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Transkript:

HESSEN-FORST Artensteckbrief 2015 Blattloser Widerbart (Epipogium aphyllum Servicezentrum Forsteinrichtung und Naturschutz (FENA)

Artensteckbrief Epipogium aphyllum Sw. Blattloser Widerbart Text: Dirk Bönsel & Petra Schmidt - Fassung, Stand: November 2015-1 Allgemeines Abb. 1: Epipogium aphyllum (Blattloser Widerbart) Der zur Familie der Orchideen (Orchidaceae) gehörende Blattlose Widerbart (Epipogium aphyllum) ist im Anhang B der EG-Artenschutzverordnung (Verordnung (EG) Nr. 338/97) verzeichnet und ist somit nach Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) besonders geschützt. In Deutschland gilt der Widerbart als stark gefährdet (RL 2), ebenso in Hessen und der hessischen Rote- Liste-Region Nordost. In den übrigen Landesteilen Hessens wird der Widerbart als Verschollen (RL 0) eingestuft. In der Region SO fehlt die Art. Die ungewöhnliche und seltene Orchideenart ist schwer zu erfassen. So ist sie aufgrund ihrer weißen bis schmutzig rosa braunen Färbung in der Laubstreu nur schwer erkennbar und daher leicht zu übersehen. Hinzu kommt, dass Epipogium aphyllum nur über einen sehr kurzen Zeitraum im Jahr (etwa 3 4 Wochen) beobachtet werden kann. Da die Bildung oberirdischer Blütensprosse über mehrere Jahre ausbleiben kann, liegt die Vermutung nahe, dass es noch unentdeckte Vorkommen in Hessen geben könnte. 2 Biologie und Ökologie Der Blattlose Widerbart (Epipogium aphyllum) ist eine Orchideenart, die auf Waldboden und zuweilen auch auf totem, vermoderndem Holz wächst. Die chlorophyllfreie Art kann keine Photosynthese betreiben und ernährt sich ausschließlich parasitisch von Pilzen (Mykoheterotrophie), die ihrerseits in einer Symbiose mit Waldbäumen leben. Die Pflanze bildet ein ausdauerndes, fleischiges Rhizom, das stark verzweigt ist, einer Koralle ähnelt und verborgen in der oberen Bodenschicht oder der Streuschicht wächst. Aus ihm entwickeln sich bei günstigen Witterungsverhältnissen (hohe Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit) sehr rasch oberirdisch sichtbare Blütensprosse. Der Austrieb erfolgt in der Regel Anfang Juli bis Ende August. Innerhalb von 8-14 Tagen öffnen sich die Blüten, die bereits nach weiteren acht Tagen zu verwelken beginnen. Blüh- und Fruchtphase sind sehr kurz, die oberirdisch sichtbaren Pflanzenteile können bereits nach vier Wochen wieder vollständig verschwunden sein, da die Pflanze so gut wie kein Sklerenchym und daher keine dauerhaft sichtbaren Fruchtstände ausbildet. Zudem kann die Bildung oberirdischer Blütensprosse über mehrere Jahre ausbleiben. Im Hauptverbreitungsgebiet der Art, der borealen Zone Eurasiens, besiedelt Epipogium aphyllum hauptsächlich Nadelwälder. In Mitteleuropa wächst die Art vor allem in Buchenmischwäldern, aber auch in Fichtenforsten und weiteren Waldtypen. Als wesentliche Standortbedingung gilt ein schattiger Wuchsort mit hoher Luftfeuchtigkeit, ausreichender Bodenfeuchte und einer ausgeprägten Humus- und Streuauflage. 1

3 Erfassungsverfahren Aufgrund der schweren Beobachtbarkeit weist das hessische Verbreitungsbild von Epipogium aphyllum (Blattloser Widerbart) vermutlich noch Lücken auf und es ist wahrscheinlich, dass noch unentdeckte Vorkommen der seltenen und hessenweit stark gefährdeten Orchidee existieren. Aus Anlass einer Anfrage des Arbeitskreises Heimischer Orchideen (AHO) an das hessische Umweltministerium zur Rettung des aktuell letzten bekannten hessischen Vorkommens der Art südlich von Marburg, wurde 2015 ein Landesmonitoring durchgeführt sowie ein Artenhilfskonzept für die Orchideenart erarbeitet. Basierend auf einer im Frühjahr durchgeführten Literatur- und Herbarrecherche erfolgte im Rahmen des Monitorings stichprobenartig eine Nachsuche an 7 ehemaligen hessischen Wuchsstellen. Wesentliches Kriterium bei der Auswahl der Probeflächen war das Alter der Fundangabe. So wurden nur Gebiete aufgesucht, in denen die Art nach 1950 noch festgestellt wurde. Die Geländeuntersuchungen erfolgten Anfang August, da sich zu diesem Zeitpunkt die Population in den Marburger Lahnbergen in der Blühphase befand und sich die Art nur in diesem Zeitraum entdecken lässt. Mit Ausnahme dieses einen Vorkommens bei Marburg, konnte die Art in keinem anderen Untersuchungsgebiet bestätigt werden. An dem 2015 einzigen festgestellten Wuchsort wurden die Größe der Population sowie relevante Daten zum Standort und zu Beeinträchtigungen ermittelt. Alle erhobenen Daten wurden in der landesweiten natis-datenbank erfasst. 4 Allgemeine Verbreitung Abb. 3: Verbreitung von Epipogium aphyllum auf der Nordhalbkugel (HULTÉN & FRIES 1986). Quelle: http://linnaeus.nrm.se/flora/mono/orchida/epipo/epipaphv.jpg Der Blattlose Widerbart ist eine eurasiatische Pflanze. Die europäische Verbreitung ist zerstreut und unregelmäßig und erstreckt sich von Südengland über Nordspanien bis hin zum Balkan und im Norden bis nach Skandinavien. Innerhalb Europas fehlt die Art in den mediterranen und kontinentalen Gebieten, aber auch in Portugal, Belgien und den Niederlanden (vgl. Abb. 3). In Deutschland ist Epipogium aphyllum nur sehr lückenhaft verbreitet. Bis auf wenige Ausnahmen fehlt die Art in Norddeutschland, ebenso im Rheinland, am Main und an der Donau sowie in den östlichen Bundesländern. Die meisten Vorkommen befinden sich im Alpengebiet, in der Schwäbischen Alb und in der Mitte Deutschlands (vgl. Abb. 4). Der Arealanteil Deutschlands liegt unter 10 %. Deutschland besitzt somit eine mittlere Verantwortlichkeit für die Erhaltung der Art. 2

Abb. 4: Verbreitung von Epipogium aphyllum in Deutschland (NETZWERK PHYTODIVERSITÄT & BFN 2013) In Hessen zeigt der Blattlose Widerbart eine spärliche und zerstreute Verbreitung in den mittleren und nördlichen Landesteilen. Eine gewisse Häufung der Vorkommen ist im Raum Korbach zu erkennen (vgl. Abb. 5). 3

Abb. 5: Landesweite Verbreitungskarte von Epipogium aphyllum unter Verwendung sinnvoller Zeitschnitte 4

5 Bestandssituation in Hessen Epipogium aphyllum dürfte in Hessen schon immer selten gewesen sein. Die wenigen vorliegenden Fundortangaben beziehen sich auf Wuchsorte in Mittel- und Nordhessen. Aus den südlichen Landesteilen liegen weder aus der Literatur noch aus Herbarien Angaben vor, so dass vermutet werden kann, dass Epipogium aphyllum dort nie vorkam. Der südlichste Fundort ist zugleich auch der älteste: Gemeldet wurde er von Carolus Clusius, der den Widerbart auf einer Exkursion 1589 in einem Wäldchen bei Frankfurt fand (vgl. LUDWIG 2007, S. 20). Die meisten Angaben stammen aus dem 19. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis 1954. Einzelne Angaben aus den 60er, 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts stammen aus der Umgebung von Witzenhausen, von Homberg/Efze und aus dem Korbacher Raum. Teilweise werden hier alte Fundortangaben wieder bestätigt. Aktuelle Beobachtungen nach 2000 gibt es nur an drei Standorten: Das Dalwigker Holz ist bereits seit dem 19. Jahrhundert als Wuchsort des Widerbarts dokumentiert, die Vorkommen bei Zierenberg und auf den Marburger Lahnbergen wurden 2006 neu entdeckt. Die in Herbarien dokumentierten Nachweise reichen von 1851 bis 1954, sofern sie überhaupt datiert waren. Spätere Belege konnten in keinem der besuchten Herbarien gefunden werden. Die Bestandsituation von Epipogium aphyllum in Hessen kann als dramatisch bezeichnet werden. Aus der Literatur- und Herbarrecherche resultieren insgesamt 21 Fundorte, wobei nur für drei Standorte Nachweise aus den letzten zehn Jahren vorliegen. 2015 konnte die Art lediglich an einem Wuchsort in Mittelhessen bestätigt werden. Die Individuenzahlen, die dort seit Entdecken dieses Vorkommens 2006 jährlich erfasst werden, unterliegen starken Schwankungen und reichen von einem Individuum bis 48 gezählten Exemplaren. Auch hier fällt die Art jahrweise aus. Tab. 1: Vorkommen von Epipogium aphyllum in naturräumlichen Haupteinheiten (nach Literatur- und Herbarrecherche 2015 sowie eigenen Beobachtungen). Naturräumliche Haupteinheit Anzahl bekannter Vorkommen D18 Thüringer Becken und Randplatten D36 Weser- u. Weser-Leine-Bergland (Niedersächsisches Bergland) 2 D38 Bergisches Land, Sauerland 1 D39 Westerwald 1 D40 Lahntal und Limburger Becken D41 Taunus 1 D44 Mittelrheingebiet (mit Siebengebirge) D46 Westhessisches Bergland 10 D47 Osthessisches Bergland, Vogelsberg u. Rhön 4 D53 Oberrheinisches Tiefland 2 D55 Odenwald, Spessart u. Südrhön 6 Gefährdungsfaktoren und ursachen Epipogium aphyllum bevorzugt als Lebensraum schattige Wälder mit hoher Luftfeuchtigkeit und einer angemessenen Bodenfeuchte. Wichtig ist zudem eine ausreichende Humus- (Mulm und Rohhumus) oder auch Totholzauflage. Die Art ist im Gegensatz zu vielen anderen Orchideen keine lichtbedürftige Art, sondern reagiert auf eine erhöhte Lichtzufuhr negativ. Gleiches gilt für das Feuchtigkeitsregime am Wuchsort. Forstwirtschaftliche Maßnahmen, wie Holzentnahmen sind ebenso schädlich wie Sturmschäden, da sie zur Waldauflichtung an den Wuchsorten und letztendlich zur Veränderung des Kleinklimas (geringere Beschattung, höhere Temperaturschwankung, intensivere Luftbewegung, größere Austrocknung) führen. 5

Die sich bodennah über größere Bereiche ausbreitenden Rhizome sind empfindlich gegenüber Trittbelastung. Eine mechanische Beeinträchtigung des Waldbodens durch schweres Forstgerät führt zu verdichteten Böden, in denen sich die Rhizome nicht mehr entwickeln können, weil die Mykorrhiza zerstört wird. Der Einsatz moderner Rücketechnik sollte daher an den Widerbart-Wuchsorten unterbleiben. Wie Beobachtungen zeigen, stellen aber auch natürliche Fressfeinde wie Schnecken eine starke Gefährdung für die Orchideenart dar. Über weitere Ursachen des Rückgangs der Art lässt sich derzeit nur spekulieren. Insbesondere die Rolle der Pilze, von denen der Widerbart seine Nährstoffe bezieht, ist noch weitgehend ungeklärt. So wäre als denkbare Gefährdungsursache auch eine Schädigung der Mykorrhiza (z.b. durch Eutrophierung oder Bodenversauerung) denkbar. Hier besteht sicherlich noch Forschungsbedarf. 7 Grundsätze für Erhaltung- und Entwicklungsmaßnahmen Aus den bisherigen Kenntnissen zu den Gefährdungsfaktoren und ursachen ergeben sich folgende Empfehlungen für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen an den ehemaligen und aktuellen Wuchsorten von Epipogium aphyllum. Generell wünschenswert wäre eine Herausnahme der Wuchsorte aus der forstlichen Nutzung zur Förderung der natürlichen Walddynamik. Zumindest anzustreben ist: der Verzicht auf forstliche Maßnahmen wie Auslichtung und Unterpflanzung zur Erhaltung des wuchsorttypischen Kleinklimas, dass sich durch geringe Lichtintensität, hohe Luft- und Bodenfeuchte auszeichnet, sowie der Verzicht auf den Einsatz bodenverdichtender Maschinen, um eine Zerstörung des ausdauernden Rhizoms und seiner Mykorrhiza zu verhindern. 8 Literatur HEMM, K., A. FREDE, R. KUBOSCH, D. MAHN, S. NAWRATH, M. UEBELER, U. BARTH, T. GREGOR, K. P. BUTTLER, R. HAND, R. CEZANNE, S. HODVINA, S. HUCK, G. GOTTSCHLICH & K. JUNG 2008: Rote Liste der Farn- und Samenpflanzen Hessens. 4. Fassung. - Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Wiesbaden, 188 S. HULTÉN, E. & M. FRIES 1986: Atlas of North European vascular plants north of the tropic of cancer 1 3. Koeltz, Königstein. 1: I XVIII, 1 498; 2: I XIV, 499 968; 3: 969 1172. KORNECK D., M. SCHNITTLER & I. VOLLMER 1996: Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) Deutschland.- Schr.-R. f. Vegetationskde. H. 28, S. 21-187, BfN, Bonn-Bad Godesberg. LUDWIG, W. 2007: Über Epipogium aphyllum SW.: zu den Fundorten in Hessen. - Hess. Florist Br. 56 (2/3): 17-23, Darmstadt NETZWERK PHYTODIVERSITÄT & BFN 2013: Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Bonn Bad Godesberg, 912 S. 6

HESSEN-FORST HESSEN-FORST Servicezentrum Forsteinrichtung und Naturschutz (FENA) Europastr. 10-12, 35394 Gießen Tel.: 0641 / 4991-264 Fax: 0641 / 4991-260 Web: www.hessen-forst.de/fena E-Mail: naturschutzdaten@forst.hessen.de Ansprechpartner Sachgebiet III.2 Arten: Christian Geske 0641 / 4991-263 Sachgebietsleiter, Libellen Susanne Jokisch 0641 / 4991-315 Säugetiere (inkl. Fledermäuse) Andreas Opitz 0641 / 4991-250 Gefäßpflanzen, Moose, Flechten Michael Jünemann 0641 / 4991-259 Hirschkäfermeldenetz, Beraterverträge, Reptilien, Amphibien Tanja Berg 0641 / 4991-268 Fische, dekapode Krebse, Mollusken, Schmetterlinge Yvonne Henky 0641 / 4991-256 Artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen, Käfer, Wildkatze, Biber