306 Bodlak, Das neue St. Galler Managementmodell ein Projekt an Wiener Pflichtschulen Reinhard Bodlak Das neue St. Galler Managementmodell ein Projekt an Wiener Pflichtschulen Summary: Der Beitrag stellt das neue St. Galler Managementmodell vor, das an 9 Wiener Pflichtschulen (7 Volksschulen, 1 Neue Mittelschule, 1 Sonderpädagogisches Zentrum), im Rahmen eines Pilotprojekts im Schuljahr 2013/ 14, als Führungsinstrument für die Schulleitung und das mittlere Management erprobt und implementiert wurde. Einerseits sollen in der Folge der Aufbau des Modells dargestellt, sowie Rückmeldungen und Stellungnahmen der Beteiligten erörtert werden. Einleitung Aus der Beratungspraxis - Das St. Galler Management-Modell zur Führung einer Schule Sie stellten sich vielleicht auch schon die Frage: Gibt es Werkzeuge, die Sie als Schulleiter/in und Ihr Schulentwicklungsteam dabei unterstützen, einen möglichst gesamthaften und vernetzten Blick auf Ihre Organisation zu richten? Das St. Galler Management-Modell ist mit einer Karte oder einem Plan vergleichbar. (vgl. Dubs, 2005a, S. 23) Es bietet einen Ordnungsrahmen für das Verständnis logischer Verbindungen und Wirkungszusammenhänge und eignet sich für eine ganzheitliche Beschreibung der Organisation. Aufgrund der gemeinsamen Fokussierung und einer gemeinsamen Sprache, schafft es die Möglichkeit einer verstärkten kollektiven Handlungsfähigkeit. Das Wichtigste aber ist, es vermittelt keine Rezepte oder fertige Lösungen. Das Bewältigen von Herausforderungen bleibt Führungsaufgabe. Im Rahmen eines Schulentwicklungsprojektes des Instituts für Allgemeine Pflichtschulen, an der Pädagogischen Hochschule Wien, wurde das St. Galler Management-Modell im SJ 2013/ 14, von Oktober 2013 Mai 2014 an 9 Allgemeinen Pflichtschulen (VS, SPZ und KMS) in Wien implementiert und erprobt. Die Schulen wurden von Schulentwicklungsberatern/ -beraterinnen während des gesamten Entwicklungsprozesses begleitet. Zur Halbzeit erfolgte eine Zwischenevaluation durch die Projektleitung in Form von Einzelinterviews. Diese Einzelinterviews dienten zur weiteren Steuerung des Gesamtprojektes. Die Schulentwicklungsberater/ -beraterinnen wurden in das Modell eingeführt und je nach Bedarf gecoacht. Ende Mai 2014 erfolgte der vorläufige Abschluss-Workshop (inkl. Evaluation), zu dem wieder die Schulteams eingeladen wurden. Erziehung und Unterricht März/April 3-4 2012
Bodlak, Das neue St. Galler Managementmodell ein Projekt an Wiener Pflichtschulen 307 Projektarchitektur: Einführung des neuen St. Galler Managementmodells an 9 Wiener Pflichtschuen Das neue St. Galler Managementmodell zur Führung einer Schule Das neue St. Galler Managementmodell soll Führungskräften dazu dienen, ihre Organisation ganzheitlich zu betrachten, um die wesentlichen Beziehungen und Abhängigkeiten leichter nachvollziehen zu können. Schule wird hier als ein dynamisch-soziales System gesehen. Dieses steht in unterschiedlichsten Beziehungen zu seiner Außenwelt und hat seine Tätigkeiten mit den verschiedenen Anspruchsgruppen auszuüben, die jeweils ihre eigenen Anliegen und Interessen vertreten. Auch im Innenverhältnis stellt sich Schule als ein System dar, das als ein komplexes soziales Interaktionssystem betrachtet, aus einer Vielzahl von Beziehungen und Wechselwirkungen besteht (vgl. Capaul & Seitz, 2011, S. 24 f). Eine Vielzahl von Beziehungen und Wechselwirkungen beeinflusst maßgeblich die Komplexität und Dynamik eines Systems. Rüegg-Stürm (vgl. Rüegg-Stürm, 2003, S. 18 f) bezeichnet dann ein System als komplex, wenn zwischen den Elementen eines Systems vielfältige und nicht ohne weiteres überschaubare Beziehungen und Wechselwirkungen bestehen, wenn sich diese Beziehungen und Interaktionen aufgrund eines gewissen Eigenverhaltens der Systemelemente und verschiedener Rückkopplungen in ständiger, nur sehr begrenzt vorhersehbarer Entwicklung befinden und wenn das Systemverhalten aus dem Zusammenwirken der Verhaltensweisen der Systemelemente hervorgeht und diese Interaktionen auf gewachsenen Mustern beruhen. Das lässt den Rückschluss zu, dass das Verhalten und die Entwicklungen von Schulen nur vage vorhersagbar sind. Die Prozesse in einer Schule sind aber auch nicht nur chaotisch, denn dann wäre ein Sinn stiftendes Arbeiten nicht möglich und sie könnten ihrem Auftrag nicht nachkommen. Vor allem in komplexen Systemen braucht es ordnende Kräfte und Regeln, die zu bestimmten Formen der Zusammenarbeit und Kommunikation, zu Prozessabläufen, Rollenerwartungen, Zielvorstellungen und Erziehung und Unterricht
308 Bodlak, Das neue St. Galler Managementmodell ein Projekt an Wiener Pflichtschulen Handlungsplänen zwischen den Mitgliedern beitragen (vgl. Capaul & Seitz, 2011, S. 26). Nach Capaul & Seitz (vgl. Capaul & Seitz, 2011, S. 26) lassen sich Schulen wie folgt definieren: Schulen sind soziale Systeme. Das Entscheidende ist die langfristige Wirkung, die in Form von Lehr und Lernprozessen erzielt wird. Eine wichtige Funktion von Schule ist die Sozialisation der Schüler/innen. Schulen sind zweckorientierte Systeme. Die Zielvorstellungen und Interessen unterschiedlicher Anspruchsgruppen müssen gleichzeitig erfüllt werden. Schulen sind wirtschaftliche Systeme, d.h. es sollte möglichst kostengünstig ein möglichst hoher Bildungsnutzen erzielt werden. Schulen sind sozio-technische Systeme, die Menschen in diesem System verwenden auch technischen Hilfsmittel um ihre Leistungen zu erbringen. Im Folgenden soll die Komplexität und die Abhängigkeiten der Organisation Schule mit Unterstützung durch das neue St. Galler Managementmodell, welches wiederum nur eine Reduktion der Wirklichkeit sein kann, dargestellt werden. Darstellung des neuen St. Galler Management Modells (vgl. Dubs, 2005b, S. 23) Aus dem Verständnis, Führung als eine Funktion des Gestaltens, Lenkens und Entwickelns zu sehen, wurden im Modell zentrale Begriffskategorien entwickelt. Diese sechs zentralen Begriffskategorien lauten wie folgt: Umweltsphären, Anspruchsgruppen, Interaktionsthemen, Ordnungsmomente, Prozesse und Entwicklungsmodi. Erziehung und Unterricht März/April 3-4 2012
Bodlak, Das neue St. Galler Managementmodell ein Projekt an Wiener Pflichtschulen 309 Abbildung 1 Das neue St. Galler Management Modell in Anlehnung an Rüegg-Stürm 2003, S 22 Umweltsphären Ausgangspunkt für die Gestaltung der Bildungspolitik, sowie der Entwicklung einer einzelnen Schule ist die Auseinandersetzung mit den vier Umweltsphären Gesellschaft, Wirtschaft, Natur und Technologie (vgl. Dubs, 2005b, S. 25). Sie spielen bei strategischen Überlegungen eine bedeutende Rolle. Die umfassendste Umweltsphäre ist die Gesellschaft, die aufgrund permanent geführter gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen darüber entscheidet, wie die anderen Sphären wahrgenommen werden und welche Schlussfolgerungen sich daraus auf die Bildungspolitik und die einzelnen Schulen ergeben (vlg. Dubs, 2005b, S. 25). Die Umweltsphäre Wirtschaft erwartet in der Arbeitswelt leistungsfähige Menschen. Die Ansprüche der Wirtschaft an Schulen sind u.a. Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Teamarbeit, diese sind bei der Auswahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Wirtschaftsbetrieben von hoher Bedeutung (vgl. Dubs, 2005b, S. 36). Technologie und Natur sind besonders in den letzten Jahren für den Unterricht immer wichtiger geworden. Der Einsatz von neuen Medien ist aus einem modernen Unterricht nicht mehr wegzudenken. Der Erziehung zu einem verantwortungsbewussten und nachhaltigen Umgang mit der Natur wird heute im Unterricht vermehrt große Aufmerksamkeit geschenkt. Anspruchsgruppen Sämtliche sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Kräfte der Gesellschaft mit ihren Erwartungen, sowie die lehrenden und lernenden Menschen - mit ihren individuellen Voraussetzungen - treffen sich an einem Ort, der Schule (vgl. Dalin, Rolff, & Buchen, 1988, S. 109). Anspruchsgruppen sind solche, die entweder einen bestimmten Einfluss auf die Schule ausüben (BMBF, SSR, Wissenschaft,...) oder solche die von der Schule beeinflusst werden (Schüler/innen, Lehrer/innen, Eltern,...). Interaktionsthemen Das sind jene Ansprüche oder Zuwendungen, welche die Anspruchsgruppen an die Schulen herantragen (z.b. Forderungen der Eltern) oder Unterstützungen, die sie den Schulen gewähren (z.b. finanzielle Mittel). Die Interaktionsthemen stehen zwischen den Umweltsphären und den Schulen, weil die Anspruchsgruppen ihre Anliegen gegenüber den Schulen aus den gesellschaftlichen Entwicklungen ableiten und mit ihren Vorstellungen und Werten rechtfertigen (vlg. Dubs, 2005b, S. 26). Erziehung und Unterricht
310 Bodlak, Das neue St. Galler Managementmodell ein Projekt an Wiener Pflichtschulen Ordnungsmomente einer Schule Damit Schulen ihrem Auftrag nachkommen können, brauchen sie nach Capaul/ Seitz (vgl. Capaul & Seitz, 2011, S. 43 ff) drei wesentliche Dinge: Eine Strategie, die hilft Ziele umzusetzen und Schulentwicklung zu ermöglichen. Strukturen, die die Arbeit möglichst effizient gestalten helfen und eine förderliche Schulkultur, die weitgehend den Umgang der handelnden Personen miteinander bestimmt. Prozesse in Schulen Unter einem Prozess ist eine Menge von Aufgaben zu verstehen, die in einer großteils standartmäßig vorgegebenen Abfolge zu erledigen sind (vgl. Dubs, 2005b, S. 29), sich in unterschiedlichen Abständen wiederholen und das eigentliche tägliche Geschäft der Organisation darstellen. Erziehung und Unterricht März/April 3-4 2012
Bodlak, Das neue St. Galler Managementmodell ein Projekt an Wiener Pflichtschulen 311 Entwicklungsmodi in Schulen Innovationen werden oft mit Hilfe von Change Management Prozessen umgesetzt, während Prozesse die der Optimierung dienen unter dem Begriff Qualitätssicherung zusammengefasst werden können. Mit Hilfe des neuen St. Galler Managementmodells hat das Management einer Schule einen gemeinsamen Ordnungsrahmen zur Verfügung, der die logischen Verbindungen und Zusammenhänge aufzeigt und damit die Voraussetzungen für eine kollektive Sicht der Führungsarbeit bietet, weiters die gemeinsame Handlungsfähigkeit und Kommunikation besser ermöglicht oder wie Rudolf Wimmer meint: Das Erhellen des spezifischen Eigensinns von Organisationen sowie ein grundlegendes Verständnis für die damit verbundenen Komplexitätsverhältnisse, immer eingebettet in die umgebenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, erst all dies zusammen ermöglicht einen angemessenen Begriff von dem, was Management und Führung im Kontext von Organisationen heutzutage heißen kann (Wimmer, 2012, S. 55). Stellungnahmen von Schulleitern/ Schulleiterinnen Als Herausforderung wurde gesehen: Als schwierig wurde am Anfang der Umgang mit den Begrifflichkeiten gesehen, da diese ursprünglich aus der Wirtschaften stammen und zum Teil übersetzt werden mußten. Zu Beginn war der Nutzen des Modells für die Beteiligten teilweise unklar bzw. war es schwierig das Zusammenspiel der einzelnen Elemente in Einklang zu bringen. Erziehung und Unterricht
312 Bodlak, Das neue St. Galler Managementmodell ein Projekt an Wiener Pflichtschulen Als Vorteil wurde gesehen: Von Vorteil war es für die TeilnehmerInnen des Projektes, ein Instrument zu haben mit dessen Hilfe es besser möglich ist Zusammenhänge zu erkennen, in der Folge Prozessabläufe zu optimieren, einen Blick aus der Metaebene auf die Schule zu werfen und die SQA-Themen gemeinsam mit dem Projektteam umfassender zu planen bzw. umzusetzen zu können. Die Auseinandersetzung mit dem neuen St. Galler Managementmodell unterstützt auch dabei, die Arbeit als SchulleiterIn kompetenter auszuüben, um in der Folge selbstbewusster in und außerhalb der Schule aufzutreten zu können. Zusammenfassung Wenn Schulführung bedeutet eine Schule langfristig zu entwickeln und den alltäglichen Schulbetrieb zu gewährleisten, dann bedingt dies einerseits eine längerfristige, strategische Ausrichtung der Schulentwicklung und andererseits ein gezieltes, operatives Umsetzten im Rahmen des sogenannten Tagesgeschäftes. Mit Hilfe des neuen St. Galler Managementmodells für Schulen, kann eine ganzheitliche Sicht der Schulführung gewonnen werden. Die zentralen Elemente, wie die oben beschriebenen Prozesse, Entwicklungsmodi und Ordnungsmomente durchdringen sich gegenseitig und stellen damit im Zusammenspiel mit den verschiedenen Anspruchsgruppen die unterschiedlichen Beziehungen und Abhängigkeiten dar. Eine besondere Aufgabe der Schulleitung ist es, mit Hilfe der ganzheitlichen Perspektive des Modells, diese Wechselwirkungen so zu beeinflussen, dass die Schule ihrem Auftrag optimal nachkommen kann. Literatur: Capaul, R., & Seitz, H. (2011). Schulführung und Schulentwicklung: Theoretische Grundlagen und Empfehlungen für die Praxis von Roman Capaul (Auflage: 3., erweiterte und aktual. Aufl.). Bern-Stuttgart-Wien: Haupt. Dalin, P., Rolff, H. G., & Buchen, H. (1988). Institutioneller Schulentwicklungs-Prozess (4. Auflage.). Bönen/ Westfahlen: Verlag für Schule und Weiterbildung. Dubs, R. (2005a). Die Führung einer Schule. Leadership und Management (Auflage: 2., überarb. Aufl.). Franz Steiner Verlag. Rüegg-Stürm, J. (2003). Das neue St. Galler Management-Modell. Grundkategorien einer integrierten Managementlehre. Der HSG-Ansatz. (Auflage: 2., durchges. A.). Haupt Verlag. Erziehung und Unterricht März/April 3-4 2012
Bodlak, Das neue St. Galler Managementmodell ein Projekt an Wiener Pflichtschulen 313 Wimmer, R. (2012). Unternehmerisches Management - Herausforderungen und Perspektiven: Festschrift für Prof. Peter Gomez. (J. Rüegg-Stürm & T. Bieger, Hrsg.) (Auflage: 1., Auflage 2012.). Bern: Haupt Verlag. ZUM AUTOR Mag. Reinhard Bodlak, MSc, Studium der Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien, Ausbildung zum systemischen Organisationsberater beim Verein EOS, systemisches Coaching bei ESBA, Dissertation zum Thema Erwartungen an Schulentwicklungsberater/ - innen in Arbeit. 1989-1993 Personalentwickler in der ERSTE Bank, 1993-2009 Lehrer an einer Handelsakademie (Abendschule) in Wien, 1994 2000 Mitarbeiter am Pädagogischen Institut des Bundes in Wien mit dem Schwerpunkt Qualitätsmanagement an Schulen, 2000 2010 selbständige Tätigkeiten als Trainer, Coach und Organsiationsberater im Profit und Non- Profitbereich, Gesellschafter der Firma GHO. Seit 2010 Mitarbeiter an der Pädagogischen Hochschule Wien mit dem Fokus auf Schulentwicklungsberatung, Coaching für Führungskräfte bzw. Schulleiter/ -innen bei Changeprozessen und Seminartätigkeit mit den Schwerpunkten SQA, Projektmanagement, systemische Gesprächsführung und das neue St. Galler Managementmodell. Erziehung und Unterricht