BOOK REVIEWS KJELL-ÅKE FORSGREN

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Transkript:

BOOK REVIEWS KJELL-ÅKE FORSGREN REZENSION AUSGEWÄHLTER ARTIKEL AUS: DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE. AN DEN QUELLEN EINES FACHES. FESTSCHRIFT FÜR GERHARD HELBIG ZUM 65. GEBURTSTAG. Hrsg. VON HEIDRUN POPP. MÜNCHEN: IUDICIUM, 1995. 833 S. +LIIS. Daß Gerhard Helbig eine zentrale und geschätzte Gestalt germanistischer Forschung und Lehre ist, davon zeugen schon die Vielfalt der Beiträge (54 Artikel) und der Umfang dieser Festschrift. Der Themenkreis entspricht auch den Interessen und der reichen Produktion 1 des Jubilars und umspannt allgemeine Sprachwissenschaft, Grammatik und Lexikolo- 1 Besonders nennenswert ist die Geschichte der neueren Sprachwissenschaft (1971), weil in dieser wichtigen Historiographie der modernen Linguistik und Grammatik zugleich eine pädagogisch schwierige Aufgabe auf vorzügliche Weise bewältigt wurde.

96 Kjell-Åke Forsgren gie und auch sprachdidaktische Fragen. Eng mit Helbigs Namen ist das Gebiet der Valenztheorie verbunden. Von besonderer Bedeutung war diese Theorie für die Entwicklung der Lexikopraphie, was nicht zuletzt in der zusammen mit Wolfgang Schenkel herausgegebenen, jetzt klassischen Pionierarbeit Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben 2 manifestiert wurde. Das Neue dieses und anderer solcher Ansätze bestand in der systematischen Integration von Lexikon und Grammatik, besonders der Syntax. Die Lexikographie ist als Gegenstand linguistischer Untersuchungen und sprachwissenschaftlicher Theoriebildung eine verhältnismäßig junge Erscheinung, die wohl z.t. aus der Erkenntnis entstanden ist, daß die herkömmlichen Wörterbücher einiges zu wünschen übrig lassen. In dieser Rezension sollen deshalb einige Beiträge zur Lexikographie unter dem valenztheoretischen Aspekt zur Diskussion gestellt werden. In dem ersten, hier zu besprechenden Beitrag: Werben für Verben? Betrachtungen im Grenzfeld zwischen Lexikon und Grammatik (S. 235-285) entwickeln Barbara und Gerd Wotjak ein onomasiologisch begründetes Beschreibungsmodell von semantischen Feldern der Verben, das sich von der Problematik der semantischen Mikrostruktur und Kognition ( Weltwissen ) über die der feinauflösendenden Beschreibung der Archisemformeln und der Basisproposition zur "Aktantifizierung ausgewählten Argumentvorgaben" aus, die Verben als syntaktisches Zentrum und semantischen Schwerpunkt im Satz umfassen. An den Anfang wird das sechsstufige Modell von Helbig gestellt. Gemeinsam für sämtliche Modelle, einschließlich der eigenen ist, daß sie bei der valenztheoretischen Grundlage auch andere Theorien wie strukturelle Semantik (z.b. Kategorienlehre der Universalienforschung, semantische Kasustheorie) 3, formallogische Lehren (Prädikatenlogik) 4 aber auch traditionelle Syntax mehr oder weniger komplett heranziehen. Inwiefern fördert nun die hier verwendete Methodik die Lexikographie? Es steht m.e. außer Zweifel, daß der valenztheoretische Ansatz eine verbesserte und erschöpfendere Darlegung des syntaktischen Potentials bedeutet. Eine gewisse Formalisierung oder richtiger, wenn es um Sprachbeschreibung geht, Abstrahierung/Kategorisierung kann zur deskriptiven Ökonomie beitragen, und eine gewisse Explizierung von semantischen Selektionsmerkmalen und Restriktionen wie auch die Berücksichtigung des Obligats bzw. der Fakultativität ist nützlich, besonders für Lehrer und Lernende einer Fremdsprache. Eine Bedingung dafür ist aber, daß die Auswahl von Kategorien und Funktionen zweckmäßig und deren Anzahl beschränkt ist. Eine Gefahr bei theoriespezifischen Ansätzen wie dem von B. und G. Wotjak besteht aber darin, daß die Theorie die Oberhand gewinnt, was zu einem allzu weit getriebenen Schematismus und ungemein aufwendigen und komprimierten metasprachlichen System führen kann. Hinzu kommt noch die bekannte Schwierigkeit, übertragene, metonymische und abstrakte Wortbedeutungen mit Hilfe semantischer Merkmalsanalyse zu determiniren. Für die Interaktion Mensch - Computer ist sicher ein feinmaschiges System von Kategorien, Funktoren und Differentiaseme vonnöten, wie z.b. bei maschineller Textverarbeitung, aber ist es optimal bei der Kommunikation Mensch - Mensch? Darum geht es ja im Wörterbuch. Für einen menschlichen Benutzer/Lerner sind nicht unbedingt 2 Leipzig 1969, Tübingen 1991. 3 Z.B. +-hum, anim etc. bzw. AGENS, PATIENS, LOCATIV etc. 4 Z.B. Argument 1, 2 etc.

Rezension ausgewählter Artikel 97 Angaben notwendig, die mit normaler Intelligenz und allgemeinem Weltwissen erschließbar sind, z.b. daß das Verb lachen wegen seiner lexikalischen Bedeutung ein menschliches (+hum) Agens/Subjekt erfordert, auch nicht etwa beim metonymischen Gebrauch: Der ganze Bus lachte. Um so mehr Raum müßte willkürlichen, nicht voraussehbaren Erscheinungen wie Kollokationen, besonders die Wahl der Präpositionen und sprachlich bedingte Obligatheit bei gewissen Verben (Er sitzt da, Ich weiß es nicht) gewährt werden, ebenso z.b. die Information /+hum, -anim/ bei essen und /+anim, -hum/ bei fressen... Unter einem didaktischen Gesichtswinkel betrachtet Helmut Schumacher die Kontrastive Valenzlexikographie (S. 287-315). Es wird dargestellt, wie sich die Valenztheorie, angeregt von der Lexikalisierung der Grammatik durch die generative Transformationsgrammatik, aus ihren ursprünglich grammatischen Wurzeln zu einer wichtigen Angelegenheit der Lexikographie entwickelte und wie die zusätzliche syntaktische und semantische Information herkömmlichen Wörterbüchern gegenüber sich als besonders Wertvoll für fremdsprachendidaktische Zwecke erwiesen hat. Aus einsprachigen Valenzwörterbürchern wie Helbig/Schenkel (1969, 1991), Engel/Schuhmacher (1976, 1978) 5 und Schreiber/Sommerfeldt/Starke (1990) 6 sind als ein weiterer Schritt auf dem Wege der Didaktisierung kontrastive Wörterbücher entstanden. Verzeichnet werden Wörterbücher für deutsche Fremdsprachenlerner 7, und Wörterbücher für Lerner von Deutsch als Fremdsprache, und zwar für Spanier 8, Rumänen 9, Ungarn 10. Immer noch unter Erarbeitung befindet sich ein deutsch-chinesisches Wörterbuch als gemeinsames Projekt von IDS Mannheim und der Fremdsprachenhochschule Tianjin in China, das auf der Grundlage von Engel/Schumacher (1978) 11 baut. Unter Projektierung befinden sich auch Valenzwörterbücher für Substantive und Adjektive. Der Überblick ist überaus lesbar und bietet eben wertvolle Auskünfte über die Nutzbarkeit der besprochenen Wörterbücher. In zwei Beiträgen wird das Substantiv 12 (Silke Jahr:Semantische Valenz substantivischer Fachwörter im Deutschen, S. 377-387; Peter Bassola: Kontrastive Substantivvalenz in Forschung und Unterricht, S. 389-405) behandelt. 5 Engel, Ulrich & Schumacher, Helmut: Kleines Valenzlexikon deutscher Verben. (=Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache 31.) Tübingen 1976, 1978. 6 Schreiber, Helmut & Sommerfeldt, Karl E. & Starke, Günther: Deutsche Wortfelder für den Sprachunterricht, Leipzig 1987. 7 U.a. Rickmeyer, Jens: Kleines japanisches Valenzlexikon. Hamburg 1977. Busse, Winfried & Dubost, Jean Pierre: Französisches Verblexikon. Die Konstruktion der Verben im Französichen. Stuttgart 1977.Abdülhayoglu, Suphi: Türkisch-Deutsches Valenzlexikon. Hohengehren 1990. 8 Rall, Dietrich & Rall, Marlene & Zorilla, Oscar: Iccionario de Verbas verbales. Alman - Espagnol. Tübingen 1980. 9 Engel, Ulrich & Savin, Emilia: Valenzlexikon Deutsch-Rumänisch. Heidelberg 1983. 10 Laszlo, Sarolta & Szanui, Gyula: Magyar-nemet igei vonzatok. (Ungarisch-deutsche verbale Valenzen.) Budapest 1985. 11 S. Fußn. 5. 12 In einem Artikel über das Adjektiv von Günter Starke: Das Adjektiv als Verbergänzung im Deutschen (S. 340-350) geht es um Adjektive als Mitspieler des Verbs, also um grammatisch-syntaktische Probleme, Z.B. die Abgrenzung der Ergänzungen von freien Angaben (S. 341), die Erweiterung der kopulativen Verben sein, werden, bleiben auf andere semantisch gruppierte Verben wie erscheinen (Sinneswahrnehmung), liegen (Verben der Lage: der Patient liegt wacht) etc., das Adjektiv als Adverbialergänzung mit semantischer Gruppierung u.a.

98 Kjell-Åke Forsgren Schon aus dem Titel dieses Artikels geht hervor, daß sich der ursprünglich satsyntaktische, grundsätzlich auf die Sprachform bezogene Valenzbegriff erweitert hat und als Begriff der Textebene definiert wird. Die Darstellung Jahrs ist prädikatenlogisch fundiert. Die Substantive werden als logische Prädikate mit semantischer Komponentenstruktur betrachtet, und es wird zwischen deren extensionaler, d.h. referenz-/sachverhaltbezogener, und intensionaler, oder begriffs-/merkmalsbezogener Struktur unterschieden. Unter dem extensionalen Aspekt werden substantivische Fachwörter als abstrakte Repräsentationen komplexer Sachverhalte betrachtet, die die Argumentstelle dieser Substantive bilden. So kann z.b. der Begriff Mutation in die Objekte Erbgutveränderung bzw. Mutagene, Chromosome und Gene gegliedert werden. Obwohl die Substantive der Wissenschaftssprache in höherem Grade als die allgemeinsprachlichen (z.b. Ecke, Objekt Dach, Haus) hierarchisierbar sind, können beide Arten, insofern als sie Relationen repräsentieren, durch dieselbe Formel beschrieben werden: Mutation (x[y]) Eine konkrete Mutation des Lebewesens (x) mit den Objekten [y] (Mutagene, Gene): Ganzes-Teil-Relation Ecke (x[y]) Eine konkrete Ecke (x), die Teil eines Objektes [y] (Dach, Haus) ist: Teil-Ganzes-Relation Nur die Aktanten der obersten Hierarchieebene sind obligatorisch. Dabei wird die Obligatheit weit definiert, und umfaßt nicht nur das Satzinnere (Genitivattribute etc.), sondern auch die Textebene und sogar die mentale Räpresentation, d.h. die Aktanten brauchen nicht sprachlich realisiert, nur präsupponiert zu sein. Was die intensionale Bedeutung von Substantiven der wissenschaftlichen Fachsprachen betrifft, unterscheiden sie sich von den allgemeinsprachlichen dadurch, daß die Teilprädikate (Argumente, semantischen Komponenten/Merkmale) im Text um der Allgemeinverständlichkeit willen expliziert ( lexikalisiert ) werden müssen. Die (intensionalen) Argumente, z.b. beim Wort Aromazität,sind demnach Symmetrie, Stabilität und Mesomerie, deren extensionale (referentielle) Realisierungen z.b. bei Benzol Gleichseitiges Sechseck, 151 KJ Delokalisierungsenergie bzw. 3 konjugierte -Bindungen sind. Um zwischen intensional und extensional fundierten Valenzen der Substantive zu unterscheiden, wird der Terminus Valenzplatz statt Leerstelle für die ersteren vorgeschlagen. Die Besetzung der obersten Hierarchieebene, die Leerstelle, wird wiederum als obligatorisch, die Valenzplätze als fakultativ angesehen. Die Valenzplätze sind textuell und durch die jeweiligen Theorien und auch die Entwicklung der Theorien bedingt. Kurz zusammengefaßt müssen die Extension und besonders die Intension wissenschaftlicher Fachtermini um der Allgemeinverständlichkeit willen in höherem Grad expliziert werden als allgemeinsprachliche Wörter. In der Verwendung der Prädikatenlogik als Metasprache liegt an sich etwas Widersprüchliches, solange es um die Beschreibung natürlicher Sprachen geht. Diese formale Sprache wurde ja u.a zum Zweck geschaffen, von deren Zweideutigkeit, Vagheit und Unklarheit hinwegzukommen. In diesem Fall könnte es sich indessen damit anders verhalten, denn es folgt notwendig aus einem textsemantischen Ansatz, daß die Valenz der Substantive als Fachwörter durch die (theorieabhängige) Objektstruktur und nicht durch die Sprachstruktur determiniert wird. Die empirische Grundlage dieses Aufsatzes ist aber für die Bestätigung einer solchen Annahme zu klein. Sowieso veranlaßt Jahrs Auseinandersetzung eine

Rezension ausgewählter Artikel 99 Frage der linguistischen Grenzziehung: wann wird in diesem Aufsatz der Boden der Sprachbeschreibung verlassen und wann der der reinen Sachbeschreibung betreten? Von strukturellen und topologischen Unterschieden im Deutschen und Ungarischen, die Lernern von Deutsch als Fremdsprache besondere Schwierigkeiten bereiten, geht Bassola, Leiter der Arbeitsgruppe Kontrastive Substantivvalenz, in seinem Beitrag aus. So weichen die Abhängigkeitsverhältnisse in den beiden Sprachen oft voneinander ab, substantivische Attribute sind im Ungarischen häufig dem Bezugswort vorangestellt und durch Partizipien damit verbunden. An Hand von dem Stichwort Angebot werden sieben deutsche ein- und mehrbändige Wörterbücher auf die Wiedergabe der Valenzstruktur hin miteinander verglichen. Neben den zwei Hauptbedeutungen des Lemmas (1. Angebot über/für etwas) und meistens als Beispiel (2. Angebot an/von Obst). In dem Vorschlag der Arbeitsgruppe ist das Lemma hierarchisch in Bedeutungen - Strukturen - Argumente (Leerstellen) und deren Realisierungen gegliedert, wobei sämtliche Angaben, die in den anderen Wörterbuchern mehr oder weniger unsystematisch und unvollständig aufgeführt, auf vollständige und übersichtliche Art aufgestellt werden. Der Kontrast zum Ungarischen wird dann dadurch veranschaulicht, daß die entsprechenden ungarischen Formen den deutschen unmittelbar gegenüberstehen. So wie das Verfahren an diesem einzigen Lemma veranschaulicht wird, scheint es mir ein Gewinn zu sein, sowohl was die Strukturierung, die Berücksichtigung syntaktisch wesentlicher Realisierungen und die pädagogische Angemessenheit dieses Wörterbuchs betrifft. Zugleich muß auch festgestellt werden, daß andere Wörterbücher das Material liefern, und dies ist immer noch die übliche lexikographische Methode trotz der überaus schellen Entwicklung der Informationstechnik der Letzten Jahrzehnte. Mit dem vor der Veröffentlichung seines Beitrags leider verstorbenen Hans-Peder Kromann (deutsche Wörterbücher aus der Perspektive eines fremdsprachigen Benutzers, S. 501-512) vermisse ich auch größere Korpora als empirische Grundlagen der Lexikographie. Weder Kromanns Beitrag noch der von Herbert Ernst Wiegand (Lexikographische Texte in einsprachigen Lernerwörterbüchern, S. 463-499) wurden unter einem valenztheoretischen Aspekt geschrieben, was aber nicht verhindert, daß auch sie wertvolle Vorschläge zur Verbesserung der Lexikographie geben. So setzt sich Weigand bei einer kritischen Überprüfung von Langenscheidt (1993) 13 in seinem mehr auf Präsentations- aber dabei auch auf Informationsfragen ausgerichteten Beitrag mit dem Aufbau von Wörterbüchern und Wörterbuchtexten zum Zweck der erhöhten Nutzbarkeit und besseren Zugänglichkeit, besonders für Deutschlernende auseinander. Den Lerneraspekt macht sich auch Kromann zueigen, aber hier stehen vier Wörterbücher 14 zur Diskussion. Er zeigt, wie darin unter Einfluß von englischer und französischer Lexikographie mehr oder weniger vollständig Informationen über Pragmatik, Kulturrealien, Grammatik, Kollokationen, Synonymie, Antonymie in den Wörterbuchtexten gehandhabt werden und werden können. Eine Theorie kann, wie die valenztheoretischen Ansätze deutlich gemacht haben, die Entwicklung ein gutes Stück vorwärts bringen. Der Weg zum idealen und möglichst vielen Bedürfnissen entsprechenden Wörterbuch ist jedoch kaum theoriespezifisch, sondern es müssen alle Anregungen verwertet werden, und die Zweckmäßigkeit allein entscheiden. 13 Langenscheidts Großwörterbuch: Deutsch als Fremdsprache. Das neue einsprachige Wörterbuch für Deutschlernende. Hrsg. D. Götz u.a. Berlin 1993. 14 Deutsches Universalwörterbuch. Mannheim, Wien, Zürich 1989.