Rechtliche Rahmenbedingungen Status und Trends in der Anwendung des WissZeitVG Dr. Nina Steinweg Zusammenarbeiten! Für eine familienfreundliche Wissenschaft 3. Dezember 2015, GESIS / CEWS
Agenda 1. Rechtliche Regelungen zu Vereinbarkeit 2. WissZeitVG Entstehung und Zielsetzung 3. Beurlaubungsregelung 4. Familienpolitische Komponente 5. Resümee
#1 Rechtliche Regelungen zur Vereinbarkeit
Bundesrecht 2 Abs. 4 S. 1 HRG: Die Hochschulen wirken an der sozialen Förderung der Studierenden mit; sie berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit Kindern. 34 S. 1 Nr. 4 HRG: Verbot der Benachteiligung von StudienbewerberInnen mit Betreuungs-/Pflegepflichten 50 Abs. 3 HRG: Verlängerung des Arbeitsvertrages für BeamtInnen auf Zeit 2 Abs. 1 und Abs. 5 WissZeitVG
Landesrecht idr in der Aufgabenbeschreibung der Hochschulen im Landeshochschulgesetz ( Leitbild ) Wiedereinstiegs-, Teilzeit- und Fortbildungsregelungen in den Landesgleichstellungsgesetzen Unterschiedliche Behandlung von Mitarbeitenden und Studierenden mit Kindern sowie Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen
Landesrecht (Baden-Württemberg) 4 Abs. 1 LHG BW Die Hochschulen ( ); sie fördern aktiv die Erhöhung der Frauenanteile in allen Fächern und auf allen Ebenen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, und sorgen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher, künstlerischer und medizinischer Tätigkeit. Bei allen Aufgaben und Entscheidungen sind die geschlechterspezifischen Auswirkungen zu beachten. 2 Abs. 3 LHG BW Die Hochschulen wirken an der sozialen Förderung der Studierenden mit; sie berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen.
Landesrecht (Brandenburg) 3 Abs. 4 BbgHG Die Hochschulen tragen den besonderen Belangen von Hochschulmitgliedern mit Kindern oder mit Pflegepflichten Rechnung.
Landesrecht (Brandenburg) 46 Abs. 1 BbgHG (Juniorprofessur) Eine weitere Verlängerung ist nur zulässig: 1. in den Fällen des 44 Absatz 4 oder 2. auf Antrag der Beamtin oder des Beamten bei Betreuung eines minderjährigen Kindes um bis zu zwei Jahre je betreutem Kind, soweit dienstliche Gründe nicht entgegenstehen und die Verlängerung notwendig ist, um die nach 41 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe a erforderlichen zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen erfolgreich nachzuweisen.
Landesrecht (Brandenburg) 49 BbgHG (Akad. MitarbeiterInnen) Von der Möglichkeit der Vertragsverlängerung nach 2 Absatz 1 Satz 3 des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (familienpolitische Komponente) soll Gebrauch gemacht werden.
Rechtliche Regelungsspielräume Soll-Vorschrift: Regelfall, Abweichen nur in begründeten Ausnahmefällen Kann-Vorschrift: Ermessen, Handlungsspielraum Zwingende Vorschriften: Keine Ausnahmen Unbestimmte Rechtsbegriffe: angemessen, rechtzeitig, dienstliche Gründe Folge: Auslegung (idr Wortlaut, teleologische, historische & systematische Auslegung)
#2 WissZeitVG Entstehung und Zielsetzung
Entstehung (vgl. BT-Drs. 16/3438) Überführung der Regelungen zur Befristung in der Qualifizierungsphase aus dem HRG in ein eigenes Sondergesetzes für die Befristung von wissenschaftlichem Personal, Neuregelung der Drittmittelbefristung aufgrund des Anstiegs der drittmittelbasierten Forschung in Abgrenzung zum TzBfG, nach TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung für 2 Jahre zulässig, wenn nicht zuvor ein Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber bestanden hat Erweiterung der zulässigen Befristungsdauer durch die familienpolitische Komponente
Zielsetzung (vgl. BT-Drs. 16/3438) Rechtssicherheit bei der Drittmittelbefristung Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Hochschulen von dieser Neuregelung verantwortungsvoll Gebrauch machen! Abmilderung der Dreifachbelastung von Arbeitsverhältnis, Qualifikationsarbeit und Kinderbetreuung für NachwuchswissenschaftlerInnen mittelbarer Anreiz für wissenschaftlich tätige Väter, Erziehungsaufgaben in größerem Umfang wahrzunehmen
Novellierung, Stand: 2.12.2015 Anknüpfung der Befristungsdauer an die Förderung der Qualifizierung ( Befristungsdauer ist so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist ), keine Untergrenze (vgl. Forderung GEW und BR) Anknüpfung der Drittmittelbefristung an den bewilligten Projektzeitraum ( Orientierungspunkt ) Befristungshöchstdauer von Hilfskräften: 6 Jahre
#3 Beurlaubungsregelung
Eine Verlängerung nach Satz 1 wird nicht auf die nach Absatz 1 zulässige Befristungsdauer angerechnet. Sie soll in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1, 2 und 5 die Dauer von jeweils zwei Jahren nicht überschreiten. 2 Abs. 5 WissZeitVG Kinderbegriff? Die jeweilige Dauer eines befristeten Arbeitsvertrages nach Absatz 1 verlängert sich im Einverständnis mit der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter um 1. Zeiten einer Beurlaubung oder einer Ermäßigung der Arbeitszeit um mindestens ein Fünftel der regelmäßigen Arbeitszeit, die für die Betreuung oder Pflege eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren oder pflegebedürftiger sonstiger Angehöriger gewährt worden sind, 2. Zeiten einer Beurlaubung für eine wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeit oder eine außerhalb des Hochschulbereichs oder im Ausland durchgeführte wissenschaftliche, künstlerische oder berufliche Aus-, Fort- oder Weiterbildung, 3. Zeiten einer Inanspruchnahme von Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach den 3, 4, 6 und 8 des Mutterschutzgesetzes in dem Umfang, in dem eine Erwerbstätigkeit nicht erfolgt ist, 4. Zeiten des Grundwehr- und Zivildienstes und 5. Zeiten einer Freistellung im Umfang von mindestens einem Fünftel der regelmäßigen Arbeitszeit zur Wahrnehmung von Aufgaben in einer Personal- oder Schwerbehindertenvertretung, von Aufgaben eines oder einer Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragten oder zur Ausübung eines mit dem Arbeitsverhältnis zu vereinbarenden Mandats.
Gesetzentwurf, 28.10.2015 (BT-Drs. 18/6489) Absatz 5 wird wie folgt geändert: aa) Satz 1 wird wie folgt geändert: aaa) In Nummer 1 werden nach dem Wort Jahren die Wörter,auch wenn hinsichtlich des Kindes die Voraussetzungen des 15 Absatz 1 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vorliegen, eingefügt. bbb) In Nummer 4 wird das Wort und am Ende durch ein Komma ersetzt. ccc) In Nummer 5 wird der Punkt am Ende durch das Wort und ersetzt. ddd) Folgende Nummer 6 wird angefügt: 6. Zeiten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, in denen ein gesetzlicher oder tarifvertraglicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht besteht. Die Sätze 2 und 3 werden wie folgt gefasst: In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1, 2 und 5 soll die Verlängerung die Dauer von jeweils zwei Jahren nicht überschreiten. Zeiten nach Satz 1 Nummer 1 bis 6 werden in dem Umfang, in dem sie zu einer Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages führen können, nicht auf die nach Absatz 1 zulässige Befristungsdauer angerechnet. Nichtanrechnung für Höchstbefristung knüpft an den die Verlängerung auslösenden Unterbrechungstatbestand, unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme (z.b. im Falle eines Arbeitsplatzwechsels) Nicht nur für Kinder, für die Sorgerecht besteht Keine Ausweitung auf Drittmittelbefristungen
Rechtsprechung des BAG, 7 AZR 456/12 Klarstellung der Auslegung von 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WissZeitVG Bei befristeten Verträgen verlängert sich der Vertrag im Einverständnis mit den Mitarbeitenden um die in Anspruch genommene Elternzeit im Einverständnis : es muss ein erkennbarer Wille der Mitarbeitenden zur Verlängerung vorliegen, von dem die ArbeitgeberIn Kenntnis erlangt
#4 Familienpolitische Komponente
2 Abs. 1 S. 5 WissZeitVG Die nach den Sätzen 1 und 2 insgesamt zulässige Befristungsdauer verlängert sich bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind. Innerhalb der jeweils zulässigen Befristungsdauer sind auch Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrages möglich. Befristungsdauer Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages
Evaluation (HIS Forum Hochschule 4/2011) Von der familienpolitische Komponente wird fast ausschließlich für den Individualfall Gebrauch gemacht Nur 0,5 % der an Hochschulen nach dem WissZeitVG abgeschlossenen Zeitverträge (erhobene Vertragsfälle) werden auf die familienpolitische Komponente gestützt Zurückhaltende Nutzung, eher auf männliche und auf nicht promovierte Beschäftigte angewandt Teilweise besteht Unklarheit bzgl. der relevanten Fälle von Kinderbetreuung, keine einheitlichen Anforderungen zum Nachweis
Gesetzentwurf vom 28.10.2015 (18/6489) Die nach den Sätzen 1 und 2 insgesamt zulässige Befristungsdauer verlängert sich bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind. Satz 4 gilt auch, wenn hinsichtlich des Kindes die Voraussetzungen des 15 Absatz 1 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vorliegen. Die nach den Sätzen 1 und 2 zulässige Befristungsdauer verlängert sich bei Vorliegen einer Behinderung nach 2 Absatz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung um zwei Jahre. Innerhalb der jeweils zulässigen Befristungsdauer sind auch Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrages möglich. Erweiterung der Befristungsdauer Verlängerungsregelungen unverändert!
5. Resümee Steuerungswirkung des Gesetzes im Hinblick auf Familienfreundlichkeit nicht erreicht Zunehmende Regelung von Familienfreundlichkeit in den Landesgesetzen Rechtsprechung konkretisiert die teilweise missbräuchliche Auslegung durch Hochschulen Novellierung bringt Vereinheitlichung des Kinderbegriffs Politischer Diskurs und politischer Entscheidungswille sind nicht deckungsgleich
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Dr. Nina Steinweg GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung CEWS nina.steinweg@gesis.org