BESCHLUSS NR. 122 Erhöhung der Elternbeiträge für Kinderbetreuung Postulat der Geschäftsprüfungskommission Antrag auf Abschreibung F 6.3.2 1. Ausgangslage Bruno Maurer reichte am 22. Mai 2000 im Namen der Geschäftsprüfungskommission (GPK) das Postulat "Erhöhung der Elternbeiträge für Kinderbetreuung" ein. Die Begründung im Gemeinderat erfolgte am 5. Juni 2000 und der Stadtrat erklärte sich an seiner Sitzung vom 13. Juni 2000 bereit, das Postulat entgegen zu nehmen. Die Prüfung und Antragsstellung hat innerhalb eines Jahres, bis Ende Juni 2001 zu erfolgen. 2. Postulatstext Der Stadtrat wird eingeladen, die Tarife für die Kinderbetreuungseinrichtungen der Stadt (Hort, Kinderkrippe, Verein Tagesfamilien) im folgenden Sinne anzupassen: "Die Tarife für die abgebenden Eltern werden so festgesetzt, dass bei einem durchschnittlichen Einkommen gemäss Statistik des Kantons Zürich die Kosten für die Betreuung durch die kostengünstigste der drei Einrichtungen durch die abgebenden Eltern für das erste Kind voll getragen werden." 3. Begründung (Zusammenfassung) Die GPK ist der Meinung, es handle sich um eine ausufernde Subventionierung, wenn die abgebenden Eltern erst bei einem Einkommen von Fr. 120'000.00 brutto den vollen Betrag bei der kostengünstigsten Institution (Verein Tagesfamilien) bezahlen müssen. Die GPK weist darauf hin, dass es im Interesse der Allgemeinheit liegt, dass möglichst alle Kinder im Rahmen ihrer eigenen Familie betreut werden können (Elternpflichten). Die Beiträge sollen auf ein Niveau angehoben werden, welches verhältnismässig ist und durchaus auch eine gewisse Härte für die Eltern darstellen dürfe. Der Weg zum Staat müsse nicht unbedingt der einfachste und erst noch billigste sein.
Als Leitlinie stellt sich die GPK vor, Eltern mit einem Einpersoneneinkommen sollen wenigstens die Betreuungskosten von Fr. 57.00 (Maximaltaxe in der kostengünstigsten Einrichtung) bezahlen. Die Taxstruktur soll so gewährt werden, dass eine Familie mit einem Kind und einem Durchschnittseinkommen von Fr. 65'000.00 die Maximaltaxe von Fr. 57.00 zu zahlen hätte. Dies würde einen Ansatz von 22% des anrechenbaren Einkommens bedeuten. Die GPK verspricht sich von dieser Massnahme keine ins Gewicht fallende Entlastung der Stadtkasse. Der höhere Ansatz soll dazu führen, dass die Eltern vermehrt nach anderen Lösungen suchen. Es könnte auch dazu führen, dass die heutigen Wartelisten abnehmen. Abschliessend betrachtet die GPK die Angebote als nötig und wertvoll. Sie möchte vermeiden, dass die Kinder die Leidtragenden sind und erwartet vom Stadtrat Vorschläge, unter welchen Voraussetzungen besondere Härtefälle vermieden werden können. 4. Aufgabe des Staates, Gesetzliche Grundlage Gestützt auf das Gesetz über die Jugendhilfe des Kantons Zürich 2 werden die Gemeinden verpflichtet entsprechende Einrichtungen für die Kinderbetreuung bereitzustellen: "Staat und Gemeinde unterstützen die Familie im Rahmen dieses Gesetzes in ihrer Erziehungsaufgabe und fördern die gesunde körperliche und geistigseelische Entwicklung der Jugend. Sie sichern die Errichtung und den Weiterbestand der notwendigen Einrichtungen." Die von den Postulanten geforderte Lösung, dass in erster Linie die Eltern die Kinderbetreuung wahrzunehmen hätten, entspricht nicht mehr den heutigen Realitäten: Das Lohnniveau lässt den Eltern oft keine Wahl, so dass die Mütter mindestens eine Teilzeitstelle übernehmen müssen. Ueber 40% der Ehen werden geschieden; allein Erziehende müssen einer Arbeitstätigkeit nachgehen. Die Fürsorgebehörde verlangt von ihren Klientinnen und Klienten, auch wenn sie Kinder haben, dass sie arbeiten und einen Eigenbeitrag an die Unterhaltskosten erbringen. Der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet; die Frauen sind wieder gesuchte Arbeitskräfte, so dass selbst Arbeitgeberverbände nach zusätzlichen Kinderbetreuungsplätzen rufen.
5. Tarifgestaltung Der heute geltende Tarif wurde 1991 von den verschiedenen Anbietern von Kinderbetreuung gemeinsam ausgearbeitet und erfüllt verschiedene Bedingungen: Alle Anbieter benutzen denselben Tarif. Es handelt sich um ein klares, einheitliches System und ist administrativ einfach anwendbar. Als Berechnungsgrundlage gilt das Bruttoeinkommen. Die Abzüge für Kinder und allein Erziehende sind pauschalisiert. Die Höhe entspricht den Abzügen nach kantonalem Recht für ähnliche Berechnungen (Alimentenbevorschussung, Kleinkinderbetreuungsbeiträge). Bei einem Prozentsatz wird eine lineare Berechnung vorgenommen, auf willkürliche Einkommensgrenzen (in tausender, fünftausender Schritte etc.) kann damit verzichtet werden. Teuerungsschwankungen können ohne Anpassungen kompensiert werden. Das System ist gegen oben offen (eine Forderung der GPK von 1989). 6. Höhe der Tarifgestaltung Der heute geltende Ansatz von 11% des anrechenbaren Einkommens entspricht einem Durchschnittsansatz, welcher für Kinderbetreuung ausgegeben werden kann. Werden die Richtlinien der Budgetberatungsstellen beachtet, sind die von der GPK forderten 22% bei einem Durchschnittseinkommen von Fr. 65'000.00 eindeutig zu hoch. Budgetbeispiel für eine Familie mit einem Kind, prozentual auf die verschiedenen Ausgabeposten aufgeteilt:
Jahreseinkommen Fr. 65'000.- Fr. 78'000.- Fr. 91'000.- Fr. 104'000.- Fr. 117'000.- Monatseinkommen Fr. 5'000.- Fr. 6'000.- Fr. 7'000.- Fr. 8'000.- Fr. 9'000.- % % % % % Feste Verpflichtung Steuern, Wohnungsmiete, Krankenkasse, Hausrat, Privathaftpflichtvers., Strom, Fahrspesen, Zeitungen, Beiträge Haushalt Nahrung, Getränke, Nebenkosten, Wasch- Putzmittel, Drogerie, Entsorgungsgeb. etc. Persönliche Auslagen Kleider, Wäsche, Schuhe, Coiffeur, Freizeit, Kurse Rückstellungen Arzt/Franchise, Zahnarzt, Optiker, Geschenke/Spenden, unvorhergesehene Anschaffungen Verfügbarer Betrag Ferien, Sparen, Kinderbetreuung 52 45 42 39.2 37 22 19.5 16.7 14.6 13.7 11 10.3 11.2 10 10.6 7.4 7.3 6.4 5.8 6 7.6 17.9 23.7 30.4 32.7 Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass mit dem verfügbaren Betrag zwischen 7.6 und 32.7% die Kinderbetreuung, Ferien und Sparen sichergestellt werden muss. Eine Erhöhung der Kinderbetreuungsbeiträge auf 22%, wie es die Postulanten fordern, ist daher unrealistisch. Fazit: Würden die Tarife zu teuer, wäre die professionelle Kinderbetreuung gefährdet. Die Kinder würden unbeaufsichtigt auf der Strasse landen. Die Verwahrlosungstendenz wäre gegeben. Beispiele von verwahrlosten, unbetreuten Kindern sind der Schulpflege wie der Vormundschaftsbehörde bekannt. Eine Heimplatzierung für ein Kind kostet den Staat jährlich mindestens Fr. 60'000.00. Die GPK hält richtig fest, dass die Institutionen vom Staat subventioniert werden. Die abgebenden Eltern zahlen in der Regel auch Steuern. Es wäre stossend, die Progression, welche bereits im Steuergesetz vorgesehen ist, zusätzlich bei der Tarifgestaltung für die Kinderbetreuung bei höheren Einkommen anzuwenden. 7. Vergleiche mit anderen Gemeinden Vergleiche mit anderen Gemeinden sind ungeeignet, da die Berechnungsgrundlagen sehr verschieden sind. Einzelne Gemeinden wenden ein sehr differenziertes Verfahren an, berücksichtigen Wohnungsmiete, Versicherungsbeiträge, gehen vom steuerbaren Einkommen, oder vom Nettoeinkommen aus. Auch die Abzüge werden sehr unterschiedlich angesetzt.
8. Zusammenfassung Bei der heutigen Tarifgestaltung handelt es sich um ein klares, einheitliches System. Die Berechnungsart hat sich bewährt, sie ist einfach anwendbar und ermöglicht den administrativen Aufwand gering zu halten. Die von der GPK vorgeschlagene Abfederung von Härtefällen sollte vermieden werden. Ausnahmeregelungen sind immer interpretationswürdig und geben zu Diskussionen Anlass. Die von den Postulanten angestrebten Forderungen (höhere Tarife, Elternpflichten) können auch aus folgenden Gründen nicht erfüllt werden: Finanzielle Gründe: Mit einem Durchschnittseinkommen von Fr. 65'000.00 können nicht 22% für die ausserhäusliche Kinderbetreuung aufgewendet werden. Da das Steuergesetz bereits eine Progression vorsieht, sollte bei der Tarifgestaltung auf eine nochmalige Progression der höheren Einkommen verzichtet werden. Gesellschaftspolitische Gründe: Die traditionelle Familiensituation (Ehemann arbeitet auswärts, Ehefrau übernimmt den Haushalt und die Kindererziehung) ist auch in der Schweiz am Verschwinden. Nur die Schweiz konnte es sich nach dem 2. Weltkrieg leisten auf die Mitarbeit der Frauen in der Wirtschaft zu verzichten, was sich auf den Ausbau der ausserhäuslichen Kinderbetreuungsplätze auswirkt. Die abgebenden Eltern haben aus finanziellen und persönlichen Gründen in der Regel keine Wahlmöglichkeit (keine Verwandte, Grosseltern) in der Suche nach einem Kinderbetreuungsplatz. Soziale Gründe: Mit zahlbaren ausserhäuslichen Kinderbetreuungsplätzen kann vermieden werden, dass Kinder und Jugendliche auf der Strasse landen und verwahrlosen. Heimeinweisungen können damit reduziert werden. Kinder, die in den Institutionen betreut werden, lernen frühzeitig soziales Verhalten. Die drei Institutionen leisten einen wichtigen Beitrag zur Integration. Viele Familien sind auf den Mitverdienst beider Elternteile angewiesen. Allein Erziehende benötigen einen Betreuungsplatz.
Wirtschaftspolitische Gründe: Der heutige Arbeitsmarkt ist auf zusätzliche Arbeitskräfte (Frauen) angewiesen. Die Alternative, das Ausländerkontingent zu erhöhen, brächte andere, bekannte Folgen. Aus den erwähnten Gründen soll dem Gemeinderat beantragt werden, das Postulat der GPK abzuschreiben. Auf Antrag des Sozialvorstandes BESCHLIESST DER STADTRAT: 1. Dem Gemeinderat wird aus den erwähnten Gründen beantragt, das Postulat der Geschäftsprüfungskommission "Erhöhung der Elternbeiträge für Kinderbetreuung" abzuschreiben. 2. Mitteilung durch Protokollauszug an: - Gemeinderat - Schulpflege Opfikon (Hortkommission) - Kinderkrippe Opfikon (Präsidentin Frau U. Kübler) - Verein Tagesfamilien (Frau B. Zika) - Fürsorgebehörde - Sozialabteilung ULFSS-PostulatKinderbetr NAMENS DES STADTRATES Der Präsident: Der Schreiber i.v.: J. Leuenberger A. Schlagmüller VERSANDT: 28. JUNI 2001