Frische frei Haus. Ist Deutschland bereit für Lebensmittelshopping online Artikelnummer: 2011008 Erscheinungsdatum: Dez-2011 Themen: Markt, Transformation Von App Store bis Swoodoo haben sich unzählige Online Portale einen festen Platz in unserem Alltag gesichert. Erfolgreich, denn was uns das Leben erleichtert, schafft einen echten Marktwert. Unsere Akzeptanz gegenüber Online Abwicklung von Alltagsprozessen war nie größer. Höchste Zeit also die Marktreife für das Liefern von Online bestellten Lebensmitteln zu prüfen: Frischwarelieferung frei Haus. München. Jedes Jahr geben die Deutschen rund 150 Milliarden Euro für Lebensmittel aus. Lediglich 0,5 Prozent davon werden über das Internet bezogen. Das Bestellen und Liefern von Lebensmittel- und Frischwareprodukten (fortan Lebensmittel-Onlinehandel), ähnlich wie bei Elektronik oder Büchern über das Internet, ist daher ein Markt mit Umsatzpotenzial in Milliardenhöhe. Hinzu kommt, dass mit der steigenden Urbanisierung und Akzeptanz gegenüber technologischem Fortschritt in Deutschland der Weg für Lebensmittel-Onlinehandel geebnet scheint. Erste Angebote existieren in unterschiedlichen Ausprägungen. Neben Lebensmittelhändlern bieten eigenständige Onlineplattformen die Auslieferung haltbarer Lebensmittel über Onlineshops an. Größtenteils liefern diese jedoch nur in Pilotprojekten oder regional eingeschränkt Frischware aus. Lieferungen verderblicher Ware stellen besondere Herausforderungen an Logistik, Lagerung, Bestellung und Rücknahme der Ware dar. Auch kundenseitig ist bei Lebensmitteln ein besonderes Grundvertrauen in die Qualität der Lieferung erforderlich. 01
Abbildung 1: Umsatzanteile der Top 10 Lebensmittelhändler in Deutschland Ist Deutschland also bereit für einen ganzheitlichen Lebensmittel-Onlinehandel? Um diese Frage zu beantworten, werden im Folgenden drei Faktoren näher beleuchtet: Akzeptanz, Marktpotenzial und Umsetzbakeit. Akzeptanz Die Akzeptanz gegenüber Lebensmittel-Onlinehandel lässt sich an der Entwicklung des E-Commerce Umsatzes und der zunehmenden Verbreitung von Lebensmittel-Onlinehändler im Europäischen Ausland ableiten. Der E-Commerce Umsatz in Deutschland lag vor 10 Jahren bei 5 Milliarden Euro. Seither hat sich dieser mit über 26 Milliarden Euro verfünffacht. Prognosen zeigen, dass das Marktvolumen für E-Commerce bis 2014 in Deutschland weiter auf rund 44 Milliarden Euro ansteigen wird. Abbildung 2: E-Commerce-Umsatz in Deutschland Die allgemeine Akzeptanz gegenüber E-Commerce wurde durch einen speziellen Katalysator vorangetrieben das Smartphone. Die Verbreitung von Smartphones, Laptops und Tablets haben den Trend zur dauerhaften Mobilisierung und Flexibilität erst ermöglicht. Online Geschäfte können nun überall getätigt werden. Eine Flugbuchung über wenige Schritte per Handy durchzuführen wäre vor fünf Jahren noch fast undenkbar gewesen. Längst haben Verbraucher in Deutschland Mehrwert und Mechanismus dieser alltäglichen Vorgänge verinnerlicht. Der Nutzen ist erkannt und die Bereitschaft, diesen in Anspruch zu nehmen wird neben den Umsatzzahlen für E-Commerce auch am Absatz von Smartphones deutlich. Allein in den letzten Jahren hat sich der Absatz von 5,4 Millionen auf rund 10 Millionen verdoppelt (von 2009 bis 2011). Abbildung 3: Absatz Smartphones in Deutschland Die Akzeptanz gegenüber dem Einkauf von Waren und Dienstleistungen über das Internet sowie durch Smartphones scheint demnach stark zu steigen. Eine konkrete, für den Markt der Lebensmittel-Onlinehandel interessante Zielgruppenbetrachtung hat zudem ergeben, dass bereits über 90% der 30- bis 49-Jährigen über Online Portale einkaufen. Bei einem Blick auf Europäische Nachbarländer zeigt sich jedoch, dass Deutschland erst am Anfang des Lebensmittel-Onlinehandels steht. Eine pro Kopf Betrachtung zeigt, dass ein Engländer in 2010 durchschnittlich über 90 Euro für Lebensmittellieferungen ausgegeben hat. Das ist kein Insel-Phänomen, denn in der Schweiz betrug der pro Kopf Umsatz im gleichen Jahr bereits rund 24 Euro. Im Vergleich dazu liegt, überraschend 02
weit abgeschlagen, Deutschland mit weniger als 2 Euro. Absolut gesehen ist der Umsatz für Lebensmittel-Onlinehandel in England mit 3,5 Milliarden Euro fünft mal so hoch wie in Deutschland mit einem Anteil von rund 750 Millionen Euro. Dennoch scheint aus Verbrauchersicht der Lebensmittel-Onlinehandel eine naheliegende Ergänzung zu Blumenlieferdienst, Modeportalen und Online Reisebüros. Es verschwinden persönliche Vorbehalte gegenüber neuen Technologien und Services proportional mit dem sogenannten Convenience Faktors. Je größer die Erleichterung im Alltag desto schneller entwickeln sich Akzeptanz und Lernbereitschaft. Bislang haben jedoch verdorbene Ware und lange Lieferzeiten die ersten Schritte in Richtung Akzeptanz gegenüber Lebensmittel-Onlinehandel in Deutschland erschwert. Marktpotenzial Aus Verbrauchersicht scheint der Lebensmittel-Onlinehandel eine Erleichterung des Alltags mit hohem Routinefaktor. Es stellt sich nun die Frage nach dem qualitativen und quantitativen Marktpotenzial, das sich in Deutschland erzielen lässt. Ein qualitatives Marktpotenzial birgt der Lebensmittel-Onlinehandel vor allem im Bereich Kundenbindung und Differenzierungsstrategie. Marken und Sortiment in den Einzelhandelsketten werden zunehmend harmonisiert und vergleichbar. Das Differenzierungsmerkmal von einst, bestimmte Produkte nur in einer speziellen Kette erwerben zu können, bricht weg. Als klassische Kundenbindungswerkzeuge bleiben die Positionierung von Eigenmarken und Preisstrategie. Eine bundesweite Plattform für Lebensmittel-Onlinehandel wäre ein großer Schritt in Richtung Differenzierung und Bindung eigener und neuer Kunden. Das quantitative Marktpotenzial lässt sich am Beispiel Englands herleiten. In England hat der Lebensmittelhändler Ocado seinen Umsatz über das Online Portal von rund 340 Millionen Pfund in 2008 auf rund 550 Millionen Pfund in 2010 steigern können. Auffällig bei diesem Vergleichsmodell aus England ist, dass der durchschnittliche Warenkorb über diesen Zeitraum abgenommen hat. Der Kunde bestellt, je höher der individuelle Mehrwert für ihn ist zwar öfter, aber öfter zu einem geringeren Warenkorbvolumen. Abbildung 4: Umsatz- und durchschnittliche Warenkorbentwicklung am Beispiel von Ocado Vergleicht man den jährlichen Pro-Kopf-Umsatz über Lebensmittel-Onlinehändler in England von durchschnittlich 90 Euro mit dem Pro-Kopf-Umsatz in Deutschland von 2 Euro, so kann man erkennen, welches Umsatzpotenzial Deutschland in sich birgt. Würden Deutsche Lebensmittelhändler nur 25 Prozent des Englischen Pro-Kopf-Umsatzes erzielen, würde dies nominal bei 22 Euro und 82 Millionen Einwohnern ein Volumen von rund 1,8 Milliarden Euro bedeuten. Zöge Deutschland im Pro-Kopf-Umsatz mit England gleich würde das Gesamtvolumen von über 7,3 Milliarden Euro einen bedeutenden Anteil des E-Commerce Umsatzes ausmachen. Sowohl qualitativ als auch quantitativ sind wesentliche Parameter für ein gesundes Marktpotenzial im Bereich Lebensmittel-Onlinehandel gewährleistet. Umsetzbarkeit Ist es technisch und logistisch überhaupt möglich, Frischware zu den Endkunden nach Hause zu liefern? Um diese Frage zu klären, müssen Anforderungen an die Logistik, als tragende Komponente im Rahmen der Umsetzbarkeit auf den Prüfstand gestellt werden. Bedenkt man die strengen Bedingungen von Kühlungsketten und Verpackungsanforderungen bei der Auslieferung von Frischware, so wird deutlich, dass die Wahl des Logistikpartners oder der Aufbau einer in-house Logistiklösung erfolgskritisch für die Einführung von Lebensmittel-Onlinehandel ist. Für Kunden sind Rücknahmeregelung und genaue Lieferzeitfenster entscheidend für die Wahl des Anbieters. Bei einer in-house Lösung müssen, ähnlich wie am Beispiel von Tengelmann, auf Ballungsgebiete abgestimmte Fuhrparks aufgebaut werden. Dazu gehört der Aufbau von Kernkom- 03
petenzen im Bereich Auslieferung, Sicherstellung von Kühlungsketten und Abwicklung von Zahlungsvorgängen abseits der regulären Kassensysteme im Filialnetz. Alternativ zur in-house Logistiklösung sind verschiedene Kooperationen denkbar. Es bieten sich große Logistikpartner oder spezialisierte Anbieter an, um den Aufbau des Fuhrparks, das Umrüsten auf Frischware und die Zahlungsabwicklung über Handgeräte zu gewährleisten. Die Beispiele von Tengelmann und Rewe zeigen, dass diese Anforderungen grundsätzlich umsetzbar sind. Für ein bundesweites Roll-out müssen allerdings sowohl Logistiker als auch Lebensmittelhändler über eine flächendeckend und langfristig belastbare Logistik-Lösung nachdenken. Fazit Die Akzeptanz und Bereitschaft der Deutschen, den Service von Lebensmittel-Onlinehändlern in Anspruch zu nehmen, wächst nur langsam. Auch wenn die Bedeutung von Look and Feel beim Lebensmitteleinkauf aktuell noch sehr hoch eingeschätz wird, so darf man nicht vergessen, dass es vor wenigen Jahren noch undenkbar war, Kleidung oder gar Schuhe online zu bestellen. Doch die Händler haben das Marktpotenzial erkannt und führen den Deutschen Verbraucher durch erste Online-Portale und Selbstabholungsfunktionen an den neuen Service heran. In Sachen Umsetzbarkeit wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Dabei wird sich zeigen, dass die Qualität und Schnelligkeit der Logistik den signifikanten kritischen Erfolgsfaktor darstellen wird. Quellen: Abbildung 1: MIER, Lebensmittelzeitung.net, Metrogruppe durch Real repräsentiert Abbildung 2: Handelsverband Deutschland (HDE) Abbildung 4: Ocado Lebensmittelhändler mit Online Vertrieb von haltbaren und frischen Lebensmitteln sind Rewe, in Form von Pilotprojekten, und Tengelmann mit regionaler Auslieferung im Raum München und Berlin. Zahlen und Prognosen zur E-Commerce Umsatzwicklung basieren auf Studien von Forrester Research, Statista.com und dem Handelsverband Deutschland (HDE) Absatzzahlen von Smartphones in Deutschland wurden der BITKOM Pressemitteilung 2010 zum Thema Smartphone-Absatz 2011 über der 10-Millionen-Marke Angaben zum online Kaufverhalten in Deutschland beziehen sich auf Analysen der BITKOM Studie zu Netzgesellschaft 2011 www.gruenderszene.de Es stellt sich nun die Frage, wer unter den großen Anbietern der first-mover sein wird. Wer wird die Kunden lokal und regional gewinnen können? Wer wird in den Augen der Kunden das beste Angebots- und Lieferkonzept realisieren. Der Kampf um die besten Angebote, Gesamt-Lösungen, Logistikpartner und Plattformen hat begonnen. 03
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