Aktien: Deutsche Konzerne wieder deutsch 1. Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler sollen... 1. den Anteil deutscher Aktionäre an den DAX-Unternehmen ermitteln. 2. die in diesem Zusammenhang zu beobachtenden Entwicklungsprozesse analysieren. 3. herausarbeiten, aus welchen Gründen die DAX-Unternehmen ein stärkeres Engagement deutscher Investoren anstreben. 2. Aufgaben 1. Fassen Sie den 2002 durch die Steuerbefreiung von Beteiligungsverkäufen ausgelösten Prozess in der deutschen Unternehmenslandschaft zusammen. 2. Ermitteln Sie den derzeitigen Anteil deutscher Aktionäre an den DAX- Unternehmen. Benennen Sie die Unternehmen mit sehr hohen bzw. sehr niedrigen Anteilen ausländischer Investoren. 3. Beschreiben Sie die hinsichtlich der Aktionärsstrukturen zu erkennende Entwicklung. Analysieren Sie deren Ursachen. 4. Arbeiten Sie am Beispiel BASF den in diesem Zusammenhang zu konstatierenden Strategiewechsel der Unternehmensführungen heraus. 5. Erläutern Sie, aus welchen Gründen deutsche Konzerne eine Erhöhung des Anteils heimischer Privatanleger anstreben. Setzen Sie sich hierzu auch mit den Erfahrungen der vergangenen Jahre auseinander. 1
Aktien: Deutsche Konzerne wieder deutsch Ein Jahrzehnt lang gerieten die Dax-Unternehmen immer stärker in ausländische Hand. Dieser Trend ist jetzt gebrochen. 5 10 15 20 25 30 35 40 Gerhard Schröder gab den Trend vor einem Jahrzehnt vor: Als die rot-grüne Bundesregierung vom 1. Januar 2002 an Beteiligungsverkäufe von der Steuer befreite, löste sich die Deutschland AG auf. Der Ex-Bundeskanzler lebte fortan mit dem Beinamen Genosse der Bosse. Banken und Industriekonzerne nahmen das Angebot gerne an und verkauften ihre gegenseitigen Beteiligungen an der Börse. Dabei gingen die Aktienpakete selten in deutsche und fast immer an milliardenschwere amerikanische und britische Investmentfonds. Die Folge: Jahr für Jahr erhöhten Ausländer ihre Anteile an den Dax-Konzernen; von 35,5 Prozent im Jahr 2001 bis auf den Rekord von 53,7 Prozent im vergangenen Jahr. Dieser Trend ist nun erstmals gebrochen - und die Unternehmen sind darüber glücklich. Sie hoffen auf eine größere Kontinuität und stabilere Aktienkurse in künftigen Krisen. Aktionäre von jenseits der Landesgrenzen halten nach Berechnungen des Handelsblatts aktuell 53,2 Prozent der Anteile an den Dax- Konzernen. Zwölf Unternehmen sind noch mehrheitlich in ausländischer Hand, bei der Deutschen Börse liegt der Anteil bei 81 Prozent der Stimmrechte, gefolgt von Adidas mit 77 Prozent. Hingegen haben heimische Anleger im vergangenen Jahr ihre Anteile bei Bayer, Daimler, der Deutschen Bank, Eon, Fresenius, MAN und Siemens zum Teil deutlich erhöht. Die Deutsche Bank und der Gesundheitsspezialist Fresenius wechselten mehrheitlich in den Besitz deutscher Investoren. Bei Daimler sank der Anteil ausländischer Aktionäre binnen eines Jahres von 73,6 Prozent auf 67,1 Prozent. Viele deutsche Privataktionäre haben eine stärkere persönliche Verbundenheit gegenüber unserem Unternehmen als ausländische, sagt eine Sprecherin des Autobauers dem Handelsblatt. [ ] BASF verweist in seinem Geschäftsbericht stolz darauf, dass 27 Prozent des Grundkapitals inzwischen von privaten Aktionären in Deutschland gehalten werden. Deutsche Privatanleger sind wichtige Aktionäre für uns, weil sie auch in Zeiten turbulenter Finanzmärkte längerfristig denken, sagt ein Konzernsprecher. Sechs Prozent der Anleger stammen aus dem Großraum Ludwigshafen - fast ausnahmslos Angestellte und ehemalige Mitarbeiter des Konzerns. Sie sind in der Regel langfristig investiert und vertrauen der starken Ertragskraft des Unternehmens, hebt der Sprecher hervor. Noch 2007 hatte BASF in seinem Geschäftsbericht herausgestellt: Das starke Interesse internationaler Investoren an der BASF-Aktie ist ungebrochen. Bei fast allen großen deutschen Unternehmen galt lange Zeit die Devise: Die erfolgreiche Globalisierung und Exportkraft in die Boommärkte von morgen drückt sich am ehesten durch möglichst viele internationale Investoren aus. Die Folge waren allerdings Kursstürze in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09. Der Dax halbierte sich. Die BASF-Aktie brach um 65 Prozent ein, weil vor allem Hedge-Fonds und Investmentfonds im Auftrag ihrer Kunden sehr rasch sehr viel Geld benötigten - und von den Börsen abzogen. 2
45 50 55 60 65 70 75 Auch bei vielen anderen Unternehmen ist zuletzt der Anteil der privaten Anleger am Grundkapital gestiegen, so bei Daimler, der Deutschen Bank, Eon, Munich Re, Siemens, Deutsche Post und Telekom. Den prozentual höchsten Privat- Investorenanteil hat die Lufthansa mit 38 Prozent. Die Deutsche Bank gelangte in den letzten Monaten mit 52 Prozent mehrheitlich in deutsche Hand. Vor einem Jahr lagen noch 54 Prozent der Stimmrechte im Ausland. Beim Branchenprimus stieg gleichzeitig die Zahl der Aktionäre binnen eines Jahres um 19 766 auf den Rekordstand von 660 389. Unsere Privataktionäre sind ein stabilisierendes Element, dessen Bedeutung nicht hoch genug bewertet werden kann, sagte ein Deutsche-Bank- Sprecher dem Handelsblatt. [ ] Börsenexperten halten die Hoffnungen der Unternehmen für berechtigt, dass deutsche Privatanleger in künftigen Krisen eher an ihren Beständen festhalten als ausländische Investmentfonds. Der Normalanleger hat keinen Minutenzugang zu den Nachrichten rund um den Globus und verkauft nicht bei der ersten schlechten Meldung, sagt Franz-Josef Leven, Direktor des Deutschen Aktieninstituts. Dass der Privatanleger eine ruhigere Hand als die meisten Profis habe, werde auch durch die relativ hohen Gebühren bei geringerem Kaufvolumen beeinflusst, sagt Leven. Die Zahlungsbilanz der Deutschen Bundesbank bestätigt den Exodus der Ausländer aus deutschen Titeln. Insgesamt zogen ausländische Anleger im vergangenen Jahr netto 3,1 Milliarden Euro aus deutschen Aktien ab. In die Bresche sprangen deutsche Aktionäre: Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts hielten Ende 2011 insgesamt 4,1 Millionen deutsche Anleger Aktien. Das waren 700 000 mehr als ein Jahr zuvor. Rechnet man die Fondsbesitzer hinzu, ergeben sich 8,7 Millionen Aktionäre, was einem Anstieg um 500 000 gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Solch einen starken Zuwachs gab es zuletzt im Boomjahr 2000. Als damals die Technologieblase platzte, kehrten viele Aktionäre hierzulande frustriert der Börse den Rücken. Auch dieser Trend ist gestoppt. Quelle: Sommer, U., Handelsblatt, Nr. 093, 14.05.2012, 22 3
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