Power Point Präsentation Daniel Wiener ecos, Basel Demokratie vor Ort von der Stadtteil-Initiative zur Quartierentwicklung
Demokratie vor Ort Von der Stadtteil-Initiative zur Quartierentwicklung Daniel Wiener, MAS Kulturmanager, Geschäftsleiter ecos
Wer ist ecos? Kommunikations- und Beratungsunternehmen für Nachhaltige Entwicklung seit 1986 in Basel und Lausanne Kernkompetenz: Konzeption, Steuerung und Moderation von Dialogprozessen zur Entwicklung nachhaltiger Lösungen (für Städte, Verbände und Unternehmen) Seit 20 Jahren Projekte in der Stadt-/Gemeinde-/ Quartierentwicklung und LA 21 z.b. Kanton Basel-Stadt: WERKSTADT BASEL Freiburg i. Breisgau: «Zukunft Freiburg» Lausanne: quartiers 21 Graz: Planungswerkstatt Saarbrücken: Gesamtkonzept Bürgerbeteiligung Thun: «gemeinsam gewinnen»
Hallo! Ich bin auch noch da! Im April 1980, während des Zürcher Sechseläutens, besetzt die Gruppe «Luft & Lärm» die stinkende und lärmende Unterführung an der Langstrasse Die Botschaft: Wir wollen nicht länger unter der Umweltverschmutzung leiden, die eine übergeordnete Verkehrspolitik in unser Quartier trägt! Dies ist der Beginn einer neuen Zeitrechnung in der Quartierpolitik und einer neuen Logik in der Quartierentwicklung
Die Erfindung der Betroffenen Schon früher hatten Quartiere sich gegen Umwelt- Diskriminierung gewehrt, die zum Beispiel von Strassen, aber auch Industrieansiedlungen (z.b. Bau von Müllverbrennungsanlagen) ausging Sie taten dies aber hauptsächlich, indem sie bei den Behörden protestierten, Petitionen einreichten, verhandelten. Luft & Lärm nahm das Heft selbst in die Hand. Die Bewegung agierte als Macht vor Ort, als direkte Aktion, als Selbsthilfe der Betroffenen, nach der Strategie einer gewaltfreien Stadtguerilla
Ein neues politisches Selbstverständnis Als Inspiration dienten einerseits ortskundige Quartierorganisationen der Dritten Welt, die sich in weitgehend rechtsfreien Räumen selbst verwalten Die zweite Strömung, welche frühe Quartierinitiativen beeinflusste, war europaweit das Schweizer Demokratiemodell der Subsidiarität Ohne die Gesetze anzupassen, zogen Quartiergruppen kurzerhand eine neue Entscheidungs-Ebene in die Demokratie ein. Da nach Schweizer Subsidiaritätsprinzip stets die untere Ebene an die obere Ebene delegiert, wurde dies rasch akzeptiert.
Die Erfindung der Lebensqualität Während traditionelle Quartierorganisationen parteipolitisch oder gewerkschaftlich ausgerichtet waren, bildeten sich Bürgerinitiativen rund um Sachthemen, zum Beispiel der Forderung nach mehr Grün, sicheren Schulwegen oder günstigem Wohnraum. Als übergeordneter Begriff für alle (scheinbar) apolitischen Forderungen vor Ort kristallisierte sich das Wort Lebensqualität heraus. Rasch entstand unter politikgestählten Quartierbewohner/innen der ehemaligen 68er und 80er Bewegung ein neues Selbstbewusstsein, das um diesen Begriff kreiste, wie um ein Menschenrecht.
Expertise vor der eigenen Haustür Doch wie misst man Lebensqualität? Die Indikatoren wissenschaftlicher Untersuchungen sind dann akzeptabel, wenn sie meine persönliche Wahrnehmung bestätigen also taugen sie nicht als objektiver Massstab. Entscheidend ist die Expertise vor der eigenen Haustür. Wir wissen, was gut für uns ist. Quartierpolitik ist seither die Kunst, die Expertenmeinungen der Anwohnerinnen und Anwohner zu aggregieren, und zwar stets nach einer Methode, die von diesen Akzeptiert wird (was von Fall zu Fall ganz verschiedene Formen annehmen kann).
Das Beispiel WERKSTADT BASEL Das wohl konsequenteste erfolgreiche Experiment mit gesammeltem Bürger-Expertenwissen ist die WERKSTADT BASEL. Dieses flächendeckende Quartier- und Stadtentwicklungs-Programm im Kanton Basel-Stadt lief von 1998 bis 1999 und wirkt bis heute mit 180 Massnahmen nach, von denen die meisten umgesetzt sind. Die WERKSTADT BASEL zeigt, dass in der Quartierentwicklung der Einbezug der Betroffenen erfolgreich in die Politik hineinwirken kann. Es müssen aber ein paar wichtige Erfolgsfaktoren berücksichtigt werden.
Ziel: Quartierentwicklung als Stadtentwicklung Ausgangslage und Ziel: Abwanderung aus der Stadt Sinkende Steuereinnahmen Fehlende Finanzen für staatliche Leistungen WERKSTADT BASEL Untertitel: Initiative der Basler Regierung zur langfristigen Sicherung der Steuereinnahmen von natürlichen Personen Ziel: Konkrete konsensfähige Massnahmen-Pakete
Ansatz Stadtentwicklung geht von den Quartieren aus Finanzen und Lebensqualität verbinden Mitgestaltungsmöglichkeiten Identifikation mit dem Wohnort, dem Quartier Breites Bündnis für die Stadtentwicklung Überwindung von Konflikten und Pattsituationen Ausblick: 2010 diskutieren Quartiertreffpunkte in Basel, wie sie gemeinsam mit der Bevölkerung von unten als permanente Impulsgeber für die inzwischen institutionalisierte Stadtentwicklung funktionieren könnten
Chronologie der WERKSTADT BASEL bis April 1998 Zusatzwerkstätten bis Dezember 1998 bis Sommer 1999 38 Innovationswerkstätten 25 Konsens- Konferenzen Aktionsprogramm Jugendliche Frauen MigrantInnen Parallelprojekte «Stärkung der Stärken» Arbeitsgruppe Wirtschaft und Lebensqualität Wanderungs- befragung
Innovationswerkstätten - freie Bahn für neue Ideen
Konsens-Konferenzen: Blockaden überwinden
Ein paar Erfolgsfaktoren, die sich übertragen lassen, weil sie auch in anderen Städten wie Saarbrücken, Graz, Bern, Lausanne, Freiburg in Breisgau erprobt sind
Erfolgsfaktor: Klarer Rahmen Klare, offizielle und integrative Zielsetzung der Regierung Problemlösungsorientierter Ansatz Kombination von Top-Down und Bottom-Up Erkennbare Projektorganisation Professionelles, neutrales Prozessmanagement Prägnante Marke für Prozess (Label)
Erfolgsfaktor: Verankerung Breit abgestützte Trägerschaften in Stadtteilen (Akzeptanz bei der Bevölkerung) Multiplikator/innen: strategische Begleitung und direkte Kommunikation nach Aussen Unterschiedliche Interessenvertreter/innen aus allen drei Bereichen der Nachhaltigkeit Einbezug der Verwaltung und der Politik in allen Phasen - Angstabbau, Vorteile erkennen Parallelprozesse mit Wirtschaft und Universität
Offenes Agenda-Setting: Bevölkerung bezeichnet die Probleme Ideenphase, um Innovation und Veränderungsbereitschaft zu fördern Erfolgsfaktor: Ablauf Aushandlungsphase mit Konsens-Erfordernis, um Blockaden zu überwinden (Win-Win-Lösungen) Fachstellenübergreifende Vorbereitung des Aktionsprogramms
Erfolgsfaktoren: Ergebnisse + Umsetzung Konkrete Projekte ohne lange Planungshorizonte Umsetzbarkeit überprüfen nach Prinzip: Nicht ob, sondern wie? Vernetzung und Integration der Massnahmen im Aktionsprogramm für die Stadtenwicklung Impulsprojekte, um die Umsetzung voran zu treiben Controlling und Transparenz der Umsetzung
Kritische Punkte berücksichtigen Angst vor Konkurrenz zu bestehenden Abläufen und Institutionen Falsche Erwartungen an die Partizipation führen zu Frustrationspotential (auf allen Seiten) Überzeugungsarbeit: Prozess-Erlebnis ist teilweise Voraussetzung, um den Nutzen von Prozessen zu erkennen
Chancen der Demokratie im Quartier Demokratisierung und Revitalisierung des politischen Gemeinwesens Erhöhung der Qualität und Akzeptanz kommunaler Dienstleistungen Erhöhung der Steuerungsfähigkeit (Effektivität) und Transparenz der Politik Beschleunigung von Entscheidungs- und Umsetzungsprozessen (Effizienz) Stärkung sozialer Unterstützungsnetzwerke, Mobilisierung von Selbstverantwortung und Hilfe zur Selbsthilfe Unterscheidung zwischen Bürgerinitiativen als Interessenvertretung, Mobilisierung des bürgerschaftlichen Expertenwissens, Mitgestaltung (Ehrenamt u.a.) und Kundenbeziehung der Verwaltung/der Behörden.
Risiken, die zu vermeiden sind Fehlende politische Steuerung, mangelnde Verbindlichkeit Wecken falscher Erwartungen (Frustrationspotenzial) Zu enge Handlungsspielräume Unausgewogene Zusammensetzung der Beteiligten Aufwand der Beteiligung steht nicht im Verhältnis zum Nutzen (Ressourceneinsatz) Kontraproduktive Rolle der Medien Themen, die zu gross oder zu klein sind ( Abschieben von heiklen Entscheiden in Prozesse bzw. Marginalisierung, Alibiübung)
Fazit Demokratie vor Ort funktioniert auch ohne formelle Legitimation als Instrument der Quartier- und sogar Stadtentwicklung, wenn der Rahmen stimmt. Es entstehen neue Formen politisch-administrativer Kommunikations- und Entscheidungsprozesse. Diese bieten die Chance, die Qualität Effizienz und Akzeptanz politischer Entscheide zu erhöhen.
Demokratie vor Ort Von der Stadtteil-Initiative zur Quartierentwicklung Daniel Wiener, MAS Kulturmanager, Geschäftsleiter ecos dankt für Ihre Aufmerksamkeit! Weitere Informationen: www.ecos.ch - daniel.wiener@ecos.ch