SCHWERPUNKT: MARKENKOMMUNIKATION _SCHWEIZER BANKEN Götzendämmerung Das Schweizer Banking war einst eine starke Marke. Finanzkrise, Steuerstreit und Indiskretion haben sie beschädigt. Was nun? Eine Bildergeschichte. Text: Ingo Malcher Foto: Mark Henley / Panos Pictures Es gab eine Zeit, da hießen Banker Bankiers, und keiner von ihnen war so verschwiegen wie ein Schweizer. Das ist sogar Gesetz: Wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Organ, Angestellter, Beauftragter oder Liquidator einer Bank, als Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragter der Bankenkommission, als Organ oder Angestellter einer anerkannten Revisionsstelle anvertraut worden ist oder das er in dieser Eigenschaft wahrgenommen hat, wer zu einer solchen Verletzung des Berufsgeheimnisses zu verleiten sucht, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit Buße von mehr als 1 Million Franken bestraft. So weit der inzwischen leicht reformierte Artikel 47/1 aus dem Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen von 1934. Über Jahrzehnte war Swiss Banking ein Synonym für Diskretion und Verlässlichkeit. Doch inzwischen werden CDs mit Kundendaten gehandelt, interne Unterlagen aus Geldinstituten geraten auf seltsamen Wegen an die Öffentlichkeit, und selbst die Banken mussten nach Androhung drakonischer Strafen seitens der US-Behörden Kundendaten an die Finanzämter verraten. Als wäre der Steuerstreit mit dem Rest der Welt noch nicht genug, trübt auch die Finanzkrise die Stimmung. Milliarden Euro mussten abgeschrieben werden. Die Margen im Privatkunden - geschäft fallen. Allein die beiden Großbanken UBS und Credit Suisse planen, zusammen rund 7400 Stellen abzubauen. Es schlägt die Stunde der Wahrheit: Was bleibt vom Swiss Banking ohne das Bankgeheimnis? Rolf Bögli, COO für das Privatkundengeschäft bei Credit Suisse, und Claude-Alain Margelisch, Chef der Ban - kiervereinigung, betreiben Image-Pflege. 80 BRAND EINS 02/12
SCHWERPUNKT: MARKENKOMMUNIKATION Die Heimat des Geldes. Paradeplatz in Zürich, links UBS, rechts Credit Suisse. brand eins: Ist Swiss Banking eine Marke oder ist es Marketing? Rolf Bögli: Ich würde sagen, dass Swiss durchaus eine Marke ist. Der Begriff steht weltweit für Vertrauenswürdigkeit, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Planbarkeit, Stabilität, Innovation. Das haben wir uns nicht ausgedacht, sondern über Jahrzehnte hinweg erarbeitet. Und diese Begriffe, zusammengebracht mit Banking, machen die Schweizer Finanzbranche aus. Nur nicht ausrutschen. 147 000 Menschen arbeiteten 2010 im Schweizer Finanzsektor, 3,2 Prozent aller Beschäftigten des Landes. Die Wertschöpfung pro Mitarbeiter beträgt 258 450 Franken. Nur die Kollegen in Luxemburg sind mit 343 300 Franken noch effizienter. brand eins: Weltweit stehen die Banken unter Druck. Wie reagieren Sie in der Schweiz darauf? Bögli: In den vergangenen Jahren sind die Margen konti - nuierlich gesunken. Das liegt an steigenden Kosten, am Marktumfeld und am Kundenverhalten: Die Finanzkrise hat viele vorsichtiger gemacht, sie kaufen simplere Produkte oder vielleicht Immobilien. Andererseits steigen die Anforderungen: Neue Auflagen verlangen Investitionen in IT- Systeme, in die Kontrollen und in die Ausbildung unserer Miarbeiter. Wir haben Kunden in 100 Ländern, die es gesetzeskonform zu beraten gilt. BRAND EINS 02/12 81
Undurchsichtige Anlagen. Schweizer Banken verwalteten Anfang 2008 rund 4700 Milliarden Franken an Kundengeldern, knapp die Hälfte davon aus dem Ausland. Rund 30 Prozent der weltweiten Privatvermögen sind dort angelegt. Im Jahr 2010 erwirtschaftete die Finanzbranche elf Prozent des Bruttoinlandsproduktes, in Deutschland sind es knapp vier Prozent. Trotzdem muss John Cryan, Finanzchef der UBS (oben) enttäuschende Jahresergebnisse für 2010 vorlegen. 82 BRAND EINS 02/12
SCHWERPUNKT: MARKENKOMMUNIKATION Wo ist oben, wo ist vorn? Hauptversammlung der Credit Suisse 2011 brand eins: Hat das Swiss Banking noch eine Zukunft? Bögli (oben im Bild auf dem Poster): Die weltweite Finanzindustrie befindet sich im Wandel. Derzeit gibt es eine große Unsicherheit auf den Finanzund Geldmärkten, was die wirtschaftlichen, politischen und regulatorischen Entwicklungen betrifft. In Europa bringt zudem die Schuldenkrise Strukturänderungen mit sich, deren Auswirkungen auf die dort tätigen Finanzinstitute noch ungewiss sind. Den Schweizer Finanzplatz sehe ich im inter - nationalen Vergleich aufgrund der Dienstleistungs-Qualität sowie der politischen und wirtschaftlichen Stabilität als sehr gut aufgestellt. Die Kapitalanforderungen der Schweizer Banken gehören zu den strengsten weltweit, das erhöht das Vertrauen. Zudem gründet die Stärke des Finanzplatzes Schweiz schon lange nicht mehr allein im Vermögensverwaltungsgeschäft. Gerade vermögende Privatkunden wollen heute auch Zugang zu einer breiten Dienstleistungs- und Produktepalette aus dem Investment Banking und dem Asset Management. Da können international tätige Banken wie die Credit Suisse viel bieten. Der handliche Koffer. Nicht jeder, der einen Koffer durch die Zürcher Bahnhofstraße (links) trägt, wird als Transporteur von Schwarzgeld verdächtigt. Tatsache bleibt, dass Steuerhinterziehung in der Schweiz ein Delikt ist, keine Straftat. Über Jahre hinweg weigerten sich daher die Behörden, ausländischen Fahndern Amtshilfe zu leisten. Schließlich drohte der frühere deutsche Finanzminister Peer Steinbrück mit der Kavallerie. Im vergangenen Jahr einigten sich Deutschland und die Schweiz auf die Abgeltungssteuer: Während die Namen der Kontoinhaber geheim bleiben, fließt doch Geld an den heimischen Fiskus. Noch muss der deutsche Bundesrat das Abkommen ratifizieren. brand eins: Was war wichtiger, um Kunden zu locken, die Marke Swiss Banking oder das Bankgeheimnis? Bögli: Sicherlich hat das Bankgeheimnis dazu beigetragen, dass ausländische Vermögen in die Schweiz geflossen sind. Aber Geschäftsmodelle, die auf Steuervorteilen beruhen, haben keine Zukunft. Vertrauen ist die Basis in unserem Geschäft. Aus diesem Grund erachte ich Faktoren wie Kompetenz, Stabilität und Verlässlichkeit als viel wichtiger für den Erfolg. Dies nicht nur für die Banken, sondern auch für die Volkswirtschaft. So ist beispielsweise die Staatsverschuldung in der Schweiz gering, unsere Demokratie gefestigt, die Währung stark. Das führt dazu, dass Kunden aus dem Ausland ihr Vermögen weiterhin in der Schweiz anlegen wollen. BRAND EINS 02/12 83
Das Spiel ist aus. 2008 nahmen die USA die UBS ins Visier. Der Vorwurf: Beihilfe zur Steuerhinterziehung. In dem Streit gingen die Amerikaner wenig zimperlich zur Sache und drohten die Großbank zu verklagen. Am Ende zahlte die UBS 780 Millionen Dollar an die USA und gestand damit praktisch ihre Schuld ein, wohlhabenden Amerikanern dabei geholfen zu haben, Geld am Fiskus vorbeizuschleusen. Zusätzlich übermittelte sie über die Schweizer Behörden die Daten der US-Kunden. Es war der Sündenfall und der Anfang vom Ende für das Schweizer Bankgeheimnis. Inzwischen hat die UBS ihr Privatkundengeschäft in den USA aufgegeben. 84 BRAND EINS 02/12
Schlapphüte mit Jagdinstinkt. Die USA gehen massiv gegen Steuerflüchtlinge vor. Anfang Januar 2012 zwangen sie elf Schweizer Banken, ihnen rückwirkend vom Jahr 2000 an alle Angaben über amerikanische Kontoinhaber zu übergeben. Die Institute übermittelten die Daten, nur die Namen schwärzten sie. Die vollständigen Listen schickten sie dem Justizministerium in Bern. Jetzt muss die Regierung entscheiden, ob sie die Namen ausliefern will. Viele Schweizer Banker reisen nicht mehr in die USA. Bad Bank. Die Skandalbank vom Zürisee nannte die»frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung«die UBS, deren Domizil am Paradeplatz liegt. Im Jahr 2007 strotzte sie noch vor Kraft. Mit 1,6 Billionen Dollar verwaltete sie mehr Geld als jedes andere Geldinstitut der Welt. Aber ihre Investmentbank-Sparte hatte sich mit Subprime-Papieren verzockt und musste während der Finanzkrise Milliarden abschreiben. Keine andere europäische Bank hat in diesem Geschäft so viel Geld verloren. Zuerst musste sie unfassbare 13 Milliarden Franken bei Aktionären einsammeln. Doch 2008 meldete sie abermals Milliardenverluste, war praktisch pleite und musste gerettet werden. Bis zu 68 Milliarden Franken kostete das den Staat. Das Institut war plötzlich eine Bedrohung: 2007 betrug die Bilanzsumme der UBS fünfmal so viel wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz.
Auf der Sonnenseite. Die Lage im Café Leo in der Zürcher Bahnhofstraße (Bild oben) ist ernst, aber nicht hoffnungslos. brand eins: Was können Schweizer Banken, was andere nicht können? Claude-Alain Margulisch: Anders als bei Produkten bleibt bei uns zwar die Marke gleich, aber der Inhalt verändert sich. Nehmen Sie Coca-Cola, das hat sich nie verändert, seit Jahrzehnten wird dasselbe Rezept verwendet. Bei uns ist es anders. Die Marke bleibt, aber die Dienstleistungen dahinter entwickeln sich weiter. Als ich vor 18 Jahren bei der Bankiervereinigung angefangen habe, war etwa das Emissionsgeschäft sehr bedeutend. Das gibt es heute kaum noch, weil sich die Branche verändert hat und sich viele Institute auf die Vermögensverwaltung konzentriert haben. Ein weiteres Merkmal ist die Universalität: Wir waren immer in der Lage, unseren Kunden Devisen zu liefern, weil die Schweiz nie Devisenkontrollen hatte. In anderen Ländern, etwa Italien, war es nur möglich, Transaktionen in Lira zu tätigen. Sie konnten bei uns auch jederzeit ein Konto in Dollar haben. Diese Offenheit, diese Flexibilität, das macht die Marke Swiss Banking aus.
SCHWERPUNKT: MARKENKOMMUNIKATION Kopf hoch! Auch wenn sich zum Pech noch das Unglück gesellt. brand eins (per E-Mail): Bleibt es bei dem Termin am Dienstag? Antwort der Pressesprecherin einer Privatbank: Sehr geehrter Herr Malcher. Leider müssen wir aufgrund der aktuellen Lage den Termin absagen. Tage zuvor wurde in den USA Anklage gegen vier Mitarbeiter der Bank erhoben. Der Vorwurf: Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Die Bank hatte anscheinend einige Kunden der UBS nach deren Rückzug aus den USA übernommen. Die Konkurrenz schläft nicht. Der gute Ruf der Schweiz mag die Aktionäre der UBS beeindrucken im Ausland hilft auch das nicht mehr: Eine gewisse Prämie bringt die Swissness weiterhin, schreibt Teodoro Cocca, Professor für Bankenwesen in Linz, aber die teilweise bedeutenden Preisunterschiede zwischen Schweizer Private-Banking-Anbietern und lokalen Wettbewerbern im Ausland erscheinen trotz allem Wohlwollen nicht mehr gerechtfertigt. Solange auf der Ebene der Netto-Performance für den Kunden kein Unterschied zwischen der Leistung der schweizerischen Privatbank und seiner heimischen Sparkasse festzustellen ist, schwindet das Argument einer Schweizer Prämie. BRAND EINS 02/12 87