Gemeinsame Stellungnahme

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Transkript:

Gemeinsame Stellungnahme des ADAC e.v. und Bundesverbandes Wassersportwirtschaft e.v. (BVWW) zu den anlässlich der Abschlusskonferenz des BMVBS am 26. Mai 2011 zum Bundestagsbeschluss Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus in Deutschland verbessern präsentierten Vorschlägen des BMVBS Wir anerkennen die Bemühungen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) für eine Umsetzung des politischen Auftrags, die Infrastruktur für den Wassertourismus in Deutschland zu verbessern. In unserer Wahrnehmung lassen sich die Vorschläge des BMVBS folgendermaßen zusammenfassen: 1. Analog zu den Vorschlägen zur Reform der WSV soll eine Einordnung der Wasserstraßen entsprechend ihrer Bedeutung für den Wassertourismus erfolgen. Investitionen sollen zukünftig nur in Rangfolge der Bedeutung der Wasserstraßen erfolgen und auch nur dann, wenn die gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit (Refinanzierbarkeit) festgestellt wurde. 2. Um die WSV von Aufgaben zu entlasten und die freiwerdenden Ressourcen auf das Hauptnetz (Güterschifffahrt) zu konzentrieren, aber auch um den Wassertourismus durch das Zusammenwirken verschiedener Akteure zu stärken, sollen für bestimmte Wasserstraßen alternative Geschäfts- /Betreibermodelle eingeführt werden. 3. Um die von den Nutzern (Wassertouristen) geforderten zusätzlichen Investitionen in die wassertouristische Infrastruktur zu finanzieren und den Refinanzierungsgrad für Betrieb und Unterhaltung zu erhöhen, sollen die Nutzer über eine Bootsvignette zur (Re-)Finanzierung beitragen. Diese anlässlich der Abschlusskonferenz dargestellten Lösungsansätze sind jedoch aus unserer Sicht teilweise nicht geeignet, z.t. auch nicht hinreichend konkretisiert, die vom Bundestag angestrebte Verbesserung zu erreichen. Unsere Einschätzung möchten wir Ihnen nachfolgend gerne erläutern. Seite 1 von 9

Kritikpunkt 1: Die Zielsetzung des Bundestagsbeschlusses 16/11303 wurde einseitig verändert. Der Bundestag hat zusätzliche Anstrengungen gefordert und keine Einsparungen zu Lasten des Wassertourismus* Die Vorschläge des BMVBS basieren auf der Zielsetzung o Verbesserung der Infrastruktur zur Stärkung des Wassertourismus (Instandsetzung, Vernetzung, Engpassbeseitigung) und o Konzentration der Ressourcen der WSV auf die Erledigung der Aufgaben im Hauptnetz Die Erweiterung der Zielsetzung durch den zweiten Unterpunkt entspricht nicht der Intention des Bundestagsbeschlusses. Der Bundestag fordert ausdrücklich nicht die Konzentration der Ressourcen auf das Hauptnetz, also derjenigen Mittel, die bisher dem Wassertourismus zugute kamen, sondern eine zusätzliche Anstrengung im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel zur Verbesserung der Infrastruktur. Einsparungen zu Lasten des Wassertourismus sind aus unserer Sicht nicht hinnehmbar. Sie sind nicht Zielsetzung des Bundestagsbeschlusses und wirken kontraproduktiv zu weiteren Beschlüssen des Deutschen Bundestages, die auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Wassersport und den Wassertourismus abzielen. Die Erweiterung des BT-Beschlusses um eine weitere Rahmenbedingung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die finanzielle Ausstattung der WSV bereits heute unauskömmlich wäre. Diese Annahme ist bisher nicht belegt. Sie bedürfte einer Organisationsuntersuchung eines unabhängigen Beratungsunternehmens, die der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages bisher mehrfach vergeblich angemahnt hat. Es entspricht eher allgemeiner Erfahrung, dass sich durch die Reorganisation großer Verwaltungen erhebliche Einsparpotenziale ergeben oder neue Geschäftsfelder erschließen lassen (z.b. die Vermarktung von Liegenschaften oder die Einwerbung von EU-Mitteln für Infrastrukturprojekte). *Wassertourismus im Sinne des Bundestagsbeschlusses meint alle Aktivitäten, bei welchen der Aufenthalt im oder auf dem Wasser Hauptmotiv von Tagesauflügen oder Übernachtungsreisen ist. In unserer Stellungnahme unterscheiden wir zwischen Wassertourismus als Synonym für buchbare wassertouristische Angebote (Bootsmiete), Sportschifffahrt für überwiegend sportlich orientierten Bootssport und Freizeitschifffahrt für überwiegend freizeit-/touristisch orientierten Bootssport. Seite 2 von 9

Kritikpunkt 2: Wasserstraßen dienen allen Verkehrsteilnehmern. Die Sportschifffahrt und die Freizeitschifffahrt dürfen nicht zu Gunsten anderer Verkehrsfunktionen benachteiligt werden. Artikel 87 und 89 des Grundgesetzes bilden die Grundlage für die Verwaltung der Bundeswasserstraßen durch den Bund. Die Verfassung sieht nicht vor, einzelne Verkehrsfunktionen (z. B, den Gütertransport) zu privilegieren und andere zu vernachlässigen. Güter- und Personenschifffahrt, der Wassertourismus, die Sportschifffahrt und die Freizeitschifffahrt etc. stehen gleichrangig nebeneinander. Ebenso wie die Verkehrswege im Straßen- oder Luftraum dienen die Wasserstraßen allen Verkehrsteilnehmern unabhängig vom Befahrenszweck der einzelnen Wasser-, Land- oder Luftfahrzeuge. Eine Benachteiligung des Wassertourismus, der Sport- und der Freizeitschifffahrt, wie sie sich aus dem vom BMVBS verfolgten Ziel der Konzentration von Ressourcen auf das Hauptnetz zwingend ergibt, ist daher nicht hinnehmbar. Die vorgelegte Untersuchung zeigt, wie schwierig es ist, das Verkehrsgeschehen auf Wasserstraßen segmentiert nach Verkehrsfunktionen zu betrachten. Die Zuordnung bleibt bis zu einem bestimmten Grad akademisch. Es gelingt schon nicht, den Kostenanteil zutreffend zu ermitteln, der bisher auf den Wassertourismus, die Sportschifffahrt und die Freizeitschifffahrt entfiel. Grund für diese Schwierigkeit ist, dass der Bund bisher zu Recht von einem Verkehrsträger ausging, der für alle Befahrenszwecke (Gütertransport, Personentransport, Fischerei, Tourismus, Sport, Freizeit, Traditionsschifffahrt) zur Verfügung steht. Der in der Untersuchung nun eingeführte Begriff Freizeit & Tourismus führt zu einer Auflösung dieser einheitlichen Sichtweise und wird von uns zurückgewiesen. Wir vertreten die Auffassung, dass es sich bei der Zurverfügungstellung von verkehrlicher Infrastruktur um eine staatliche Aufgabe handelt, die aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren ist. Sie dient im Übrigen neben verkehrlichen auch gesellschaftlichen Zwecken. Wasserstraßen sind ein wertvoller Teil der europäischen Kulturlandschaft und neben ihrer verkehrlichen Bedeutung zugleich attraktiver Lebens-, Erholungs-, Sport- und Freizeitraum für Millionen Menschen. Die bisher für die Sport- und Freizeitschifffahrt verwandten Ressourcen müssen also auch in Zukunft ungekürzt zur Verfügung stehen, wenngleich eine Lenkung der Investition im Sinne der Erschließung erkannter Entwicklungspotenziale im Bereich Wassersport und Wassertourismus durchaus sinnvoll erscheint. Seite 3 von 9

Kritikpunkt 3: Auswirkungen einer Ausdünnung des vorhandenen Bundeswasserstraßennetzes müssen sorgsam geprüft werden Als Wassertourismusnetz weist das BMVBS im 2. Bericht an den Deutschen Bundestag zur Reform der WSV Wasserstraßen mit untergeordneter güterverkehrlicher und gleichzeitig hoher wassertouristischer Bedeutung aus. Diese Darstellung führt zu einer verkürzenden und daher fehlerhaften Sichtweise. Das BADV liefert in Anlage 1 zum Abschlussbericht (1. Band) eine umfassende Revierübersicht einschließlich vorläufiger Bewertung der wassertouristischen Bedeutung. Daraus ergibt sich, dass das gesamte Wasserstraßennetz von, wenn auch unterschiedlicher, wassertouristischer Bedeutung ist. Die Darstellung im 2. Bericht zur Reform der WSV ist daher falsch und bedarf der Korrektur. Über eine besondere wassertouristische Bedeutung verfügen auch die als Restwasserstraßen oder Randnetz eingestuften Strecken. Durch den Fortfall von Ausbau- und Optimierungsinvestitionen und die ganz oder teilweise Einstellung von Unterhaltung und Betrieb werden diese Wasserstraßen langfristig de facto stillgelegt. Dies führt nicht nur zu einem Attraktivitätsverlust des Wasserstraßennetzes, sondern entwertet auch die Investitionen (z.b. in Sportboothäfen, Anlegestellen etc.) von Unternehmen und Vereinen an diesen Wasserwegen. Zugleich kann diese Entwicklung zu einer unerwünschten Verlagerung der Sport- und Freizeitverkehre auf die ohnehin durch die Berufsschifffahrt stark frequentierten Wasserstraßen führen. Diese Folgen, auch auf die touristische Wertschöpfung im Allgemeinen, bedürfen einer vertiefenden Untersuchung. Es wird deutlich, dass die segmentierte Analyse des Ist-Zustandes zu falschen Schlüssen führt. Der Wassertourismus (im Sinne der hier offensichtlich primär untersuchten buchbaren wassertouristischen Individualangebote ) hat zwar regionale Schwerpunkte. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der Wassertourismus generell und auch der Wassersport, die Sportschifffahrt und die Freizeitschifffahrt regionale Aktivitäten sind. Die Buchung wassertouristischer Angebote ist schon aus Gründen der beschränkten verfügbaren Aufenthaltsdauer mit einem nur beschränkten räumlichen Aktionsradius der Urlauber verbunden. Wassersport und Sportschifffahrt sind hingegen Formen der Freizeitgestaltung mit großem überregionalem Anteil. Dies gilt erst Recht für die stark wachsende Zahl der Flusskreuzfahrten. Das sog. Cruising (Fahren über längere Strecken) macht im Wassersport einen großen Anteil der Nutzungen aus. Größere Reisen sind expliziter Teil dieser Sportarten. Nicht selten werden dabei hunderte Meilen zurückgelegt. Seite 4 von 9

Kritikpunkt 4: Die Finanzierung der verkehrlichen Infrastruktur muss eine staatliche Aufgabe bleiben. Die Berechnungsgrundlagen für die gesamtwirtschaftliche Beurteilung von Investitionen müssen neu überdacht werden. Die Konzentration der Ressourcen auf das Hauptnetz und die gleichzeitige Ausweisung eines Wassertourismusnetzes bedeutet, dass sportbootspezifische Investitionen an Wasserstraßen mit hoher güterverkehrlicher Bedeutung zu Lasten der für das Hauptnetz vorgesehenen Ressourcen zukünftig unterbleiben werden. Investitionen in die wassertouristische Infrastruktur sollen nach den Vorschlägen des BMVBS von den Nutzern selbst finanziert werden und zwar ausschließlich dann, wenn sich die Investition als gesamtwirtschaftlich vorteilhaft erweist. Beispiel sind hier die dringend überholungsbedürftigen Sportbootschleusen an der Mosel, deren Instandsetzung als gesamtwirtschaftlich nicht zu rechtfertigen beurteilt wird. Sollte eine Investition in diese sportbootspezifischen Anlagen unterbleiben, hat dies zur Folge, dass die aufgrund des Vorranges der Berufsschifffahrt bereits heute sehr langen Wartezeiten vor den Berufsschifffahrtsschleusen weiter zunehmen und zu einem Attraktivitätsverlust dieses wichtigen wassertouristischen Reviers führen werden. Hierzu heißt es im 4. Meilensteinbericht von PWC: In den Revieren Mosel (...) führt selbst eine Abwanderung aller über Schleusungen erfassten Wassersportler nicht zu einem so großen Schaden, dass sich die Reinvestition (Instandsetzung der Schleusen A.d.V.) lohnen würde. In dieser Aussage wird die Schwäche dieses Bewertungsmaßstabs deutlich. Als Maßstab für den gesamtwirtschaftlichen Nutzen wird der mögliche Verlust durch Abwanderung zugrunde gelegt. Dies impliziert, dass es sich um Charterkunden handelt, die bei Attraktivitätsverlust (in das Ausland) abwandern könnten. Die Kennziffer Schaden pro abgewandertem Gast übersieht allerdings, dass es sich bei den Gästen vielmehr um Bewohner der Region handelt, deren Alternative nicht darin besteht abzuwandern, sondern ihren Freizeitsport endgültig aufzugeben. Den geschätzt 40.000 Charterkunden in Deutschland stehen nach einer Studie des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft aus dem Jahr 2008 rund 380.000 Bootseigner (ohne Schlauchboote und muskelbetriebene Fahrzeuge) gegenüber, die den Bootssport in Deutschland betreiben. Die aus Abwanderung, vor allem aber durch Aufgabe des Sportes, entstehenden Schäden betragen also ein Vielfaches der Prognose. Nur als Beispiel: die wirtschaftlichen Effekte der Sport- und Freizeitschifffahrt allein am Bodensee betragen rund 318 Mio. Euro (Quelle nennen!). Seite 5 von 9

Im speziellen Fall der Mosel würde ein Attraktivitätsverlust durch unterbleibende Investitionen überdies zu einem Ausbleiben eines erheblichen Teils der ausländischen Gäste führen. Die Attraktivität des Gesamtnetzwerkes hängt also entscheidend von der Leistungsfähigkeit seiner Teile ab. Schwachstellen bleiben also keine regionalen Phänomene, sondern wirken häufig unmittelbar auf das gesamte Netzwerk. Auch diese Aspekte wurden in der Analyse nicht berücksichtigt. Das Beispiel Mosel zeigt, dass die Zurverfügungstellung verkehrlicher Infrastruktur (hier: Sportbootschleusen) eine staatliche Aufgabe darstellt (ein Verkehrsträger für alle Befahrenszwecke/keine Benachteiligung einzelner Verkehrsfunktionen), die aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren ist. Das Beispiel macht außerdem deutlich, dass der Bewertungsmaßstab für den gesamtwirtschaftlichen Nutzen völlig neu überdacht werden muss. Bei der Betrachtung der gesamtwirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit ist neben der Verkehrsfunktion auch die Bedeutung der Wasserstraßen für die Regional- und Stadtentwicklung sowie für wirtschaftliche Standortqualität und Tourismuswirtschaft der Regionen einzubeziehen. Diese sind bisher nicht untersucht, haben jedoch erhebliche Bedeutung und gehören zum Aufgabenkreis des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Kritikpunkt 5: Die Eignung alternativer Geschäftsmodelle hängt wesentlich Beteiligung des Bundes ab von der Bei den im Machbarkeitsgutachten untersuchten alternativen Geschäftsmodellen muss überprüft werden, ob deren Prämissen zur Ist-Situation zutreffen. Wassersport und Wassertourismus sind, wie bereits dargelegt, zu einem erheblichen Teil überregionaler Natur. Die aus der angenommenen Regionalität des Wassertourismus abgeleiteten Argumente für die vom Gutachter empfohlenen regionalen Geschäftsmodelle treffen daher möglicherweise nicht oder nur eingeschränkt zu. Dies bedarf jedenfalls der vertieften Untersuchung. Dabei ist neben dem Wassertourismus auch der Wassersport einzubeziehen, der in den meisten Regionen nach wie vor den überwiegenden Teil der Nicht-Güterschifffahrt ausmacht. Die durchgängige Befahrbarkeit der Wasserstraßen unter bundesweit einheitlichen Bedingungen ist in jeden Fall eine der entscheidenden Grundlagen für die Seite 6 von 9

Entwicklung des Wassersports und des Wassertourismus in Deutschland. Dazu gehört unter anderem (aber nicht nur) die Erreichbarkeit von Zielen und Etappenhäfen, die Ausstattung von Anlagen und Einrichtungen, Verkehrszeichen, Verkehrsüberwachung, Anforderungen an die Besetzung und Ausrüstung von Fahrzeugen, aber auch den Erlass von Befahrensregelungen aus Naturschutz- und sonstigen Gründen. Das bedeutet: Bei allen in Frage kommenden Geschäftsmodellen muss der Bund nachhaltig federführend bleiben hinsichtlich solcher Tätigkeiten und Funktionen, die sich direkt oder indirekt auf die einheitliche und durchgängige Befahrbarkeit des Netzwerks der Wasserstraßen auswirken. Dies spricht insbesondere gegen solche Geschäftsmodelle, die mit einer Ausgliederung oder Entwidmung von Bundeswasserstraßen verbunden sind. Das im Machbarkeitsgutachten angeführte Referenzmodell WSV optimiert wird den genannten Gesichtspunkten am ehesten gerecht, weil es organisatorisch nachhaltig sicherstellt, dass die Belange der einzelnen Nutzergruppen bundesweit unter einem Dach koordiniert werden und dass die zuständige Verwaltung dies auch als eine ihrer primären Aufgaben versteht. Alle weiterführenden Modelle, die aus unserer Sicht in Betracht kommen wie das Betriebsführermodell oder das Modell ÖÖP müssen gegenüber dem Referenzmodell deutliche Vorteile bieten. Das Betriebsführermodell kann Effizienzvorteile bieten, wenn sichergestellt ist dass ein funktionierender Markt der Leistungsanbieter gegeben ist. Das Modell ÖÖP kann, wenn es mit der erforderlichen Federführung des Bundes in allen übergreifenden Fragen verbunden ist, in Regionen mit enger Verflechtung von Bundes- und Landeswasserstraßen durchaus zur einer erwünschte Integration und Harmonisierung der Rahmenbedingungen beitragen. Bei allen Geschäftsmodellen muss, um ein vollständiges Bild der Vor- und Nachteile zu erhalten, neben dem Einsparpotenzial für den Bund auch der zu erwartenden Mehraufwand bei den zukünftigen Akteuren untersucht und in die Abwägung einbezogen werden. Seite 7 von 9

Kritikpunkt 6: Einsparungen in der Verwaltung und die Erschließung zusätzlicher Ressourcen durch neue Geschäftsfelder müssen Vorrang vor einem Einstieg in die Nutzerfinanzierung haben Nach den Vorstellungen des BMVBS soll die Sport- und Freizeitschifffahrt durch eine Wasserstraßenabgabe (Vignette) zusätzliche Investitionen (Neuinvestitionen) in die wassertouristische Infrastruktur finanzieren und darüber hinaus noch einen Beitrag zur Refinanzierung der laufenden Kosten für Betrieb und Unterhaltung leisten. Eine Nutzerfinanzierung in dieser Form lehnen wir ab. Wie bereits dargestellt halten wir die Zurverfügungstellung der verkehrlichen Infrastruktur auf allen Wasserstraßen für eine staatliche und damit gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Auch im Bereich des Straßenverkehrs würde niemand auf den Gedanken kommen, beispielsweise für den Ausbau des Radwegenetzes die Nutzer zur Kasse zu bitten oder bei Kraftfahrzeugen zwischen gewerblichen und touristischen Fahrten zu differenzieren. Allenfalls für Maßnahmen, die über die verkehrliche Infrastruktur (wie z.b. den Bau von Schleusen etc.) hinausgehen und vorrangig der touristischen Qualität (z.b. Anlegemöglichkeiten etc.) dienen, kann eine Beteiligung der Nutzer unter den folgenden Bedingungen in Betracht gezogen werden: zweckgebundene Verwendung der Mittel ausschließlich zur Qualitätssteigerung wassertouristischer Angebote angemessene Beteiligung aller Nutzergruppen nach einem abgestuften, an der Leistungsfähigkeit der Nutzergruppen orientierten System Einbindung der Beiträge leistenden Nutzergruppen über deren Verbände in die Entscheidungen zur Mittelverwendung Vorrang vor einem Einstieg in die Nutzerfinanzierung sollten allerdings alle Maßnahmen haben, die zusätzliche Finanzmittel generieren. Dies kann durch eine Reorganisation der WSV auf der Grundlage einer neutralen Organisationsanalyse geschehen, durch die Öffnung neuer Geschäftsfelder oder die verstärkte Einbindung von EU-Mitteln in Infrastrukturprojekte. Hier bietet die offensive Vermarktung bundeseigener landseitiger Liegenschaften entlang der Wasserstraßen aus unserer Sicht die mit Abstand größten und in der vorgelegten Analyse unterbewerteten Potenziale. Auch in Großbritannien (British Waterways) wird durch die Vermarktung und Entwicklung von Liegenschaften mit privaten Partnern ein erhebliches (Re-)finanzierungspotenzial erzielt. Seite 8 von 9

Bundeseigene Liegenschaften entlang der Wasserstraßen sind hoch begehrte Premium-Lagen, die für Gastronomie, Hotellerie etc. allererste Wahl sein dürften. Dabei handelt es sich um einen zusätzlichen Vermarktungsschwerpunkt der nicht zu einer Erhöhung der land- und wasserseitigen Pachten für Sportboothäfen führen darf. Zwischen der Vermarktung von Flächen für die maritime Infrastruktur und für zusätzliche allgemein-touristische Angebote muss deutlich unterschieden werden. Im Bereich des gemeinnützigen Wassersports kommt eine Besonderheit hinzu, die aus unserer Sicht ebenfalls berücksichtigt werden sollte: Die meisten Anlagen des ruhenden Verkehrs im deutschen Netz der Bundeswasserstraßen wurden von gemeinnützigen Wassersportvereinen angelegt. Sie erhalten diese Sportboothäfen auch heute noch aus Eigenmitteln und sorgen in Eigenleistung für deren Instandsetzung und laufende Modernisierung. Der gemeinnützige Wassersport trägt damit maßgeblich zur wassersportlichen und wassertouristischen Infrastruktur in Deutschland bei. Grundsätzlich teilen wir die Auffassung des BMVBS, dass durch die Verwaltung des Status Quo keine positiven Impulse für den Wassertourismus zu erwarten und demzufolge Alternativen zur derzeitigen Organisation der WSV, zur Verwaltung und zum Betrieb der Wasserstraßen und zur Finanzierung ohne Vorbehalte zu prüfen sind. Die Vorschläge des BMVBS sollen dem Deutschen Bundestag eine Richtungsentscheidung ermöglichen. Gerade eine Richtungsentscheidung muss aber auf belastbaren Grundlagen beruhen. Dies erscheint uns derzeit noch nicht gegeben. Hierzu sind sowohl die Grundannahmen zu überprüfen als auch weitere Untersuchungen und Konkretisierungen erforderlich. Köln, München, 28. Juni 2011 Seite 9 von 9