Market Bulletin. Steht das politische Projekt Europa an einem Scheideweg? März 2017 MARKET INSIGHTS ZUSAMMENFASSUNG

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Transkript:

MARKET INSIGHTS Market Bulletin März 2017 AUTOREN Steht das politische Projekt Europa an einem Scheideweg? ZUSAMMENFASSUNG 25 Jahre nach der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht ist Europas politische Landschaft fragmentierter und polarisierter denn je zuvor, und das in einem Jahr, in dem in wichtigen Mitgliedstaaten wie Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und eventuell Italien Parlamentswahlen anstehen. Obwohl die meisten Analysten davon ausgehen, dass es wohl zu keinen populistischen Wahlsiegen kommen wird, hat die Unsicherheit in verschiedenen Ländern zugenommen und die politische Risikoprämie steigt an einigen Märkten für Staatsanleihen allmählich an. Diese Vorsicht ist in Anbetracht von Europas vergangener Underperformance gegenüber anderen Märkten der Industrieländer verständlich. Anleger sollten aber auch erkennen, dass ein eher reflationäres globales Umfeld vor allem europäischen Unternehmen zugutekommen wird. Ohne wesentliche politische Umbrüche gehen wir davon aus, dass sich diese fundamentalen Faktoren an den europäischen Aktienmärkten im Verlauf des Jahres 2017 durchsetzen werden. POLITISCHE LANDSCHAFT IN EUROPA: STÄRKERE FRAGMENTIERUNG UND POLARISIERUNG FÜHRT ZU MEHR UNSICHERHEIT Tilmann Galler Global Market Strategist Unlängst zeigte eine Studie von Ipsos Global Advisor, dass die meisten Europäer der Ansicht sind, ihre Länder befänden sich im Niedergang. Sie haben wenig Vertrauen in ihre Regierungen und wünschen sich eine neue starke politische Führung, die fundamentale Veränderungen auf den Weg bringt 1. Dieses Unbehagen und diese Unzufriedenheit mit dem Status quo haben dazu geführt, dass etablierte Parteien der Mitte Unterstützer an Populisten am linken und rechten Rand des politischen Spektrums verloren haben, und für eine zunehmende Fragmentierung der politischen Landschaft gesorgt (s. Abbildungen 1 und 2). Vincent Juvyns Global Market Strategist Europas politische Landschaft ist stärker fragmentiert als je zuvor ABBILDUNG 1: ENTWICKLUNG DES DURCHSCHNITTLICHEN PROZENTUALEN ERGEBNISSES DER STÄRKSTEN PARTEIEN UND ANZAHL DER PARTEIEN PRO WAHL MIT MIND. 1 DER STIMMEN (5-JAHRES-DURCHSCHNITT) 43 41 39 37 35 33 31 29 Durchschnittl. Ergebnis der jeweils stärksten Partei in (links) Anzahl der Parteien pro Wahl mit mind. 1 der Stimmen (rechts) 27 1949 1956 1963 1970 1977 1984 1991 1998 2005 2012 10 9,5 9 8,5 8 7,5 7 6,5 6 5,5 5 Quelle: ParlGov, The Economist, J.P.Morgan Asset Management; Stand: 15. Februar 2017. Maria Paola Toschi Global Market Strategist 1 Ipsos Global Advisor, am 6. Februar 2017 veröffentlichte Studie mit Schwerpunkt auf fünf europäischen Ländern (Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland und das Vereinigte Königreich). Befragungen wurden im Dezember 2016 und Januar 2017 durchgeführt.

Unterstützung für populistische Parteien nimmt in ganz Europa zu ABBILDUNG 2: ABSICHT, FÜR WESENTLICHE POPULISTISCHE PARTEIEN STIMMEN 30 25 20 15 10 5 0 2011 2016 Alternative für Deutschland Syriza Podemos Movimento 5 Stelle Front national Quelle: Nationale Umfragen, J.P. Morgan Asset Management; Stand: 31. Dezember 2016. Diese Entwicklungen haben die Unsicherheit über den Ausgang der verschiedenen Wahlen in diesem Jahr signifikant erhöht. Obwohl sich die meisten Analysten einig sind, dass ein populistischer Wahlsieg unwahrscheinlich ist, fühlen sich die Anleger gezwungenermaßen daran erinnert, dass das Gleiche über Großbritannien und dessen Brexit-Votum sowie über die Wahl von Donald Trump in den USA gesagt wurde. Der volle politische Kalender ist natürlich von Bedeutung für die Anleger und mittlerweile steigen an den Finanzmärkten die politischen Risikoprämien an. Am deutlichsten zeigt dies die jüngste Ausweitung des Renditeabstands zwischen französischen und deutschen 10-jährigen Staatsanleihen (s. Abbildung 3). In diesem Beitrag widmen wir uns der Frage, was auf dem Spiel steht, welche politischen Kräfte beteiligt sind und welche Ergebnisse der bevorstehenden Wahlen in Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden zu erwarten sind. Spreads italienischer und französischer Staatsanleihen sind unlängst gegenüber deutschen Papieren gestiegen ABBILDUNG 3: SPREADS GGÜ. DEUTSCHLAND 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 Spread Italien Spread Frankreich Spread Niederlande 0.0 Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Jan. Feb. 2017 2017 Quelle: Thomson Reuters Datastream, J.P. Morgan Asset Management; Stand: 21. Februar 2017. DEUTSCHLAND: BUSINESS AS USUAL ODER ÜBERRASCHUNG VON LINKS? Was passiert aktuell? Am 14. Mai 2017 finden in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungs reichsten Bundesland in Deutschland, Wahlen statt, die eine Richtung für die Bundestagswahlen am 24. September 2017 liefern werden, wenn Angela Merkel von der Christlichen Demokratischen Union (CDU) nach fast zwölf Jahren im Amt erneut zur Wahl antritt. Bei einem Sieg wäre ihre Amtszeit als Kanzlerin die zweitlängste in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands. Ihr Hauptrivale ist der Sozialdemokrat Martin Schulz, ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments, der sich überraschenderweise als Kanzlerkandidat gegen den Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel durchsetzte. Wer kandidiert und welche politischen Positionen werden vertreten? Ein Blick auf die Daten zeigt, dass sich Deutschlands Wirtschaft derzeit in einer komfortablen Ausgangslage befindet. Nach der Methodik der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) liegt die Arbeitslosigkeit mit 3,9 auf einem Rekordtief, die Nettoexporte erreichen eine Rekordhöhe, das Verbrauchervertrauen ist günstig und die Regierung kann auf einen ausgeglichenen Haushalt verweisen. In diesem Umfeld dreht sich die politische Debatte eher um eine (Neu-)Verteilung und um die Aufrechterhaltung des Wohlstands als um Wirtschaftsreformen. Merkel und die Christdemokraten werden wahrscheinlich Steuersenkungen für Haushalte mit mittleren Einkommen ins Spiel bringen, während Schulz und die Sozialdemokraten erhöhte Ausgaben für Bildung und Infrastruktur vorziehen, die teilweise über höhere Steuern für Wohlhabende und Kapitalertragssteuern finanziert werden sollen. Der Aufstieg der euroskeptischen, gegen Immigration gerichteten Alternative für Deutschland (AfD) hat an Dynamik eingebüßt. Dies ist auf den innerparteilichen Zwist und den Erfolg der Regierungskoalition bei der Verringerung des Zustroms von Flüchtlingen zurückzuführen. Allerdings werden sowohl die Migrationskrise als auch die Zukunft der EU und der Eurozone im Wahlkampf eine große Rolle spielen, einschließlich der Auswirkungen des Brexit und der Frage, welcher Grad der finanziellen Integration in der Eurozone angemessen ist. Die Nominierung von Martin Schulz führte zu einem dramatischen Umschwung in den jüngsten Meinungsumfragen (s. Abbildung 4) und hat eine bislang als langweilig geltende Kampagne zur Wiederwahl von Merkel in ein Kopf-an-Kopf- Rennen für die Kanzlerschaft verwandelt. In jüngsten Meinungsumfragen sind die Sozialdemokraten auf Kosten all der anderen Parteien in der Wählergunst um 10 gestiegen. Stimmen diese Meinungsumfragen, dann wären folgende Koalitionen im Bereich des Möglichen: eine große Koalition (CDU/CSU/SPD) mit 65 der Stimmen unter der Kanzlerin Angela Merkel 2 STEHT DAS POLITISCHE PROJEKT EUROPA AN EINEM SCHEIDEWEG?

eine rot-rot-grüne Koalition (SPD/Linke/Bündnis 90/Die Grünen) mit 46 der Stimmen unter Kanzler Martin Schulz eine Jamaika-Koalition (CDU/CSU/FDP/Bündnis 90/Die Grünen) mit 46 der Wahlstimmen unter Kanzlerin Angela Merkel Keine andere Kombination ist derzeit wahrscheinlich, da alle Parteien eine Koalition mit der AfD ausschließen. Mit der Kandidatur von Martin Schulz (SPD) folgte ein Anstieg in den Meinungsumfragen um 10 ABBILDUNG 4: NEUESTE UMFRAGEN ZU WAHLABSICHTEN IN DEUTSCHLAND 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Feb. 16 Mrz. 16 Mai 16 Jul. 16 Sept. 16 Nov. 16 Feb. 17 CDU/CSU SPD Bündnis 90/Grüne FDP Die Linke AfD Quelle: Forsa, J.P. Morgan Asset Management; Stand: 15. Februar 2017. Fazit Der Aufstieg der Populisten in Deutschland hat etablierten Parteien sicherlich zugesetzt, allerdings in einem geringeren Maße als in anderen europäischen Ländern. Eine offensichtliche Folge dessen ist eine weitere Fragmentierung des Parteiensystems. Die Chancen stehen gut, dass sich der nächste Bundestag nach sechzig Jahren wieder aus sechs verschiedenen Parteien zusammensetzen wird. Dessen ungeachtet ist das Risiko, dass eine gegen Immigration und gegen Europa gerichtete Partei Teil einer neuen Regierungskoalition sein wird und somit direkt Einfluss auf die Politik in Deutschland und Europa nehmen könnte, sehr gering und, wenn überhaupt, liegt das Risiko der Regierungsbeteiligung von Populisten eher links des politischen Spektrums als rechts. Obschon die Umfragen derzeit weiterhin Angela Merkel als Wahlsiegerin sehen, könnte die Geschichte letztlich auf der Seite von Martin Schulz stehen. Am 12. Februar wurde Frank-Walter Steinmeier (SPD) zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Auch wenn dieses Amt größtenteils repräsentativer Art ist, hat sich das Ergebnis dieser Wahl in der Nachkriegsperiode immer als recht guter Indikator für die Richtung der künftigen Politik in Deutschland erwiesen. Im Gegensatz zu den Wahlen 2013, als Peer Steinbrück (SPD) eine Koalition mit der Partei Die Linke kategorisch ausschloss, hat sich Martin Schulz (SPD) bislang diese Option offengehalten. Eine linksgerichtete Regierungskoalition bestehend aus SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen würde sehr wahrscheinlich zu einer aktiveren Fiskalpolitik, höheren Steuern und mehr Regulierung führen. Auch die Auswirkungen auf die europäische Politik könnten erheblich sein, da Martin Schulz in Brüssel ein starker Befürworter von Eurobonds und einem europäischen Einlagensicherungssystem war. Am Anleihemarkt dürfte eine linksgerichtete Regierung zu einer Einengung der Spreads zwischen Bundesanleihen und Anleihen der Peripherieländer führen. Ein Wahlsieg von Merkel hätte wahrscheinlich weniger starke Auswirkungen auf die Finanzmärkte und gälte wohl als business as usual. FRANKREICH: KEINE AUSGEMACHTE SACHE Was passiert aktuell? Am 23. April und am 7. Mai 2017 finden der erste und zweite Wahlgang der Präsidentschaftswahlen statt, um einen Nachfolger für François Hollande zu finden, der beschlossen hat, nicht noch einmal für eine fünfjährige Amtszeit anzutreten. Erhält keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang (das wahrscheinlichste Szenario), dann treten die beiden Kandidaten mit dem jeweils größten Anteil der Stimmen gegeneinander in einem zweiten Wahlgang an. Darüber hinaus findet am 11. und 18. Juni 2017 die Parlamentswahl statt, um die 577 Mitglieder der französischen Nationalversammlung (Assemblée nationale) zu wählen. Während die Parlamentswahlen vielleicht als etwas weniger bedeutend erachtet werden als die Präsidentschaftswahlen, sind sie doch wichtig, denn eine Mehrheit in der Nationalversammlung würde die Position des neuen Präsidenten erheblich stärken. Wer kandidiert und welche politischen Positionen werden vertreten? In Frankreich ist es so wie andernorts in Europa in den letzten Jahren zu einer Fragmentierung der politischen Landschaft gekommen. Die beiden großen historischen Volksparteien, die Sozialisten links und die Republikaner rechts des politischen Spektrums, verloren gegenüber anderen Parteien unterschiedlichster Couleur an Boden. Auch wenn viele Kandidaten am 23. April ihr Glück versuchen werden, deuten die jüngsten Umfragen (s. Abbildung 5) darauf hin, dass lediglich fünf Kandidaten eine wesentliche Rolle spielen werden: Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Front National, die versprochen hat, dass Frankreich aus der EU austreten wird, falls sie gewinnt. J.P. MORGAN ASSET MANAGEMENT 3

Emmanuel Macron, ehemaliger Wirtschaftsminister, der 2016 zurücktrat, um seine eigene politische Bewegung, En Marche!, zu gründen. Pro-europäischer Zentrist und Reformer. François Fillon, Kandidat der Republikaner, der darauf abzielt, die Wirtschaft Frankreichs grundlegend zu reformieren, wieder für einen ausgeglichenen Haushalt zu sorgen und Mitglied der EU zu bleiben. Benoît Hamon, der Kandidat der Sozialisten, der den linken Flügel seiner Partei repräsentiert und zu dessen Vorhaben die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens gehört. Hamon ist für einen Verbleib in der EU, will sie aber reformieren. Jean-Luc Mélenchon, der innerhalb des politischen Spektrums der extremen Linken zuzuordnen ist und für einen Austritt aus der EU plädiert. Marine Le Pen liegt in den Meinungsumfragen zur ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen weiterhin an der Spitze, während die meisten ihrer Gegner unlängst an Boden verloren haben ABBILDUNG 5: MEINUNGSUMFRAGEN IM FEBRUAR ZUR ERSTEN RUNDE DER FRANZÖSISCHEN PRÄSIDENTSCHAFTSWAHLEN 28 24 20 16 12 8 4 1. Feb3. Feb. 5. Feb. 7. Feb. 9. Feb. 11. Feb. 13. Feb15. Feb. Source: IFOP, J.P. Morgan Asset management; data as of 15 February 2017. Fazit Marine Le Pen Francois Fillon Emmanuel Macron Benoit Hamon Jean-Luc Melenchon Francois Bayrou (not candidate) Obschon laut Konsens ein Wahlsieg von Marine Le Pen unwahrscheinlich ist, bedeutet die gegenwärtige Fragmentierung der politischen Landschaft in Frankreich, dass die Wahrscheinlichkeit sich sicherlich nicht auf null beläuft und unter verschiedenen plausiblen Szenarien deutlich zunehmen könnte. Sollten Marine Le Pen und Emmanuel Macron aus dem ersten Wahlgang als Gewinner hervorgehen, wie die Umfragen derzeit nahelegen, oder sollte Francois Fillon Emmanuel Macron schlagen können, hat der Front National theoretisch nur eine kleine Chance, die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen für sich zu entscheiden. In der Vergangenheit konnte der Front National trotz guter Ergebnisse im ersten Wahlgang nie die Präsidentschaft gewinnen. Wie etwa im Wahlkampf zwischen Jacques Chirac und Jean-Marie Le Pen im Jahr 2002 deutlich wurde, formen die anderen Parteien für die zweite Runde einen Front Républicain, mit dem sichergestellt wird, dass die Wähler der Linken für den Kandidaten der Rechten stimmen oder umgekehrt. Die jüngsten Umfragen bestätigen, dass sowohl Macron als auch Fillon in der zweiten Runde gegen den Front National gewinnen würden. Allerdings könnte der Ausgang viel unsicherer sein, sollte es Benoît Hamon in die zweite Runde gegen Marine Le Pen schaffen. Laut aktuellen Umfragen erscheint dies unwahrscheinlich. Allerdings könnte Hamon eine Allianz mit Jean-Luc Mélenchon eingehen, was ihm theoretisch die erforderliche Unterstützung einbringen könnte, um Emmanuel Macron und Francois Fillon zu schlagen. Mélenchon hat es bislang abgelehnt, mit Hamon ein Bündnis einzugehen, obwohl sich ihr Programm in bestimmten Bereichen ähnelt. Beide wissen jedoch, dass eine Allianz ihre einzige Hoffnung auf einen Sieg ist. Eine solche Allianz hätte eine sehr unsichere zweite Runde zur Folge, da die extreme Linke und die extreme Rechte dann gegeneinander antreten würden. Allerdings könnte eine andere Allianz, die kurz vor Veröffentlichung dieses Artikels angekündigt wurde, die Kandidatur von Emmanuel Macron stärken, denn Francois Bayrou, ein Zentrist, bei dem es sich um keinen Kandidaten handelte, hat beschlossen, Emmanuel Macron zu unterstützen. Da Bayrou 5 der beabsichtigten Stimmen zugerechnet werden können, dürfte seine Unterstützung Macron gegenüber Francois Fillon und Benoit Hamon einen Vorteil einräumen, unabhängig davon, ob Letzerer eine Allianz mit Jean-Luc Mélenchon eingeht oder nicht. Als Schlussfolgerung lässt sich feststellen, dass die französischen Präsidentschaftswahlen alles andere als eine ausgemachte Sache sind. Die Unwägbarkeiten nahmen unlängst sogar noch weiter zu. Angesichts dessen lässt sich der Wahlsieg eines euroskeptischen Kandidaten nicht vollständig ausschließen, obwohl die Wahrscheinlichkeit dessen recht gering bleibt. Das Risiko ist aber hoch genug, um zu Wachsamkeit zu raten, da eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland, ganz zu schweigen von einem Austritt Frankreichs aus der EU, für Europa und die globalen Finanzmärkte dramatische Folgen hätte. 4 STEHT DAS POLITISCHE PROJEKT EUROPA AN EINEM SCHEIDEWEG?

ITALIEN: WÄHLEN ODER NICHT WÄHLEN? DAS IST HIER DIE FRAGE Was passiert aktuell? Nachdem sich Matteo Renzis Regierung in einem Referendum im Dezember 2016 nicht die Unterstützung für ihr Reformprogramm sichern konnte, kam es zu einem Ende der bisherigen Koalition in Italien. Das Nein während des Referendums führte außerdem zu einem Missverhältnis bei den Wahlsystemen zwischen den beiden Häusern des italienischen Parlaments, der Abgeordnetenkammer und dem Senat. Im Jahr 2015 verabschiedete das Parlament in Italien ein Gesetz zur Wahlreform, das weithin unter der Bezeichnung Italicum bekannt ist. Dieses Gesetz erstreckte sich jedoch nur auf die Abgeordnetenkammer, da im Allgemeinen davon ausgegangen wurde, dass das Referendum zu Renzis Vorhaben, die Macht des Senats deutlich zu beschneiden, erfolgreich sein würde. Die Ablehnung von Renzis Reformen führt daher zu einem Hindernis für künftige Wahlen. Im Januar 2017 musste das Verfassungsgericht in Italien ein Urteil über die Verfassungsmäßigkeit des Italicum fällen. Das Gericht erklärte das System der Mehrheitsprämie für zulässig, mit dem eine Partei bei 40 der Stimmen 55 der Sitze erhält. Hierbei handelt es sich um eine wichtige Entwicklung, da sie möglicherweise den Weg für mächtigere und stabilere Koalitionen ebnet und somit die bislang in Italien vorherrschende Instabilität der Exekutive beenden könnte. Allerdings lehnte das Verfassungsgericht das Zweitrundensystem ab, gemäß dem eine weitere Wahlrunde stattfinden würde, wenn keine der Parteien dazu in der Lage ist, in der ersten Runde diese Schwelle zu erreichen. Stattdessen entschied das Gericht, dass keine Mehrheitsprämie vergeben wird, wenn keine der Parteien die Schwelle von 40 erreicht. In der Praxis bedeutet dies, dass die Mehrheitsprämie sehr selten zum Tragen kommen wird, da es schwierig ist, diese erforderliche Schwelle in einem einzigen Wahlgang zu erreichen. Wer kandidiert und welche politischen Positionen werden vertreten? Diese gerichtliche Entscheidung lässt vorgezogene Neuwahlen machbarer erscheinen, aber die Lage ist nach wie vor ungewiss und das Urteil hat keine verbindlichen Auswirkungen. Bis auf Weiteres erhöhen einige Faktoren die Wahrscheinlichkeit vorgezogener Neuwahlen: Das Gericht entschied, dass die Systeme der Abgeordnetenkammer und des Senats nach der Abschaffung des zweiten Wahlgangs einander ähnelten und vorgezogene Neuwahlen möglich seien. Beide Kammern werden in etwa nach einem proportionalen System gewählt. Für den Senat gibt es keine Mehrheitsprämie und in der Abgeordnetenkammer wird sie selten zum Tragen kommen, denn die fragmentierte politische Landschaft erschwert es den Parteien, selbst mittels einer Koalition die Schwelle von 40 zu erreichen. Die Regierung von Paolo Gentiloni, die nach Renzis Rücktritt gebildet wurde, ist die vierte Regierung (nach denen von Mario Monti, Enrico Letta und Matteo Renzi), die nicht direkt im Zuge von Parlamentswahlen an die Macht kommt. Aus diesem Grund setzen daher einige politische Parteien Italiens Präsidenten Sergio Mattarella unter Druck, Neuwahlen auszurufen. Aber es gibt auch Faktoren, die vorgezogene Neuwahlen weniger wahrscheinlich machen: Mattarella, der Einzige, der das Parlament auflösen könnte, hat sich gegen vorgezogene Neuwahlen ausgesprochen und erklärt, dass eine Annäherung der Wahlsysteme für Senat und Abgeordnetenkammer eine Vorbedingung dafür sei. Die gegenwärtige Regierung unter Gentiloni verfügt sowohl im Senat als auch in der Abgeordnetenkammer über eine Mehrheit und könnte daher ihr Mandat bis zum vorgesehenen Ende der Legislaturperiode im März 2018 fortführen. Fazit Der wirtschaftliche Frust angesichts der Staatsschuldenkrise in der Eurozone hat euroskeptischen, gegen das Establishment gerichteten Parteien in Italien Zulauf beschert. Den jüngsten Umfragen nach zu schließen läge die populistische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) mit rund 27 der Stimmen fast gleichauf mit der führenden Demokratischen Partei (PD), die im Falle von vorgezogenen Neuwahlen derzeit 29 der Stimmen auf sich vereinen würde 2. Wenn ein Kandidat der Fünf-Sterne- Bewegung den Auftrag zur Regierungsbildung erhielte, würde das für Italien und für Europa politisch sehr turbulente Zeiten bedeuten. Die Fünf-Sterne-Bewegung entstand aus einer Protestbewegung und ist gegen das Establishment, den Euro und gegen Europa gerichtet. Ihr Anführer, Beppe Grillo, ist ein starker Befürworter der Wiedereinführung der italienischen Lira. Er könnte ein Referendum über Italiens Verbleib in den europäischen Institutionen mit ernsthaften Auswirkungen auf Europas Zukunft anberaumen. Da Italiens politische Landschaft weiterhin stark fragmentiert ist, könnte eine neue Regierung unter Führung der PD schwach sein und eine weitere Legislaturperiode mit schlechter Regierungsführung nach sich ziehen. 2 Scenari politici, Demos, IXÈ. J.P. MORGAN ASSET MANAGEMENT 5

In der Folge bleibt Italien für Europa ein politisches Sorgenkind, und vorgezogene Neuwahlen könnten die Märkte in einem ohnehin schon unsicheren Jahr nervös stimmen. DIE NIEDERLANDE: EINE WACKELIGE KOALITION SCHEINT WAHRSCHEINLICHER ALS EIN EUROSKEPTISCHER MINISTERPRÄSIDENT Was passiert aktuell? Am 15. März 2017 finden in den Niederlanden Wahlen für die 150 Abgeordneten des Unterhauses (die sog. Zweite Kammer der Generalstaaten) und somit für den Ministerpräsidenten statt, der auf Mark Rutte folgen soll, welcher seit 2010 unter zwei verschiedenen Koalitionen dieses Amt bekleidet. Der Ministerpräsident ist traditionell auch der Vorsitzende derjenigen Partei, die den prozentual höchsten Anteil der Stimmen auf sich vereint. Hat diese Partei keine absolute Mehrheit im Parlament und das ist generell der Fall in den Niederlanden kommt es zur Bildung einer Koalition mit anderen Parteien. Wer kandidiert und welche politischen Positionen werden vertreten? Die Niederlande haben ein proportionales Wahlsystem und es gibt keine Prozenthürde, um ins Parlament einzuziehen. Eine Partei kann also selbst mit nur einem Sitz im Parlament vertreten sein. In dieser Hinsicht sind die Niederlande vielleicht das Land, das die politische Fragmentierung in Europa am besten verdeutlicht, da bei den anstehenden Wahlen 28 Parteien um die Gunst der Wähler buhlen. Eine große Anzahl von politischen Parteien mag ein Anzeichen für eine gesunde Demokratie sein. Sie verkompliziert aber den Prozess der Regierungsbildung. Da die fragmentierte politische Landschaft es für eine einzige Partei stark erschwert, eine absolute Mehrheit in den Niederlanden zu erzielen, kommt in der Regel eine Koalition an die Macht. Die bisweilen diametrisch entgegengesetzten Positionen innerhalb dieser Koalitionen bedeuten, dass diese Regierungen sich häufig als instabil erweisen. Wahlen für die Legislative finden in der Regel alle vier bis fünf Jahre statt, aber seit 1945 gab es in den Niederlanden 29 Regierungen, d. h. im Durchschnitt überlebte eine Regierung lediglich 2,5 Jahre. Beobachter schenkten dieser Situation bis 2006, als ein Newcomer in Form der von Geert Wilders gegründeten Freiheitspartei (PVV) die politische Bühne betrat, kaum Aufmerksamkeit. Diese euroskeptische und gegen Immigration gerichtete Partei hat in den letzten Jahren dank einer schwächeren sozioökonomischen Lage seit der Krise 2008 enormen Zulauf verzeichnet (s. Abbildung 6). Nach ihrem Erfolg bei den Wahlen 2010 bildete die PVV eine Koalitionsregierung mit der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) von Mark Rutte und den Christdemokraten (CDA). Diese Koalition zerbrach jedoch 2012 aufgrund tiefer Meinungsverschiedenheiten zwischen der PVV und ihren Partnern. Dies führte zu vorgezogenen Neuwahlen und der Bildung einer neuen Koalition, erneut unter Mark Rutte, zwischen der VVD und der Arbeiterpartei (PvdA). Fazit Sollten die Meinungsumfragen richtig liegen, dann wird die PVV die Wahlen für sich entscheiden. Da die Niederlande eine parlamentarische Monarchie sind, muss der König den Gewinner der Wahl mit der Regierungsbildung beauftragen. Jüngste Umfragen deuten auf 27 Mandate für die PVV hin. Für eine absolute Mehrheit würde das nicht reichen. Die Partei müsste daher eine Koalition eingehen. Dies wäre jedoch schwierig, da die PVV bisweilen extreme Positionen vertritt und sich 2010 als unzuverlässiger Koalitionspartner erwies. Die meisten politischen Parteien, einschließlich der VVD unter Mark Rutte, haben bereits angedeutet, dass sie mit der PVV unter Geert Wilders keine Koalition bilden würden. In diesem Falle müsste der König wahrscheinlich die Unfähigkeit der PVV zur Regierungsbildung zur Kenntnis nehmen und die nach Anzahl der Parlamentssitze zweitgrößte politische Partei mit der Regierungsbildung beauftragen. Obwohl dies auch nicht einfach sein dürfte, da abwegige Allianzen zwischen links und rechts die Folge sein könnten, wurden derlei Regierungen in der Vergangenheit schon oft gebildet. Beobachter gehen daher von einer Regierungsbildung ohne die PVV aus, weshalb die Niederlande wohl fest in der Eurozone verankert bleiben werden. 6 STEHT DAS POLITISCHE PROJEKT EUROPA AN EINEM SCHEIDEWEG?

Auch wenn die PVV von Geert Wilders in den Meinungsumfragen an der Spitze steht, bleibt sie weit von einer absoluten Mehrheit entfernt. ABBILDUNG 6: ENTWICKLUNG DER ANZAHL DER SITZE IM UNTERHAUS BEI DEN GRÖSSEREN PARTEIEN 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1998 2002 2003 2006 2010 2012 2017 PvdA CDA VVD Demokraten 66 GroenLinks SGP ChristenUnie SP PVV PvdD 50Plus Quelle: Unterhaus, IPSOS, J.P. Morgan Asset Management; Stand: 17. Februar 2017. AUSWIRKUNGEN AUF DIE ANLAGESTRATEGIE In einem ruhigeren politischen Klima würden Anleger die vielen guten Gründe für ein Investment in Aktien der Eurozone erkennen, die von einer höheren globalen Inflation und einem schnelleren Wachstum unverhältnismäßig stark profitieren können. Die Wirtschaft in der Eurozone hat soeben ihr fünfzehntes Quartal in Folge ein positives Wachstum verzeichnet, die Arbeitslosigkeit ist auf den niedrigsten Stand seit 2009 zurückgegangen, die Inflation erholt sich und der Einkaufsmanagerindex im verarbeitenden Gewerbe befand sich Anfang 2017 auf dem höchsten Niveau seit mehr als fünf Jahren. Die Reaktion der Verbraucher in der Eurozone auf die höhere Inflation muss genau im Auge behalten werden. Im Allgemeinen gehen wir jedoch davon aus, dass diese positiven Entwicklungen in der Wirtschaft zu einer anhaltenden Erholung der Unternehmensgewinne in der Eurozone führen werden, die eine langjährige Schwäche wettzumachen haben. Während die Wirtschaft auf festeren Beinen steht, gibt die Politik eher Anlass zur Sorge. Momentan gehen wir nicht von der Wahl einer populistischen Regierung in diesem Jahr aus. Doch die Bedenken der Marktteilnehmer könnten in der ersten Jahreshälfte durchaus zunehmen. Der Ausblick für Staatsanleihen ist ebenfalls uneinheitlich. Bedenken über künftige politische Entwicklungen haben bereits zu einer Ausweitung des Renditeabstands zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen auf ein Mehrjahreshoch gesorgt und dieser Trend dürfte anhalten, bis in Frankreich eine neue Regierung feststeht. Anleger, die von der wirtschaftlichen Wiederbelebung profitieren wollen, zugleich aber, die potenzielle Volatilität an den Aktienmärkten und Renditeanstiege bei einigen Staatsanleihen meiden wollen, könnten europäische Unternehmensanleihen für ihr regionales Engagement in Erwägung ziehen. J.P. MORGAN ASSET MANAGEMENT 7

MARKET INSIGHTS Das Market Insights -Programm bietet umfassende Informationen und Kommentare zu den globalen Märkten auf produktneutraler Basis. Das Programm analysiert die Auswirkungen der aktuellen Wirtschaftsdaten und veränderten Marktbedingungen, um Kunden einen besseren Einblick in die Märkte zu vermitteln und fundierte Anlageentscheidungen zu fördern. WICHTIGE HINWEISE Bei diesem Dokument handelt es sich um Informationsmaterial. Sämtliche Prognosen, Zahlen, Einschätzungen und Aussagen zu Finanzmarkttrends oder Anlagetechniken und -strategien sind, sofern nichts anderes angegeben ist, diejenigen von J.P. Morgan Asset Management zum Erstellungsdatum des Dokuments. J.P. Morgan Asset Management erachtet sie zum Zeitpunkt der Erstellung als korrekt, übernimmt jedoch keine Gewährleistung für deren Vollständigkeit und Richtigkeit. Die Informationen können jederzeit ohne vorherige Ankündigung geändert werden. J.P. Morgan Asset Management nutzt auch Research-Ergebnisse von Dritten; die sich daraus ergebenden Erkenntnisse werden als zusätzliche Informationen bereitgestellt, spiegeln aber nicht unbedingt die Ansichten von J.P. Morgan Asset Management wider. Die Nutzung der Informationen liegt in der alleinigen Verantwortung des Lesers. J.P. Morgan Asset Management ist der Markenname für das Vermögensverwaltungsgeschäft von JPMorgan Chase & Co und seiner verbundenen Unternehmen weltweit. Telefonanrufe bei J.P. Morgan Asset Management können aus rechtlichen Gründen sowie zu Schulungs- und Sicherheitszwecken aufgezeichnet werden. Zudem werden Informationen und Daten aus der Korrespondenz mit Ihnen in Übereinstimmung mit der EMEA-Datenschutzrichtlinie von J.P. Morgan Asset Management erfasst, gespeichert und verarbeitet. Die EMEA-Datenschutzrichtlinie finden Sie auf folgender Website: http://www.jpmorgan.com/pages/privacy. Herausgeber in Deutschland: JPMorgan Asset Management (Europe) S.à r.l., Frankfurt Branch Taunustor 1 D-60310 Frankfurt am Main. Herausgeber in Österreich: JPMorgan Asset Management (Europe) S.à r.l., Austrian Branch, Führichgasse 8, A-1010 Wien. Herausgeber in der Schweiz: JPMorgan Asset Management (Schweiz) GmbH, Dreikönigstrasse 21, CH-8002 Zürich, Schweiz. 36a2b920-f907-11e6-9fa8-005056960c8a LV JPM35674 03/17