1. Neurobiologische Grundlagen des Aufmerksamkeits- (Hyperaktivitäts-)Syndrom AD(H)S 1.1 QEEG definierte AD(H)D Typen (Gehirn- und Traumastiftung Chur) 1 Typ 1: erhöhte Theta-Aktivität (4-8 Hz) im frontalzentralen Kortex - ca. 30% Typ 2: zu wenig Beta (15-23 Hz) im frontal-zentralen Kortex - ca. 30% Typ 3: erhöhtes Theta (4-8 Hz) auf der Mittellinie (frontal midline theta) - ca. 4% Typ 4: generalisiert überaktivierter Kortex (18-26 Hz) - ca. 4% Typ 5: Alpha-Exzess (Mu-Rhythmus) über ganzem Kortex (8-12 Hz) - ca. 16%
2 1.2 Typ 1: erhöhte Theta-Aktivität (4-8 Hz) im frontal-zentralen Kortex - ca. 30% Typ 2: zu wenig Beta (15-23 Hz) im frontal-zentralen Kortex - ca. 30% Betroffene tauchen immer wieder ab Können sich nicht an Regeln halten Dysfunktionale Dopamin-Wiederaufnahme Bei Interesse kann Aufmerksamkeit aufrecht erhalten werden Typischer AD(H)D Typus Sprechen gut auf Methylphenidat (Ritalin) an
3 w Dopamin t Methylphenidat Dopamin- Wiederaufnahmerezeptoren Methylphenidat gehört zu den selektiven Dopaminwiederaufnahmehemmern (DRI). Es blockiert den Rücktransport von Dopamin in die präsynaptische Endigung, wodurch sich mehr Dopamin im synaptischen Spalt ansammeln kann.
4 8 jähriger Knabe beim Lösen von mathematischen Aufgaben, Abgleich mit der Normdatenbank vor der Therapie. Visueller Leistungstest, Abgleich mit der Normdatenbank nach 17 Neurofeedbackherapiestunden.
5 Die im visuellen Leistungstest erfassten evozierten Potenziale ermöglichen es, die Datenverarbeitung im Gehirn nach Aufleuchten des zweiten Bildes während der folgenden 400 ms zu verfolgen.
1.2.1 Auditorische Wahrnehmungsverarbeitung bei 220ms 6 N1P2aC ohne Methylphenidat N1P2aC mit 5mg Methylphenidat
1.2.2 Arbeitsgedächtnis bei 400ms 7 P4wmF ohne Methylphenidat P4wmF mit 5mg Methylphenidat
1.2.3 Handlungsauslösung parietal P3b bei 300ms 8 P3b ohne Methylphenidat P3b mit 5mg Methylphenidat
1.2.4 Suppression frontal bei 300ms 9 P3supF ohne Methylphenidat, tief in der Amplitude P3supF mit 5mg Methylphenidat
1.2.5 Selbstmonitoring bei 400ms 10 P4monCC ohne Methylphenidat P4monCC mit 5mg Methylphenidat
1.3 Typ 3: erhöhtes Theta (4-8 Hz) auf der Mittellinie (frontal midline theta) - ca. 4% 11 Erhöhte Aktivität im Hippocampus (limbisches System) Starke emotionale Komponente Gedächtnisschwierigkeiten Druck führt zu Ausrastern und Fluchtmechanismen Schwierigkeiten im Umgang mit Freunden und Lehrern
12 Jugendlicher (Jg. 1990) Visueller Leistungstest, Angaben in Prozent Abweichung von der Normdatenbank. Theta bei 6,59 Hz
13 6,59Hz Betroffen ist die Gürtelwindung, BA 32 Gyrus cinguli
1.4 Typ 4: Generalisiert überaktivierter Kortex (18-26 Hz) - ca. 4% 14 Generalisierte Überaktivierung im ganzen Kortex vermutlich eine Folgestörung Erregungslevel immer kurz unter dem Maximum Kann zur Zwanghaftigkeit führen Emotionale Blockaden Prüfungsängste Verschlechterung der Symptomatik mit Methylphenidat
15 Jugendlicher (Jg. 1996) Visueller Leistungstest. Angaben in Prozent Abweichung von der Normdatenbank. Fehlende langsamrhythmische Frequenzen, Überlagerung mit 15-23 Hz Frequenzen.
16 Visueller Leistungstest. Angaben in Prozent Abweichung von der Normdatenbank. Pink = Beta15-23 Hz
1.4.1 Handlungsauslösung P3b bei 300ms 17 P3b: früh und hoch in der Amplitude, zu früh fertig
1.4.2 Suppression frontal bei 300ms 18 P3supF: zu tief in der Amplitude, Schwierigkeiten mit der Impulskontrolle
1.4.3 Selbstbeurteilung (Monitoring) bei 400ms 19 P4monCC: stark überhöht, Unsicherheit.
1.5 Typ 5: Alpha-Exzess (Mu-Rhythmus) über ganzem Kortex (8-12 Hz) - ca. 16% 20 Stirnhirn (Frontalhirn) im Leerlauf Schlechter Stoffwechsel Abtauchen in die eigene Welt Fehlender Abgleich mit der Aussenwelt Nach innen gerichtete Aufmerksamkeit (meditativer Zustand) Sprechen schlecht auf Methylphenidate an - Alternative: Dexamphetamin
Jugendlicher (Jg. 1996) 21 Visueller Leistungstest. Angaben in Prozent Abweichung von der Normdatenbank
1.5.1 Handlungsauslösung P3b bei 300ms (noradrenerg) 22 P3b ohne Medikamente: zu früh und überschiessend P3b mit 40mg Strattera: noch früher, wird nicht mehr fertig P3b mit 6 mg Dexamin: Normalisierung der Überaktivierung
2. Neurofeedbacktherapie Neurofeedback ist eine computergestützte Methode, bei der das Gehirn lernt, sich selber zu organisieren. 23 Es baut auf der Tatsache auf, dass ein Verhalten, wenn es belohnt wird, in der Folge verstärkt auftritt. Da das EEG eine sehr gute zeitliche Auflösung hat, kann dem Gehirn innerhalb von 300-500ms ein Feedback gegeben werden. Der Patient wird mit Elektroden an zwei bis vier Punkten, je nach Befund, an das EEG angeschlossen.
24 Die elektrische Hirnaktivität wird von einem EEG Verstärker gemessen, digitalisiert und an den Computer weitergeleitet. Der Therapeut oder die Therapeutin wählt im Trainingsdesign am Computer aus, welche Hirn frequenzen reduziert und welche gefördert werden sollen.
25 Ziel ist es, das Gehirn in den Bereich von 12-18 Hz zu bringen. Ein Zuviel an langsamen oder schnellen Wellen wirkt sich schlecht auf die Funktion und die Leistung aus.
Der Patient schaut sich eine DVD an, die über den Computer mit der Hirnaktivität verkoppelt ist. 26 Jedes Mal, wenn die Kriterien nicht erfüllt sind, stoppt der Film (mehrmals pro Sekunde). Jeder Filmstopp löst im Gehirn eine Dopaminausschüttung aus und ermöglicht Lernen.
Andere Feedbackmethoden sind: interaktive Games z.b. ein Raum schiff durch einen Tunnel steuern, wobei alle Prädikate des Spiels (Geschwindigkeit, Sichtbarkeit, Nebel etc.) ausser der Steuerung (Joystick) mit dem EEG verkoppelt sind. Dieses Feedback erfor dert höchste Konzentration. 27 Externe Realanimation: Beide Rennwagen sind mit dem EEG verbunden und fahren nur, wenn die Kriterien erfüllt sind.
2.1 Langzeitverstärkung und Langzeitabschwächung, LTP und LTD 28 Neuroplastizität Langzeitverstärkung (LTP Long-Term Potentiation): Bildung neuer Neuronennetze, neuronale Autobahn Langzeitabschwächung (LTD Long-Term Depression), Auflösung bestehender Netze Belohnung intensiviert den Vorgang Neurotransmitter Dopamin und Serotonin Wahrnehmungsabgleich des Stirnhirns: 100 bis 300ms im Voraus
29 Überraschende, nicht vorhersehbare Ereignisse lösen im Gehirn eine dopaminerge Reaktion aus und unterstützen so das Lernen. Das heisst: je öfter der Film stoppt, desto mehr Lernsituationen hat das Gehirn. Frontal(Stirn)lappen Motorik und Sensorik Parietal(Scheitel)lappen bereits nach 20-30 Min. Entstehung neuer Synapsen in heteromodalen Hirnarealen Verbindungen werden dauernd auf- und abgebaut. What fires together, wires together. Das ist Hebbsches Lernen resp LTP. Temporal(Schläfen)lappen Okzipital(Hinterhaupt)lappen
2.2 Verlauf einer Neurofeedbacktherapie 30 In den ersten 5 Neurofeedback-Behandlungsstunden versucht das Gehirn herauszufinden, was von ihm verlangt wird, um das visuelle und auditive Feedback vom Computer zu bekommen. Es beginnt, seine Aktivität anzupassen. Das äussert sich oft in vermehrter Klarheit und Verbesserung der Symptome. Die 6. - 10. Behandlungsstunde braucht das Gehirn, um die neu gelernten Verhaltensmuster in Stresssituationen und Herausforderungen einzuüben. Die Belohnung, die das Neurofeedback dem Gehirn für sein neues Verhalten gibt, spornt es an, weiter zu machen und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass es in ähnlichen Situationen gleich reagieren wird. Das ist das Ergebnis der positiven Verstärkung durch das Neurofeedback.
Wenn das neue Verhalten des Gehirns auch im Alltag erfolgreich umgesetzt wird, beginnt das Gehirn stetig weiterzutrainieren, sodass nach ca. 20 Behandlungsstunden verteilt über ein Jahr auf das Computer-Feedback verzichtet werden kann. 31 Die Regulierung der Hirnaktivität wird im EEG sichtbar...
Beispiel Jugendlicher (Jg. 1996) mit ADS Typ 4: Generalisiert überaktivierter Kortex (Beta-Aktivität 15-23Hz) 32 Trainingsbeginn August 2009, frontal-zentrale Ableitung auf 4 Kanälen Pink: Beta 15-18 Hz Nach 10 Behandlungsstunden gleiche Ableitung
Beispiel Jugendlicher (Jg. 1996) mit ADS Typ 5: Alpha-Exzess (8-12Hz) 33 Ableitung auf 4 Kanälen zentral und parietal zu Beginn der Behandlung mit 5/0/0 mg Dexamin April 2009 Hellblau: Alpha 8-12 Hz Nach 7 Behandlungsstunden gleiche Ableitung mit 7/2/0 mg Dexamin Oktober 2009
3. Neurobiologische Grundlagen von sprachassoziierten Störungen 34 Geburt: fast alle Neuronen bis auf den Hippocampus und das Cerebellum schon da. Wenig Verdrahtungen < Synaptogenese Ausjäten mittels "synaptic pruning" in der Pubertät: häufig benutzte Verbindungen werden gestärkt Selten benutzte werden gekappt Stirnhirn: Synaptogenese später Erwachsenes Gehirn erst mit ca. 18 Jahren Myelinisierung bis ins dritte Lebensjahrzehnt Weisse Substanz (Myelinisierung) nimmt nach der Pubertät zu und die Synapsendichte nimmt stark ab.
Zeitfenster und sensorische Deprivation 35 sensible Phasen Gewisse Wahrnehmungsfähigkeiten können auch nach der sensiblen Phase erworben werden Andere Strategien und Gehirnpfade Verpasste Gelegenheiten können nur bis zu einem gewissen Grad aufgeholt werden Sprachentwicklung Laute aus der Muttersprache nach 10 Monaten gefestigt Zweitsprache nimmt andere Regionen in Anspruch Akzent kommt von Lautstruktur der Muttersprache Bereits im Mutterleib lernt das Kind Phoneme und Prosodie der Muttersprache. Babysprache erhöht die Prosodie
36 Schreiben Motorischer Kortex mit ca 5 Jahren fürs Schreiben entwickelt Hand- und Fingerkoordination entwickeln sich individuell Es macht keinen Sinn ein Kind zu tadeln wegen der Schrift! Lesen einmal lesen, immer lesen Lernen des Alphabets verändert die Sprachwahrnehmung (kleine Einheiten, Wortgebilde) Lesenlernen verschiebt die Aktivität von rechts nach links
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Sprachassoziierte Störungen der linken Hemisphäre 38 Sprachverständnis: Wernicke-Aphasie oft kompensiert durch ein gutes situatives Verständnis (Gestik, Betonung, Prosodie, Gewohnheiten) Agraphie: Unfähigkeit zu schreiben, obwohl die Feinmotorik normal Läsionen der Brodmann Areale 6 links und 39/40 Alexie: Unfähigkeit korrekt zu lesen, Sprechapparat und das Sehvermögen i.o. Buchstaben für Buchstaben lesen BA 44 Broca oder die temporoparietalen Sprachareale beeinträchtigt Oft zusammen mit linksseitigem Neglekt: Finden den Zeilenanfang links nicht
39 Dyslexie: ca 5% familiär gehäuft Schwierigkeiten, neue Wörter nachzusprechen und einzuprägen Verstehen der Bedeutung i.o. Schwierigkeiten mit der Lautgestalt der Wörter Gewisse Nervenbündel fehlen in den mittleren Temporalregionen weniger myelinisierte Verbindungen zwischen den Sprachregionen. unabhängig von der jeweiligen Sprache.
40 Das Wortformareal zu schwach aktiviert Inneres Lexikon nicht richtig ausgebildet, kann nicht auf Bedeutungen zurückgreifen
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3.8 Behandlung mit Neurofeedback 47 11 Jähriger Knabe mit Legasthenie QEEG vom 27.5.08 Lesen. Angaben in Prozent Abweichung von der Normdatenbank Lesen. Angaben in Prozent Abweichung von der Normdatenbank Lesen QEEG vom 1.12.08 nach 13 NF Therapiestunden
Neurofeedbacktraining 48 Theta 4-8 Hz vor der Therapie Nach 13 Stunden Therapie Das Neurofeedbacktraining fand an den rotumrandeten Punkten statt: 1. Stoppen von langsamen Wellen 2. Fördern von schnellen Wellen 3. Synchronisieren der Sprachareale
49 Beta 15-18 Hz vor der Therapie Nach 13 Therapiestunden 4. Fördern der Alpha Frequenzen im Hinterkopf 8-12 Hz Alpha 8-12 Hz vor der Therapie Nach 13 Therpiestunden
Ergebnis: 50 Deutliche Abnahme der Delta-, Theta- und Alpha-Frequenzen im Frontalbereich. Abnahme von Beta und HiBeta temporal links (Sprachregionen) Zunahme der Beta und HiBeta Frequenzen im Frontalbereich, was sich in verbesserten Exekutivfunktionen und erhöhter Aufmerksamkeit zeigt. Zunahme von Alpha im Parietal- und Okzipitalbereich. Zunahme von Beta und HiBeta im Frontalbereich, was für das Vorstellungsvermögen und das Erkennen von Buchstabenkombinationen sehr wichtig ist. schreibt schneller und fehlerfreier ab keine Fehler mehr beim Sprechen keine Mühe mehr hat mit der Wortwahl. kann an den Hausaufgaben dranbleiben liest sehr gern und hat von Kinderbüchern auf anspruchsvolle Bücher umgestellt
51 12 jähriger Knabe mit Legasthenie QEEG 21.7. 07 Lesen. Angaben in Prozent Abweichung von der Normdatenbank QEEG 25.11.08 nach 14 NF Therapiestunden Lesen. Angaben in Prozent Abweichung von der Normdatenbank
Ergebnis: 52 Deutlich weniger Delta im Frontalbereich, ebenso weniger Theta und Alpha im Frontalbereich Verbesserung auf dem sensomotorischen Kortex bei den Mu Frequenzen auf C3 und C4. Zunahme der Alpha-Frequenzen im Parietal- und Okzipitalbereich, was für das Vorstellungsvermögen und das Erkennen von Buchstabenkombinationen sehr wichtig ist. Zunahme der Beta und HiBeta Frequenzen im Frontalbereich, was sich in verbesserten Exekutivfunktionen und erhöhter Aufmerksamkeit zeigt. liest besser schweizerdeutscher Wortschatz grösser emtional stabiler
4. Neurobiologische Grundlagen von Schwierigkeiten in der Mathematik 53
Zahlenverständnis mit 4-5 Jahren Zahlen 1 und 2 bereits ab dem 2. Lj Zahlenkonzept als Starterkit 54 Dyskalkulie: fehlendes Zahlenverständnis (26 oder 31 grösser?) Kosten oder berechnen Zeit für eine Arbeit schwierig Kein angeborener Zahlensinn. Akalkulie: Unfähigkeit mit Zahlen umzugehen Beeinträchtigungen parietal li und rechts (Gyrus angularis) sowie frontal links. Körperschema: Beeinträchtigung der parietalen Region rechts Vernachlässigung der linken Körperseite Aufmerksamkeitsstörung für die linke Körperhälfte Schwierigkeit den Körper im Raum einzuschätzen. Rechtslinks Störung: Unsicherheit in der Unterscheidung von links und rechts oft im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung der Körperwahrnehmung
55 Neurofeedbacktherapie bei Schwierigkeiten in der Mathematik Visueller Leistungstest. Angaben in Prozent Abweichung von der Normdatenbank
56 Lösen von mathematischen Aufgaben. Angaben in Prozent Abweichung von der Normdatenbank
Zu wenig 8-12 Hz Frequenzen (Alpha) parietal führt oft zu Schwierigkeiten in der Mathematik, weil die langsamen Frequenzen für die visuelle Verarbeitung und den Bildaufbau in den visuellen Assoziationsarealen nötig sind. 57 Offene Augen. Angaben in Prozent Abweichung von der Normdatenbank
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