Integration machen Menschen. Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg Kurzfassung der Ergebnisse

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Transkript:

Integration machen Menschen Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg Kurzfassung der Ergebnisse

Liebe Leserinnen und Leser, von März bis Mai 2017 hat der Urania Landesverband eine Studie zur aktuellen Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg durchgeführt. Sie bestand aus einer schriftlichen Befragung sowie aus vertiefenden Interviews mit 39 ehrenamtlich Tätigen. In der vorliegenden Broschüre sind die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst. Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler spielen in der Aufnahme und Integration von Geflüchteten eine zentrale Rolle. Durch eine Vielzahl von Aktivitäten und mit großem Engagement unterstützen sie das Ankommen der Geflüchteten in der brandenburgischen und der bundesdeutschen Gesellschaft. Das ehrenamtliche Engagement durchlief seit September 2015 verschiedene Phasen. Gerade in der zweiten Jahreshälfte 2016 war in den Medien immer wieder von einem Stimmungsumschwung auch im Ehrenamt für Geflüchtete die Rede. Insgesamt konnte der Eindruck entstehen, dass das Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe am Ende wäre. Dies war Anlass zur Befragung der Beteiligten selbst. Diese Studie bietet einen umfassenden Einblick in das Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg. Es wird aufgezeigt, wer sich ehrenamtlich engagiert, welche Tätigkeiten ausgeführt werden, wie die Stimmung ist und welche Unterstützungswünsche bestehen. Die Fragen nach der Motivation, den Veränderungen und größten Barrieren sowie der Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt werden ebenfalls beantwortet. Die Rücklaufquote der schriftlichen Befragung war sehr hoch 512 Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler beteiligten sich. Sie haben vielfältige Botschaften, politische Statements und Erfahrungsberichte übermittelt. Dies haben sie auch in der Erwartung getan, dass ihre Stimme gehört wird und Konsequenzen daraus gezogen werden. Das Land Brandenburg wird alles dafür tun, auch weiterhin günstige Rahmenbedingungen für den Erhalt des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe zu schaffen. Dr. Doris Lemmermeier Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg

Statistische Daten Der Altersdurchschnitt der Befragten beträgt 51 Jahre. Die Mehrheit der Ehrenamtlichen (über 70%) ist zwischen 40 und 70 Jahre alt. Im Vergleich mit der Bevölkerung Brandenburgs sind die mittleren bis älteren Altersgruppen überrepräsentiert, die jüngeren unterrepräsentiert. Die jüngste Befragte war 14, die älteste 80 Jahre alt. Von den Befragten sind mehr als zwei Drittel Frauen und ein Drittel Männer. Männer sind im Engagement der Flüchtlingshilfe damit unterrepräsentiert, sowohl im Vergleich zur Bevölkerung in Brandenburg als auch im Vergleich zu den insgesamt ehrenamtlich Tätigen (Freiwilligensurvey). Befragt nach dem höchsten erreichten Bildungsabschluss, geben 302 Personen an, einen Hochschul- oder Universitätsabschluss zu haben, weitere 30 Personen haben einen höheren akademischen Grad. 104 Personen, also gut ein Fünftel der Befragten, haben die Fachhochschulreife bzw. das Abitur. Knapp ein Zehntel, 47 Personen, besitzen einen Hauptschulabschluss bzw. sie haben die 10. Klasse der Polytechnischen Oberschule (POS) der DDR abgeschlossen. Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 5

25,8% 5,3% 3,5% Derzeitige Tätigkeit Fast zwei Drittel der Befragten üben ihr Ehrenamt neben ihrer Berufstätigkeit aus und stellen von ihrer wenigen Freizeit einen (Groß-)Teil für die Arbeit mit Geflüchteten zur Verfügung. Ein Viertel der Befragten sind Rentnerinnen oder Rentner. Das in den Medien oft vermittelte Bild, dass es hauptsächlich Rentnerinnen und Rentner sind, die sich in diesem Bereich ehrenamtlich engagieren, hat sich damit nicht bestätigt. 65,4% Berufstätig Rentnerin/Rentner Studentin/Student Erwerbslos Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 7

2,5% Beginn des ehrenamtlichen Engagements 18,9% 39,7% Fast gleich viele Befragte haben vor September 2015 bzw. ab September 2015 mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit begonnen: Vor September waren es 203 Befragte, nach September 199 Befragte. Die hohe Zahl von Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern, die bereits vor September 2015 mit der Tätigkeit im Flüchtlingsbereich begonnen haben, verweist auf die auch schon bis dahin angestiegenen Zugangszahlen von Geflüchteten sowie auf das damit verbundene stärkere ehrenamtliche Engagement. 38,9% Im Jahr 2016 ging die Zahl derer, die mit dem ehrenamtlichen Engagement neu begonnen haben, auf 97 Befragte zurück. Der Rückgang erklärt sich dadurch, dass zum einen viele Menschen schon aktiv waren, zum anderen gingen im Verlauf des Jahres 2016 die Zahlen der ankommenden Geflüchteten stark zurück, sodass weniger akute Unterstützung notwendig war. vor September 2015 ab September 2015 2016 2017 Für das Jahr 2017 lässt sich noch keine Aussage treffen, da die Befragung nur die ersten drei Monate erfassen konnte. Je später das Engagement erfolgte, umso jünger waren die neu hinzukommenden Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler. Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 9

Ehrenamtliche Tätigkeiten Prozent 50 40 30 20 10 0 267 52,1% 242 47,3% 44,9% 230 42,0% 215 154 30,1% 152 29,7% 27,0% 138 18,0% 92 16,2% 83 13,9% 71 11,3% 58 50 9,8% 8,4% 43 23 4,5% 10 2,0% 9 1,8% 32,2% 165 Die ehrenamtlichen Aktivitäten sind breit gefächert. Etwas mehr als die Hälfte aller Befragten unterstützen Geflüchtete bei ihren Behördengängen. Fast 50% der Ehrenamtlichen nennen Patenschaften als Tätigkeitsbereich. Es folgen der Deutschunterricht und die Organisation von Willkommensfesten. Ausflüge, Fahrdienste und Begegnungscafés folgen mit etwas Abstand auf den nächsten Plätzen. Fast alle Befragten haben mehrere Tätigkeiten genannt. Diese sind dabei nicht notwendigerweise alle gleichzeitig wahrgenommen worden. Zu verschiedenen Zeiten übernehmen die Ehrenamtlichen verschiedene Aktivitäten, oft mehr als eine Tätigkeit parallel. Sie verändern ihre Tätigkeiten mit den entstehenden Bedarfen. Begleitung zu Behörden, Ärzten Patenschaft Deutschunterricht (Willkommens-)Feste Ausflüge Fahrdienst Begegnungscafé Kinderbetreuung Kleiderkammer Kochen Sportliche Angebote Künstlerisch-kreative Angebote Fahrradwerkstatt Gartenarbeit Nähwerkstatt Computerkurs Sonstiges Zwischen Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern sind durchaus Unterschiede zu verzeichnen. Während die Begleitung zu Behörden, Ärzten usw. von Frauen und Männern fast gleich häufig erfolgt, übernehmen 52% der weiblichen, aber nur 39% der männlichen Ehrenamtlichen eine Patenschaft. Auch Deutschunterricht bieten die weiblichen Befragten häufiger an: 49% der Frauen und 36% der Männer sind in diesem Bereich tätig. Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 11

Prozent 50 40 30 20 10 109 44,5% 78 19,8% 78 16,1% 115 24,2% 58 23,7% 138 34,9% 33,9% 34,2% 164 163 35 14,3% 72 18,2% 24,8% 22,1% 120 105 43 17,5% 107 27,1% 121 25,1% 93 19,5% Für das Ehrenamt aufgewendete Stunden In der Zeit vor September 2015 haben sich die meisten der Ehrenamtlichen pro Woche zwei Stunden in der Flüchtlingshilfe engagiert. Ab September 2015 findet eine deutliche Erhöhung der aufgewendeten Stunden statt. Am höchsten ist jetzt der Anteil derer, die bis zu fünf Stunden pro Woche ehrenamtlich im Flüchtlingsbereich tätig sind. Im Jahr 2016 stabilisiert sich dieses hohe Engagement. Knapp ein Viertel der Befragten sind in diesem Jahr bis zu 10 Stunden aktiv. In den ersten drei Monaten des Jahres 2017, zum Zeitpunkt der Befragung, hat dieses Engagement nicht wesentlich nachgelassen. 0 bis 2 Stunden bis 5 Stunden bis 10 Stunden mehr als 10 Stunden Von einer deutlichen Reduzierung der Stundenzahl kann damit nicht gesprochen werden. Das passt zu den veränderten und gestiegenen Anforderungen an das Ehrenamt. Zwar sank die Zahl der neu ankommenden Geflüchteten deutlich, gleichzeitig erfordert jedoch die erhöhte Komplexität der Integrationsbegleitung, die von den Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern wahrgenommen wird, mehr Zeit. vor September 2015 ab September 2015 2016 2017 Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 13

Motivation Prozent 80 60 40 20 0 75,8% 388 60,4% 309 45,3% 232 22,5% 115 9,8% 9,4% 50 48 19,1% 98 Humanitäre Gründe sind die stärkste Motivation für das Engagement in der Flüchtlingshilfe. Drei Viertel der Befragten geben humanitäre Gründe als ausschlaggebend für ihr Engagement an. Auf Platz 2 rangiert die Aussage Ich wollte einfach helfen. Politisches Engagement folgt an dritter Stelle und ist mit 45% eine starke Motivation für das Engagement im Flüchtlingsbereich. Diese drei Motive werden mit deutlichem Abstand am häufigsten genannt. 23% nennen meine Religion/mein Glaube als Motiv. Nur 50 Befragte waren auf der Suche nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Dieses Motiv spielt damit eine geringe Rolle. 48 Befragte wurden durch andere Aktive zum Engagement in der Flüchtlingshilfe motiviert. Humanitäre Gründe Ich wollte einfach helfen Politisches Engagement Meine Religion/mein Glaube Suche nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit Andere Aktive in der Flüchtlingshilfe Sonstiges Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 15

Prozent 60 50 40 30 59,0% 36,9% 26,6% 40,6% 45,9% 28,1% 25,6% 30,7% 42,6% 44,5% 49,0% 32,2% Einstellung des persönlichen Umfelds Die Familie ist mit Abstand die Umgebung, in der am meisten Rückhalt gesehen wird. Auch wenn die Familie durch das ehrenamtliche Engagement oft am meisten verzichten muss, steht sie in der Regel hinter diesem Engagement und trägt es mit. Und das obwohl an mehreren Stellen der Befragung auf die Belastung der Familie durch das Ehrenamt hingewiesen wird. 20 10 0 11,3% 11,3% 11,9% 16,8% 3,3% 3,3% 5,5% 9,4% Freundinnen und Freunde werden als deutlich weniger unterstützend wahrgenommen, sind jedoch verständnisvoll und sehr interessiert. Kolleginnen und Kollegen werden vor allem als interessiert wahrgenommen. Am skeptischsten und auch am ablehnendsten werden die Nachbarinnen und Nachbarn empfunden. unterstützend verständnisvoll interessiert skeptisch ablehnend Betrachtet man die Kategorien übergreifend als Skala von Positiv nach Negativ, so fällt auf, wie gering die Zahlen für die beiden negativsten Einschätzungen ablehnend sowie skeptisch sind. Familie Freundinnen/Freunde Kolleginnen/Kollegen Nachbarinnen/Nachbarn Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 17

Zusammenarbeit Haupt- und Ehrenamt 50 42,6% Unter Hauptamt werden Wohlfahrtsverbände, Beratungsstellen, Träger von Gemeinschaftsunterkünften, Projekten u.a. verstanden. Prozent 40 30 20 218 36,1% 185 Dieses Zusammenwirken wird von den Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern überwiegend als positiv wahrgenommen. Über die Hälfte aller Befragten ist der Meinung, dass diese Zusammenarbeit gut bis sehr gut funktioniert. Ein gutes Drittel empfindet sie als mittelmäßig, nur 31 Befragte schätzen sie als schlecht ein. 10 0 9,8% 50 sehr gut gut mittelmäßig 6,1% 5,5% 31 28 schlecht weiß nicht Das ist ein deutliches Statement, dass die Zusammenarbeit mit diesen Akteuren, die für die Geflüchteten und für die Ehrenamtlichen sehr wichtig sind, gut funktioniert. Natürlich gibt es auch hier Reibungspunkte; grundsätzlich sind die Beziehungen zum Hauptamt, wie es hier definiert ist, jedoch intakt. Das liegt auch darin begründet, dass diese Akteure wie die Ehrenamtlichen selbst im originären Feld der Integration tätig sind. Sie arbeiten direkt mit Geflüchteten und haben daher eine sehr viel größere Nähe zu den Ehrenamtlichen als die in der zweiten Frage betrachteten Behörden. Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 19

Zusammenarbeit Ehrenamt und Behörden Prozent 50 40 30 20 10 0 4,1% 21 sehr gut 24,6% 126 gut 40,6% 208 mittelmäßig 17,6% 90 schlecht 13,1% 67 weiß nicht Unter Behörden werden die Ausländerbehörden, Jobcenter und Sozialämter etc. verstanden. Diese Einschätzung fällt deutlich anders aus. Weit über die Hälfte der Befragten sehen diese Zusammenarbeit als mittelmäßig bis schlecht an. Nur 21 Befragte werten sie als sehr gut, ein knappes Viertel als gut. Bei der Zusammenarbeit der Ehrenamtlichen mit den Behörden stoßen in gewisser Weise zwei Welten und zwei Interessensphären aufeinander: Die Behörden sind zuständig für zahlreiche Leistungen und Anliegen der Geflüchteten. Das reicht vom Aufenthaltsstatus, der Arbeitserlaubnis und ggf. auch der Abschiebungsandrohung bei der Ausländerbehörde über die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beim Sozialamt bis zu Grundsicherungsleistungen und Arbeitsmarktintegration in den Jobcentern. Die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler wiederum begleiten die Geflüchteten, setzen sich für sie ein, kämpfen häufig auch für deren Interessen. Daher sind hier in gewisser Hinsicht Konflikte vorprogrammiert. Die kritische Einschätzung von Behörden seitens der Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Beantwortung des Fragebogens. Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 21

3,1% Erneutes Engagement Fast 97% der Ehrenamtlichen sagen, dass sie sich aus heutiger Sicht, also vor dem Hintergrund aller gesammelten Erfahrungen, noch einmal ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren würden. Dieses überwältigende Bekenntnis zum Engagement in der Flüchtlingshilfe erfolgte im Bewusstsein der ganzen Erfahrungen, welche die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler seit dem Beginn ihres Engagements gesammelt haben also auch vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten und Barrieren, mit denen sie sich konfrontiert sehen und auf die sie in der Befragung an vielen Stellen aufmerksam machen. 96,9% In diesem sehr hohen Wert kulminiert in gewisser Weise die ganze Befragung: Die jetzt in der Flüchtlingshilfe aktiven Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler sind zutiefst von ihrem Engagement überzeugt und jederzeit wieder bereit, sich einzubringen. Für sie ist es keine Option, in einer erneuten Krisensituation daneben zu stehen und zu sagen es tut mir leid, ich habe keine Zeit. Ja Nein Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 23

Stimmung 50 40 49,6% 254 32,6% In den Medien wurde zu Beginn der erhöhten Zuwanderungszahlen zunächst über zahlreiche Beispiele des ehrenamtlichen Engagements berichtet, aber dann verstärkt im Jahr 2016 immer wieder über einen Stimmungsumschwung auch unter den Ehrenamtlichen gesprochen und spekuliert. Prozent 30 20 167 Die Ergebnisse der vorliegenden Befragung unterstützen die These vom Stimmungsumschwung unter den Ehrenamtlichen nicht. Knapp 60% der Befragten schätzen die Stimmung als gut bis sehr gut ein. Das ist ein deutliches Statement. 10 0 10,0% 51 3,5% 4,3% 18 22 Ein Drittel empfindet die Stimmung als mittelmäßig, sieht die Stimmung also durchaus mit gemischten Gefühlen. Nur knapp 18 Befragte bewerten die Stimmung als schlecht. sehr gut gut mittelmäßig schlecht weiß nicht Für die gute Stimmung sind die anhaltende Motivation der Ehrenamtlichen, der Teamzusammenhalt und die erzielten Erfolge entscheidend. Bei der mittelmäßigen Stimmung werden verstärkt Barrieren und emotionale Belastungen wahrgenommen und es wird auch die Zusammenarbeit innerhalb der Engagierten als schwierig empfunden. Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 25

Prozent 70 60 50 40 30 20 10 0 64,3% 329 Gesundheitliche Gründe 44,9% 230 Zeitliche Gründe 29,5% 151 Berufliche Gründe 24,8% 127 Persönliche Gründe (emotionale Belastung,familiäre Gründe etc.) 12,9% 14,3% 11,1% 2,7% 66 73 57 14 Zahlenmäßiger Rückgang der Flüchtlinge Finanzielle Gründe Aufgrund negativer Stimmungen gegenüber den Flüchtlingen und deren Unterstützerinnen/Unterstützer Sonstiges Gründe für die Beendigung des Engagements Von fast zwei Dritteln der Befragten werden gesundheitliche Gründe für eine mögliche Beendigung des ehrenamtlichen Engagements genannt. Fast 30% könnten sich vorstellen, aufgrund beruflicher Umstände ihr Engagement zu beenden. Persönliche Gründe nennen 127 Ehrenamtliche, das entspricht einem Viertel der Befragten. Die weiteren Gründe folgen mit deutlichem Abstand. Daraus lässt sich folgern, dass bei einem Großteil der Befragten ein starker Wille besteht, das Ehrenamt fortzuführen. Für sie muss schon einiges passieren, um ihr Engagement zu beenden. Dafür spricht in erster Linie die ausgeprägte Nennung von gesundheitlichen Gründen. Wie es jemandem gesundheitlich geht, ist etwas, das nur bedingt zu beeinflussen ist. Im Umkehrschluss heißt das: Solange ich gesund bin, mache ich weiter. Es ist bemerkenswert, dass nur etwas mehr als ein Drittel aller berufstätigen Befragten sich vorstellen kann, aus beruflichen Gründen das Engagement zu beenden. Trotz aller Schwierigkeiten ist es für viele doch möglich, Beruf und Ehrenamt in Übereinstimmung zu bringen. Einen untergeordneten Rang nimmt der zahlenmäßige Rückgang der Flüchtlinge ein. Nicht wenige Ehrenamtliche haben z.b. nach der Schließung einer Unterkunft in ihrem Ort ihr Engagement an anderer Stelle fortgeführt oder fahren wöchentlich etliche Kilometer, um nach einem Umzug den Kontakt zu den Geflüchteten aufrecht zu erhalten. Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 27

Prozent 30 26,2% 25 134 22,5% 20 115 18,4% 17,2% 15 94 88 14,6% 13,9% 13,7% 75 71 70 10 5 0 7,4% 7,2% 5,9% 5,3% 6,8% 38 37 30 27 35 Größte Schwierigkeiten Diese Frage war eine reine Freitextfrage, um die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler nicht mit vorgegebenen Kategorien zu beeinflussen. Die größten Schwierigkeiten bereiten bürokratische und politische Barrieren. Bei den bürokratischen Barrieren werden die Amtssprache Deutsch, die komplizierten Formulare und die lange Dauer von Vorgängen angeführt. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden werden von einigen Ehrenamtlichen als nicht unterstützend empfunden. Vor allem haben die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler den Eindruck, dass sie von den Behörden nicht genügend wahrgenommen und geschätzt werden und dass ihr Potenzial im Integrationsprozess nicht gesehen wird. Bürokratische Barrieren Politische Barrieren Zeit Interkulturelle Aspekte Emotionale Belastung Strukturelle Barrieren des Ehrenamts Aufgabe der Integration Ablehnende Haltung der Gesellschaft Finanzielle Schwierigkeiten Verschiedenes Ich sehe keine Schwierigkeiten Keine Angabe Bei den politischen Barrieren sind es vor allem Abschiebungen, die den Ehrenamtlichen Sorge bereiten. Viele Ehrenamtliche verstehen nicht, dass Menschen abgeschoben werden, die integriert sind bzw. sich integrieren wollen, die bereits berufstätig sind und Steuern bezahlen sowie Familien mit Kindern. Die Folgen davon spüren die Ehrenamtlichen sowohl bei sich selbst als auch bei den Geflüchteten. Weitere Barrieren werden in der zeitlichen Problematik, in interkulturellen Aspekten und in der eigenen emotionalen Belastung sowie derjenigen der Geflüchteten gesehen. Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 29

Fazit Die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler, die sich an dieser Studie beteiligt haben, werden von einer tiefen humanitären Einstellung getragen. Sie sind überzeugt von der Notwendigkeit, der Sinnhaftigkeit und auch von der Wirksamkeit ihres Engagements. Die Ehrenamtlichen sind Expertinnen und Experten in Sachen Integration geworden und für viele Geflüchtete eine unverzichtbare Stütze auf ihrem Weg in die deutsche Gesellschaft. Sie haben ausführlich von den Herausforderungen berichtet, vor denen sie stehen. Dabei sehen sie vor allem zwei Barrieren: die behördliche und die politische. Eine ganz besondere Schwierigkeit stellen für die Ehrenamtlichen die Abschiebungen dar. Die Menschen verstehen nicht, dass sie sich engagieren, dass es den Geflüchteten gelingt, Deutsch zu lernen, Arbeit zu finden und dann die Menschen, die Freunde und Nachbarn geworden sind, plötzlich das Land verlassen sollen. Die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler sind in ganz direktem Kontakt mit den Geflüchteten, sie vermitteln Werte und das Demokratieverständnis der deutschen Gesellschaft. Sie verstehen ihr Engagement auch als einen Einsatz gegen Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit. 30 Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg 31

Für das Gelingen von Integration im Land Brandenburg sind die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler und ihr Engagement unverzichtbar. Ohne sie geht es nicht. Wie die hohe Rücklaufquote der schriftlichen Befragung zeigt, sind die Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg nach wie vor sehr aktiv. Das hat sich sehr deutlich auch in der Art und Weise ihrer Beteiligung an der Studie gezeigt. Jede Möglichkeit, sich mit Wortbeiträgen zu äußern, wurde ausgiebig genutzt. auch in Zukunft viel bewirken. Mit der Wahrnehmung und Würdigung der Ehrenamtlichen als unverzichtbare Unterstützung im Prozess der Integration von Geflüchteten können das Potenzial und die Kompetenzen der Ehrenamtlichen im positiven Sinne genutzt werden. Werden die Ehrenamtlichen in ihrem Engagement gestärkt, profitieren alle Beteiligten davon. Fast 97% der Befragten würden sich vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren gesammelten Erfahrungen erneut engagieren. Und doch wird an vielen Stellen gleichzeitig spürbar, dass dieses große Engagement kein Selbstläufer ist, dass es seinen Tribut fordert. Die Zahl der ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe Engagierten ist auch in Brandenburg zurückgegangen. Festzustellen ist, dass bei den ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagierten Brandenburgerinnen und Brandenburgern ein starker Wille spürbar ist, sich auch weiterhin für die Integration der Geflüchteten einzusetzen. Für viele ist es, wie es in einer Antwort formuliert wird, ein Engagement auf Jahre. Diese ehrenamtliche Tätigkeit ist allerdings keine Selbstverständlichkeit und die Fortführung des Engagements bedarf guter Rahmenbedingungen. Das Land Brandenburg hat ein großes Interesse daran, dass diese Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler weiterhin aktiv bleiben. Politik und Verwaltung auf allen Ebenen haben schon viel getan und können 32

Die Gesamtfassung der Studie,Integration machen Menschen Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg ist unter www.masgf. brandenburg.de, auf der Seite der Integrationsbeauftragten, verfügbar. Wir freuen uns über Ihr Interesse und lassen Ihnen gerne auch gedruckte Exemplare zukommen. Diese können Sie mit Angabe Ihrer Adresse unter integrationsbeauftragte@ masgf.brandenburg.de bestellen.

Integration machen Menschen Aktuelle Situation des Ehrenamts in der Flüchtlingshilfe im Land Brandenburg Hrsg.: Ministerium für Arbeit, Soziales Gesundheit, Frauen und Familie Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg Henning-von-Tresckow-Straße 2 13 14467 Potsdam www.masgf.brandenburg.de Layout/Satz/Infografiken: gänserich-grafik, Potsdam Dezember 2017 Bildnachweis: A_Lesik, ALPA PROD, paul prescott, Stefano Guidi, rkl_foto, Frank Gaertner, ESB Professional (alle Shutterstock.com)