KONZEPT FORSCHENDES LERNEN 1. Einleitung Die Primarschule Flaach bietet im Rahmen des Mensch&Umwelt-Unterrichts den Mittelstufenschülerinnen und -schülern das Forschende Lernen an. Zwei Lektionen pro Woche beschäftigen sie sich mit naturwissenschaftlichen Experimenten, forschen alleine oder in kleinen Gruppen an ihren selbst gewählten Fragestellungen und/oder besuchen Wahlfachkurse. Die Aufgabe der Lehrpersonen ist es, die Kinder in ihrem Forschungsprozess anzuleiten und zu begleiten, sie darin zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen, sowie die Weiterentwicklung ihrer Interessen und ihrer Fähigkeiten anzuregen. Damit diese anspruchsvolle Aufgabe qualitativ erfolgreich durchgeführt werden kann, begleitet eine Lehrperson nicht mehr als zehn Schülerinnen und Schüler. 2. Ziele des Forschenden Lernens Das Forschende Lernen verfolgt vier Ziele: 1. Begabungs- und Interessenförderungsmassnahmen für alle: Jedes Kind soll die Möglichkeit erhalten, sich mit Themen und Fragestellungen zu beschäftigen, welche seinen Interessen und Begabungen entsprechen. Dadurch soll seine Lernmotivation gesteigert und sein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gestärkt werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen ausserdem angeregt werden, auch in bisher unbekannte Themen hineinzuschnuppern. 2. Methodenkompetenz: Das Forschende Lernen soll die Schülerinnen und Schüler befähigen, sich selbstständig Wissen zu erarbeiten, dieses Wissen für eigene Projekte kreativ anzuwenden und das Gelernte anschaulich und verständlich zu präsentieren. Interessen zu erkunden, Fragen zu stellen, Vermutungen anzustellen, sich Ziele zu setzen, Material zu sichten, im Internet Antworten zu suchen, Texte zu verstehen, das Gelesene in eigenen Worten zu formulieren, Experimente und Befragungen durchzuführen, Schlussfolgerungen zu ziehen, das Gelernte in Modellen darzustellen, es zu präsentieren, differenzierte Feedbacks zu geben, das eigene Projekt zu evaluieren solche Fähigkeiten sind heute mehr denn je gefordert. 3. Förderung von Naturwissenschaften, Technik und Informatik: Das Forschende Lernen soll das Interesse von Jungs und Mädchen an 1
naturwissenschaftlichen Phänomenen, Technik und Informatik fördern und sie befähigen, entsprechende Kompetenzen zu entwickeln. Dazu werden naturwissenschaftliche Methoden erprobt, technische Zusammenhänge aufgezeigt und Informatikkurse angeboten. Im Bereich Biologie wird eng mit dem Naturzentrum Thurauen zusammen gearbeitet. 4. Schüler/-innen lehren Schüler/-innen: Das Forschende Lernen ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, ihre eigenen Kenntnisse und Erfahrungen an andere Kinder weiterzugeben, auch über die Stufen hinweg. Auf diese Weise werden die Unterstufenschülerinnen und -schüler schrittweise an Inhalt und Arbeitsweisen im Forschenden Lernen herangeführt. 3. Jahresplanung und Organisation Um die vorgegebenen Ziele zu erreichen, wird das Forschende Lernen in der Regel folgendermassen organisiert: 1. Erstes Quartal: Experimentieren zu einem naturwissenschaftlichen Bereich (Energie, Chemie, Mechanik u.a.): In diesem Segment lernen die Schülerinnen und Schüler, wissenschaftlich fundiert Experimente durchzuführen. Sie üben, wie man Vermutungen anstellt, Versuche sorgfältig durchführt, genau beobachtet, Versuchsanordnungen gegebenenfalls verändert sowie die Erkenntnisse dokumentiert. Die dadurch erworbenen Kompetenzen sollen die Schülerinnen und Schüler gezielt darin unterstützen, bei ihren selbst gewählten Projekten eigene Fragen zu stellen, eigene Versuchsaufbauten zu entwickeln und eigene Lösungen zu finden. Den Schülerinnen und Schülern wird ausserdem Gelegenheit gegeben, anderen Kindern ihre durch das Experimentieren erworbenen Kenntnisse weiterzugeben. 2. Zweites und drittes Quartal: Projektarbeit zu einer selbst gewählten Fragestellung mit anschliessender Präsentation. Die Fragestellungen können aus allen Begabungsbereichen gewählt werden (Deutsch, Mathematik, Musik, Gestalten, Naturwissenschaft, Philosophie, Sport, Umgang mit Menschen u.a.). Die Arbeiten sollen wenn möglich einen eigenen Forschungs- und/oder kreativen Anteil beinhalten, also nicht nur reproduktiv sein. Je nach Fragestellung dürfen die Schülerinnen und Schüler auch ausserschulische Experten/-innen wie zum Beispiel die Mitarbeiter/-innen des Naturzentrums Thurauen beiziehen. Die Methodenkompetenz (Fragen stellen, Informationen suchen und ordnen, Präsentation vorbereiten) wird Schritt für Schritt in Anlehnung an den Aufbau des Kompetenzrasters zum Forschenden Lernen (siehe Beilage) eingeübt. Dieses unterstützt die Schülerinnen und Schüler ausserdem darin, sich Ziele zu setzen und sich zu orientieren, wie weit sie einzelne Kompetenzen schon entwickelt haben. Für die fachliche Begleitung der Internetrecherche und des Speicherns von Dokumenten werden einige Schülerinnen und Schüler ausgebildet, welche von andern um Hilfe angefragt werden können. Durch die Präsentation ihrer Forschungsarbeiten erhalten die Schülerinnen und Schüler ausserdem die Gelegenheit, anderen Kindern ihr erworbenes Wissen, Denken und Handeln weiterzugeben. 2
ausgezeichnet sehr gut gut genügend ungenügend 3. Viertes Quartal: Wahlfachkurse. Die Wahlfachkurse werden von einzelnen Lehrpersonen oder von mehreren gemeinsam angeboten. Innerhalb des Dreijahreszyklus wird mindestens einmal ein Programmierkurs angeboten, in welchem die Schülerinnen und Schüler lernen können, Roboter und Scratch zu programmieren. Mindestens einmal findet ausserdem ein Wahlfachkurs in den Thurauen statt. Die weiteren Wahlfachkurs-Themen werden entsprechend den Interessen und Begabungen der Lehrpersonen angeboten. Es wird darauf geachtet, dass im Verlaufe eines Dreijahreszyklus möglichst viele Begabungsbereiche zum Zug kommen, damit alle Schülerinnen und Schüler profitieren können. Im Anschluss an die Wahlfachkurse werden die Arbeiten Wahlfach übergreifend präsentiert. 4. Ausflüge zu ausserschulischen Lernorten wie zum Beispiel die Thurauen und das Technorama. Im Verlaufe eines Schuljahres werden mindestens zwei Ausflüge zu ausserschulischen Lernorten durchgeführt. Durch diese Ausflüge erweitern die Schülerinnen und Schüler ihr Weltwissen und erhalten Ideen für weitere eigene Forscherprojekte. Eine Woche nach dem Ausflug werden die einzelnen Themenaspekte nochmals aufgegriffen und vertieft, damit das erworbene Wissen und Können nachhaltiger abgespeichert werden kann. 4. Beurteilung im Forschenden Lernen Das Forschende Lernen fliesst in die Beurteilung des Faches Mensch&Umwelt ein. Dem ersten Semesterzeugnis werden eine Dokumentation eines durchgeführten Experiments sowie das folgende Beurteilungsschema beigelegt: Mündliche Beteiligung im Konferenzraum Ausdauer und Ideenreichtum beim Experimentieren Beobachtungsfähigkeit Umfang und Qualität der Begründungen Darstellung und Sorgfalt der Dokumentation Anhand der Tabelle wird für das Fach Mensch&Umwelt eine Note ermittelt. Im zweiten Semester werden ein gelungenes Dokument der Projektarbeit (Bild, Foto, 3
DVD) sowie ein Beurteilungsblatt mit drei Stärken und zwei nächsten Zielstufen beigelegt. Diese werden vom Kompetenzraster für das Forschende Lernen übernommen, können aber von den Lehrpersonen angepasst werden. Frühlingssemester 2012 Beurteilung Forschendes Lernen Name: Vreni Muster, 4. Klasse Thema: Die Verpuppung der Raupe Besondere Kompetenzen (ausgewählt aus dem Kompetenzraster Forschendes Lernen): Forscherfragen Sorgfalt Zuhör-, Frage- und Feedbackkompetenz Ich kann präzise und spannende Forscherfragen stellen, welche mir neue Erkenntnisse bringen sollen. Ich kann dank meiner Sorgfalt, Ordnungsliebe und Sinn für Ästhetik im gesamten Forschungsprozess genau und schön arbeiten. Ich kann trotz dieser hohen Leistungen in gutem Tempo arbeiten. Ich kann der Präsentation konzentriert zuhören. Ich kann interessante Fragen stellen. Mein Feedback ist gut durchdacht und detailliert. Nächste Zielstufe (ausgewählt aus dem Kompetenzraster Forschendes Lernen, eine Stufe höher als Ist-Zustand): Informations-beschaffung Performance Ich kann mir selbst Informationen zu meinem Thema beschaffen. Ich kann einem Publikum erzählen, was ich über mein Thema herausgefunden habe, ohne dass ich immer meinen Text benötige. Ich bin dem Publikum zugewandt. Meine Stimme ist laut und deutlich. Gesamtwürdigung, zusätzliche Bemerkungen und Beobachtungen: Beilage: Zeichnung Die Beurteilung der Projektarbeit (Planungsphase, Informationsbeschaffung und Durchführung, Arbeits- und Sozialverhalten, Präsentation, Evaluation) fliesst als Note für das Fach Mensch&Umwelt in das zweite Semesterzeugnis ein. 5. Durchführung und Vorgaben Grundsätzliches: Pro Lehrperson arbeiten wenn möglich höchstens zehn Schülerinnen und Schüler an ihren Projekten. Damit wird eine professionelle Arbeit gewährleistet, denn eine so hohe Individualisierung und Selbstständigkeit erfordert eine enge Begleitung (siehe Kapitel 6). Deshalb beteiligen sich ausser den Klassenlehrpersonen auch die Handarbeitslehrerin sowie die Spezialistin für Begabungs- und Begabtenförderung am Forschenden Lernen. Schülerinnen und Schüler, welche schulisch schwächer sind und/oder mehr Struktur brauchen, werden in einer kleinen Gruppe zusammengefasst (siehe Kapitel 6). Die Lehrperson dieser Gruppe kann die unten aufgeführten Vorgaben an die speziellen Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler anpassen. Die anderen Kinder werden den restlichen Lehrpersonen zugewiesen, wobei darauf geachtet wird, dass die Klassen, Altersstufen und Geschlechter gemischt werden. Ausserdem werden die Schülergruppen mindestens einmal im Jahr neu zusammengesetzt. Dies hat den Vorteil, dass die Schülerinnen und Schüler von den verschiedenen Coachingstilen und Begabungen der Lehrpersonen profitieren können. 4
Die detaillierten Vorgaben zur Durchführung werden im Anhang erläutert ( Vorgaben zur Durchführung des Forschenden Lernens ). 6. Herausforderungen 1. Die Lehrperson als Coach Schülerinnen und Schüler beim Forschenden Lernen zu begleiten stellt hohe Anforderungen an Lehrpersonen. Es gilt, eine Balance zu finden zwischen eingreifen und gewähren lassen, mehr fordern und Dinge so stehen zu lassen, wie sie sind. Je freier das Unterrichtssetting, desto mehr Begleitung und Struktur brauchen die einzelnen Kinder. Die Lehrperson muss wissen, auf welchem Weg sich die einzelnen Schülerinnen und Schüler bei ihrer jeweiligen Arbeit befinden, um sie beraten und ihnen Ideen vermitteln zu können, wenn sie alleine nicht weiter kommen oder einen zu grossen Umweg einschlagen. Über jedes Thema eingehend Bescheid zu wissen, ist dabei nicht möglich und auch nicht nötig. Die eigene Lust am Fragen Stellen, am Forschen, Experimentieren, am Entdecken und Lernen vermittelt den Schülerinnen und Schülern die Einsicht, dass sich das lebenslange Lernen und das Neugierigsein auf die Phänomene der grossen weiten Welt lohnen. Es gilt, diese Freude am Entdecken bei den Kindern zu fördern, ihr Durchhaltevermögen zu schulen und sie zu motivieren, ihr Bestes zu geben und ihre Stärken zu nutzen. Die Lehrperson muss sich dabei bewusst sein, dass der Weg das Ziel ist, und dass dieser Weg lange ist, steinig sein kann und die Schülerinnen und Schüler erst an dessen Beginn stehen. Nicht perfekte Produkte sind das Ziel, sondern die Entwicklung der Fähigkeit, sich selber Wissen und Können anzueignen und seine eigenen Interessen und Begabungen wahrzunehmen. 2. Schulisch schwache Schülerinnen und Schüler und solche, die viel Struktur brauchen Selbstständig an einem Projekt zu arbeiten stellt auch hohe Anforderungen an die Schülerinnen und Schüler. Es gibt Kinder, welche trotz Unterstützung dieser Anforderung in der grossen Gruppe nicht gewachsen sind. Dies betrifft nicht nur die schulisch schwächsten Kinder, sondern auch solche, die aus verschiedenen Gründen eine enge Führung und eindeutige Aufgabenstellungen brauchen. Solche Schülerinnen und Schüler drohen im offenen Unterricht durch die Maschen zu fallen und bedürfen daher besonderer Aufmerksamkeit. Doch wäre es auch schade, ihnen gänzlich die Chance zu nehmen, beim Forschenden Lernen mitzutun. Eine sinnvolle Lösung ist, sie in einer Kleinstgruppe zusammen zu nehmen, welche eine engere Struktur und mehr Unterstützung bietet und dem Bedürfnis nach klaren Aufgabenstellungen besser entsprechen kann. 7. Anpassung des Konzepts Anpassungen des Konzepts und des Kompetenzrasters zum Forschenden Lernen müssen durch die Schulkonferenz beschlossen werden. Die Einhaltung der 5
Grundziele muss dabei gewährleistet bleiben. Die Projektverantwortliche Christine Sattler, im März 2014 Das Konzept wurde von der Schulkonferenz der Primarschule Flaach am 20.3.2014 abgenommen. Anhang: - Kompetenzraster zum Forschenden Lernen - Vorgaben zur Durchführung des Forschenden Lernens 6