich, Belgien und Österreich inzwischen um etwa zehn Prozent über dem Niveau, das der Anwendung des EZB- Kapitalschlüssels entsprechen würde. Diese Befunde dürften von Relevanz für die derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof befindliche Streitfrage sein, inwieweit das PSPP-Programm noch dem ausschließlichen Bereich der Geldpolitik zugeordnet werden kann oder die Zuständigkeiten der EZB überschreitet. Eine geldpolitische Maßnahme sollte in ihrer Durchführung symmetrisch auf die Volkswirtschaften der Eurozone und die staatlichen Finanzierungsbedingungen wirken. Dies ist für das PSPP-Programm mit jedem Monat seiner Fortsetzung immer weniger der Fall. Prof. Dr. Friedrich Heinemann Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung L 7,1 68161 Mannheim Deutschland Tel: + 49 621 1235 149 Email: friedrich.heinemann@zew.de

1. Einleitung Diese Analyse schreibt die Studie von Heinemann (2017) 1 zur Struktur des Public Sector Purchasing Programme (PSPP) auf Basis der nun verfügbaren Daten zum Gesamtjahr 2017 fort. Seit März 2015 kaufen die Zentralbanken der Eurozone Staatsanleihen der Euroländer im Rahmen dieses Programms. Die Vorläuferstudie hatte aufgezeigt, dass dabei die Anteile der auf die einzelnen Eurostaaten entfallenden Käufe deutlich von der BIP-Proportionalität abweichen und Papiere Spaniens und Italiens übergewichtet werden. Außerdem hat sich gezeigt, dass seit 2015 die Anleihekäufe der EZB in jedem Jahr die Höhe der Neuverschuldung aller begünstigten Staaten übersteigen. Für die Abweichung der Länderanteile an den PSPP-Käufen von der BIP-Proportionalität gibt es die folgenden Gründe: Erstens steuert die EZB das Programm nicht nach aktuellen BIP-Gewichten, sondern nach dem EZB-Kapitalschlüssel. Dieser bestimmt sich nach BIP-Gewichten und Bevölkerungsanteilen. Der derzeit gültige Kapitalschlüssel wurde bereits zu Beginn 2014 fixiert und spiegelt daher die aktuellen BIP-Anteile aufgrund der deutlichen Wachstumsdifferenzen in der Eurozone nicht mehr exakt wider. Zweitens kann es zu Abweichungen vom Kapitalschlüssel kommen, wenn nämlich bei relativ gering verschuldeten Euro-Staaten ein Mangel an ankauffähigem Material besteht. In diesem Fall müssen die Anteile von höher verschuldeten Euro-Staaten an der Summe der Anleihekäufe steigen, um noch das gewünschte Gesamtvolumen an Euro-Staatsanleihen aufkaufen zu können. Es ist zu erwarten, dass die relative Begünstigung stark verschuldeter Länder durch das Anleihekaufprogramm zunimmt, je länger es fortgeschrieben wird. Mit andauernden Käufen auf hohem Niveau verschärft sich das Problem der Knappheit bei geringer verschuldeten Staaten. Um die Relevanz dieser Überlegung zu überprüfen, erfolgt hier ein Vergleich der im Gesamtjahr 2017 beobachtbaren Aufteilung mit der Aufteilung zu Beginn des Programms im Jahr 2015. Die Analyse bestätigt die Vermutung: Während im ersten Jahr noch eine Steuerung der Käufe gemäß Kapitalschlüssel mit nur geringen Abweichungsmargen möglich war, haben sich 2017 die Käufe immer stärker auf die hoch verschuldeten Staaten der Eurozone konzentriert. 2. Details des Ankaufsprogramms Das Anleihekaufprogramm wird durch die Nationalen Zentralbanken (NZB) abgewickelt, die ihre Käufe auf Anleihen des öffentlichen Sektors ihres Landes konzentrieren. Die NZB können zudem Substitute (supranationale Anleihen, öffentliche Unternehmen) erwerben, wenn sie ihre Quote nicht durch Wertpapiere des Heimatlandes erfüllen können. Für die Anleihekäufe kommen nur Anleihen mit einem Investmentgrade-Rating in Betracht, wodurch Griechenland und Zypern derzeit von Käufen ausgeschlossen sind. Um den Vorwurf einer direkten Staatsfinanzierung im Widerspruch zu Artikel 123 AEUV abzumildern, berichtet die EZB von der Anwendung einer Mindestwartezeit zwischen Anleiheemission und ersten Käufen durch das Eurosystem ( blackout period ). Der EZB-Rat sah sich gezwungen, im Zuge der Ausweitung des Programms eine Reihe von Bedingungen für Ankäufe schrittweise zu lockern, um eine ausreichende Verfügbarkeit von ankaufsfähigen Wertpapieren zu gewährleisten. Die Ankaufgrenze pro Anleiheemission (Emissionsgrenze) wurde von anfänglich 25 Prozent im September 2015 auf 33 Prozent angehoben. Im Dezember 2015 hat der EZB- Rat die Ausweitung auf subnationale Anleihen (Regionen und Kommunen) beschlossen. Die Obergrenze für den angekauften Anteil pro Emittent (Emittentengrenze) ist für nationale und 1 Heinemann, Friedrich (2017), Die Bedeutung der EZB-Anleihekäufe für die Schuldenfinanzierung der Euro- Staaten, Mannheim; http://www.zew.de/presse/pressearchiv/ezb-anleihekaeufe-beguenstigen-vor-allemsuedeuropaeische-laender/ 2

subnationale Emittenten seit Beginn an bei 33 Prozent festgeschrieben, wurde aber für die supranationalen Emittenten im April 2016 auf 50 Prozent erhöht. Damit wurde auch die Emissionsgrenze pro Wertpapier für die supranationalen Emittenten auf 50 Prozent angehoben. Im Januar 2017 hat der Rat schließlich die minimale Restlaufzeit einer Anleihe bis zur Endfälligkeit von zwei auf ein Jahr abgesenkt. Mit demselben Beschluss wurde außerdem das Verbot fallen gelassen, keine Anleihen mit Ablaufrenditen unter dem Zinssatz der Einlagefazilität (aktuell -0,4 Prozent) zu kaufen. Außerdem wurde im Laufe des Programms die Liste der akzeptierten supranationalen Emittenten und nationalen Agenturen schrittweise ausgeweitet. 3. Volumen und makroökonomische Größenordnung Zum Stichtag 31. Dezember 2018 hat die EZB im Rahmen des PSPP Wertpapiere im Volumen von 1.931 Mrd. Euro erworben. Davon entfielen 1.724 Mrd. Euro unmittelbar auf Emissionen der Eurostaaten. Für 207 Mrd. Euro hat die EZB zudem Papiere supranationaler europäischer Emittenten angekauft. Die Größenordnung der PSPP-Bestände an direkten Anleihen der Euro-Staaten ist makroökonomisch bedeutsam: Sie entsprechen Ende 2017 15,5 Prozent des BIP der Eurozone (2017). Am Jahresende hat das Eurosystem staatliche Anleihen im Umfang von 17,3 Prozent der gesamten Staatsverschuldung der Eurozone gehalten. Unter Einschluss der Käufe von supranationalen Anleihen (die etwa als ESM- Anleihen indirekt der Finanzierung der Eurostaaten dienen) ergibt sich eine Anteil von 19,4 Prozent an der gesamten Staatsverschuldung der Eurozone. 4. Verteilung auf die Euro-Staaten Die Bedeutung des PSPP für die Schuldenfinanzierung der Euro-Staaten differiert deutlich sowohl in Relation zur Wirtschaftsleistung als auch zur existierenden Staatsverschuldung. Abbildung 1 zeigt die Bestände pro Land in Relation zum BIP, Abbildung 2 in Relation zur nationalen Staatsverschuldung. Auffällig ist die gemessen am BIP deutlich überproportionale Rolle des Programms für spanische und italienische Staatsanleihen. Gegenüber dem Durschnitt der Eurozone (15,5 Prozent, ohne supranationale Anleihen) belaufen sich die Eurosystem-Anleihebestände für Spanien auf 19,8 Prozent des BIP und für Italien auf 19,1 Prozent. Leicht überdurchschnittlich werden außerdem Portugal, Frankreich und Slowenien begünstigt. Am anderen Ende mit einer stark unterdurchschnittlichen Bedeutung des Programms liegen Griechenland, Zypern, Luxemburg und die baltischen Staaten. 3

Abbildung 1: PSPP-Bestände / BIP (31.12.2017) 0.250 0.200 0.150 0.100 0.050 0.000 Quellen: EZB, Europäische Kommission, ZEW-Berechnungen; BIP 2017: Prognose Europäische Kommission (Herbstprognose 2017) Abbildung 2: PSPP-Bestände / Staatsverschuldung (31.12.2017) 0.300 0.250 0.200 0.150 0.100 0.050 0.000 Quellen: EZB, Europäische Kommission, ZEW-Berechnungen; Staatsverschuldung: Prognose Brutto-Staatsverschuldung Europäische Kommission für Jahresende 2017 (Herbstprognose 2017) 4

5. Abweichung vom EZB-Kapitalschlüssel Die Abweichungen von der BIP-Proportionalität sind durch verschiedene Faktoren erklärbar. Die geringe Bedeutung des Programms für Griechenland (keinerlei EZB-Anleihebestände) und Zypern ergibt sich aus den Bonitätsanforderungen des PSPP. Griechische und zypriotische Anleihen erfüllen die Mindestanforderungen nicht und scheiden daher für den Kauf weitgehend aus. Für sehr niedrig verschuldete Staaten wie Estland, Lettland und Litauen sind die Emissions- und Emittenten- Obergrenzen des Programms bereits bindend geworden, so dass den zuständigen NZB hier das ankaufsfähige Material im Inland fehlt und diese NZB vermehrt auf Substitute ausweichen müssen. Für die deutlich über die BIP-Proportionalität hinausgehende Begünstigung von Spanien und Italien gibt es zwei wesentliche Gründe. Erstens zielt das PSPP-Programm nach eigener EZB-Zielsetzung nicht direkt auf die BIP-Proportionalität ab, sondern orientiert sich am EZB-Kapitalschlüssel. Der EZB- Kapitalschlüssel weicht dabei inzwischen recht deutlich von den aktuellen BIP-Anteilen der Euro- Staaten ab, weil die hälftige Berücksichtigung von Bevölkerungs- und (veralteten) BIP-Gewichten (letzte Anpassung des Schlüssels erfolgte zum 1. Januar 2014) ein anderes Bild ergeben. Für Spanien und Italien liegen die Anteile am EZB-Kapital (bezogen auf Euro-19) um mehr als zwei Prozentpunkte über den Anteilen dieser Länder am BIP im Jahr 2017. Umgekehrt liegen Deutschlands Anteile am EZB- Kapitalschlüssel um 3,7 Prozentpunkte unter seinem aktuellen BIP-Anteil. Damit ist in der Konstruktion des PSPP eine substanzielle Begünstigung bestimmter Länder vorherbestimmt. Abbildung 3: Abweichung EZB-Kapitalschlüssel von den BIP-Anteilen 0.3500 0.3000 0.2500 0.2000 0.1500 0.1000 0.0500 0.0000-0.0500-0.1000 ES IT EL PT SK LT LV SI EE CY MT LU FI FR BE AT NL IE DE Anteil EZB Kapitalschlüssel Euro-19 BIP-Anteil Euro-19 2017 Delta Quellen: EZB, Europäische Kommission (Herbstprognose 2017), ZEW-Berechnungen Hinzu kommt zweitens, dass das Eurosystem immer stärker die eigene Zielsetzung verfehlt, die Anleihekäufe nach dem EZB-Schlüssel zu steuern und sich dieses Problem seit dem Start des Programms im Frühjahr 2015 verschärft hat. Die Abbildungen 4 und 5 bilden für die in den Kalenderjahren 2015 und 2017 getätigten Anleihekäufe die Abweichungen von der Kapitalschlüssel-Orientierung in Absolutbeträgen ab. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Jahren. Das Ausmaß der Abweichungen vom Kompass EZB-Kapitalschlüssel hat stark zugenommen. Auch 2015 wurden zwar bereits zu viele Anleihen Frankreichs, Italiens und Spaniens gekauft, die Zielüberschreitungen bewegten sich aber in einer 5

Größenordnung von lediglich einer Milliarde Euro für das Gesamtjahr. 2017 wird eine andere Größenordnung erreicht. Für Frankreich und Italien überschreiten die Käufe den EZB-Kapitalenteil in diesem Jahr jeweils um mehr als zehn Milliarden Euro. Abbildung 6 zeigt die prozentualen Abweichungen der Käufe von der EZB-Kapitalanteil-Proportionalität für die Jahre 2015 und 2017 im Vergleich für die Länder mit den stärksten Abweichungen nach oben. 2015 war der EZB- Kapitalschlüssel noch eine stark wirksame Orientierungsgröße. Dies hat sich 2017 deutlich abgeschwächt. Inzwischen liegen die laufenden Käufe für Frankreich, Italien, Belgien und Österreich um etwa zehn Prozent über dem Kapitalanteil; eine signifikante Überschreitung liegt außerdem für Spanien vor. Die wachsende Konzentration der Käufe auf diese Staaten wird auch deutlich, wenn man ihren Gesamtanteil an den Euro-Staatsanleihekäufen betrachtet. Betrug der Anteil von Staatsanleihen aus Spanien, Frankreich, Italien, Belgien und Österreich an den Käufen des Jahres 2015 noch 59,0 Prozent (von der Summe der PSPP-Käufe ohne supranationale Käufe), so ist er 2017 um gut vier Prozentpunkte auf 63,3 Prozent angestiegen. Dem stehen ein Anteil dieser Länder am EZB-Kapitalschlüssel in Höhe von 58,2 Prozent und ein Anteil am 2017-BIP der Eurozone von 54,4 Prozent gegenüber (Anteile jeweils für Euro-18, ohne Griechenland). Damit beträgt die Übergewichtung dieser Länder an den Anleihekäufen des Jahres 2017 bereits gute fünf Prozentpunkte gemessen am EZB-Kapitalschlüssel und fast neun Prozentpunkte gemessen an den BIP-Anteilen. Diese starke Übergewichtung wird auch nicht dadurch relativiert, dass sich die PSPP-Käufe in Richtung supranationaler Wertpapiere verschoben hätten. Im Gegenteil ist der Anteil der supranationalen Anleihekäufe am Programm rückläufig zu Gunsten der Käufe von Anleihen, die direkt von den Mitgliedstaaten emittiert werden. Entfielen 2015 noch durchschnittlich 12,2 Prozent der PSPP- Transaktionen auf supranationale Emissionen, betrug dieser Anteil 2017 nur noch 10,1 Prozent. Offensichtlich macht sich bei den umlaufenden Emissionen des Europäischen Stabilitätsmechanismus, der Europäischen Investitionsbank und der anderen europäischen Adressen wie bei den geringer verschuldeten Euro-Staaten inzwischen ein Mangel an ankaufbaren Papieren bemerkbar. Abbildung 4: Abweichung der PSPP-Anleihekäufe 2015 von EZB-Kapitalschlüssel (in Mio. EUR) Lithuania Estonia Latvia Cyprus Slovakia Luxembourg Malta Slovenia Finland Portugal Belgium the Netherlands Austria Ireland Spain Italy Germany France -2,000-1,500-1,000-500 0 500 1,000 1,500 2,000 Quellen: EZB, ZEW-Berechnungen 6

Abbildung 5: Abweichung der PSPP-Anleihekäufe 2017 von EZB-Kapitalschlüssel (in Mio. EUR) Portugal Slovakia Ireland Finland Lithuania Latvia Estonia Cyprus Luxembourg Slovenia Germany Malta the Netherlands Austria Belgium Spain Italy France -10,000-5,000 0 5,000 10,000 15,000 Quellen: EZB, ZEW-Berechnungen Abbildung 6: Abweichung der PSPP-Anleihekäufe vom EZB-Kapitalschlüssel (in %) 12% 10% 8% 6% 4% 2% 0% Austria Belgium Spain France Italy 2015 2017 Quellen: EZB, ZEW-Berechnungen 7

6. Bewertung und Empfehlung Diese Aktualisierung der Vorgänger-Studie vom Oktober 2017 zeigt, dass sich eine problematische Eigenschaft des PSPP-Programms weiter verschärft hat: Mit zunehmender Dauer verschieben sich die Käufe immer stärker zu den hoch verschuldeten Staaten (insofern sie nicht wie Griechenland oder Zypern aus Bonitätsgründen für einen Ankauf ausscheiden). 2 Hingegen sinken die auf europäische Institutionen oder geringer verschuldete Euro-Staaten entfallenden Anteile. Dabei verfehlt die EZB in der Steuerung immer deutlicher ihre eigene Zielsetzung, die Käufe nach den EZB-Kapitalanteilen auszurichten. Dies wiegt vor dem Hintergrund besonders schwer, als die EZB-Kapitalanteile ohnehin Ländern wie Spanien und Italien deutlich höhere Anteile zubilligen, als dies nach einer BIP-Orientierung gerechtfertigt wäre. Diese Befunde dürften von Relevanz für die derzeit auch vor dem Europäischen Gerichtshof befindliche Streitfrage sein, inwieweit das PSPP-Programm noch dem ausschließlichen Bereich der Geldpolitik zugeordnet werden kann oder die Zuständigkeiten der EZB in Richtung Fiskalpolitik und monetäre Staatsfinanzierung überschreitet. Eine geldpolitische Maßnahme sollte in ihrer Durchführung symmetrisch auf die Volkswirtschaften der Eurozone und die staatlichen Finanzierungsbedingungen dieser Länder wirken. Dies ist für das PSPP-Programm mit jedem Monat seiner Fortsetzung immer weniger der Fall. 2 Eine Abweichung betrifft außerdem Portugal, dessen Anteile 2017 gefallen sind. Hintergrund dürfte auch hier die Knappheit des ankaufsfähigen Materials sein, weil ein nennenswerter Teil der portugiesischen Staatsschuld über den Europäischen Stabilitätsmechanismus und die anderen Krisenfazilitäten finanziert ist. 8