Infobrief 7. Ausgabe, Juli 2011 Aktuelle Entwicklungen im Betriebsrentenrecht betriebliche Altersvorsorge beim Betriebsübergang Abschläge bei vorgezogenen Altersrenten zulässige Einschränkungen bei der Hinterbliebenenversorgung Anpassung laufender Betriebsrenten Gleichbehandlungsfragen Versorgungszusagen an Organe
Sehr geehrte Geschäftsfreunde, Sie erhalten in dieser Ausgabe einen Überblick über wichtige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur betrieblichen Altersversorgung. Dabei haben wir die Schwerpunkte auf Entscheidungen von allgemeiner Bedeutung für alle Durchführungswege einerseits und auf Entscheidungen für die unmittelbar vom Arbeitgeber zu erfüllende Versorgungszusage andererseits gelegt. Wichtige Urteile zu den Durchführungsformen, bei denen der Primärschuldner der Versorgung ein Lebensversicherungsunternehmen bzw. eine Pensions- oder Unterstützungskasse ist, werden regelmäßig im Informationsdienst Ihres Versicherungsmaklers besprochen. In der folgenden Ausgabe des Infobriefes werden wir Ihnen einen Überblick über die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung geben. Der Kauf und Verkauf von Betrieben gehört heute zum Alltag in größeren Unternehmensgruppen. Dabei stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der betrieblichen Altersversorgung. Generell gelten die Arbeitsbedingungen der übernommenen Beschäftigten beim Käufer weiter ( 613a BGB). Das gilt auch für die betriebliche Altersvorsorge egal, wie sie durchgeführt wird. Sind die übernommenen Beschäftigten nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot in das Versorgungswerk des Erwerbers einzubeziehen? Nein, das ist nicht der Fall. Beim Betriebsübergang ist nämlich nicht immer im Vorfeld vollkommen absehbar, welche Versorgungsbedingungen beim Veräußerer des Betriebs gelten und welche Unterschiede im Detail zum Versorgungswerk des Erwerbers bestehen. Deshalb hat das BAG dies als sachlich ausreichenden Grund dafür gesehen, die übernommenen Beschäftigten nicht (automatisch) in das Versorgungswerk des Erwerbers einzubeziehen. Betriebsübergang Keine automatische Einbeziehung übernommener Arbeitnehmer in das Versorgungswerk des Betriebserwerbers BAG, 19.01.2010 3 ABR 19/08 Praxistipp: Durch einen entsprechenden klarstellenden Hinweis in einer Versorgungsordnung können unbegründete Versorgungserwartungen vermieden werden. Dies trägt zur Transparenz bei und vermeidet Enttäuschungen. www.pensionsmanagement-gmbh.de 2
Vorgezogene Altersrente Versicherungsmathematische Abschläge für vorgezogene Altersrente BAG, 29.09.2010 3 AZR 557/08 Versorgungszusagen sehen oft eine Kürzung vor, wenn die Altersrente schon vor der Regelaltersgrenze beansprucht wird. Die Kürzung bildet einen Ausgleich für den längeren Rentenbezug und die kürzere Ansparzeit (Zinseffekt). Üblich sind Abschläge von 0,3 % bis 0,5 % der Rente für jeden Monat des vorgezogenen Abrufs. Das BAG hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem zwar dem Grunde nach eine versicherungsmathematische Kürzung, nicht jedoch deren Höhe konkret geregelt war. Das Gericht hat einen Abschlag von 0,5 % für das Jahr 2002 für angemessen gehalten, aber auch am oberen Rand des Üblichen gesehen. Hinweise für die Praxis: Die Entscheidung gibt eine wertvolle Auslegungshilfe, wenn ein Rentenabschlag zwar dem Grunde nach eindeutig, der Höhe nach jedoch nur mit einem allgemeinen Verweis auf versicherungsmathematische Grundsätze geregelt ist. Außerdem enthält sie wichtige Anhaltspunkte, in welcher Größenordnung Abschläge als noch angemessen anzusehen sind. Die gegenwärtigen allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dürften sich im Wesentlichen von denen des Jahres 2002 nicht so sehr unterscheiden, dass ein Abschlag von 0,5 % für jeden Monat des vorgezogenen Altersrentenbezugs nicht auch heute noch als angemessen anzusehen wäre. Die Angemessenheit höherer Abschläge müsste wohl durch konkrete versicherungsmathematische Berechnungen nachgewiesen werden. Dieser Nachweis ist im Übrigen einfach zu führen. Fraglich ist nur, ob höhere Abschläge aus sozialpolitischen Gründen sinnvoll sind. Die Wertschätzung der Betriebsrente durch die Versorgungsbegünstigten darf dadurch nicht zu sehr sinken. Hinterbliebenenversorgung Ausschluss einer Hinterbliebenenversorgung bei Eheschluss nach Dienstaustritt zulässig BAG, 20.04.2010 3 AZR 509/08 Der Kreis der Begünstigten für eine Hinterbliebenenversorgung ist nicht selten sehr eng umrissen und die Bedingungen für einen Leistungsanspruch sind an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Das vorrangige Ziel solcher Einschränkungen ist es, das Kostenrisiko für den Arbeitgeber zu begrenzen. www.pensionsmanagement-gmbh.de 3
Fraglich war, ob der Ausschluss einer Hinterbliebenenversorgung zulässig ist für den Fall, dass die Ehe erst nach dem Dienstaustritt, aber noch vor dem Ruhestandsbeginn, geschlossen wird. Das BAG hat eine solche Bestimmung des Kreises der Versorgungsbegünstigten für zulässig erachtet. Ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor. Auch besteht kein Widerspruch zu 1b BetrAVG. Diese Norm legt nur fest, dass ein von vornherein eingeräumter bzw. begrenzter Anspruch durch einen Dienstaustritt nicht eingeschränkt werden kann. Der Ausschluss einer Hinterbliebenenversorgung beim Eingehen einer Ehe nach dem Dienstaustritt war im Streitfall jedoch von Beginn an geregelt und deshalb zulässig. Anrechnung anderer Ansprüche bei der Hinterbliebenenversorgung BAG, 18.05.2010 3 AZR 97/08 Ältere Versorgungszusagen sind oft stärker am Versorgungsziel als am Aufwand für die Versorgung ausgerichtet. Deshalb finden sich in ihnen Regelungen zur Berücksichtigung anderer Versorgungsbezüge bei der Festsetzung der Versorgung des Arbeitgebers. Dadurch darf es nicht zu einer unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Entwertung dieser anderen Versorgungsbezüge kommen. Zulässig ist eine uneingeschränkte Berücksichtigung der gesetzlichen Hinterbliebenenversorgung bei der Festsetzung der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung, weil der Arbeitgeber die gesetzliche Rente zur Hälfte finanziert hat. Eine eigene Versorgung der Hinterbliebenen darf bei der Bestimmung der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung höchstens zu 80 % wirtschaftlich entwertet werden (z.b. durch eine Anrechnungs- oder Höchstbegrenzungsklausel). Anpassung von Betriebsrenten Differenzierung bei der Betriebsrentenanpassung nach dem Austrittstermin BAG, 30.11.2010 3 AZR 754/08 Eine Regelung in einer Versorgungszusage, die besagt, dass eine unterschiedliche Anpassung der laufenden Betriebsrente je nachdem, ob das Arbeitsverhältnis bis zum Rentenbeginn andauert oder vorzeitig endet, vorgenommen wird, ist zulässig. Dem Entscheidungsfall liegt eine Versorgungszusage mit einheitlichen Versorgungsbedingungen für alle Unternehmen eines Verbandes zugrunde. Um einen Anreiz für künftige Betriebszugehörigkeit zu setzen, gilt für die vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer nur die allgemeine Norm des 16 www.pensionsmanagement-gmbh.de 4
BetrAVG (Prüfung eines Inflationsausgleichs), während für die betriebstreuen Beschäftigten eine davon unabhängige, in der Vergangenheit höherwertige und für alle Verbandsunternehmen einheitliche Anpassungsfestsetzung erfolgt. Insbesondere die von der wirtschaftlichen Situation des einzelnen Unternehmens losgelöste Anpassung nach den Regularien des Verbandes bietet einen erhöhten Anreiz, bis zum Rentenbeginn im Unternehmen zu verbleiben, da sie eine größere Kontinuität der Anpassung gewährleistet. Nach den Ausführungen des BAG ist die Förderung der weiteren Betriebstreue ein die Differenzierung sachlich rechtfertigendes und legitimes Ziel. Anpassung von Betriebsrenten nach Entwicklung der Aktiveneinkommen BAG, 26.10.2010 3 AZR 711/08 Sieht eine Versorgungszusage vor, dass die Betriebsrente nach der Entwicklung der Einkommen der aktiven Beschäftigten im Betrieb angepasst wird, darf die Betriebsrente auch vermindert werden. Eine Kürzung der Betriebsrente unter den zum Rentenbeginn festgestellten Ausgangsbetrag ist jedoch ausgeschlossen. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem eine Arbeitsreduzierung mit einer Kürzung des tariflichen Arbeitsentgelts einherging. Praxishinweis: Soll in einer Versorgungszusage eine Rentenanpassung über den gesetzlichen Inflationsausgleich hinaus vorgesehen werden, kann zur Verminderung der hohen Fluktuationskosten über eine Differenzierung der Rentenanpassungsklausel nachgedacht werden. Die Differenzierung muss zur Erreichung des Ziels erforderlich sein. Im entschiedenen Fall war dies gegeben, weil die Wettbewerbsunternehmen zur betrieblichen Altersversorgung die Verbandsregelungen anwenden. Verzugsschaden bei verspäteter Betriebsrentenanpassung BAG, 28.10.2008 3 AZR 171/07 Trifft ein Arbeitgeber eine Entscheidung zur Anpassung laufender Betriebsrenten verspätet, führt die verspätete Leistungsbestimmung zum Verzug des Arbeitgebers. Steuerliche Nachteile des Betriebsrentners infolge der verspäteten Anpassungsentscheidung und der damit späteren Rentenerhöhung stellen einen Verzugsschaden dar, für den der Arbeitgeber schadenersatzpflichtig ist. www.pensionsmanagement-gmbh.de 5
Betriebsrentenanpassung im Konzern BAG, 10.02.2009 3 AZR 727/07 Grundlage für die Anpassungsprüfung laufender Renten ist allein die wirtschaftliche Lage des juristischen Arbeitgebers, solange und soweit dieser leistungsfähig ist. In diesem Fall ist es unerheblich, ob es bei anderen Konzernunternehmen eine wirtschaftlich schlechte Lage gibt. Nur wenn sich am Anpassungsstichtag konkret abzeichnet, dass die Krise im Konzern auf den Arbeitgeber durchschlagen wird, kann die Rentenanpassung unterbleiben. Dies ist anhand einer betriebswirtschaftlichen Prognose zu beurteilen. Gleichbehandlung Kindererziehungszeiten erhöhen nicht automatisch die Betriebsrente BAG, 20.04.2010 3 AZR 370/08 Es ist zulässig, Zeiten der Kindererziehung in der betrieblichen Altersversorgung nicht rentensteigernd zu berücksichtigen. Dieser Sachverhalt stellt keine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts dar. Das BAG begründet dies mit dem Vergütungscharakter der betrieblichen Altersversorgung, der eine Unterscheidung von Zeiten mit und ohne Arbeitsleistung zulässt. Praxistipps: 1. Genauso ist es zulässig, während der Kindererziehungszeit keine Beiträge für das Versorgungswerk zu zahlen, wenn diesem ein Beitragsprimat zugrunde liegt. 2. Die Vereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung sollte die Behandlung von Kindererziehungszeiten klar regeln (Transparenzgebot). Versorgung von Organen Abdingbarkeit des Betriebsrentengesetzes für Organmitglieder BAG, 21.04.2009 3 AZR 285/07 Das Betriebsrentengesetz ist ein Schutzgesetz für Arbeitnehmer. Es sieht vor, dass in Tarifverträgen nur von einzelnen gesetzlichen Schutznormen, auch zum Nachteil der Beschäftigten, abgewichen werden kann. Gestaltungsspielräume ergeben sich dadurch insbesondere zur Ausgestaltung der Unverfallbarkeit, zur Abfindung, zur Mitnahme der Versorgung bei Arbeitgeberwechsel und zur Anpassung der laufenden Versorgungsleistungen. In einem Rechtsstreit zwischen einem Organ und der Gesellschaft ging das BAG von einer Verhandlungsparität hinsichtlich der Arbeitsbedingungen zwischen dem Organ und der Gesellschaft aus. Beide Parteien haben damit www.pensionsmanagement-gmbh.de 6
hinsichtlich des Betriebsrentengesetzes die gleichen Gestaltungsspielräume wie Tarifpartner, aber auch nicht mehr. Darüber hinaus kann von den Regelungen des Betriebsrentengesetzes nicht abgewichen werden. Der Rechtsstreit wurde in atypischer Weise in der Arbeitsgerichtsbarkeit entschieden, weil sich die Parteien vertraglich auf diesen Zweig der Gerichtsbarkeit festgelegt hatten. Praxishinweis: Es ist offen, ob sich der Bundesgerichtshof in der regelmäßig zuständigen Zivilgerichtsbarkeit diesem Votum anschließen würde. Sollte dies der Fall sein, könnten für den Einzelfall passgenauere Vorsorgelösungen vereinbart werden. Die Spielräume finden jedoch mit Blick auf die steuerliche Anerkennung der Versorgungszusage ihre Grenze in der von der Finanzverwaltung geforderten Üblichkeit der Ausgestaltung. Keine Versorgungszusage allein aus Gesellschafterstatus BAG, 19.01.2010 3 AZR 42/08 Eine Versorgungszusage an einen Gesellschafter muss in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis stehen. Dieser Infobrief beinhaltet keine rechtliche Beratung. Die Deutsche Vorsorge PensionsManagement GmbH ist dazu nicht autorisiert. Die Beiträge dienen der allgemeinen Information über die betriebliche Altersversorgung und ähnliche Vergütungsbestandteile. Konkrete Handlungen auf Basis dieses Infobriefes sollten nicht ohne eine auf den Einzelfall abgestimmte Beratung erfolgen. Deutsche Vorsorge PensionsManagement GmbH Klingenbergstraße 4 32758 Detmold Telefon +49 (0) 5231 603-0 Telefax +49 (0) 5231 603-451 Verantwortliche Redakteure: Frank Buschmann FBuschmann@pensionsmanagement-gmbh.de Dirk Dettbarn DDettbarn@pensionsmanagement-gmbh.de Richard Koormann RKoormann@pensionsmanagement-gmbh.de www.pensionsmanagement-gmbh.de 7