Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 12 / 396 12. Wahlperiode 16. 09. 96 Antrag der Abg. Gerd Weimer u. a. SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Unterrichtsversorgung im Landkreis Tübingen Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie viele Schülerinnen und Schüler im laufenden Schuljahr die einzelnen Schularten im Landkreis Tübingen besuchen und wie sich die Schülerzahlen in den letzten Jahren entwickelt haben; 2. wie viele Lehrerwochenstunden im Landkreis Tübingen derzeit in den einzelnen Schularten erteilt werden und wie sich die Situation in den letzten Jahren entwickelt hat; 3. wie sich in den einzelnen Schularten im Landkreis Tübingen die Relation Schüler je Lehrer entwickelt hat; 4. welche Aussagen hinsichtlich des ausgefallenen Unterrichts an den öffentlichen Schulen im Landkreis Tübingen gemacht werden können, der die Folge von Lehrermangel, fehlenden Krankheitsvertretungen oder anderen Engpässen ist; 5. ob der Pflichtunterricht in den einzelnen Schularten aufrechterhalten werden kann bzw. in welchen Fällen der Pflichtunterricht nicht in vollem Umfang erteilt werden kann; 6. wie sich im Landkreis Tübingen in den einzelnen Schularten die durchschnittliche Klassengröße entwickelt hat; 7. wie sich die Altersstruktur der Lehrer im Landkreis Tübingen entwickelt hat und deren voraussichtliche Entwicklung bis zum Jahr 2005; Eingegangen: 16. 09. 96 / Ausgegeben: 30. 10. 96 1
8. wie sich das Angebot im sogenannten Ergänzungsbereich sowie beim Stütz- und Förderunterricht an den öffentlichen Schulen im Landkreis Tübingen seit 1990 entwickelt hat und in welchem Umfang im laufenden Schuljahr gekürzt wurde; 9. wie sich die Raumsituation in den Schulen im Schuljahr 1996/97 darstellt und wie die weitere Entwicklung eingeschätzt wird. 17. 09. 96 Weimer, Zeller, Braun, Carla Bregenzer, Christine Rudolf, Wintruff SPD Begründung Zu Beginn des neuen Schuljahrs häufen sich die Klagen von Eltern und Elternbeiräten an Schulen im Landkreis Tübingen. Eine sich vergrößernde Raumnot, die zunehmenden Klassengrößen und vor allem der Ausfall von Pflichtunterricht (!) geben Anlaß zu größter Sorge. Die Antragsteller halten es für unverantwortlich, daß Pflichtunterricht entfallen muß. In den bisher bekanntgewordenen offiziellen Verlautbarungen wird lediglich eingeräumt, daß massive Kürzungen im Ergänzungsbereich stattfinden, der Ausfall von Pflichtunterricht in einer Reihe von Fällen wird kaum erwähnt. Deshalb möchten die Antragsteller einen Überblick über die tatsächliche Situation an den Schulen im Landkreis Tübingen von der Landesregierung erhalten. Stellungnahme Mit Schreiben vom 10. Oktober 1996 Nr. III/4 9531.0/51 nimmt das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport zu dem Antrag wie folgt Stellung: Vorbemerkung: Maßgeblich für die quantitative Beschreibung des Schulbereichs im Schuljahr 1996/97 sind die Ergebnisse der Erhebungen, die vom Statistischen Landesamt im Auftrag des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport im Herbst 1996 durchgeführt werden (Amtliche Schulstatistik). Zahlen für das laufende Schuljahr können deshalb nur entsprechend dem Fortschritt der Auswertungsarbeiten durch das Statistische Landesamt mitgeteilt werden. Erste Ergebnisse für die Schüler- und Klassenzahlen liegen voraussichtlich Ende 1996 vor. Zu 1.: Die Zahl der Schüler an den öffentlichen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen im Landkreis Tübingen im Schuljahr 1995/96 sowie deren Entwicklung seit dem Schuljahr 1975/76 ist in der Tabelle 1 der Anlage I dargestellt. 2
Zu 2.: Die Zahl der Lehrerwochenstunden hat sich in den letzten Schuljahren wie folgt entwickelt: Schulart Schuljahr 1990/91 Schuljahr 1994/95 Schuljahr 1995/96 Grund- und Hauptschulen 15.004 15.540 15.856 Realschulen 4.281 4.196 4.317 Sonderschulen 1.698 1.836 1.843 Gymnasien 8.397 8.915 9.001 Berufliche Schulen 5.433 5.486 5.640 Zu 3.: Der Stand der Relationen Schüler je Lehrer im Schuljahr 1995/96 sowie deren Entwicklung seit 1975/76 ist aus Tabelle 2 der Anlage I zu ersehen. Zu 4. und 5.: Im Landkreis Tübingen reichen nach den Feststellungen zum Abschluß der Lehrerzuweisung die zugewiesenen Lehrerstunden bei Grund-, Haupt-, Real- und Förderschulen für den nach Stundentafeln vorgesehenen Unterricht aus. Die meisten Schulen haben darüber hinaus noch Stunden für zusätzliche Unterrichtsangebote wie Chor, Orchester, Förderstunden, Arbeitsgemeinschaften u. a. erhalten. Bei den Schulen für Geistigbehinderte ist die Situation weiterhin schwierig. Dort konnten Lehrerstunden nicht in vollem Umfang zugewiesen werden. Um den Zeitrahmen von 34 Stunden bei Schulen mit Ganztagesangebot gewährleisten zu können, müssen wünschenswerte Differenzierungen entfallen. An den allgemeinbildenden Gymnasien im Landkreis Tübingen kann der Pflichtunterricht voll erteilt werden mit Ausnahme von gewissen fächerspezifischen Engpässen an zwei Gymnasien, insbesondere im Musikunterricht. Diese Engpässe sind krankheitsbedingt, wobei eine Krankheitsvertretung in Musik noch nicht gefunden werden konnte, bzw. mit darauf zurückzuführen, daß die Lehrerdeputate nicht exakt stundenweise entsprechend dem Bedarf der einzelnen Schule gestückelt zugewiesen werden können. Die Unterrichtssituation an den beruflichen Schulen des Landkreises Tübingen stellt sich differenziert dar. Während sich die Versorgung im kaufmännischen Bereich verbessert hat und an den gewerblichen Vollzeitschulen der Pflichtunterricht nahezu ohne Abstriche erteilt wird, sind an den Teilzeitschulen (duales System) wegen rascher struktureller Änderungen des Ausbildungsplatzangebots, dem sich rasch ändernden Berufswahlverhalten der Schüler und wegen fehlender Fachkräfte Kürzungen gegenüber der Stundentafel unvermeidbar; gewisse Engpässe sind auch noch im fachpraktischen Unterricht des hauswirtschaftlichen Bereichs zu verzeichnen. Zu 6.: Die Entwicklung der durchschnittlichen Klassengrößen an den öffentlichen Schulen im Landkreis Tübingen bis zum Schuljahr 1995/96 ist aus Tabelle 3 der Anlage I zu ersehen. Zu 7.: Die Altersstruktur der voll- und teilzeitbeschäftigten Lehrer ist differenziert nach Schularten auf Landesebene in der Tabelle in Anlage II dargestellt. Zum Ausweis der Altersstruktur der Lehrer im Landkreis Tübingen wären Sonderauswertungen des Statistischen Landesamts erforderlich. Es ist nicht zu erwarten, daß die Alters- 3
struktur des Lehrerbestands im Landkreis Tübingen sich grundsätzlich anders gestaltet hat als auf Landesebene insgesamt. Die Entwicklung der Altersstruktur des Lehrerbestands ist ein komplexer Prozeß, der insbesondere von folgenden Bewegungen abhängig ist: dem jährlichen Weiterrücken der einzelnen unterschiedlich stark besetzten Altersjahrgänge, den Abgängen aus dem Schuldienst entsprechend den gesetzlichen Regelungen für Pensionierung, Beurlaubung und Teilzeitbeschäftigung unter Berücksichtigung der Rückflüsse aus Beurlaubung und Teilzeitbeschäftigung, den Neueinstellungen von sog. Junglehrern auf freigewordenen und neu geschaffenen Stellen im Staatshaushaltsplan. Im Blick auf die derzeit in Vorbereitung befindlichen Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Eintritt in den Ruhestand und Teilzeitbeschäftigung und die Unsicherheit in den finanziellen Voraussetzungen für die Ressourcenentwicklung sind derzeit nur Tendenzaussagen zur weiteren Entwicklung möglich. Aufgrund der hohen Einstellungszahlen in den 60er und 70er Jahren sind die in der heutigen Altersgruppe der 40- bis 55jährigen Lehrer vertretenen Jahrgänge sehr stark besetzt. Jeder Altersjahrgang liegt in der Bandbreite von mindestens 3.000 bis zu 5.500 Mitgliedern. Im Vergleich dazu umfaßt der Einstellungsjahrgang 1996 rd. 1.700 Lehrer. Das Aufsteigen dieser stark besetzten Jahrgänge in höhere Altersgruppen wird dazu führen, daß das Durchschnittsalter des Lehrerbestands in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird. Nach Modellüberlegungen auf der Grundlage des Status quo könnte das derzeitige Durchschnittsalter aller Lehrer an den öffentlichen Schulen im Zeitraum 2000 bis 2002 sein Maximum mit bis zu 49 Jahren erreichen. Für die Schulen ist jedoch von Bedeutung, daß die Zahl der Junglehrer, die neu eingestellt und zugewiesen werden, von Jahr zu Jahr zunimmt. Die Zahl der freiwerdenden Stellen wird nach den Ergebnissen einer Modellrechnung auf der Grundlage des Status quo vom Jahre 1996 mit rd. 1.300 Stellen bis zum Jahre 2001 mit rd. 2.800 auf das Doppelte ansteigen und somit zu einer raschen Expansion bei allen Neueinstellungen führen. Damit werden sukzessiv die jungen Altersgruppen im Lehrerbestand quantitativ verstärkt. Zu 8.: Im Ergänzungsbereich werden die über den Pflichtbereich (Stundentafel) hinausreichenden Unterrichtsangebote zusammengefaßt. Mit der Neuregelung des Verfahrens der Lehrerzuweisung bei den Grund-, Haupt- und Realschulen ab 1994/95 sind die Zahlen für Zuweisungen für den Ergänzungsbereich nicht mehr vergleichbar. Ein wesentlicher Teil des Ergänzungsbereichs sind die Arbeitsgemeinschaften (einschl. Chor und Orchester). Die Zahl der Lehrerwochenstunden, die für diese Angebote verwendet werden, hat sich wie folgt im Landkreis Tübingen entwickelt: Schulart Schuljahr 1990/91 Schuljahr 1994/95 Schuljahr 1995/96 in Stunden in Stunden in Stunden Grundschulen 214 87 91 Hauptschulen 384 136 117 Realschulen 235 189 178 Gymnasien 468 438 406 4
Zu 9.: Die Bereitstellung des erforderlichen Schulraums ist grundsätzlich Angelegenheit des kommunalen Schulträgers. Dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport liegen keine Unterlagen über die Raumsituation an den einzelnen Schulen im Landkreis Tübingen vor. Dies könnte nur durch eine umfangreiche Erhebung bei den einzelnen Schulen ermittelt werden. Abgesehen vom zeitlichen und arbeitsmäßigen Aufwand könnte eine solche Erhebung an 94 allgemeinbildenden und beruflichen Schulen nur mit Einwilligung und Unterstützung des jeweiligen kommunalen Schulträgers im Landkreis Tübingen erfolgen. Generell kann aber gesagt werden, daß die räumliche Situation an den einzelnen Schulen unterschiedlich ist. Dies hängt in erster Linie von der Größe der vorhandenen Klassenräume und den aktuellen Klassenstärken ab. Einen Hinweis auf fehlende Schulräume können die der Schulverwaltung vorliegenden Zuschußanträge im Rahmen der Schulbauförderung geben. Im Jahre 1996 wurden vom Oberschulamt Tübingen folgende Schulbauprojekte, die noch nicht fertiggestellt sind oder bei denen mit dem Bau begonnen wurde, zur Förderung angemeldet: Schulträger Bauvorhaben 1. Gemeinde Ammerbuch Neubau der Hauptschule und Förderschule im Ortsteil Poltringen 2. Gemeinde Bodelshausen Erweiterung der Grund- und Hauptschule 3. Gemeinde Gomaringen Erweiterung der Schloßschule (Grund- und Hauptschule) 4. Stadt Rottenburg Erweiterung der Grund- und Hauptschule im Ortsteil Kiebingen 5. Gemeinde Starzach Erweiterung der Hauptschule im Ortsteil Börstlingen 6. Universitätsstadt Tübingen Neubau der Albert-Schweizer-Realschule 7. Universitätsstadt Tübingen Neubau der Grundschule am Hechinger Eck 8. Universitätsstadt Tübingen Erweiterung der Grundschule im Stadtteil Kilchberg Aufgrund des vorgesehenen Sonderprogramms Schulhausbau ist es vorbehaltlich der Schaffung der haushaltsmäßigen Voraussetzungen im Rahmen des 2. Nachtrags zum Staatshaushaltsplan 1995/96 möglich, in den genannten Fällen noch im Jahr 1996 einen Bewilligungsbescheid zu erteilen und den Landeszuschuß entsprechend Baufortschritt zeitnah auszubezahlen. Damit kann das Land die betroffenen Schulträger bei der Schaffung des erforderlichen Schulhauses wirksam unterstützen. Dr. Annette Schavan Ministerin für Kultus, Jugend und Sport 5