Ein Indikatorsystem zur Bewertung des Energiepflanzenanbaus mit Hilfe von Laufkäfern (Coleoptera: Carabidae) Ralph Platen Michael Glemnitz
Voraussetzungen für die Eignung von Tieren als Bioindikatoren Indikatoren für Biodiversität in Agrarbiotopen sollten häufig und weit verbreitet leicht zu identifizieren eine deutliche Reaktion auf Veränderungen in Agrarökosystemen zeigen. Ansatz zur Auswahl von geeigneten Artengruppen: Keystone species Arten, die eine hohe Sensitivität gegenüber Veränderungen im Ökosystem besitzen, jedoch nicht wichtig für Ökosystemfunktionen oder stabilität sein müssen (Bsp.: Wirbeltiere, Spinnen, Laufkäfer)
Laufkäfer sind Indikatoren in Agrarökosystemen für Nahrungsverfügbarkeit (Indikator: Körpermasse) Umweltstress, Managementintensität inkl. PSM (Abundanz/Individuenanzahl) Habitateignung, Störung, Managementintensität (Anteil stenotoper Ackerarten-/individuenanzahl) Störung, Managementintensität (Verhältnis brachyptere/macroptere Individuenanteile) Regulation von Schadorganismen (Anteil von Nahrungsspezialisten, z.b. Blattlausepezialisten, Samenprädatoren) Carabus auratus Goldlaukäfer Indikator für Extensivierungsgrad, hohe Biodiversität
Ansatz Das Indikatorsystem beruht auf drei inhaltlichen Schwerpunkten: Biodiversität (Alpha-Diversität) Arten- und Individuenanzahlen, Biomasse je Fläche Diversitätsindices (Art- und funktionale (Habitatpräferenz-) Diversität) Habitateignung der Anbaufrüchte für Laufkäfer quantitative Zusammensetzung der Habitatpräferenzen (=Anzahl potenzieller Nischen) funktionale Aspekte quantitative Zusammensetzung der Nahrungsgilden Verhältnis Nahrungsgeneralisten/Nahrungsspezialisten potenzielle Regulatoren von Schadorganismen
Zielstellung Synoptische Bewertung der Auswirkungen des Energiepflanzenanbaus mit Hilfe eines einfachen Indikatorsystems: = günstige = neutrale = ungünstige Bedingungen der Energiepflanze als Habitat für Laufkäfer. Als Zwischenschritt wird für jeden der oben genannten Schwerpunkte eine Bewertung mit Hilfe einer auf Quantitäten basierten, fünfteiligen Skala vorgenommen: Bsp.: Habitatpräferenz Acker : 0-19%=-1; 20-39%=-0,5; 40-59%=0; 60-79%=+0,5; 80-100%=+1
Datengrundlage Grundlage sind die in den Teilprojekten EVAI-EVAIII in Praxisbetrieben erhobenen Laufkäferdaten Die zur Auswertung herangezogenen Daten sind überwiegend quantitativer (z.b. Arten-/Individuenanzahlen) Natur Die Auswertung erfolgt spezifisch für vier naturräumliche Großregionen Deutschlands: Nordostdeutsche Seenplatte (16 Untersuchungsflächen (UF), 6 Fruchtartengruppen (FAG)) Ostdeutsches Platten- und Heideland (19 UF, 7 FAG) Thüringer Becken (20 UF, 6 FAG) Alpenvorland (13 UF, 5 FAG)
Klassifizierung der Anbaufrüchte Die angebauten Feldfrüchte wurden zur Auswertung nach Struktur und Anbauzeitraum in 10 Fruchtartengruppen eingeteilt: Körner-Leguminosen (Erbsen, Lupine) KoeL Sommergetreide (Hafer, Sommerweizen) SoG Wintergetreide (Winterweizen, Winterroggen, Wi-Triticale) WiG mehrjähriges Ackerfutter (Kleegras, Perserklee) mjaf Mais Mais Hirse HIR Wickroggen WWR Alternative Energiepflanzen durchwachsene Silphie SIL Szarvasigras SZG Wildblumenmischung WKR
Naturräumliche Gliederung Deutschlands Die roten Punkte entsprechen der Lage der UF
V BF 5 m Material und Methoden Erfassung der epigäischen V 10 BF 1 V 1 Laufkäfer mit Bodenfallen V 9 BF 2 BF 3 V 2 je Untersuchungsfläche fünf Bodenfallen, Fangflüssigkeit: 4 %-ige Formollösung + Detergenz V 8 V 7 BF 4 V 3 V 4 BF Untersuchungszeit: V bis VII (14-tägige Leerung= 6 Leerungen) V 6 BF 5 V 5 BF Strukturkartierung: Aufnahme des Deckungsgrades der vorhandenen Vegetationsschichten (14-tägig) V 1 m BF
Biodiversitätsindices Index Formel Fokus auf Art-Diversität α α = N(1-x)/x seltene Arten Shannon-Wiener H = -Σ p i ln p i Heterogenität der Artenzusammensetzung Evenness E = H /lns Maß für die Gleichverteilung der Individuen auf die Arten reziproker Simpson D S = 1/ Σ (n i /N[n i -1/N-1]) Anzahl hochdominanter Arten Habitatpräferenz-Diversität α HP α HP = N(1-x)/x seltene Habitatpräferenzen Shannon- Wiener HP H HP = -Σ p i ln p i Heterogenität der Zusammensetzung der Haitatpräferenzen Evenness HP E HP = H HP/ln S HP Maß für die Gleichverteilung der Individuen auf die Habitatpräferenzen reciproker Simpson HP D S HP = 1/Σ (n i /N[n i - 1/N-1]) Anzahl hochdominanter Habitatpräferenzen N=Gesamtanzahl der Individuen/ Habitatpräferenzen einer Untersuchungsfläche (UF) p i /n i =Anzahl der Individuen einer Art/Habitatpräferenz in einer UF S=Anzahl der Arten/Habitatpräferenzen
Artenanzahl Nordostdeutsche Seenplatte Ostdeutsches Platten- und Heideland Thüringer Becken Alpenvorland
Individuenanzahl Nordostdeutsche Seenplatte Ostdeutsches Platten- und Heideland Thüringer Becken Alpenvorland
Artdiversität Nordostdeutsche Seenplatte Ostdeutsches Platten- und Heideland Thüringer Becken Alpenvorland
Habitatpräferenzdiversität Nordostdeutsche Seenplatte Ostdeutsches Platten- und Heideland Thüringer Becken Alpenvorland
Habitatpräferenzen Legende: s. Anhang Nordostdeutsche Seenplatte Ostdeutsches Platten- und Heideland Thüringer Becken Alpenvorland
Körpermasseklassen Legende: s. Anhang Nordostdeutsche Seenplatte Ostdeutsches Platten- und Heideland Thüringer Becken Alpenvorland
Nahrungsgilden Legende: s. Anhang Nordostdeutsche Seenplatte Ostdeutsches Platten- und Heideland % Thüringer Becken Alpenvorland
Auswirkungen des Anbauzeitraumes auf die Phänologie der Arten Calathus ambiguus Nordostdeutsche Seenplatte 2008 Bembidion quadrimaculatum Nordostdeutsche Seenplatte 2008
Übersicht I Bewertung Nordostdeutsche Seenplatte FAG Spec Ind SpecDiv HabDiv HabPräf KMK Nahrungsgilden KoeL SoG WiG mjaf Mais HIR WWR SIL SZG WKR Ostdeutsche Platten- und Heidelandschaft FAG Spec Ind SpecDiv HabDiv HabPräf KMK Nahrungsgilden KoeL SoG WiG mjaf Mais HIR WWR SIL SZG WKR
Übersicht II Bewertung Thüringer Becken FAG Spec Ind SpecDiv HabDiv HabPräf KMK Nahrungsgilden KoeL SoG WiG mjaf Mais HIR WWR SIL SZG WKR Alpenvorland FAG Spec Ind SpecDiv HabDiv HabPräf KMK Nahrungsgilden KoeL SoG WiG mjaf Mais HIR WWR SIL SZG WKR
Schlussfolgerungen Die Auswirkungen des Energiepflanzenanbaus auf die Laufkäfergemeinschaften sind stark regionalspezifisch Es gibt keine einheitlichen Muster von positiven und negativen Auswirkungen In den südlichen Regionen zeigen sich einige übereinstimmende Ergebnisse Der Anbau von Mais führt nicht zu durchgängig negativen Auswirkungen auf die Laufkäfergemeinschaften
Fazit Zur Förderung und Stabilisierung der Laufkäfergemeinschaften als wichtige Schädlingsregulatoren empfiehlt sich eine Fruchtfolge aus strukturell und anbauzeitlich unterschiedlichen Anbaufrüchten (SoG, WiG, Mais, mjaf, KoeL) Mit der Integration alternativer Energiepflanzen (Silphie, Szarvasigras, Wildblumenmischung) in die Fruchtfolge kann sowohl eine hohe Art- und funktionale Diversität der Laufkäfergemeinschaften als auch ein Ernteertrag erreicht werden, der im Vergleich zu Mais nur geringe Verluste aufweist
Unser Dank gilt Conny Fischer: Vegetationskartierung und Feldarbeiten Thorsten Schönbrodt: Feldarbeiten Gundi Jersusel: Datenbankpflege Ilona Dietsch: Laborarbeiten Jessika Konrad: Bestimmungsarbeiten Fotos www.coleocat.de www.eurocarabidae.de
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!
Legenden zu den Folien 15-16 Habitatpräferenzen OHP=ohne Habitatpräferenz OHA=offene Habitate TRO=offene Trockenstandorte GRL=Grünland ACK=Acker Körpermasseklassen [mg] I=< 5 II=5-9,9 III=10-29,9 IV=30-100 V=> 100
Legende zur Folie 17 Nahrungsgilden GCA=General carnivores, unspezifische Fleischesser CAS=Caterpillar specialists, (Schmetterlings-) Raupenspezialisten MIX=Mixotrophic, sowohl carnivor als auch herbivor GRA=Granivores, Samenprädatoren GIN=General insektivores, unspezifische Insektenvertilger