Fit für die Zukunft. Basisbildung Daten und Fakten. Magª. Gloria Sagmeister, Kärntner Volkshochschulen Christian Wretschitsch, ÖGB Oberösterreich

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Transkript:

Fit für die Zukunft Basisbildung Daten und Fakten Von Magª. Gloria Sagmeister, Kärntner Volkshochschulen Christian Wretschitsch, ÖGB Oberösterreich Gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und aus Mitteln des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur.

INHALT HINTERGRUND... 2 WAS IST BASISBILDUNG?... 3 DATEN UND FAKTEN... 4 PIAAC-ERGEBNISSE IM ÜBERBLICK:... 4 LESEKOMPETENZ... 5 SCHREIBKOMPETENZ... 5 ALLTAGSMATHEMATIKKOMPETENZ... 6 DIE PROBLEMLÖSEKOMPETENZ IM KONTEXT NEUER TECHNOLOGIEN... 6 ARBEIT UND BILDUNG... 8 BILDUNG UND GESUNDHEIT... 9 URSACHEN... 10 AUSWIRKUNGEN... 12 VORURTEILEN BEGEGNEN... 13 WÜNSCHE VON BETROFFENEN... 13 TYPISCHE BERUFSGRUPPEN... 14 HINWEISE AUF MÖGLICHEN BASISBILDUNGSBEDARF... 15 INTERESSANTE WEB-SEITEN... 16 1

HINTERGRUND Die aktuelle PIAAC-Studie (PISA für Erwachsene) zeigt: 17,1% der 16 bis 65-Jährigen in Österreich, das sind rund 970.000 Personen, verfügen nur über niedrige Lesekompetenzen. Schreiben wurde bei der Studie nicht überprüft, es ist allerdings davon auszugehen, dass mangelnde Schreibkompetenzen mindestens gleich hoch anzusetzen sind. Lesen, Schreiben, Alltagsmathematik und der Umgang mit neuen Technologien hat durch die Entwicklungen der letzten Jahre sowohl für den einzelnen Menschen als auch für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung an Bedeutung gewonnen. Dies führte zu einer Reihe von Initiativen und Programmen zur Förderung von Lebensbegleitendem Lernen mit einem eigenen Schwerpunkt zur Förderung von Basiskompetenzen sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene. Die Zugänge und Perspektiven sind dabei sehr unterschiedlich - von Bildung als Menschenrecht bis zum Fokus auf volkswirtschaftliche Mehrkosten oder betriebswirtschaftlich ungenutzte Potenziale für Unternehmen. Unstrittig ist, dass schriftsprachliche Kompetenzen zunehmend wichtiger werden und das in allen Lebensbereichen. Verbunden damit ist auch die Fähigkeit zur Nutzung und den Umgang mit neuen Technologien, die sich zunehmend in allen Lebensbereichen etablieren. Auch, wenn einzelne Betroffene trotz ihrer fehlenden Basiskompetenzen ihr Leben meistern, bedeutet dieser Umstand für den Großteil viele, schwerwiegende Nachteile: Höhere Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdung Schlechtere Gesundheit und geringere Lebenserwartung Starke Abhängigkeit von Dritten (Vorlesen, Formulare ausfüllen, Informationen einholen, etc.) U.v.m. Die weit verbreitete Ansicht: Das kann doch gar nicht sein, wir haben doch die Schulpflicht!, macht es den betroffenen Menschen besonders schwer ihr Problem aktiv anzugehen. Vorurteile, Schuldzuweisungen und ein hohes Beschämungspotenzial machen mangelnde Basiskompetenzen zu einem Tabuthema und erschweren Lösungen. Alle bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Unterstützung sinnvoll und notwendig ist. Den Menschen entgegengehen (z.b. in den Betrieb) Tabus aufbrechen und Angst vor Beschämung abbauen Geeignete Angebote schaffen Vertraute Personen als Unterstützer/Begleiterin Negative durch positive Lernerfahrungen ersetzen Selbstvertrauen und Selbstwert stärken 2

Arbeit ist ein wesentlicher, wichtiger Lebensinhalt und damit ein besonders geeigneter Treffpunkt zur Förderung von Basisbildung und alle Beteiligten können nur gewinnen! WAS IST BASISBILDUNG? Basisbildung umfasst die Bereiche: Lesen, Schreiben, Rechnen (Alltagsmathematik), Sprachkompetenz (mündliche Kommunikationsfähigkeit), Umgang mit dem PC bzw. neuen Technologien Lernen (Fähigkeit sich Neues anzueignen) Von ausreichender Basisbildung kann gesprochen werden, wenn eine Person Grundkompetenzen nachhaltig erworben hat, die eine Teilhabe am kulturellen, sozialen und beruflichen Leben zufriedenstellend ermöglichen. Es bestehen sehr unterschiedliche Niveaus: Überhaupt nicht lesen und schreiben können, einfache Wörter und Texte nur mühsam lesen und schreiben können, relativ gut lesen und schreiben können, aber große Unsicherheit beim Rechtschreiben und der Grammatik haben. Deshalb werden Situationen vermieden, in denen geschrieben werden muss, geringes Zahlenverständnis, Probleme mit Grundrechnungsarten, keine oder nur geringe Kenntnisse im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechniken (Automatenbedienung, PC, Internet, Maschinen, ) Achtung: Lesen und Schreiben sind zwei verschiedene Dinge! Manche können ganz gut Lesen, aber nicht Schreiben! Gleichzeitig besitzen die Betroffenen viele Kompetenzen die ihrer Lebenserfahrung, ihren Begabungen, Hobbys und der beruflichen Praxis entspringen. Denn es liegt nicht an mangelnder Lernfähigkeit, sondern meist an einer ungünstig verlaufenen Lernbiografie! Auch Genies haben ihre Schwächen! 3

DATEN UND FAKTEN Das Programme for the International Assessment of Adult Competencies kurz PIAAC ist ein im Rahmen der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) entwickeltes, umfassendes und fortlaufendes Programm zur empirischen Erfassung und Analyse von Schlüsselkompetenzen im Erwachsenenalter. Österreich beteiligte sich zum ersten Mal an dieser Studie. Die folgenden Ergebnisse wurden der Publikation entnommen: STATISTIK AUSTRIA (2013). Schlüsselkompetenzen von Erwachsenen Erste Ergebnisse der PIAAC-Erhebung 2011/12. Wien: STATISTIK AUSTRIA. Weitere Ergebnisse und Informationen zur PIAAC-Studie finden sie unter: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bildung_und_kultur/piaac/index.html PIAAC-ERGEBNISSE IM ÜBERBLICK: Lesefähigkeit Alltagsmathematik Problemlösekompetenz im Kontext neuer Technologien Nicht testfähig wegen zu geringer Lesefähigkeit / ungenügende Computerkenntnisse bzw. Computerverweigerer 1,8% ca. 110.000 Personen 1,8% ca. 110.000 Personen 26,7% Kompetenzstufe unter 1 2,5% (ca 140.000 Personen 3,4% ca. 190.000 Personen 9,9% Kompetenzstufe 1 12,8% ca. 720.000 Personen 10,9% 4

LESEKOMPETENZ Die aktuelle PIAAC-Studie (PISA für Erwachsene) zeigt: 17,1% der 16 bis 65-Jährigen in Österreich, das sind rund 970.000 Personen, verfügen nur über niedrige Lesekompetenzen und sind dadurch in Beruf und Alltag benachteiligt In Bezug auf die Lesekompetenz zeigen die Erwerbstätigen aus den Wirtschaftszweigen Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Bau, Handel, Verkehr, Beherbergung und Gastronomie und sonstige Dienstleistungen signifikant schlechtere Leistungen als die Erwerbstätigen aus den übrigen Wirtschaftszweigen. SCHREIBKOMPETENZ Schreibkompetenz wurde in der PIAAC-Studie nicht extra erhoben. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Anzahl der Personen mit Schreibproblemen noch höher ist als jene mit geringen Lesekompetenzen. Erläuterung der Kompetenzstufen: Personen mit mangelnder Lese- bzw. Sprachfähigkeit (MLSF): In fast allen Teilnehmerländern konnte ein Teil der Personen aus der Stichprobe aufgrund mangelnder Lese- bzw. Sprachfähigkeit nicht befragt werden. Aufgrund der mangelnden Informationen zu diesen Personen (kein Hintergrundfragebogen, kein Kompetenztest) konnten diese nicht direkt eingerechnet werden. Lesekompetenzstufe unter 1: Personen in dieser Kompetenzstufe können maximal kurze Texte zu bekannten Themen lesen und darin einzelne Informationen identifizieren, wenn diese in exakt gleicher Form in der Frage oder Anleitung des Aufgabenbeispiels vorhanden sind. Personen in dieser Stufe verfügen höchstens über ein Basisvokabular, haben jedoch Schwierigkeiten beim Verstehen von Satzstrukturen. Lesekompetenzstufe 1: Personen in dieser Stufe sind in der Lage, relativ kurze elektronische oder gedruckte Texte zu lesen. Sie können konkrete, einzelne Informationen innerhalb dieser Texte identifizieren, wenn sich diese Information in gleicher Form oder synonym in der Frage oder Anleitung des Aufgabenbeispiels findet. Die Texte enthalten nur wenige widersprüchliche Informationen. Personen in dieser Stufe verfügen über ein Basisvokabular und verstehen den Sinn von Sätzen. 5 Was wäre Kompetenzstufe 2? In dieser Kompetenzstufe können Personen zwei oder mehrere Informationsteile basierend auf bestimmten Kriterien vergleichen und darüber einfache Schlüsse ziehen. Sie können innerhalb digitaler Texte navigieren, um Zugang zu Informationen zu erhalten. Bei längeren

Texten mit widersprüchlichen Informationen haben Personen in dieser Kompetenzstufe jedoch Schwierigkeiten. ALLTAGSMATHEMATIKKOMPETENZ Alltagsmathematikkompetenzstufe unter 1: Diese Personen können somit höchstens sehr einfache mathematische Aufgaben (Zählen, Sortieren, Arithmetik mit ganzen Zahlen) lösen. Alltagsmathematikkompetenzstufe 1: Personen in dieser Kompetenzstufe sind in der Lage, grundlegende mathematische Operationen durchzuführen und können einfache Prozentdarstellungen verstehen. Was wäre Kompetenzstufe 2? In Kompetenzstufe 2 können Personen mit Prozenten, Dezimalzahlen und Brüchen umgehen sowie einfache Tabellen und Grafiken interpretieren. Ebenso liegt ein Verständnis für einfache Statistiken in Texten vor. DIE PROBLEMLÖSEKOMPETENZ IM KONTEXT NEUER TECHNOLOGIEN Personen mit ungenügenden Computerkenntnissen: Um feststellen zu können, wie groß der Anteil an Erwachsenen ist, die über keine bzw. nur mangelnde Computerkenntnisse verfügen, wurden diese Gruppen bei der PIAAC-Erhebung mithilfe eines mehrstufigen Verfahrens identifiziert: Keine Computererfahrung Im Rahmen des Hintergrundfragebogens wurde eruiert, ob die befragte Person schon einmal einen Computer benutzt hat. Mangelnde Computerkenntnisse Wenn die befragte Person angab, schon einmal einen Computer benutzt zu haben, wurde ein Computer-Maus-Test durchgeführt. Jene Personen, die den Computer-Maus-Test nicht bestanden, zählen zu der Gruppe von Personen mit mangelnden Computerkenntnissen. 6 Mangelnde Lese- bzw. Sprachfähigkeit (MLSF) Hier wird angenommen, dass diese Gruppe auch über keine Computererfahrung in der Testsprache verfügt. In anderen Sprachen können diese Personen sehr wohl über Computerkenntnisse verfügen.

Computerverweigerung Jene Personen, die im Hintergrundfragebogen angaben, schon einmal einen Computer benutzt zu haben, sich jedoch noch vor dem Computer-Maus-Test entschieden, den Aufgabenteil auf Papier durchzuführen. (11,3%) Problemlösekompetenzstufe unter 1: Die Aufgaben basieren hier auf klar vorgegebenen Problemen, die nur in einer Technologieumgebung vorkommen und wo keine Schlussfolgerungen bzw. Umwandlungen von Informationen erforderlich sind. Nur wenige Arbeitsschritte sind für die Lösung des Problems notwendig. Was wäre Kompetenzstufe 2? Personen können Probleme am Computer lösen, die eindeutige Kriterien für erfolgreiches Handeln haben und eine kleine Anzahl an verschiedenen Technologieumgebungen und Handlungsschritten aufweisen. Personen in dieser Stufe können ihren Lösungsfortschritt überwachen und mit unerwarteten Folgen bzw. Ergebnissen umgehen. 7

ARBEIT UND BILDUNG Von 2008 bis Juli 2013 stieg die Arbeitslosenquote von Personen mit maximal Pflichtschulabschluss um mehr als 4% gegenüber jenen mit Berufsausbildung, wo sie nur um 0,4% stieg. In absoluten Zahlen bedeutet dies einen Anteil von mehr als 45% aller arbeitslos gemeldeten Personen in Österreich. Allerdings zeigt sich auch in den niedrigsten Lesekompetenzstufen (Stufen unter 1 und 1) eine hohe Arbeitsmarktbeteiligung von 62%, d.h. mehr als 500.000 Erwerbstätige sind in diesen niedrigsten Lesekompetenzstufen zu finden. Prognosen der deutschen Industrie- und Handelskammer sagen allerdings ein Absinken der Arbeitsplätze von ca. 10% auf 4% voraus, bei denen geringe Basiskompetenzen als ausreichende Voraussetzung angenommen werden können. Diese Entwicklung wird einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit für die betroffenen Personengruppen zur Folge haben. Jährlich verlassen ca. 5000 Jugendliche das Schulsystem ohne ausreichende Basiskompetenzen. Der Weg in ein Arbeitsleben ohne Berufsausbildung ist damit häufig vorgegeben. 8

BILDUNG UND GESUNDHEIT Gesundheitsstatistiken verweisen auf den Zusammenhang von Bildungsstand und Gesundheit. So gehen wesentlich weniger Menschen mit maximal Pflichtschulabschluss zu Vorsorgeuntersuchungen. Sie ernähren sich schlechter, was auch auf die geringeren Einkommensverhältnisse zurückzuführen ist. Es liegt aber auch der Schluss nahe, dass Informationen über Gesundheitsangebote oder Aufklärungsbroschüren diese Zielgruppen weniger erreichen. Gleichzeitig verursachen alltägliche Probleme im Zusammenhang mit schriftsprachlichen Schwierigkeiten zusätzlichen Stress mit all seinen negativen Auswirkungen. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist um ca. 8 Jahre geringer als jene von AkademikerInnen. 9

URSACHEN Die Ursachen sind vielfältig. Geringer Bildungsstatus wird vererbt. Das familiäre Umfeld und die Einstellung der Familie zum Thema Bildung spielen eine wesentliche Rolle. Familien am Rande des Existenzminimums legen häufig den Fokus nicht auf eine gute Ausbildung der Kinder sondern auf deren Arbeitskraft. Der Zusammenhang zwischen Basisbildungsbedarf und einem niedrigen Bildungsniveau der Eltern bzw. deren Arbeitslosigkeit ist erwiesen. Negative Schul- und Lernerfahrungen sind ebenfalls Ursachen für Basisbildungsbedarf. Viele KursteilnehmerInnen aus Basisbildungskursen erzählen von Überforderung und zu geringer Unterstützung in schwierigen Lernphasen. Destruktive Kritik und Unverständnis von Seiten der Eltern oder von PädagogInnen und Beschämung bei Misserfolg zerstören oft jegliche Motivation, verletzen das Selbstvertrauen und den Selbstwert. Auslöser sind oft kurzfristige Probleme wie Krankheit oder familiäre Schwierigkeiten, etc. Fehlende Unterstützung lässt Lernlücken immer größer werden, bis ein Aufholen aus eigener Kraft nicht mehr gelingen kann. Viele Betroffene starten zwar den Versuch Bildungsangebote zu nutzen, scheitern aber häufig am für sie ungewohnten Lerntempo und den schriftsprachlichen Methoden (Lernunterlagen, Mitschriften, ). Dies kann allzuleicht als Bestätigung dafür gewertet werden, dass man zum Lernen nicht geeignet ist. Im täglichen Alltag wenig gebraucht, werden bereits erworbene Kompetenzen auch wieder verlernt. Dies wird auch durch das Vermeiden von Situationen verstärkt, in denen die fehlenden Kompetenzen für andere Personen erkennbar würden. 10

Ursachenkomplex von Analphabetismus in Elternhaus, Schule und Erwachsenenalter Negativerfahrungen in Elternhaus und Schule Vernachlässigung, Gleichgültigkeit, Ablehnung, erlebte Unsicherheit psychische Belastungssituationen durch Konflikte der Eltern Minimum ökonomischer Sicherheit untergeordnete Rolle der Schrift in der Familie psychische Belastungssituationen in der Schule (Aussonderung, soziale Blamage, Außenseiter, Angst bei Leistungsdruck) massive Strafen bei Schulversagen Geringes Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, negatives Selbstbild bezüglich Schriftsprache, oft auch generalisiert Leistungsprobleme in der Schule, Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb keine individualisierten Angebote ( Lernen im Gleichschritt! Motivationsverlust eventuell schulisch Abstufung (Sonderschulüberweisung) Emotionen: Angst vor versagen und Diskriminierung geringes Selbstwertgefühl Unterlegenheitsgefühl Wut gegen sich selbst Resignation, Mutlosigkeit Selbstentmutigende Kognition: Fehlende, unzureichende oder unsichere Ich kann das nicht! Ich bin zu dumm dazu! Ich werde das nie lernen! Schriftsprach- kompetenz Diskriminierungserfahrungen im Erwachsenenalter auf Grund von Schriftsprachunkundigkeit Erschwernisse bei alltäglichen Tätigkeiten: Einkaufen, Formulare, Ämter, Benachteiligung auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gesellschaftliche Außenseiterstellung Angst vor Entdeckung (Angst vor Verlust des Partners, der Freunde, des Arbeitsplatzes, Marion Döberl / Sven Nickel 11

AUSWIRKUNGEN Mangelnde schriftsprachliche Fähigkeiten sind nach wie vor ein Tabuthema. Allzu leicht könnte man für dumm gehalten werden, für faul oder gar unwillig. Betroffene entwickeln deshalb Strategien, mit denen sie im Alltag Situationen vermeiden können, die ihre Schwächen offenbaren würden. Daraus resultierende Nachteile nehmen sie oft schweigend in Kauf. Die Angst entdeckt zu werden ist täglicher Begleiter und erzeugt Stress. Sie sind von mündlichen Informationen bzw. anderen Personen abhängig. Sie bleiben häufig lieber im Hintergrund. Sie nehmen Entwicklungschancen (z.b. berufliche Aufstiegsmöglichkeit) nicht wahr, wenn höhere schriftsprachliche Anforderungen befürchtet werden. Sie benötigen häufig Erklärungen bzw. Ausreden, um mit Situationen fertig zu werden. Schriftliche Informationen in der Arbeit oder von Behörden, Bankgeschäfte, Einkaufen, Verträge (Mietvertrag, Handy, ) oder die Bedienung von Geräten und Automaten gehören zu den vielen Herausforderungen. Menschen mit zu geringer Basisbildung delegieren schriftsprachliche Anforderungen an ihr soziales Umfeld, meist nur an Personen, denen sie vertrauen. Sie kompensieren durch Merkfähigkeit und Gedächtnisleistung und nützen Strategien zur Vermeidung von Situationen, in denen Schriftsprachlichkeit gefordert wird. Im Berufsleben wählen Betroffene Stellen, bei denen keine oder kaum schriftsprachliche Anforderungen gestellt werden. In allen Jobbranchen haben sich die Anforderungen an MitarbeiterInnen in den letzten Jahren stark verändert. Informations- und Kommunikationstechnologien werden vermehrt eingesetzt. Arbeits- bzw. Verfahrensanweisungen und Dokumentationspflichten im Zuge von Qualitätssicherungsmaßnahmen gehören in vielen Arbeitsbereichen zur Normalität. Inzwischen können rund 90% aller Arbeitsplätze nur mit ausreichenden Basiskompetenzen besetzt werden und die Anzahl wird weiter sinken. 12

VORURTEILEN BEGEGNEN So manche Bilder in unseren Köpfen wie auch immer sie entstanden sein mögen - hindern uns nur allzu leicht daran die Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Menschen und ihren Lebenssituationen wahrzunehmen und erschweren Probleme zu erkennen und geeignete Lösungen zu finden. Um Tabus aufzubrechen und geeignete Rahmenbedingungen für einen konstruktiven, lösungsorientierten Umgang mit dem Thema zu schaffen, müssen Vorurteile abgebaut werden. Mangelnde Basiskompetenzen sind kein Zeichen von niedriger Intelligenz. Betroffene können vielleicht nicht gut Lesen oder Schreiben, gleichen dies aber durch andere Fähigkeiten, z.b. besser trainierte Merkfähigkeit aus. Mangelnde Basisbildung ist kein Phänomen, das nur Jugendliche betrifft, sondern ist in allen Altersgruppen zu finden. Mangelnde Basisbildung ist kein Phänomen, von dem nur sozial benachteiligte oder vom Arbeitsmarkt ausgeschlossene Personen betroffen sind. Mit der Zeit gehen Kompetenzen wieder verloren, wenn man sie nicht benutzt. Älter werden bedeutet aber nicht seine Lernfähigkeit zu verlieren. Mangelnde Basisbildung ist kein spezielles Problem von sozial benachteiligten Stadtteilen. Sie ist gleichermaßen in der Stadt wie auf dem Land vorhanden. Mangelnde Basisbildung und Zuwanderung sind nicht gleichzusetzen. Es muss unterschieden werden, ob Deutsch als Zweitsprache nicht ausreichend beherrscht wird, oder ob Basiskompetenzen in der Muttersprache fehlen. Personen mit muttersprachlicher Kompetenz sind in allen europäischen Ländern in hohem Prozentsatz davon betroffen. Über 60% der betroffenen Menschen haben einen Arbeitsplatz, sind allerdings stärker von Arbeitslosigkeit bedroht. WÜNSCHE VON BETROFFENEN Wunsch, endlich unabhängig von anderen Personen leben und an der Gesellschaft teilhaben zu können. Wunsch, einen Arbeitsplatz zu finden, den Arbeitsplatz zu erhalten oder sich beruflich zu verbessern. Wunsch, mit mehr Selbstsicherheit durchs Leben zu gehen, ohne ständig etwas verbergen zu müssen. Wunsch, die eigenen Kinder beim Lernen besser unterstützen zu können. 13

TYPISCHE BERUFSGRUPPEN Frauen Reinigungskraft Fabriksarbeiterin Hauswirtschafterin Schneiderin/ Näherin Büglerin Verkäuferin Hilfskraft im Hotel- und Gaststättengewerbe Männer Bauarbeiter Maurer Maler Land- und Forstarbeiter Lagerarbeiter Tischler Gärtner LKW-Fahrer Reinigungskraft Hilfskraft im Hotel- und Gaststättengewerbe 14

HINWEISE AUF MÖGLICHEN BASISBILDUNGSBEDARF Eine ungelenke Handschrift hastiges, jedoch nicht flüssiges, beinahe unleserliches Schreiben von alltäglichen Informationen wie Telefonnummer oder Wohnort es ist offensichtlich, dass ihr/ihm Schreibgeräte nicht vertraut sind sie liegen nicht in der Hand kann keine Blockbuchstaben (Formular) kann nicht in Schreibschrift schreiben - außer Unterschrift Schulungsmaßnahme des AMS verweigert Sperre in Kauf genommen Arbeitsabbrüche nicht erklärbar kurze Ausbildungen wie etwa Staplerschein traut sich KundIn nicht zu verwendet vermutlich Ausreden, um nicht schreiben oder lesen zu müssen sofortige Unterschrift ohne vorher das Papier gelesen zu haben wer lesen vortäuscht, dessen Augen wandern nicht entlang der Zeilen manchmal bockiges bis aggressives Verhalten Workstationen, PCs werden verweigert, das direkte Gespräch ist wichtig scheint Inhalte eines Schreibens nicht verstanden zu haben nimmt keinen Bezug auf Schreiben, die er/sie erhalten hat Schwierigkeiten im mündlichen Ausdruck: undeutliches Sprechen, schwierig zu verstehen fehlerhaftes Sprechen (Grundgrammatik) Schriftproben 15

INTERESSANTE WEB-SEITEN www.basisbildung-alphabetisierung.at Österreichisches Portal für Basisbildung. Informationen, Publikationen, Kursangebote in Österreich www.zukunft-basisbildung.at Portal der Projektpartnerschaft In.Bewegung. Blogs, Information, Tagungsberichte, Videos www.erwachsenenbildung.at/themen/basisbildung Portal des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, Abteilung Erwachsenenbildung. Alles zum Thema Erwachsenenbildung, z.b. Forschungsberichte www.workbase.org.nz www.nala.ie Neuseeländisches Portal zur Grundbildung für den Arbeitsplatz. Fallstudien zu Basisbildungsmaßnahmen in Unternehmen. Portal der National Adult Literacy Agency in Irland. Informationen und Publikationen zu arbeitsplatzbezogener Basisbildung. www.alice.ch Portal des Schweizerischer Verband für Weiterbildung. Informationen und Publikationen zum Thema Grundkompetenzen. Z.B. Projekt GO2- Arbeitsplatzbezogene Grundbildung. http://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/ Portal der Universität Hamburg. Informationen und Publikationen zur Level-One-Studie Das Heft wurde im Rahmen des Projektes erstellt. Für den Inhalt verantwortlich Christian Wretschitsch, Österreichweite Beratungshotline: 16