Protokoll Dialoge zur Stadtentwicklung STEP 05 Leben im Grenzbereich: Wie profitieren die Menschen von der Zusammenarbeit zwischen Wien und dem Umland? 23., Haus der Begegnung, Liesinger Platz 3 am 23. November 2004, 18.30 bis 21.00 Uhr Podium: Alfred Dorner, Kurt Mittringer (MA 18) Kommentator: Thomas Rottenberg (Standard) Moderation: Hanna Posch, Wolfgang Gerlich (PlanSinn) Diskussion entlang von Leitsätzen aus dem STEP: (1) Das Umland braucht seine Kernstadt nämlich die Stadt Wien. Umgekehrt braucht die Stadt Wien auch ihr Umland. Ein kooperatives Vorgehen bietet daher Vorteile für beide. (2) Regionalbuskorridore und Verlängerungen von Straßenbahnen, sowie Verbesserungen im S-Bahn-Netz, auf der Badner Bahn und beim P+R-System sollen Wien mit dem Umland besser verbinden. (3) Nach Nationalpark Donauauen und Biosphärenpark Wienerwald sollen auch die weiteren großen Landschaftsräume gemeinsam gesichert und entwickelt werden. (4) Betriebs- und Entwicklungsgebiete im Umland von Wien sollen sich auf wenige, aber sehr gut geeignete Standorte konzentrieren (Ausnahme: Einzelhandelsstandorte). Eine gemeinsame professionelle Standortvermarktung kann Vorteile für alle bringen. (5) Regional wirksame Einkaufszentren sollen nicht auf der grünen Wiese entstehen, sondern mit Siedlungen verknüpft werden. Der STEP 05 schlägt die Erarbeitung eines gemeinsamen regionalen Einzelhandelskonzeptes vor. (6) Als neues Steuerungsinstrument in der Kooperation zwischen Wien und dem Umland wird das Stadt-Umland-Management (SUM) eingerichtet. (7) Allgemeines zum STEP 05 1
Das Umland braucht seine Kernstadt nämlich die Stadt Wien. Umgekehrt braucht die Stadt Wien auch ihr Umland. Ein kooperatives Vorgehen bietet daher Vorteile für beide. - Problem Kaufkraftverlust in Wien - Attraktive Wohnformen für Kaufkräftige Kurt Mittringer: Viele jüngere Familien haben den Wunsch nach einem Einfamilienhaus mit Garten. Es wurde eine Studie zum Thema Wohnzufriedenheit durchgeführt, deren Resultate auch in den STEP 05 eingeflossen sind. Aber aufgrund des Prinzips des kompakten Bauens, kann den Wohnwünschen nicht zu 100 Prozent nachgekommen werden. Es wird verdichteten Flachbau und andere durchgrünte Wohnformen geben. Um die Kaufkraft in Wien zu halten, muss die Qualität der Stadt deutlicher gezeigt werden. Die Vorteile einer gewissen Dichte müssen beworben werden z. B. die kurzen Wege. Speziell für die älter werdende Bevölkerung in Wien wird diese Qualität wieder wichtiger. Regionalbuskorridore und Verlängerungen von Straßenbahnen, sowie Verbesserungen im S-Bahn-Netz, auf der Badner Bahn und beim P+R-System sollen Wien mit dem Umland besser verbinden. - Tarifgestaltung für Regionalbusse ungünstig; Streifenkarte > Ortstarif kein Übergang - Steckdosen bei P+R Anlagen (für Elektroautos und alternative Verkehrsmittel) - Einkaufen fahren: Alternativen forcieren (Klimaschutz) - Regionalbuskorridore haben schon funktioniert werden rasch umgesetzt Alfred Dorner: Der Verkehrsverbund Ostregion (VOR) arbeitet an einer Tarifreform. Die Anzahl der Zonen soll verringert werden und dadurch günstigere Tarife für die einzelnen Zonen entstehen. Die Umsetzung dieser Tarifreform ist für nächstes Jahr geplant. Kurt Mittringer: Aussagen zum Thema der Auflademöglichkeiten für Elektro-Autos wurden derzeit im STEP 05 verabsäumt. Aber derartige generelle Hinweise können z.b. im Zusammenhang mit der nachhaltigen Entwicklung untergebracht werden. Alfred Dorner: E-Autos sind nur dort zu befürworten, wo der Strom über erneuerbare Energien zur Verfügung gestellt wird. Ansonsten wird eine ökologische Verbesserung nur direkt vor Ort, wo die Autos unterwegs sind, erzielt. Noch wichtiger ist bei dieser Thematik die Bewusstseinsbildung. Z. B. gibt es in die NÖ die Aktion Verkehrssparen. In Wien gab es für das Verkehrskonzept 94 eine Untersuchung der Sozialdata die prüfte, wie viele der alltäglichen Wege mit dem Auto auf andere Verkehrsmittel verlagerbar wären. Mehr als die Hälfte der Wege werden aus subjektiven Gründen mit dem Auto zurückgelegt, und nicht weil es unbedingt erforderlich ist. Ziel ist es, den ÖV auszubauen und zu verbessern sowie die Möglichkeiten für die Fahrradbenutzung zu verbessern. 2
Betriebs- und Entwicklungsgebiete im Umland von Wien sollen sich auf wenige, aber sehr gut geeignete Standorte konzentrieren (Ausnahme: Einzelhandelsstandorte). Eine gemeinsame professionelle Standortvermarktung kann Vorteile für alle bringen. - Warum nur wenige Standorte? In Wien und im Umland wenige Standorte? - Was sind die Grundprinzipien der Siedlungsentwicklung, insbesondere im Süden: Formen, Dichten,...? - Was sind die aktuellen Trends und Herausforderungen in Bezug auf Stadtentwicklung/ Siedlungsentwicklung? Alfred Dorner: Sowohl in Wien als auch im Umland wurden konzentriert Standorte ausgewiesen, da es nicht viele Standorte gibt, die die für solche Entwicklungen notwendigen Kriterien erfüllen. Gut ist es, solche Standorte auch mit z. B. Wohn- und Freizeitangeboten zu mischen, sodass ein möglichst attraktiver Anschluss durch den ÖV möglich wird. Eine große Streuung der Standorte wäre auch aufgrund des großen Flächenbedarfs nachteilig. Kurt Mittringer: Es gibt ein Leitbild für die bauliche Entwicklung im Süden Wiens. Die Festlegungen für die Dichte bewegen sich dort zwischen eins und zwei (Geschoßflächenzahl) entlang der Entwicklungsachsen, und zwischen 0,3 und 1 im übrigen Gebiet. Punktuell sind z. B. bei U-Bahn-Stationen auch höhere Dichten vorgesehen. Aktuell beträgt die Dichte in den Gründerzeitvierteln durchschnittlich 2,7 (entspricht ca. 3 4 Geschossen im Altbau). Die schraffiert eingezeichneten Flächen markieren Potenzialflächen, wo mögliche Umnutzungen in Diskussion sind. Die Art der Entwicklung wird hier aber noch offen gelassen. In Abhängigkeit von Ausbau und Anschluss an den ÖV, sowie der Nachfrage wird dann festgelegt, welche Nutzungen dort sinnvoll sind. Es wird also nur die Dichte festgelegt, aber nicht was und wie dort gebaut wird. Kurt Mittringer: In allen mitteleuropäischen Ländern sind derzeit Industrie- und Gewerbenutzungen rückläufig. Die Ausgangslage in Wien ist, dass Wien von Haus aus keine Industrie-, sondern eine Handels- und Verwaltungsstadt war und ist. Aktuell nimmt der Dienstleistungsbereich zu. Deshalb wurden auch keine großflächigen Vorhaltegebiete für Industrieund Gewerbeflächen vorgesehen. Dargestellt wird diese Thematik im funktionalen Wirtschaftsleitbild. Dort werden Angebote für Büroflächen ausgewiesen. Nicht vernachlässigt werden darf die Bestandspflege der existierenden Industrie- und Gewerbeflächen, z. B. kleinteiliges Gewerbe im dicht bebauten Gebiet, großflächige Industriegebiete und die Nutzung bestehender Gleisanlagen. Regional wirksame Einkaufszentren sollen nicht auf der grünen Wiese entstehen, sondern mit Siedlungen verknüpft werden. Der STEP 05 schlägt die Erarbeitung eines gemeinsamen regionalen Einzelhandelskonzeptes vor. - Realität schaut anders aus z. B. Zone Badner Bahn bis SCS; Ist der Zug nicht schon abgefahren? - Grenzen der Planung: Kompetenzlage Umlandgemeinden Kurt Mittringer: Es besteht die Aussicht, nächstes Jahr gemeinsam mit NÖ ein Einzelhandelskonzept zu erarbeiten. Auch dort wo der Zug scheinbar schon abgefahren ist, gibt es noch Chancen. Z. B. wurden durch Nischenspezialisierungen auch schon tot geglaubte Geschäftsstraßen wieder belebt. 3
Alfred Dorner: Es gibt auch Bereiche in Wien, wo der Zug noch steht oder gerade erst anrollt z. B. im NO Wiens. Karl Glotter: Drei Beispiele dafür, dass die Planung der Realität nicht hinterher hoppelt : 100 Jahre Wald- und Wiesengürtel, Wohnbau im roten Wien, Donauinsel all das sind Beispiele dafür, dass es notwendig ist, dass planende Menschen neue Ideen entwickeln und diese dann auch umgesetzt werden. Alfred Dorner: In der Realität entscheiden BürgermeisterInnen der Umlandgemeinden, wo und welche Art von Bauland ausgewiesen wird. Besonders schmerzhaft ist es, wenn es bei Entscheidungen zum Einzelhandel Alleingänge gibt. Es gibt positive Beispiele in Deutschland, wo Einzelhandelskonzepte für eine Region erfolgreich umgesetzt wurden z. B. in der Region Ost-Westfalen Lippe: dort einigten sich 38 von 40 beteiligten Gemeinden in einem intensiven Diskussionsprozess auf ein gemeinsames Einzelhandelskonzept. Allerdings sind die Trends im Einzelhandel derzeit so stark, dass das Rad auch nicht zurück gedreht werden kann. Aber es sollen die stärksten Auswüchse verhindert werden. Als neues Steuerungsinstrument in der Kooperation zwischen Wien und dem Umland wird das Stadt-Umland-Management eingerichtet. - Wie können BürgermeisterInnen der Umlandgemeinden zum Verzicht bewegt werden? - Wann und wo läuft Diskussion zu Steuerungsinstrumenten? - Wie kann SUM tatsächlich zu den zentralen Themen Verkehr, Einkaufen, Bauen, Betriebsansiedlungen, Sicherung von Grünräumen etwas weiterbringen? - SUM muss Bewusstseinsbildung leisten! - Steuerung für Industriegebiete analog Wohnbauförderung? - Zwangsmittel auf legistischem Weg? Gemeinsam entwickeln? Kurt Mittringer: Wir kennen die Kräfte, die hinter solchen Entscheidungen stehen. Leider ist Nicht-Kooperation ein häufiges Modell bei Entscheidungen zur Standortansiedlung. Eine entscheidende Rolle spielen hier die Budgetrückflüsse für die jeweiligen Gemeinden. Solange das nicht anders geregelt wird, ist es schwierig neue Lösungen zu finden. Möglichkeiten wären z. B. eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, oder eine freiwillige Nachverteilung der Budgetrückflüsse durch die (und zwischen den) Gebietskörperschaften. Im STEP 05 wird aber keine Diskussion über neue Planungsinstrumente geführt. Kurt Mittringer: Gleichzeitig mit der Erarbeitung des STEP 05 wurde der Strategieplan für Wien aktualisiert. Das ist ein programmatisches Werk, das politische Vorhaben in Bezug auf die Stadtentwicklung beschreibt. Dort wird das Thema der direkten Umsetzungspolitik behandelt. Deshalb fokussiert der STEP 05 auf räumlich fassbare Themen. Z. B. sind Bildung und Kultur programmatische Elemente, die eingehender im Strategieplan behandelt werden. Alfred Dorner: Das SUM kann Diskussionen zu solchen Themen vorantreiben. Das SUM trägt auch zur Versachlichung solcher Diskussionen bei. Das SUM bietet eine Plattform für Ideen, aus denen in weiterer Folge Projekte werden können. Das SUM ist auf jeden Fall ein Instrument das positive Ansätze in diese Thematik bringt. 4
Hr. Hacker (Regionalmanager Süd): Das SUM ist ein Instrument der Kommunikation; auch die Bewusstseinsbildung ist eine wichtige Aufgabe des SUM. Speziell im Bereich der Planung gibt es ein Kommunikationsdefizit zwischen den AkteurInnen. SUM kann diesbezüglich einen positiven Beitrag leisten. Die PGO (Planungsgemeinschaft Ost) hat in letzter Zeit Positives geleistet z. B. die Wienerwalddeklaration. Kurt Mittringer: Industriegebiete entziehen sich dem Instrumentarium der Wohnbauförderung. Z. B. fehlen beim Industriegebiet Liesing Einrichtungen zur sozialen Infrastruktur (Einzelhandel, Grünflächen). Dieser Mangel kann durch monetäre Förderungen nicht beeinflusst werden. Aber durch die Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung kann mittelfristig versucht werden, die Entwicklung zu beeinflussen. Andreas Hacker (Regionalmanager): Zwang ist nicht unser Zugang. Bsp. Mödling: vor ca. fünf Jahren entstand durch die ungünstige Entwicklung in den Gemeinden die Bereitschaft zur Kooperation. Inzwischen wurde schon einiges erreicht. Schwierig ist es in Gebieten etwas zu erreichen, wo Goldgräberstimmung herrscht. SUM ist ein Konzept mit dem es gelingen kann, einen gemeinsamen Blick zu entwickeln und dann braucht es geeignete Instrumente, die eine Umsetzung ermöglichen. Vor kurzem erfolgte eine Exkursion nach Hannover, die zeigte, dass der dortige Prozess ca. 20 bis 30 Jahre gedauert hat. Solche Entwicklungen brauchen einfach Zeit. Alfred Dorner: Der Prozess läuft in beide Richtungen bottom up und top down. Maßnahmen der Raumordnung alleine funktionieren nicht, wenn nicht begleitend entsprechende Bewusstseinsbildung betrieben wird. Im Süden Wiens wurde diesbezüglich einiges bewirkt. Im Norden ist es schwieriger, weil hier derzeit besagte Goldgräberstimmung herrscht. Aber auch im Norden Wiens gibt es eine Regionalmanagerin, die schon wesentlich zur Versachlichung der Diskussion beigetragen hat. Kurt Mittringer: Kooperationsmodelle müssen auf Freiwilligkeit basieren. Der STEP 05 ist eine Plattform, um die Diskussion in Gang zu bringen. In der Überarbeitung des STEP 05 sollen diese Themen durchaus profilierter und härter formuliert werden. 5
Allgemeines zum STEP 05 - STEP 05 braucht profilierte Aussagen: härter, deutlicher was geht, was nicht... - Forderung E-Autos durch Steckdosen bei P+R - Was leistet STEP 05 für den Klimaschutz? Kurt Mittringer: Von Beginn an wurde bei der Erarbeitung des STEP 05 in Fachworkshops der Dialog mit ExpertInnen gesucht. Von Ihnen wurden Meinungen zu speziellen Entwicklungen und Studien zu den jeweiligen Themen eingeholt. Auch die Programmpunkte des Klimaschutzprogramms 2000 wurden in den STEP 05 eingearbeitet. Dies erfolgte in Kooperation mit z. B. der Umweltanwaltschaft. Es gibt aber auch viele Beispiele für vorgeschlagene Maßnahmen, die das Thema Klimaschutz nur indirekt betreffen. So ist z. B. das Thema Gehsteigbreiten nicht relevant für den CO 2 -Ausstoß, leistet aber einen wesentlichen Beitrag zur Attraktivierung des zu Fuß gehens; auch die Thematik Stadt der kurzen Wege leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Alfred Dorner: Grundsätzlich basieren die Maßnahmen des STEP 05 auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Auf Ebene des STEP 05 sind vor allem durch Maßnahmen zur Stadtstruktur Beiträge zur Minderung des CO 2 -Ausstoßes möglich, wie z. B. kompaktes Bauen, Siedlungsgrenze, kompakte Betriebsgebiete mit attraktiver ÖV-Versorgung. Kurt Mittringer: Beim Wohnbau ist es so, dass die Form der Niedrigenergie-Bauweise in Wien bereits Standard ist (gekoppelt an die Wohnbauförderung). Karl Glotter: Auch durch das Prinzip Brownfields vor Greenfields (nach dem zuerst Brachflächen von Bahnhöfen oder Industrien und dann erst Grünland verbaut wird) wird durch die Schonung der Bodenressourcen ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Weiters tragen zum Klimaschutz bei: erst dort bauen, wo Anbindung an ÖV gegeben; ÖV vor MIV; Aufnahme von Programmpunkten aus dem Netzwerk Natur (MA 22) in den STEP 05; Wasser in der Stadt bewahren und schonen; Versickerungsfähigkeit fördern! Der STEP 05 ist angewandtes Klimaschutzprogramm. 6