6 Wohnen Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Im Jahr 2014 lag das Preisniveau der Kaltmieten um 6,6 % und das der Wohnungsnebenkosten um 5,8 % höher als 2010. Damit lag der Anstieg leicht unterhalb des Preisanstiegs der Gesamtlebenshaltung (+7,0 %). Hingegen war die Preisdynamik bei den Energiekosten wesentlich größer: Die Preise für Haushaltsenergien lagen 2014 um 19,8 % höher als noch 2010. Im Jahr 2013 gaben Mieterhaushalte in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt 27,9 % ihres Haushaltsnettoeinkommens für Wohnkosten aus (2003: 25,2 %). Ende 2014 gab es in Nordrhein-Westfalen 597 300 Wohnungen im Bestand des öffentlich geförderten bzw. preisgebundenen Wohnungsmarktsegmentes. Davon zählte mit 488 900 der größte Teil zu den Mietwohnungen. Der Bestand an preisgebundenen Mietwohnungen ist weiter rückläufig. Gegenüber 2010 sank die Zahl der preisgebundenen Mietwohnungen um 10,1 %. Jedem zweiten wohnungssuchenden Haushalt mit Wohnberechtigungsschein konnte 2014 eine Wohnung im preisgebundenen Wohnungsbestand vermittelt werden. Auf angespannten Wohnungsmärkten liegt die Vermittlungsquote weitaus niedriger. Zum Stichtag 30. Juni 2014 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 21 065 wohnungslose Personen gezählt, davon sind 10 869 nach dem Ordnungsbehördengesetz von den Kommunen und 10 196 von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in freier Trägerschaft untergebracht bzw. betreut worden. 6.1 Einleitung Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Aber Wohnen heißt mehr als nur ein Dach über dem Kopf zu haben, das Schutz vor den äußeren Witterungsbedingungen bietet. Von Bedeutung sind auch Größe, Zustand sowie Lage und Umgebung der Wohnung, die allesamt Bestimmungsfaktoren für Wohlbefinden, Gesundheit und individuelle Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten sind. Aktuelle Ergebnisse für Nordrhein-Westfalen zu Wohnstatus und Größe der Wohnungen nach soziodemografischen Merkmalen können im vorliegenden Bericht nicht berücksichtigt werden, da die hierfür erforderlichen Daten aus dem Zusatzprogramm Wohnen des Mikrozensus 2014 noch nicht vorlagen. Im Landesdurchschnitt waren nach Erhebungen des Zensus 2011 über die Hälfte (55,8 %) des Wohnungsbestands Mietwohnungen. In den Großstädten des Landes liegt der Anteil der Mietwohnungen am Wohnungsbestand zum Teil bei weit über zwei Drittel und auch in den ländlich geprägten Kreisen noch bei einem Drittel bis der Hälfte. Damit ist ein großer Teil der Bevölkerung insbesondere in den Großstädten auf das Angebot des Mietwohnungsmarktes angewiesen. Die Kosten für die Mietwohnung machen einen entscheidenden Teil an den Lebenshaltungskosten aus. Daher konzentriert sich das vorliegende Kapitel auf die mit dem Mietwohnungsmarkt und den Mietwohnkosten zusammenhängenden Fragen. Sozialbericht NRW 2016 93
Kapitel II.6.2 wirft einen Blick auf die Entwicklung der einzelnen Bestandteile der Wohnkosten, insbesondere die Preisentwicklung für Haushaltsenergien, die bereits seit einigen Jahren überdurchschnittlich steigen. Des Weiteren werden die regionalen Unterschiede bei den Mieten sowie die Mietentwicklung seit 2008 betrachtet. Kapitel II.6.3 nimmt die Versorgung mit preisgebundenem Wohnraum in den Blick. Eine wesentliche sozial- und wohnungspolitische Aufgabe ist die Beschaffung und Bereitstellung von Wohnraum für Haushalte, die insbesondere aus finanziellen Gründen Schwierigkeiten haben, auf dem Wohnungsmarkt angemessenen Wohnraum zu finden. Das Kapitel gibt einen Überblick über die Entwicklung des Angebotes an gefördertem Wohnraum sowie die Entwicklung der Nachfrage nach preisgebundenen Mietwohnungen. Eine extreme Form von Unterversorgung mit Wohnraum liegt vor, wenn Menschen wohnungslos bzw. von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Kapitel II.6.4 geht auf die Entwicklung der Zahl der wohnungslosen Personen ein. Dem Thema Soziale Segregation und damit verbunden der Frage, inwieweit die soziale Lage und die Einkommensverhältnisse für die Wohnlage bestimmend sind, wird im Kapitel V vertiefend nachgegangen. Zudem befasst sich das Kapitel III.3.6.5 mit dem Zusammenhang zwischen monetärer Armut und den Wohnverhältnissen. 6.2 Wohnkosten Wohnkosten stellen für die meisten Haushalte einen in der Regel fixen monatlichen Ausgabeposten dar. Stark steigende (Teil-)Posten der Wohnkosten können die Ausgaben für andere Bereiche des täglichen Lebens, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder auch das Vorsorgesparen einschränken. Insbesondere die Preisentwicklung bei den Haushaltsenergien steht häufig im sozialpolitischen Fokus, da bei einkommensarmen Haushalten auch Energiearmut befürchtet wird, d. h., dass steigende Energiekosten bei knappem Budget nicht mehr finanziert werden können und somit eine Grundversorgung mit Energie in einkommensarmen Haushalten gefährdet ist. 40) Die Wohnkosten umfassen bei Mieterhaushalten im Wesentlichen die Ausgaben für Mieten, (kalte) Wohnungsnebenkosten (wie Trinkwasser, Müllabfuhr, Abwasserentsorgung) sowie Ausgaben für Haushaltsenergien (wie Strom, Gas, Heizöl oder Zentralheizung/Fernwärme). Der Preisanstieg bei den Kaltmieten und den kalten Wohnungsnebenkosten folgte im Zeitraum 2010 bis 2014 weitestgehend der Preisentwicklung der Gesamtlebenshaltung. 2014 lag das Preisniveau bei den Kaltmieten um 6,6 % und bei den Wohnungsnebenkosten um 5,8 % höher als 2010: Damit fiel der Anstieg etwas geringer aus als der Preisanstieg der Gesamtlebenshaltung mit 7,0 %. 40) Hohe relative Energiekosten können neben hohen Energiepreisen weitere Ursachen haben: ein hoher Energieverbrauch, mangelnde Energieeffizienz der Heizungssysteme und Haushaltsgeräte und mangelnde Gebäudedämmung (vgl. Tews 2013: 6ff.) 94 Sozialbericht NRW 2016
Abb. II.6.1 Preisentwicklung der Kaltmieten, Wohnungsnebenkosten, Haushaltsenergien und der Gesamtlebenshaltungskosten in NRW 2005 2014 2010 = 100 125 120 119,8 Haushaltsenergien 115 110 105 100 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 107,0 Gesamtlebenshaltung 106,6 Kaltmieten 105,8 Wohnungsnebenkosten 95 90 95,0 93,8 93,1 85 80 75 79,7 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Ergebnisse der Statistik der Verbraucherpreise Grafik: IT.NRW Deutlich abweichend von der Preisentwicklung der Gesamtlebenshaltung war die Dynamik der Energiekosten: Die Preise für Haushaltsenergien lagen 2014 um 19,8 % höher als noch 2010. Allerdings ist das Preisniveau 2014 infolge des in der zweiten Jahreshälfte 2014 deutlich gesunkenen Ölpreises am Weltmarkt gegenüber dem Vorjahr etwas gesunken. Diese Entwicklung gilt jedoch nicht für die Strompreise, die in den Haushaltsenergien enthalten sind und die Preisentwicklung der Haushaltsenergien wesentlich mitbestimmen: Die Strompreise haben sich wie in den Vorjahren auch seit 2010 kontinuierlich erhöht. 2014 war Strom um gut ein Viertel (25,9 %) teurer als noch im Jahr 2010. Im Jahr 2013 gaben Mieterhaushalte in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt 27,9 % ihres Haushaltsnettoeinkommens für Wohnkosten 41) aus und damit um 2,7 Prozentpunkte mehr als 10 Jahre zuvor. 2003 belief sich der durchschnittliche Anteil der Wohnkosten auf gut ein Viertel (25,2 %) des Haushaltsnettoeinkommens. Die monetäre Belastung durch Wohnkosten variiert jedoch deutlich mit der Größe und Zusammensetzung der Haushalte: Die höchste Mietbelastung wiesen 2013 die Alleinlebenden auf (32,3 %), dicht gefolgt von den Alleinerziehendenhaushalten (31,3 %). Einen geringeren Anteil am Haushaltseinkommen machen die Wohnkosten bei den Paaren ohne Kinder (24,7 %) sowie bei den Paaren mit Kindern (24,5 %) aus. Im Vergleich zu 2003 war bei den Alleinlebenden der größte Anstieg der Mietbelastung zu verzeichnen (+3,2 Prozentpunkte). Die Wohnkostenbelastung unterscheidet sich stark nach der Höhe des Haushaltsnettoeinkommens. Auf diesen Zusammenhang wird in Kapitel III.3.6.5 eingegangen. 41) Die Wohnkosten umfassen die Wohnungsmieten inklusive Nebenkosten, Kosten für Energie sowie Kosten für Wohnungsinstandsetzung und Reparaturen. Sozialbericht NRW 2016 95
Die Wohnkosten hier insbesondere die Kaltmieten variieren regional deutlich, da die Mietmärkte auch in Nordrhein-Westfalen sehr heterogen sind. Bei den Wiedervermietungsmieten 42), die den Großteil des Mietmarktes ausmachen, ist das Preisniveau regional differenziert: Zu den teuersten Regionen im Jahr 2013 mit mittleren Angebotsmieten über 7 Euro/m 2 zählten die Rheinschiene und Umland, die Stadt Münster sowie Aachen. Die teuerste Stadt im Ruhrgebiet mit bis 6,50 Euro/m 2 war Mülheim an der Ruhr. Die günstigsten Angebotsmieten mit bis 4,50 Euro/m 2 fanden sich in vielen Kreisen des Sauerlandes sowie in Ostwestfalen-Lippe. Die Angebotsmieten haben sich im Zeitraum 2008 bis 2013 auch regional unterschiedlich entwickelt, je nachdem ob ein Mietmarkt als angespannt gilt, d. h. die Nachfrage das Angebot übersteigt, oder ein entspannter Wohnungsmarkt, d. h. mit einem Angebotsüberhang, vorliegt. Die größten Preisanstiege bei den Angebotsmieten um 10 % und mehr erfolgten im Zeitraum 2008 bis 2013 in der Rheinschiene, im Großraum Aachen, am Niederrhein sowie im Münsterland. Dem standen Regionen im Bergischen Land, Ostwestfalen-Lippe sowie im Sauerland gegenüber, in denen rückläufige Mieten zu beobachten waren. In vielen Ruhrgebietsstädten blieben die Mieten konstant (NRW.Bank 2014b: 39ff). Auch 2014 gegenüber 2013 haben sich die Mieten in Nordrhein-Westfalen weiter verteuert, wenngleich weniger deutlich als in den Vorjahren. Die Mieten in Neubauten stiegen landesdurchschnittlich um 1,9 % auf 9,01 Euro/m 2 und bei Bestandswohnungen um 2,2 % auf 6,32 Euro/m 2 (NRW.Bank 2015a: 52f.). In den kreisfreien Städten legten die Wiedervermietungsmieten 2014 gegenüber dem Vorjahr mit rund 3 % überdurchschnittlich zu. Vor allem in den Großstädten und rund um wachsende Großstädte ist zudem festzustellen, dass der Anstieg der Mieten im preisgünstigen Segment, d. h. im untersten 42) Wiedervermietung im Wohnungsbestand, in Abgrenzung zur Erstvermietung im Wohnungsneubau. 96 Sozialbericht NRW 2016
Quartil aller Mieten, am stärksten ausfiel. Dies ist ein Hinweis, dass die Nachfrage im unteren Mietpreissegment das Angebot übersteigt. 6.3 Soziale Wohnraumförderung Die soziale Wohnraumförderung ist ein zentrales Instrument der sozialen Wohnungspolitik mit dem Ziel, angemessenen Wohnraum für einkommensschwächere Haushalte, insbesondere auf angespannten Wohnungsmärkten, zu schaffen und zu vermitteln. Mit der Föderalismusreform 2006 war die Zuständigkeit für die soziale Wohnraumförderung vom Bund auf die Länder übertragen worden. Den wesentlichen gesetzlichen Rahmen für Nordrhein-Westfalen bildet seit dem 01.01.2010 das Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW). Darin ist festgelegt, dass bei der sozialen Wohnraumförderung insbesondere Familien, Alleinerziehende, Schwangere, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung unterstützt werden sollen. Die soziale Wohnraumförderung richtet sich zudem an Haushalte mit Zugangsschwierigkeiten auf dem freien Wohnungsmarkt, wie kinderreiche Familien oder Personen mit Migrationshintergrund. Insbesondere in Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten hat der öffentlich geförderte Wohnungsbau eine hohe Bedeutung zur Stützung des preisgünstigen Mietwohnungssegments. Die Wohnungsmarktbeobachtung der NRW.Bank stellt regelmäßig Informationen zur Entwicklung des preis- und belegungsgebundenen Wohnungsbestands bereit. Ende 2014 gab es in Nordrhein-Westfalen 597 300 Wohnungen im Bestand des öffentlich geförderten bzw. preisgebundenen Wohnungsmarktsegmentes. Davon zählte mit 488 900 der größte Teil zu den Mietwohnungen und 108 400 zum selbstgenutzten Wohneigentum. Damit zählten geschätzt zehn Prozent aller Geschosswohnungen zum preisgebundenen Wohnungsbestand (NRW.Bank 2015b: 3). Auch 2014 hat sich der Trend der vergangenen Jahre fortgesetzt, wonach der Bestand an preisgebundenen Mietwohnungen weiter rückläufig ist. Gegenüber 2010 sank die Zahl der preisgebundenen Mietwohnungen um 10,1 %. Abb. II.6.3 Preisgebundener Mietwohnungsbestand in NRW 2005 2014 Tausend 900 800 700 600 500 400 830 757 715 660 608 544 527 514 499 489 300 200 100 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: MBWSV NRW und NRW.Bank Grafik: IT.NRW Sozialbericht NRW 2016 97
Der Rückgang des Bestandes an öffentlich geförderten Wohnungen ist auf zwei Entwicklungen zurückzuführen: auf den Wegfall der Belegungsbindung u. a. durch vorzeitiges Auslaufen der Sozialbindung (infolge einer vorzeitigen Rückzahlung der Darlehen durch den Besitzer der Wohnungen) sowie auf die rückläufige Zahl an neuen Sozialwohnungen. In vielen Gemeinden war die Investitionstätigkeit in den sozialen Wohnungsbau rückläufig. Zu dieser Entwicklung tragen verschiedene Umstände bei: Zum einen bewirkt das derzeitige niedrige Zinsniveau der Baufinanzierung, dass für Investoren sozialer Wohnungsbau vergleichsweise unattraktiv wird, da für die Investition in Immobilien auf dem freien Mietmarkt im Vergleich zu den Darlehen der Wohnraumförderung nur geringe Mehrkosten entstehen und zudem bei der Vermietung ein größerer Spielraum hinsichtlich der Mietpreise und Mieterstruktur besteht. Zum anderen ist vor allem die in Ballungszentren eingeschränkte Verfügbarkeit von Grundstücken zu nennen (NRW.Bank 2014b: 8-9). Die Voraussetzung für den Bezug einer Wohnung mit Sozialbindung ist ein Wohnberechtigungsschein, der bei den zuständigen kommunalen Stellen beantragt wird. Dort ist ebenfalls die Registrierung als wohnungssuchender Haushalt möglich. 2014 waren nach dieser Definition 97 200 Haushalte mit knapp 200 000 Personen wohnungssuchend. Hierbei waren alleinstehende Personen, die mit rund 47 % fast die Hälfte der wohnungssuchenden Haushalte stellten, ebenso wie große Haushalte mit vier und mehr Personen, überrepräsentiert (NRW.Bank 2015b: 43). Dies ist ein Hinweis auf die Schwierigkeiten dieser Haushaltstypen, auf dem freien Wohnungsmarkt räumlich passenden und preisgünstigen Wohnraum zu finden. Die Zahl der wohnungssuchenden Haushalte mit Wohnberechtigungsschein war 2014 gegenüber 2013 rückläufig ( 2,6 %) und setzte damit den Trend der jüngsten Jahre fort. Trotzdem konnte in vielen Kommunen, insbesondere in Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt im preisgünstigen Segment, nur ein Bruchteil der wohnungssuchenden Haushalte mit Wohnberechtigungsschein mit einer Wohnung im preisgebundenen Bestand versorgt werden. Im Landesdurchschnitt konnte 2014 etwa jedem zweiten wohnungssuchenden Haushalt mit Wohnberechtigungsschein eine Wohnung vermittelt werden: In Düsseldorf und in Köln traf dies nur etwa auf jeden Fünften zu (vgl. NRW.Bank 2015b: 47). Die Bestandsfortschreibung der NRW.Bank lässt auch zukünftig einen weiteren Rückgang des preisgebundenen Mietwohnungsbestands erwarten. Bis zum Jahr 2025 wird ein Rückgang um ein Viertel ( 25,7 %) gegenüber 2014 auf dann etwa 363 000 Wohnungen und bis zum Jahr 2030 auf 337 000 Wohnungen ( 31,0 %) prognostiziert. Ein überdurchschnittlicher Rückgang wird insbesondere für viele Kommunen am Niederrhein, im Münsterland sowie in Teilen des Bergischen Landes erwartet (NRW.Bank 2015b: 30). Für die zukünftige Wohnraumversorgung im unteren Marktsegment wird daher folgendes Fazit gezogen: In Zukunft wird in den angespannten Märkten das weiter rückläufige Mietwohnungsangebot für einkommensschwache Haushalte zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung führen (NRW.Bank 2014a: 24). Aber auch für entspannte Wohnungsmärkte wird für den Wohnungsbestand Handlungsbedarf gesehen, da sie häufig bezüglich Barrierefreiheit, energetischer Sanierung sowie Wohnqualität nicht den zeitgemäßen Nachfragestandards entsprechen. 98 Sozialbericht NRW 2016
Der Mangel an preiswertem Wohnraum wird sich mutmaßlich in den kommenden Jahren verschärfen, wenn die Wohnungsmärkte nicht durch verstärkte Investitionen in den sozialen Wohnungsbau entlastet werden. Aufgrund der derzeitig hohen Flüchtlingszahlen (vgl. Kapitel II.1.2.3), ist in den kommenden Jahren eine steigende Wohnungsnachfrage zu erwarten. Personen mit anerkanntem Asylantrag ist die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt rechtlich erlaubt. Es ist insbesondere mit einer erhöhten Wohnungsnachfrage in den Ballungszentren zu rechnen, also dort, wo bereits in den jüngsten Jahren durch Einwohnerzuwächse die Nachfrage nach Wohnraum gestiegen ist. Dabei wird durch den Zuzug von Flüchtlingen landesweit mittelfristig mit einem zusätzlichen Bedarf in Höhe von 120 000 bis 130 000 Wohnungen kalkuliert (MBWSV NRW Pressemitteilung vom 01.10.2015; NRW.Bank/MBWSV NRW 2015). Neben der sozialen Wohnraumförderung ist das Wohngeld ein weiteres zentrales sozialpolitisches Instrument zur Sicherung der Wohnungsversorgung. Das Wohngeld ist eine gegenüber der Mindestsicherung vorrangige Leistung und wird in Form eines Mietzuschusses oder in Form eines Lastenzuschusses für Eigentümer gezahlt, es erfolgt somit keine vollständige Übernahme der Kosten der Unterkunft vergleichbar dem SGB II. Das Instrument Wohngeld zielt auf Haushalte, die ihre Hilfebedürftigkeit mit den Wohngeldzahlungen (ggf. in Kombination mit weiteren vorrangigen Leistungen wie dem Kinderzuschlag) überwinden können. Die Entwicklung der Zahl der Haushalte mit Wohngeldbezug wird in Kapitel III.3.2.6. dargestellt. 6.4 Wohnungslosigkeit Wohnen gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Daher ist Wohnungslosigkeit, also der Tatbestand, dass Personen nicht über mietrechtlich gesicherten Wohnraum bzw. Wohneigentum verfügen können, eine Form existenzieller sozialer Ausgrenzung. Dabei bedeutet Wohnungslosigkeit nicht zwangsläufig ein Leben auf der Straße. Größer ist die Zahl der Personen, die von verdeckter Wohnungslosigkeit betroffen sind, also Wohnungslose, die bei Bekannten, in Facheinrichtungen der Wohnungslosenhilfe oder in Notunterkünften temporär Unterkunft finden. Ein umfassender Begriff von Wohnungsnotfällen nimmt neben den von tatsächlicher Wohnungslosigkeit Betroffenen auch die von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen, beispielsweise infolge von Räumungsklagen, sowie Bewohnerinnen und Bewohner von (baulich, hygienisch) unzumutbaren Wohnverhältnissen in den Blick. Im Jahr 2011 wurde in Nordrhein-Westfalen die integrierte Wohnungsnotfallberichterstattung etabliert. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der bis zum Jahr 2009 im Land durchgeführten Obdachlosenstatistik. Auch die integrierte Wohnungsnotfallberichterstattung konzentriert sich auf die Erhebung von Zahl und Struktur der tatsächlich wohnungslosen Personen und Haushalte. Neben den durch Kommunen nach dem Ordnungsbehördengesetz untergebrachten Wohnungslosen werden aber nun auch diejenigen Wohnungslosen erfasst, die von den freien Trägern der Wohnungslosenhilfe untergebracht bzw. unterstützt werden. Die integrierte Wohnungsnotfallberichterstattung dient somit als Basis für zielgenaues sozialpolitisches Planen und Handeln im Bereich der Hilfen für Wohnungsnotfälle. Sozialbericht NRW 2016 99
Zum Stichtag 30. Juni 2014 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 21 065 wohnungslose Personen gezählt, davon waren 10 869 nach dem Ordnungsbehördengesetz von den Kommunen und 10 196 von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in freier Trägerschaft gemeldet worden. Die Zahl der kommunal und ordnungsrechtlich untergebrachten wohnungslosen Personen lag damit im Jahr 2014 um 737 Personen bzw. 7,3 % höher als 2011. 43) Tab. II.6.1 Jahr (Stichtag 30.06.) Wohnungslose Personen in NRW 2011 2014 nach zuständiger Trägerschaft insgesamt Wohnungslose Personen davon untergebracht bzw. betreut durch Kommunale Träger nach dem OBG 1) Freie Träger der Wohnungslosenhilfe 2014 21 065 10 869 10 196 nachrichtlich: 2013 19 823 10 843 8 980 2012 18 291 10 978 7 313 2011 16 448 10 132 6 316 1) Ordnungsbehördengesetz (OBG) Quelle: Ergebnisse der integrierten Wohnungsnotfallberichterstattung 43) Für die bei den freien Trägern der Wohnungslosenhilfe erfassten wohnungslosen Personen sind Vergleiche mit früheren Jahren (auch die früheren Jare untereinander) eingeschränkt, da es während des Aufbaus der Statistik in den ersten Erhebungsjahren große Schwankungen bei der Zahl der beteiligten Einrichtungen gab. Ergebnisse für den Zeitraum 2011 2013 werden in der folgenden Übersichtstabelle daher nur nachrichtlich ausgewiesen. Detaillierte Ergebnisse zur Wohnungslosigkeit in NRW, etwa zur Soziodemografie der Wohnungslosen, Haushaltsstruktur und Art der Unterbringung, finden sich in Kurzanalysen der Sozialberichterstattung NRW, siehe: www.sozialberichte.nrw.de Sozialberichterstattung NRW Kurzanalysen. 100 Sozialbericht NRW 2016