Verherrlicht und verpönt Alkoholkonsum zwischen Gut und Böse

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,5 82,8-96, ,7 62,6-80, ,7 56,7-76,8. Geschlecht. Männer 85,4 79,3-91,4 Frauen 65,9 57,8-74,0.

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,3 70,4-88, ,7 68,4-85, ,3 68,2-86,4. Geschlecht. Männer 86,9 81,2-92,7 Frauen 68,3 60,2-76,5.

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Transkript:

[Fassung ohne Bebilderung] Verherrlicht und verpönt Alkoholkonsum zwischen Gut und Böse Christina Rummel Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.v. (DHS) Gliederung 1. Was ist "normal"? 2. 3. Konsum 4. [Verlust der] Kontrolle 5. Was tun? 2 1

Was ist "normal"? Beispiele: - Körpertemperatur von 37 Grad ist normal, aber abhängig von Aktivität oder Messung - In Bezug auf Gesundheit und Krankheit: Ausweitung der Krankheitsspektren am Beispiel des DSM-5 3 Was ist "normal"? Definition der Norm gemäß Duden Eine allgemein anerkannte, als verbindlich geltende Regel für das Zusammenleben der Menschen Ambivalenz des Normalen: 1. Eine größere Vielfalt individueller Entscheidungen und Lebensentwürfen wird toleriert Es ist heute mehr normal als früher 2. Normalität ist aber auch eine Frage allgemeiner Vorschriften und persönlicher Wünsche Normalität hat individuelle Grenzen 4 2

Was ist "normal"? Alkohol ist Nahrungsmittel Begleiter Symbol für Trauer und Freude Strukturierer des Alltags Tröster Rauschmittel Suchtmittel Arzneimittel Sakrales Mittel Durstlöscher Mittel der Selbstdarstellung Genussmittel Gaumenkitzel Soziales Schmiermittel Zellgift 5 6 3

Abstinente Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren in Deutschland Gesamt Männer Frauen Lebenslang abstinent Letzte 12 Monate abstinent Letzte 30 Tage abstinent 3,6 % 2,9 % 4,3 % 9,8 % 9,4 % 10,2 % 15,1 % 10,7 % 19,6 % Quelle: Pabst, A. et al. (2013): Substanzkonsum uns substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. In: Sucht, 59(6), S. 321-331. 7 Stellen Sie sich vor, Sie sind bei einer Festivität eingeladen. Ihnen wird Wein oder Bier angeboten, Sie möchten aber nichts trinken aus welchen Gründen auch immer. a) Müssen Sie Ihren Verzicht erklären? b) Müssen Sie Ihren Verzicht verteidigen? c) Wird Ihr Verzicht respektiert? Bildquelle: http://www.topkafa.com/upload/7/da/7da1eccaf8b5015a.jpg 8 4

Trink doch einen mit! Warum (nicht)? Bist du schwanger? Stell dich nicht so an! Na, ein Glas wird ja nicht schaden. 9 Bildquelle: DHS 10 5

Anerkannte Situationen für Alkoholverzicht Punktnüchternheit Schwangerschaft dennoch: Pro Jahr sind in Deutschland 10.000 Kinder schon bei ihrer Geburt alkoholgeschädigt (FASD) Am Arbeitsplatz dennoch: bei jeder 6. Kündigung geht es um Alkohol Im Straßenverkehr dennoch: knapp 14.000 Alkoholunfälle und dabei 260 Getötete (Jahr 2014) Quellen: - DHS, Factsheet Alkohol in der Schwangerschaft, 2015 - DHS, Factsheet Alkohol am Arbeitsplatz, 2014 - DHS, Jahrbuch Sucht 2016 11 Quelle: DHS, Positionspapier Kein Alkohol unter 18 Jahren, 2015 12 6

Zwischenfazit Gar nicht so einfach, richtige zu finden scheint nicht normal zu sein höchstens punktuell in bestimmten Situationen Wo sind [prominente] Vorbilder? 13 Konsum 14 7

Konsum Konsumprävalenz bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren in Deutschland Gesamt Männer Frauen Risikoarmer Konsum* Riskanter Konsum* 57,3 % 61,4 % 53,1 % 14,2 % 15,6 % 12,8 % *gemäß DHS-Grenzwerte 12/24 g Reinalkohol Quelle: Pabst, A. et al. (2013): Substanzkonsum uns substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. In: Sucht, 59(6), S. 321-331. TT.MM.JJJJ 15 Konsum Jede/r Deutsche trinkt 135,5 Liter Fertigware Das sind ca. 321 Flaschen Bier plus 8 Flaschen Branntwein plus 29 Flaschen Wein plus 5 Flaschen Sekt oder eine Badewanne pro Jahr 16 8

Konsum Beispiele: Alkoholwerbung mit Prominenten Studie von Hanewinkel & Morgenstern (2015), die einen Zusammenhang zwischen Alkoholwerbung und Konsum bei Jugendlichen zeigte Alkoholkonsum im Öffentlich-Rechtlichen Studie von Lampert (2004), die 2000 Sendungen auf Alkoholdarstellungen untersuchte: in 56% der Fälle war Alkohol präsent, ca. 9 Szenen pro Stunde, die Alkohol zeigten Alkohol und Sport (u.a. Fußball, Vereinssport auf lokaler Ebene, Volksläufe) 17 Konsum Botschafter des Bieres 2016 Norbert Lammert, Bundestagspräsident 2015 Christian Schmidt, Bundesminister 2014 Cem Özdemir, Grünen-Vorsitzender & Sonya Kraus, Moderatorin 2013 Peter Altmaier, Bundesminister 2012 Dr. Renate Sommer, MEP, Vizepräsidentin des Bier-Clubs der EU- Abgeordneten 2011 Ina Müller, Moderatorin 2010 Volker Kauder, MdB 2009 Ilse Aigner, MdL 2008 Walter Steinmeier, Bundesminister 2007 Horst Seehofer, Ministerpräsident 18 9

Konsum Alkohol im Alltag Bildquelle: eigene Aufnahme 19 Konsum Zwischenfazit Gar nicht so einfach dem Konsum zu entkommen Konsum scheint normal zu sein "Effekt des bloßen Kontakts" führt zu einer Vertrautheit und positiven Bewertung 20 10

[Verlust der] Kontrolle 21 [Verlust der] Kontrolle Prävalenzen alkoholbezogener Störungen bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren in Deutschland (gemäß DSM-IV) Gesamt Männer Frauen N* Missbrauch 3,1 % 4,7 % 1,5 % 1.610.000 Abhängigkeit 3,4 % 4,8 % 2,0 % 1.770.000 *Berechnungsgrundlage: 51,7 Mio. Personen Quelle: Pabst, A. et al. (2013): Substanzkonsum uns substanzbezogene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. In: Sucht, 59(6), S. 321-331. 22 11

[Verlust der] Kontrolle Einstellung der Bevölkerung zur Abhängigkeit Alkoholkranke werden meist selbst für ihre Erkrankung verantwortlich gemacht. Sie werden stärker als z.b. Patienten mit Schizophrenie oder Depression abgelehnt. Schomerus et al. (2010) Bildquelle: eigene Darstellung TT.MM.JJJJ 23 [Verlust der] Kontrolle Angabe in %, wie ungern sie Alkoholabhängige als Nachbarn hätten (Atlas europäischer Werte 2008) Verglichen wurden die Werte zwischen den Jahren 1990 und 2008. 1990 bejahten 66% der Befragten in Deutschland, dass sie Alkoholabhängige ungern als Nachbarn hätten. 2008 stimmten dem 51% zu. TT.MM.JJJJ 24 12

[Verlust der] Kontrolle Anti-Stigma Strategien Wissen Kontakt Bildquellen: DHS TT.MM.JJJJ 25 Zwischenfazit Kontrollierter Rausch in kontrollierten Situationen ist o.k. Abhängigkeit ist nicht o.k., sondern vorurteilsbelastet Wissen & Kontakt verbessern die Einstellungen Doch wie verändern wir die Normen? TT.MM.JJJJ 26 13

Was tun? Reflektion & Aufmerksamkeit Verhältnisse schaffen, die die Einstellung beeinflussen Preis Verfügbarkeit Werbung Settingansatz Lebenswelten verändern Ansetzen in den Sozialisationsbereichen Elternhaus, Freunde, Schule, Medien, Arbeitsplatz 27 Herzlichen Dank! Christina Rummel Referentin für Projekte und Internationales Telefon: +49 2381 9015-24 E-Mail: rummel@dhs.de www.dhs.de 14