Braucht die deutsche Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall?



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Perspektiven der Wirtschaftspolitik 1(1): 93±114 Braucht die deutsche Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall? Franz Hackl und Gerald J. Pruckner* Johannes Kepler UniversitaÈt Linz 1. Einleitung Die EuropaÈische Union reduziert in regelmaèûigen ZeitabstaÈnden die hoèchstzulaèssigen Schadstoffemissionen fuè r Personenkraftfahrzeuge (RL 91/ 441/EEC, RL 94/12/EC oder RL 96/44/EC). Diese Grenzwertfestlegungen zwingen die Automobilhersteller zu umfangreichen Investitionen in die Entwicklung immer schadstoffaèrmerer Motoren. Lohnen sich diese Investitionen bei den Automobilherstellern verglichen mit den zu erwartenden Umweltverbesserungen, oder ist es nicht vielmehr so, dass uè berproportional ansteigende Investitionskosten mit immer geringer werdenden Verbesserungen der LuftqualitaÈt einhergehen? Sind diese Entscheidungen der EU-Kommission gesellschaftlich sinnvoll? Nach einer langwierigen Diskussion uè ber die Herabsetzung der Nitratkonzentration des Trinkwassers auf 30 mg/l wurde in der oèsterreichischen Nitratverordnung die zulaèssige HoÈchstkonzentration bei 50 mg/l belassen. Unter Medizinern herrscht Uneinigkeit daruèber, ob gesundheitliche SchaÈden ± insbesonders bei SaÈuglingen und Kleinkindern ± auch bei Konzentrationen von unter 50 mg/l auftreten koènnen. HaÈtten nicht die gesundheitlichen Risiken den strengeren Wert von 30 mg/l notwendig gemacht? KoÈnnen diese gesundheitlichen Risiken uèberhaupt den Gewinneinbuûen der Landwirtschaft ± ein Hauptverursacher der Nitratbelastung im Grundwasser ± gegenuèbergestellt werden? Die oberoèsterreichische Landesregierung hat im Jahr 1997 die Errichtung des Nationalparks Kalkalpen beschlossen. Mit der Verwirklichung dieses Nationalparks war eine EinschraÈnkung land- und forstwirtschaftlicher AktivitaÈten sowie eine FoÈrderung naturnaher Erholung fuèr Einheimische und Urlauber verbunden. Ist diese Entscheidung ausschlieûlich politisch zu treffen, oder * Institut fuèr Volkswirtschaftslehre, Johannes Kepler UniversitaÈt Linz, A-4040 Linz Auhof, OÈ sterreich, Tel: +43-732-2468-213 oder 333, e-mail: franz.hackl@jk.uni-linz.ac.at oder gerald.pruckner@jk.uni-linz.ac.at ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000, 108 Cowley Road, Oxford OX4 1JF, UK und 350 Main Street, Malden, MA 02148, USA.

Franz Hackl und Gerald J. Pruckner sollten solche Fragen anhand oèkonomischer Fakten gerechtfertigt werden? UÈ bersteigt der erwartete Erholungswert die entgangenen Gewinne im Landund Forstwirtschaftssektor? Kann man den Erholungswert eines Nationalparks uèberhaupt messen? 1 Diese drei Beispiele verdeutlichen, dass regelmaèûig umweltpolitische Entscheidungen der verschiedensten Art getroffen werden muè ssen. Welche Kriterien sollten als Grundlage fuèr diese Entscheidungen herangezogen werden? Dieser Beitrag versucht, einen oèkonomischen LoÈsungsweg fuè r die sich ergebenden Zielkonflikte anzubieten. Eine solche oèkonomische Herangehensweise an das Umweltproblem erfordert die monetaère Bewertung sowohl der Kosten als auch der Nutzen umweltrelevanter AktivitaÈten. WaÈhrend eine monetaère AbschaÈtzung der Kosten in vielen FaÈllen relativ unumstritten ist und einfach erfolgen kann, sind zur Beurteilung der Nutzen in Geldeinheiten spezielle Bewertungsverfahren entwickelt worden. Eine GegenuÈ berstellung der monetaèren Kosten und Nutzen liefert eine Antwort auf die oben aufgezeigten Zielkonflikte im Umweltbereich. Dieser Beitrag diskutiert sowohl die MoÈglichkeiten als auch die Schwierigkeiten der monetaèren Bewertung als Instrument der umweltpolitischen Beratung. Alternative Vorgehensweisen zur hier vorgeschlagenen Bewertung natuè rlicher Ressourcen kommen dabei ebenso zur Sprache wie die geringe Akzeptanz der monetaèren Umweltbewertung im deutschsprachigen Raum. 2. Das Dilemma der WertmaûstaÈbe Akzeptiert man das oèkonomische Prinzip mit einer (empirischen) Bewertung von Kosten und Nutzen als umweltpolitische Entscheidungshilfe, tritt zunaèchst die Wahl eines geeigneten Wertmaûstabes in den Vordergrund. Auf welcher Grundlage soll eine EinschaÈtzung von Vor- und Nachteilen umweltrelevanter AktivitaÈten vorgenommen werden? DiesbezuÈ glich treffen in der UmweltoÈkonomie zwei fundamental unterschiedliche Positionen aufeinander (vgl. Hackl, 1999): Im Mittelpunkt der neoklassischen UmweltoÈkonomie steht der Mensch mit seinen individuellen PraÈferenzen, wobei die Natur als ein Gut wie jedes andere gesehen wird. Dieses Gut kann gegen andere GuÈter (z.b. Einkommen) getauscht werden. Die Substituierbarkeit von GuÈtern ist somit gegeben, und die Menschen handeln oèkonomisch rational im Sinne einer neoklassischen (Nutzen-)Maximierung. Das sich aus dieser Maximierung ergebende Marginalkonzept gilt auch fuè r die Inanspruchnahme der natuèrlichen Ressourcen, indem einem menschlichen BeduÈrfnis entsprochen wird, solange die zusaètzlichen Nutzen (Grenznutzen) die zusaètzlichen Kosten (Grenzkosten) 1. Hackl und Pruckner (1995) zeigen, dass bei einer realistischen Annahme uèber kuènftige Besucherzahlen die monetaèr ausgedruèckte WertschaÈtzung fuèr die Erholung im Nationalpark hoèher ist als die Errichtungskosten und die land- und forstwirtschaftlichen Gewinneinbuûen. 94 ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000

Braucht die deutsche Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall? der BeduÈ rfnisbefriedigung uè bersteigen. Grenznutzen und Grenzkosten kommen auf MaÈrkten zum Ausdruck, wo sich uèber das Instrument des Marktpreises ein Gleichgewicht bildet. Die FunktionsfaÈhigkeit von MaÈrkten erfordert jedoch die Existenz von eindeutig festgelegten Eigentumsrechten, eine Voraussetzung, die auch fuèr natuèrliche Ressourcen erfuèllt sein muss. Allerdings funktionieren MaÈrkte nicht immer perfekt. Falls der Konsum eines Gutes durch eine Person die NutzungsmoÈglichkeiten des Gutes fuè r andere Personen nicht einschraènkt (Nicht-RivalitaÈt), und wenn einzelne Individuen vom Konsum eines Gutes nicht oder nur sehr schwer ausgeschlossen werden koènnen (Nicht-Ausschlieûbarkeit), spricht man von der Problematik oèffentlicher GuÈter, die eine effiziente Ressourcenallokation uè ber den privaten Markt verhindert. DaruÈ ber hinaus existiert das Problem der ExternalitaÈten, indem die oèkonomische AktivitaÈt einer Person direkt die Nutzen- oder ProduktionsmoÈglichkeiten eines anderen Individuums beeinflusst, ohne dass eine entsprechende EntschaÈdigung stattfindet. Beide PhaÈnomene ± oèffentliche GuÈter und ExternalitaÈten ± fuèhren zu Marktversagen und machen einen staatlichen Eingriff notwendig. Diese Intervention kann darin bestehen, dass durch eine eindeutige Zuordnung von Eigentumsrechten die FunktionsfaÈhigkeit der MaÈrkte wieder hergestellt wird, wodurch ein effizientes Ergebnis garantiert ist. Der Staat kann Marktversagen aber auch insofern korrigieren, als er die Funktion des Marktes selbst uè bernimmt und im Rahmen einer Kosten/ Nutzen Analyse (KNA) uèber die optimale Allokation entscheidet. Im Gegensatz zu diesem anthropozentrischen Ansatz beruht die sogenannte oèkologische UmweltoÈkonomie auf naturwissenschaftlichen Grundlagen. Dabei stehen ein ganzheitliches Systemdenken sowie das Gesetz der Entropie im Mittelpunkt des Interesses. Die Betonung des Systemdenkens schlieût einfache Ursache-Wirkungs-ZusammenhaÈnge fuèr das Beziehungsgeflecht OÈ konomie und Umwelt aus. Bei den ZusammenhaÈngen zwischen Natur, Gesellschaft und Wirtschaft handle es sich vielmehr um komplizierte Regelkreise, deren Funktionsweise sich unserem Wissen teilweise entziehe. Die Gleichgewichtsidee der Neoklassik wird abgelehnt mit dem Hinweis darauf, dass selbst bei oèkonomischer Effizienz das OÈ kosystem auf Umweltverschmutzung reagiert und sich dementsprechend veraèndert. Der Natur wird ein intrinsischer Wert beigemessen, der sich nicht uè ber die menschliche Nutzung von natuè rlichen Ressourcen ableitet. Die Wertefestlegung unterscheidet sich somit diametral von den neoklassischen Vorstellungen. NatuÈ rliche Ressourcen sind einzigartig und deren QualitaÈtsverschlechterung mitunter irreversibel, so dass keine Substituierbarkeit von Umwelt durch andere GuÈ ter moèglich ist. Die Skepsis gegenuèber langfristigen Gleichgewichten begruèndet sich auf dem Gesetz der Entropie aus der Thermodynamik. Demnach wird in einem geschlossenen System durch die Eingriffe der Menschen in das OÈ kosystem laufend nutzbare (potenzielle) Energie in nicht verwertbare Energie umgewandelt (= Zunahme der Entropie). Da in einem geschlossenen System die Gesamtenergie konstant ist und jede oèkonomische AktivitaÈt potenzielle Energie (= niedrige Entropie) benoètigt, ist langfristiges oèkonomisches ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000 95

Franz Hackl und Gerald J. Pruckner Wachstum per se unmoèglich. Zur Senkung der Entropie muèsste laufend Energie von auûen zugefuèhrt werden. Im oèkologischen Sinn kann durch wirtschaftliches Wachstum langfristig kein groèûerer Wohlstand erreicht werden. Die umweltpolitische Forderung der oèkologischen UmweltoÈkonomie lautet dann auf einen moèglichst sparsamen Umgang mit natuèrlichen Ressourcen und auf den groèûtmoèglichen Schutz und Erhalt des gegenwaèrtigen OÈ kosystems. Im Unterschied dazu wird der Natur in der Neoklassik kein besonderer Wert beigemessen, wonach die neoklassische UmweltoÈkonomie zu einer vergleichsweise intensiveren Inanspruchnahme natuèrlicher Ressourcen und damit verbunden zu relativ moderaten Umweltvorschriften neigt. 2.1. Die Frage der monetaèren Bewertung In Bezug auf die fuèr die umweltpolitische Debatte so wichtige Frage nach den MoÈglichkeiten einer monetaèren Bewertung von UmweltqualitaÈten gelangen die beiden hier dargestellten Paradigmen erwartungsgemaèû zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Auf Produzenten- und Konsumentenrenten aufbauend ist in der neoklassischen UmweltoÈkonomie eine Bewertung von UmweltguÈ tern in monetaèren Einheiten moèglich. Diese Sichtweise wird von oèkologischen UmweltoÈkonomen mit dem Hinweis abgelehnt, dass der Wert der Natur keinesfalls aus von Menschen entwickelten Angebots- und Nachfragerelationen gebildet werden kann. Um dennoch Aussagen uèber einen optimalen Einsatz natuè rlicher Ressourcen treffen zu koènnen, bedient sich die oèkozentrische Stoûrichtung alternativer Konzepte: Beispielsweise erfolgt anhand thermodynamischer Gesetze eine Berechnung von Energieverbrauch und Energiegehalt (vgl. Constanza, 1980; Mayer, 1993). Es geht somit nicht um eine Bewertung natuèrlicher Ressourcen in Geldeinheiten, sondern um die Feststellung der fuèr die Menschen nutzbaren potenziellen Energie. DaruÈber hinaus werden Stoffstrom- und Produktbilanzen erstellt (vgl. Schnabl, 1993), um so Indikatoren fuèr eine nachhaltige Entwicklung der Umwelt ermitteln zu koènnen. 2 Alle diese Verfahren verfolgen im Gegensatz zur Neoklassik das Ziel, die natuèrliche Umwelt als BestandsgroÈûe zu erfassen. Berechtigterweise bezweifelt Hampicke (1992, S. 56),,inwieweit die intrinsisch empfundenen Werte der Natur nicht letztlich doch anthropozentrischen Ursprungs sind, was die besonders naturverbundenen Menschen veranlasst, bestimmte Rechte willentlich zu postulieren.`` Wissenschaftstheoretisch steht somit die Frage im Raum, ob in der hier angesprochenen Wahrnehmung der Natur eine andere als die anthropozentrische Betrachtungsweise uèberhaupt moèglich ist. Liegt nicht vielmehr die Vermutung nahe, dass auch die oèkozentrische Sichtweise einem anthropozentrischen Zielsystem entstammt? Die Verfasser dieses Beitrages vertreten die anthropozentrische Sichtweise. DafuÈr sind verschiedene Argumente zu nennen: 2. Hoffmann und Radke (1999) stellen fest, dass aufgrund der relativ kurzen Zeit, in der die oèkologische UmweltoÈkonomie bisher betrieben wird, die dort entwickelten Indikatoren fuèr Nachhaltigkeit noch MaÈngel hinsichtlich ihrer Operationalisierbarkeit aufweisen. 96 ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000

Braucht die deutsche Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall? Eine Ablehnung der expliziten monetaèren Bewertung bedeutet in sehr vielen FaÈllen, dass der Umwelt ein Wert von Null zugewiesen wird. Mit der Feststellung, keine Bewertungen vornehmen zu koènnen, werden Nutzenaspekte einer verbesserten UmweltqualitaÈt de facto negiert, ohne dass jemand verpflichtet wuè rde, diesen Wert von Null inhaltlich vertreten zu muèssen. HaÈufig ist auch das Argument zu hoèren, es sei moralisch bedenklich, sogenannte,,intangible`` GuÈter wie Gesundheit und Umwelt monetaèr zu bewerten, wodurch der Eindruck entstuè nde, diese GuÈter koènnten so wie andere Waren und Dienstleistungen auf einem Markt gehandelt werden. Kaum jemand wuè rde es als unmoralisch empfinden, fuèr einen hoèheren Mietpreis in eine Wohngegend mit besserer UmweltqualitaÈt zu ziehen, was bedeutet, dass sich eine Person gegen Verzicht eines Teils seines Einkommens zusaètzliche UmweltqualitaÈt kauft. AÈ hnlich zu beurteilen waèren saèmtliche Defensivausgaben von Individuen, die getaètigt werden, um die Auswirkungen negativer UmwelteinfluÈsse zu beseitigen beziehungsweise zu reduzieren. Die Ausgaben fuèr LaÈrmschutzwaÈnde gehoèren ebenso in diese Kategorie wie die Kosten von Wasseraufbereitungsanlagen und der Abwasserentsorgung. Die oèkonomische Bewertung der Gesundheit von Menschen bis hin zur Messung monetaèrer AÈquivalente fuèr ein menschliches Leben sind heftigster Kritik ausgesetzt. Auch hier gilt, dass bei Absenz expliziter und nachvollziehbarer AnsaÈtze in der RealitaÈt laufend implizite Wertfestlegungen erfolgen. Aufwendige und daher kostenintensive medizinische Eingriffe werden mitunter vom Lebensalter des Patienten oder der Patientin abhaèngig gemacht. Wieviel einer Gesellschaft die UÈ berwindung eines bestimmten Krankheitsbildes tatsaèchlich wert ist, bleibt so dem Ermessen der zustaèndigen VerantwortungstraÈger uè berlassen und ist damit in der Regel nicht objektiv nachvollziehbar. DaruÈ ber hinaus sind fuèr den Gesundheitsbereich bestimmte oèffentliche Budgets vorgesehen, deren Begrenztheit a priori eine Bewertung vorgibt, die allerdings in der oèffentlichen Diskussion kaum hinterfragt wird. WaÈren limitierte Budgets nicht auch dahingehend wissenschaftlich zu untersuchen, ob sie tatsaèchlich in jenen Bereichen eingesetzt sind, die die hoèchsten NutzenzuwaÈchse garantieren? Im Rahmen von gerichtlich auszutragenden umweltrelevanten StreitfaÈllen stellt sich die Frage der Festlegung von SchadenersatzanspruÈ chen. Muss nicht fuèr jene FaÈlle, in denen die Wiederherstellung des urspruè nglichen Zustandes nicht moèglich erscheint, eine monetaère Festlegung der SchadenersatzanspruÈche erfolgen? Im Vergleich zur Neoklassik postuliert die oèkozentrische Betrachtung des Umweltproblems einen staèrkeren Schutz der natuèrlichen Ressourcen. Wenn jedoch selbst die neoklassische UmweltoÈkonomie im Zuge einer monetaèren Bewertung zusaètzlichen Umweltschutz fordert, so muè sste das ± verglichen mit dem Status quo ± auch im Sinne einer oèkologischen ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000 97

Franz Hackl und Gerald J. Pruckner Herangehensweise sein. Solange die faktische Umweltverschmutzung ein hoèheres Niveau als das neoklassisch effiziente aufweist, herrscht in Bezug auf zu setzende Umweltschutzmaûnahmen ZielkonformitaÈt zwischen den beiden Paradigmen. Fiskalpolitisch sind auch fuè r sogenannte Nicht-MarktguÈ ter monetaère BudgetansaÈtze festzulegen. Das bedeutet, dass auch dann, wenn objektive WertmaûstaÈbe fehlen, fuèr die Umweltpolitik bestimmte BetraÈge an oèffentlichen Geldern ausgegeben werden. UÈ ber die HoÈhe dieser BetraÈge sind faktische Entscheidungen zu treffen. Eine monetaère Bewertung kann dabei wertvolle Hinweise liefern. Umweltpolitische Ambitionen stehen im Konflikt mit anderen wirtschaftspolitischen Zielen. Eine vernuènftige wirtschaftspolitische Strategie erfordert deshalb die empirische Analyse solcher trade-offs. Eine monetaère Quantifizierung von veraènderten UmweltqualitaÈten ermoèglicht eine GegenuÈ berstellung mit Arbeitsmarkt- oder Einkommenseffekten auf gleicher Skala. Aus einer PraÈferenz fuè r die neoklassische monetaère Bewertung ergibt sich allerdings keineswegs die Rechtfertigung fuèr eine generelle Ablehnung des oèkologischen Ansatzes. Auch die neoklassische Sichtweise ist mit etlichen Schwierigkeiten behaftet, die es nicht rechtfertigen, existenzbedrohende beziehungsweise irreversible Eingriffe in das OÈ kosystem aufgrund monetaèrer Kosten/Nutzen UÈ berlegungen zu taètigen. Demnach ist fuèr die Umweltpolitik zu fordern, dass in oèkologisch unbedenklicheren FaÈllen in der Tendenz neoklassische Kriterien angewendet werden, waèhrend fuè r anstehende potenziell irreversible Umwelteingriffe der oèkologischen UmweltoÈkonomie der Vorzug zu geben ist. 3. MonetaÈre Bewertung ± MoÈglichkeiten und Anwendungen Eine PraÈferenz fuèr die neoklassische Sichtweise mit dem Ziel, Grenzkosten und Grenznutzen auszugleichen, macht eine Messung sowohl der Angebots- als auch der Nachfrageseite notwendig. WaÈhrend die Bewertung der Umweltnutzen mit zahlreichen Schwierigkeiten behaftet ist, erscheint die empirische Erfassung von Kosten auf der Angebotsseite von UmweltqualitaÈt verhaèltnismaèûig einfach. Diese Feststellung gilt allerdings nur, solange der Kostenbegriff lediglich die privaten Aufwendungen fuè r die Einhaltung von Umweltvorschriften, oèffentliche Umweltschutzausgaben auf allen Ebenen der GebietskoÈrperschaften sowie erhoèhte Ausgaben der Konsumenten aufgrund umweltpolitischer Regelungen umfasst. Versucht man hingegen, neben diesen Kostenelementen (sogenannte out-of-pocket costs) eine umfassendere Kostenermittlung, die die gesamten gesellschaftlichen Kosten als veraènderte Produzentenrenten beruè cksichtigt, gestaltet sich eine empirische Erfassung ebenfalls sehr schwierig (vgl. Hackl und Pruckner, 1994). 98 ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000

Braucht die deutsche Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall? UmweltoÈkonomen haben sich in der juèngeren Vergangenheit intensiv damit beschaèftigt, wie trotz vorhandener Anreizprobleme die Nutzen fuèr nichtmarktgaèngige UmweltguÈ ter empirisch erfasst werden koènnen. GrundsaÈtzlich stehen fuèr diesen Zweck das Preissystem (indirekte PraÈferenzerfassung) sowie speziell entwickelte Befragungstechniken, die den strategischen Anreiz zum Trittbrettfahren minimieren (direkte Bewertungsverfahren), zur VerfuÈgung. Die indirekten Bewertungsverfahren erfassen die gesellschaftlichen ErtraÈge aus einer verbesserten UmweltqualitaÈt uèber MaÈrkte fuè r komplementaère oder substitutive private GuÈter, die den Konsum des Umweltgutes entweder ergaènzen oder ersetzen. WaÈhrend diese Instrumente auf das beobachtbare Verhalten von Individuen (revealed preferences) abzielen, ermitteln die Verfahren der direkten PraÈferenzermittlung die Zahlungsbereitschaften auf dem Befragungsweg (stated preferences). Die Unterscheidung zwischen den direkten und indirekten Verfahren ist auch hinsichtlich der verschiedenen Nutzenkomponenten von UmweltguÈtern wichtig. Zahlreiche UmweltguÈter sind fuè r einzelne Individuen auch dann mit einem positiven Nutzen verbunden, wenn keine unmittelbare Inanspruchnahme des Gutes erfolgt. Menschen haben positive Zahlungsbereitschaften fuè r den Schutz bedrohter Tierarten, obwohl sie mit diesen Tieren uè berhaupt nie in Kontakt kommen. Solche non-use values koènnen daher nur uèber Befragungstechniken ermittelt werden, da ohne direkte Inanspruchnahme der Umwelt auch keine komplementaèren oder substitutiven privaten GuÈter Spuren auf MaÈrkten hinterlassen. Die non-use values koènnen in Existenznutzen (Zahlungsbereitschaft fuèr den Schutz einer natuè rlichen Ressource ohne beabsichtigte zukuènftige Nutzung) und Optionsnutzen (Zahlungsbereitschaft fuèr die Option auf eine kuè nftige Nutzung) unterschieden werden. Schlieûlich bezeichnet der Vererbungsnutzen die Zahlungsbereitschaft dafuèr, dass eine natuè rliche Ressource an kuè nftige Generationen weitergegeben wird. 3.1. Indirekte Bewertungsverfahren Die bedeutendsten indirekten Verfahren 3 sind der Kompensations- und Vermeidungskostenansatz, die sogenannten Haushaltsproduktionsfunktionen sowie die Methode der hedonischen Preise. Unter Anwendung des Kompensations- beziehungsweise des Vermeidungskostenansatzes werden die Nutzen einer qualitativen Verbesserung der Umwelt uè ber den Wert von privaten InputguÈtern erfasst, die eingesetzt werden, um einen Umweltschaden auszugleichen oder zu vermeiden. Die Marktwerte dieser zusaètzlich notwendigen GuÈ ter repraèsentieren dann die gesellschaftlichen Nutzen. Die Messung der Auswirkungen einer verschlechterten TrinkwasserqualitaÈt uè ber den Kauf abgefuè llten Wassers waère ebenso als Beispiel zu nennen wie die Erfassung der Ausgaben fuè r Klimaanlagen mit Luftfiltern als Bewertungs- 3. FuÈr eine umfassende Darstellung vgl. Braden and Kolstad (1991). ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000 99

Franz Hackl und Gerald J. Pruckner maûstab fuè r eine verbesserte LuftqualitaÈt. Die beiden AnsaÈtze wurden bisher am haèufigsten zur Bewertung von GesundheitsschaÈden eingesetzt. Bei den Haushaltsproduktionsfunktionen ± besser bekannt als Aufwandmethoden ± werden die fuèr den Konsum eines Umweltgutes notwendigen privaten Aufwendungen gemessen. Da diese Methode sehr haèufig zur Bewertung von Erholungslandschaften angewendet wird, ist sie auch unter dem Begriff Reisekostenansatz bekannt geworden. Aufgrund der Reisekosten, die zum Besuch einer Erholungslandschaft notwendig sind, wird auf die WertschaÈtzung fuèr das Umweltgut geschlossen. Die Methode der hedonischen Preise nutzt den Umstand, dass sich der Preis eines Gutes aus den QualitaÈtsniveaus der verschiedenen Produkteigenschaften ergibt. Verbessert sich eine Produkteigenschaft in ihrer QualitaÈt, wird das den Preis des Gutes veraèndern. Falls UmweltqualitaÈt (z.b. LaÈrm) den Preis eines privaten Gutes (z.b. HaÈuserpreis) beeinflusst, kann uè ber sogenannte hedonische Preisfunktionen auf die WertschaÈtzung von LaÈrmreduktionen geschlossen werden. Die Zahlungsbereitschaft fuè r weniger LaÈrm artikuliert sich hier direkt als Preisanstieg in den Immobilien. Unter diesem Gesichtspunkt wird am privaten HaÈusermarkt auch das Gut Umwelt gehandelt. Neben der Bewertung von UmweltqualitaÈt uè ber Miet- und HaÈuserpreise wird das Verfahren auch zur AbschaÈtzung von UmwelteinfluÈssen auf Lohndifferenziale angewendet. 3.2. Direkte Bewertungsverfahren Das am haèufigsten angewendete und gleichzeitig am meisten kritisierte direkte Bewertungsinstrument ist das sogenannte kontingente Bewertungsverfahren. Dieses Instrument, das unter der englischen Bezeichnung,,Contingent Valuation`` besser bekannt ist, bedient sich hypothetischer beziehungsweise experimentell simulierter MaÈrkte, auf denen UmweltguÈter direkt gehandelt werden. 4 Unter Anwendung von verschiedenen Befragungstechniken wird versucht, Zahlungsbereitschaften (willingness to pay) fuèr eine Verbesserung der Umwelt beziehungsweise Kompensationsforderungen (willingness to accept) 5 fuèr die Akzeptanz einer Verschlechterung der UmweltqualitaÈt direkt abzufragen. Der Befragte wird nach einer detaillierten Beschreibung des Umweltgutes, das bewertet werden soll, mit einer oder mehreren Zahlungsbereitschaftsfragen konfrontiert. Sehr haèufig verwendet werden die Alles-oder-nichts Frageformulierungen (closed-ended question formats). Dabei wird den Befragten aèhnlich einer Kaufentscheidung ein Umweltgut zu einem fix vorgegebenen 4. Das Standardwerk zur Contingent Valuation war und ist Mitchell und Carson (1989). Smith (1998) praèsentiert einen UÈ berblicksartikel, der die juèngeren Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der kontingenten Bewertung enthaèlt. 5. Die Kompensationsforderung gibt jenen Geldbetrag an, den man einer Person anbieten muèsste, damit diese eine Verschlechterung der Umweltsituation hinnimmt. Auch hier kommt die Substitution zwischen UmweltqualitaÈt und monetaèrem Einkommen zum Ausdruck. 100 ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000

Braucht die deutsche Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall? Geldbetrag angeboten. Dieses Angebot kann dann entweder angenommen oder abgelehnt werden. Eine Zahlungsbereitschaftsfrage im Zusammenhang mit der LaÈrmproblematik wuèrde in der geschlossenen Variante folgendermaûen lauten:,,im Rahmen eines groûen LaÈrmschutzprojektes hat eine KostenschaÈtzung ergeben, dass Ihr Haushalt pro Monat einen Betrag von y ATS bezahlen muèsste, damit der LaÈrmpegel um x Dezibel reduziert werden kann. WaÈren Sie bereit, diesen Geldbetrag zu entrichten?``6 Neben Contingent Valuation wurden insbesonders in den letzten Jahren sogenannte Choice-Experiments weiterentwickelt und haèufiger auch zur oèkonomischen Bewertung von UmweltguÈtern eingesetzt. 7 Verwandt mit der Conjoint Analyse, die ihre Wurzeln im Marketing und in der Psychologie hat, werden den Individuen im Rahmen von Choice-Experimenten vorgegebene Wahlalternativen praèsentiert, aus denen dann das optimale KonsumbuÈndel ausgewaèhlt wird. Die einzelnen KonsumbuÈ ndel unterscheiden sich in verschiedenen Attributen. Ein solches Attribut eines KonsumbuÈ ndels ist der Preis, uè ber den dann marginale Zahlungsbereitschaften fuè r eine VeraÈnderung eines anderen oder mehrerer anderer Attribute ermittelt werden koènnen. Ebenfalls der Kategorie von Choice-Experimenten zuordenbar sind die als Contingent Ranking und Contingent Rating bezeichneten Verfahren zur PraÈferenzerfassung (vgl. Mackenzie, 1993). WaÈhrend beim Contingent Ranking die verschiedenen Wahlalternativen ordinal gereiht werden, erfolgt im Rahmen des Contingent Rating eine kardinale Zahlenzuordnung fuè r die angebotenen KonsumbuÈndel, die zur Auswahl stehen. Neben der MoÈglichkeit, non-use values zu erfassen, liegt ein weiterer Vorteil von Contingent Valuation in der universellen Anwendbarkeit. Weil das Verfahren keine Marktdaten benoètigt, ist das potenzielle Anwendungsgebiet sehr groû. Es reicht von der Bewertung von Luft-, Wasser- und LandschaftsqualitaÈten uèber die Beurteilung von Gesundheitseffekten bis hin zur monetaèren Ermittlung von globalen UmweltveraÈnderungen. Von den zahlreichen Kritikpunkten, die dem Verfahren entgegengebracht werden, sind das Problem einer hypothetischen Befragungssituation sowie die Anreize zum strategischen Verhalten hervorzuheben. 8 3.3. Die Anwendung der Bewertungsmethoden Die tabellarische Auswertung einer Sammlung von Bewertungsstudien der Environmental Protection Authority von New South Wales in Australien (ENVALUE: http://www.epa.nsw.gov.au/envalue/) erlaubt einen Einblick in die Anwendung der Bewertungsmethoden. Besonderes Augenmerk in der Selektion der aufgenommenen Studien wurde auf die Eignung der Ergebnisse fuèr die 6. Bei der Beschreibung des Umweltgutes muèsste man die Befragten auch daruèber informieren, welche Auswirkungen eine Reduktion des LaÈrmpegels um x Dezibel haben wuèrde. 7. FuÈr einen UÈ berblicksartikel vgl. Rose (1999). 8. Eine umfassende Darstellung der kritischen EinwaÈnde findet sich in Hausman (1993). ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000 101

Franz Hackl und Gerald J. Pruckner Methode des Benefit Transfers, das heiût die UÈ bertragung von bereits gemessenen monetaèren Nutzenwerten eines Standortes auf einen anderen Standort, gelegt. Diese Sammlung beinhaltet pro Studie nur einen Eintrag, auch wenn mehrere Publikationen dazu vorliegen. Angesichts des Umstandes, dass die Bibliographie von Carson et. al. aus dem Jahr 1994 bereits rund 1700 Publikationen ± nicht alle darunter sind empirische Studien ± allein zum Thema Contingent Valuation aufweist, ist davon auszugehen, dass es sich bei ENVALUE um keine vollstaèndige Sammlung aller Bewertungsstudien handelt. Trotzdem liefert diese Sammlung Informationen uèber die HaÈufigkeit, mit der die verschiedenen Bewertungsmethoden bisher angewendet wurden, beziehungsweise welche Umweltmedien vorzugsweise Gegenstand der Untersuchungen waren. Bei mehr als einem Viertel aller Studien wird Contingent Valuation als Bewertungsmethode verwendet. Weitere haèufig verwendete Bewertungsverfahren sind die Dose-Response Methode 9 (20 Prozent), die Methode der hedonischen Preise (18 Prozent), der Reisekostenansatz (12 Prozent) sowie die Ersatzkostenmethode (9 Prozent). Alle anderen Verfahren spielen in der empirischen Bewertung eine untergeordnete Rolle (vgl. Tab. 1). BezuÈglich der bewerteten Umweltmedien dienen vor allem die LandschaftsqualitaÈt sowie die Luft- und WasserqualitaÈt als UntersuchungsgegenstaÈnde (vgl. Tab. 2). Tabelle 1 HaÈufigkeit der Verwendung von Bewertungsmethoden Anzahl (ENVALUE) Methode absolut relativ (in %) Contingent Valuation 121 27,2 Dose-Response Methode 88 19,8 Hedonische Preise 78 17,5 Reisekostenmethode 54 12,1 Ersatzkosten 39 8,8 Haushaltsproduktionsfunktion 7 1,6 Vermeidungskosten 5 1,1 Benefit Transfer 4 0,9 Conjoint Analyse 2 0,4 Sonstige 12 2,7 Metastudien 35 7,9 Summe 445 100,0 9. Darunter versteht man ein nicht-monetaères Bewertungsverfahren mit dem Ziel der Messung physischer Auswirkungen von veraènderten UmweltqualitaÈten (z. B. Zunahme eines Krankheitsrisikos bei erhoèhten Schadstoffkonzentrationen). Oftmals dienen diese Ergebnisse als Grundlage in monetaèren Bewertungsstudien. 102 ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000

Braucht die deutsche Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall? Tabelle 2 Typologie der Anwendungsbereiche von Umweltbewertung Anzahl (ENVALUE) Umweltmedium absolut relativ (in %) LandschaftsqualitaÈt 177 39,8 LuftqualitaÈt 88 19,8 WasserqualitaÈt 82 18,4 LaÈrm 41 9,2 Urbane Infrastruktur 16 3,6 UV- und radioaktive Strahlung 6 1,3 Sterberisiko 1 0,2 Metastudien 34 7,6 Summe 445 100,0 4. Relevanz oder Ignoranz der monetaèren Bewertung im deutschen Sprachraum Stellt man die Frage nach der Relevanz der Bewertungsdiskussion im Rahmen der deutschen Forschung beziehungsweise Umweltpolitik, so ist dieses Problem auf zwei Ebenen zu betrachten. Einerseits muss dem Problem nachgegangen werden, inwieweit sich die akademische Forschung an UniversitaÈten oder sonstigen Institutionen der Entwicklung sowie der Anwendung von monetaèren Bewertungsmethoden widmet. Hierbei geht es im wesentlichen um die Anzahl von existierenden Bewertungsstudien. Andererseits haben solche Bewertungsstudien nur dann einen Wert, wenn deren Ergebnisse auch in irgendeiner Form in die umweltpolitische Gesetzgebung einflieûen. Neben der Existenz von Bewertungsstudien muss daher auch deren Umsetzung beruè cksichtigt werden. Obwohl eine endguè ltige Beantwortung dieser Fragestellungen aufgrund der KomplexitaÈt des Themas kaum moèglich ist, liefert ein internationaler Vergleich aufschlussreiche Einsichten. 4.1. Zur Existenz von Studien Navrud (1999) erstellte kuèrzlich im Auftrag der EuropaÈischen Kommission (DG XI) eine Aufstellung aller bekannten europaèischen (Nutzen-) Bewertungsstudien, 10 die im Zeitraum 1992±1999 durchgefuèhrt worden sind. 11 Dazu sei angemerkt, dass sich mehrere EintraÈge in dieser Aufstellung auf dieselbe empirische Arbeit beziehen koènnen. Tabelle 3 zeigt eine UÈ bersicht uèber die regionale Zuordnung dieser Studien. 10. Der Autor spricht dabei von einer,,reasonably complete list``. 11. Diese Aufstellung bildet die Basis fuèr eine Auswahl von europaèischen Bewertungsstudien, die in EVRI ± eine uèber Internet verfuègbare Datenbank fuèr Bewertungsstudien im Bereich Umwelt http://www.evri.ec.gc.ca/evri/ ± aufgenommen werden. ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000 103

Franz Hackl und Gerald J. Pruckner Tabelle 3 Regionale Anwendung von Bewertungsmethoden Anzahl von Bewertungsstudien (Navrud, 1999) ungewichtet gewichtet mit der BevoÈlkerung absolut relativ Rang absolut relativ Rang (in %) (pro Mio. EW) (in %) Belgien 2 0,4 17 0,2 0,5 17 Bulgarien 1 0,2 21 0,1 0,3 19 DaÈnemark 3 0,7 16 0,6 1,6 10 Deutschland 3 0,7 15 0,0 0,1 22 Finnland 34 7,4 4 6,8 18,7 2 Frankreich 22 4,8 6 0,4 1,1 13 Griechenland 4 0,9 14 0,4 1,1 14 Groûbritannien 192 42,0 1 3,4 9,4 4 Irland 6 1,3 13 1,7 4,6 7 Italien 18 3,9 7 0,3 0,8 16 Kroatien 2 0,4 18 0,4 1,1 12 Lettland 1 0,2 22 0,4 1,0 15 Niederlande 6 1,3 12 0,5 1,3 11 Norwegen 43 9,4 2 10,2 28,1 1 OÈ sterreich 16 3,5 8 2,1 5,6 6 Polen 7 1,5 11 0,2 0,5 18 Portugal 13 2,8 10 1,3 3,6 8 Schweden 36 7,9 3 4,2 11,5 3 Schweiz 16 3,5 9 2,3 6,4 5 Spanien 30 6,6 5 0,8 2,1 9 Tschechische Republik 1 0,2 20 0,1 0,3 20 Ungarn 1 0,2 19 0,1 0,3 21 Summe 457 100 36,4 100,0 BezuÈglich der absoluten Anzahl von Bewertungsstudien faèllt die auûerordentlich hohe Anzahl von Studien in Groûbritannien auf. Auf den PlaÈtzen unmittelbar dahinter liegen skandinavische LaÈnder wie Norwegen, Schweden und Finnland. WaÈhrend die deutschsprachigen LaÈnder Schweiz, OÈ sterreich und Deutschland noch im Mittelfeld zu finden sind, reihen sich die osteuropaèischen LaÈnder an das Ende der Skala. Offensichtlich sind diese absoluten Zahlen durch die GroÈûe der LaÈnder verzerrt. Die BevoÈlkerungszahl bietet sich als geeignetes Normierungsmaû an. Nach einer Gewichtung wird die Dominanz der skandinavischen LaÈnder ± allen voran Norwegen, gefolgt von Finnland und Schweden ± besonders deutlich. Nach Groûbritannien auf Platz vier findet man bereits die Schweiz und OÈ sterreich. Am letzten Platz ± noch hinter den osteuropaèischen LaÈndern - liegt Deutschland. Neben Bibliographien von Bewertungsstudien kann man auch anhand von Publikationen in Zeitschriften oder VortragstaÈtigkeiten bei Konferenzen einen 104 ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000

Braucht die deutsche Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall? Tabelle 4 Publizierte Artikel in Environmental & Resource Economics (E&RE) und in Journal of Environmental Economics and Management (JEEM) der letzten 5 Jahre Artikel zum Artikel aus D/OÈ /CH Artikel zum Thema Zeitschrift Artikel- Thema Valuation Valuation aus D/OÈ /CH Jahr anzahl relativ Anteil an allen Anteil an allen absolut (in %) absolut Artikeln absolut Valuation (in %) Artikel (in %) E&RE 1994 35 4 11,4 2 5,7 0 0,0 E&RE 1995 44 7 15,9 7 15,9 2 28,6 E&RE 1996 51 10 19,6 7 13,7 0 0,0 E&RE 1997 47 7 14,9 5 10,6 2 28,6 E&RE 1998 68 15 22,1 5 7,4 0 0,0 JEEM 1994 36 10 27,8 3 8,3 0 0,0 JEEM 1995 59 18 30,5 1 1,7 0 0,0 JEEM 1996 50 13 26,0 1 2,0 0 0,0 JEEM 1997 63 18 28,6 2 3,2 0 0,0 JEEM 1998 34 9 26,5 1 2,9 0 0,0 Eindruck uè ber die ForschungsaktivitaÈten der deutschen UmweltoÈkonomen im Bereich der monetaèren Bewertung (im weiteren auch als,,valuation`` bezeichnet) erhalten. Eine Analyse der Zeitschriften der amerikanischen und der europaèischen UmweltoÈkonomen (Journal of Environmental Economics and Management und Environmental and Resource Economics) zeigt, dass in der europaèischen Umweltzeitschrift (E&RE) insgesamt ein geringerer Anteil von Arbeiten zum Thema Bewertung publiziert ist. Untersucht man den Anteil deutschsprachiger Autoren 12 an den Valuation Arbeiten, so wird die untergeordnete Rolle der deutschsprachigen UmweltoÈkonomie in der monetaèren Bewertung natuèrlicher Ressourcen deutlich. WaÈhrend in beiden Zeitschriften in den letzten fuènf Jahren 34 umweltoèkonomische BeitraÈge aus dem deutschsprachigen Raum veroèffentlicht wurden, sind nur vier Arbeiten davon zum Thema Umweltbewertung. Von diesen VeroÈffentlichungen stammen wiederum drei BeitraÈge aus der Schweiz und aus OÈ sterreich. Neben den Zeitschriften der amerikanischen und europaèischen UmweltoÈkonomen existiert noch eine Reihe anderer umweltoèkonomischer Fachzeitschriften, von denen das,,land Economics`` im Bereich der Bewertung natuèrlicher Ressourcen besonders hoch einzuschaètzen ist. UÈ ber die letzten Jahre fallen dort 30 bis 40 Prozent der publizierten BeitraÈge in den Themenbereich der Umweltbewertung. Obwohl somit insgesamt der Bewertung ein sehr hoher Stellenwert zukommt, findet sich in den letzten fuè nf Jahren kein einziger Beitrag aus dem deutschsprachigen Raum. Der groèûte 12. Kommt zumindest ein Autor aus Deutschland, der Schweiz oder OÈ sterreich, wird die VeroÈffentlichung als deutschsprachiger Beitrag gewertet. ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000 105

Franz Hackl und Gerald J. Pruckner Anteil an den Valuation-Papieren wird von Amerikanern und Skandinaviern bestritten. Es liegt die Vermutung nahe, dass die deutschsprachige Forschung weniger im Bereich der neoklassischen UmweltoÈkonomie und mehr im Bereich der oèkologischen UmweltoÈkonomie stattfindet. Eine Analyse der Zeitschrift,,Ecological Economics`` bestaètigt diese Vermutung jedoch nicht. Von den in den letzten fuè nf Jahren insgesamt veroèffentlichten 400 BeitraÈgen fallen zwei Artikel von deutschsprachigen Autoren in den Bereich der neoklassischen und vier Artikel in die Gruppe der oèkologischen Umweltbewertung. BezuÈglich der VortragstaÈtigkeit auf internationalen Konferenzen wurden die Jahrestagung der europaèischen UmweltoÈkonomen (EAERE), des Vereins fuèr Socialpolitik und der European Economic Association (EEA) analysiert. Auf den EAERE-Tagungen der letzten vier Jahre fallen knapp ein FuÈnftel aller BeitraÈge in die Kategorie der Bewertung natuè rlicher Ressourcen (vgl. Tab. 5). Von den 174 Valuation-VortraÈgen der letzten vier Jahre wurden lediglich drei Referate von jeweils oèsterreichischen und deutschen Autoren sowie ein Beitrag von einem Schweizer Referenten vorgestellt. Gemessen an allen VortraÈgen ist der Anteil der deutschsprachigen Referate an allgemeinen umweltoèkonomischen Themen mit sieben bis 14 Prozent hingegen deutlich hoèher als der vergleichbare Wert fuè r die VortraÈge uè ber Bewertungsthemen. WaÈhrend auf den letzten vier Jahrestagungen des Vereins fuèr Socialpolitik jeweils zwischen 4,5 und 8 Prozent der VortraÈge aus dem Bereich der umweltoèkonomischen Forschung stammten, spielte die Frage der oèkonomischen Bewertung natuèrlicher Ressourcen auf dieser Tagung praktisch keine Rolle. Innerhalb der letzten vier Jahre fallen von 788 VortraÈgen lediglich zwei (davon einer theoretischer Natur) in die Kategorie der monetaèren Bewertung. Eine Analyse der Jahrestagung der European Economic Association Tabelle 5 VortraÈge bei der Jahrestagung der European Association of Environmental and Resource Economists EAERE. (Anm.: Die Jahrestagung 1998 wurde als Weltkongress der UmweltoÈkonomen abgehalten.) VortraÈge zum VortraÈge aus VortraÈge zu Valuation Jahres- VortraÈge Thema D/OÈ /CH aus D/OÈ /CH tagungen insgesamt Valuation der EAERE absolut relativ absolut Anteil an absolut Anteil an (in %) allen allen VortraÈgen (in %) Valuation VortraÈgen (in %) Oslo 1999 114 23 20,2 9 7,9 0 0,0 Venedig 1998 504 97 19,2 38 7,5 5 5,2 Tilburg 1997 154 25 16,2 21 13,6 2 8,0 Lissabon 1996 168 29 17,3 19 11,3 0 0,0 106 ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000

Braucht die deutsche Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall? brachte ein aèhnliches Bild, wenngleich auf dieser Tagung der Anteil von umweltoèkonomischen BeitraÈgen noch geringer ausgefallen ist (zwischen 2,5 und 5 Prozent aller VortraÈge). In Summe betrachtet leistet die UmweltoÈkonomie in den deutschsprachigen LaÈndern einen vergleichsweise geringen Beitrag zur Bewertungsdiskussion. Falls Arbeiten zum Thema Valuation auf referiertem akademischen Niveau akzeptiert werden, dann sind diese Arbeiten hauptsaèchlich theoretischer Natur ± die angewandte empirische Forschung im Bereich der Umweltbewertung nimmt eine untergeordnete Rolle ein. NaturgemaÈû ist eine empirisch fundierte Analyse nur auf der dargestellten akademischen Ebene moèglich. DaruÈber hinaus ist davon auszugehen, dass auch im deutschsprachigen Raum Valuation-Studien existieren, die in unserer Darstellung nicht beruè cksichtigt wurden. Allerdings deuten kaum Indizien darauf hin, dass der Umfang dieser,,grauen`` Literatur in Deutschland, OÈ sterreich und der Schweiz im Vergleich zu anderen LaÈndern groèûer sein sollte. Im Gegenteil, eine mangelnde akademische Basis laèsst eher auf ein Defizit an nachgelagerten anwendungsorientierten Studien schlieûen. 4.2. Zur Umsetzung von Studien Zur Beurteilung der Relevanz wissenschaftlicher Forschungsergebnisse muss deren Umsetzung in der realen Umweltpolitik betrachtet werden. Mangels geeigneter empirischer Maûzahlen soll ein Vergleich zwischen unterschiedlichen LaÈndern Evidenz zu dieser Fragestellung liefern. In den nachfolgenden AusfuÈhrungen wird versucht, systematische Unterschiede zwischen den USA und Europa aufzuzeigen. Die gefundenen GegensaÈtze gelten besonders auch fuèr den deutschsprachigen Raum. FuÈ nf umweltpolitische Anwendungsbereiche fuèr monetaère Bewertungen von Umweltmedien sind zu unterscheiden, von denen die drei wichtigsten besprochen werden (vgl. Navrud und Pruckner, 1997): OÈ konomische Beurteilung einzelner Umweltprojekte: In den USA existieren Kosten/Nutzen-Analysen auf Projektebene bereits seit den 30er Jahren. UrspruÈ nglich erfolgte vor allem eine Bewertung von verschiedenen Wasserprojekten (z. B. die Errichtung von BewaÈsserungsanlagen) und von Freizeiteinrichtungen und Naturparks mittels KNA. Im Jahr 1960 wurde die KNA ein Standardinstrument zur Beurteilung staatlicher Ausgaben und ihr Anwendungsbereich auf das Transportwesen, die Erziehung, die Gesundheit sowie das Ausbildungswesen erweitert. Vergleichsweise gering ist demgegenuè ber die Erfahrung mit der Umsetzung von KNA in Europa. Obwohl auf EU Ebene mittlerweile etliche monetaère KNA fuè r die Bereiche WasserqualitaÈt, MuÈ llentsorgung, Recycling und Energiebesteuerung existieren (vgl. Pearce, 1998), haben die Ergebnisse solcher Untersuchungen die Umweltpolitik bis dato nicht nachhaltig beeinflusst. DaruÈ ber hinaus wurden in den hier angesprochenen europaèischen KNA kaum ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000 107

Franz Hackl und Gerald J. Pruckner direkte Umweltnutzen ± etwa in Form von Gesundheitseffekten ± beruècksichtigt. FuÈr taxativ aufgezaèhlte Projekte legt die sogenannte UmweltvertraÈglichkeitspruÈ fungsrichtlinie (RL 97/11/EC) auf europaèischer Ebene die DurchfuÈ hrung von UmweltvertraÈglichkeitspruÈ fungen fest. Aufbauend auf dieser Richtlinie existieren sowohl in Deutschland als auch in OÈ sterreich nationale UmweltvertraÈglichkeitspruÈfungsgesetze, welche eine zusammenfassende Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens nach neuestem Stand der Wissenschaft und Technik erfordern. In deutlichem Widerspruch dazu liest sich jedoch der Kommentar von Schink (1996) zum Gesetz uè ber die UmweltvertraÈglichkeitspruÈ fung in Deutschland:,,Einstimmigkeit herrscht daruè ber, dass eine quantitative Saldierung der Umweltauswirkungen mangels diesbezuè glicher Theoriemodelle beziehungsweise Verrechnungseinheiten grundsaètzlich ausgeschlossen ist.`` Dieser Kommentar verdeutlicht die Ignoranz der Gesetzgebung gegenuè ber den umweltoèkonomischen Erkenntnissen zum Thema der Bewertung natuèrlicher Ressourcen. 13 Angesichts mehrerer Tausender theoriegestuètzter empirischer Publikationen erscheint es befremdend, von einem,,mangel an Theoriemodellen und fehlenden Verrechnungseinheiten`` zu sprechen. GesetzesfolgenabschaÈtzung: Umweltpolitische Fragen, denen unter dieser Kategorie nachgegangen wird, lauten etwa: Welche oèkonomischen Konsequenzen ergeben sich aus der EinfuÈ hrung von Emissionsgrenzwerten? Mit welchen volkswirtschaftlichen Kosten und Nutzen ist die EinfuÈhrung einer Katalysatorpflicht bei PKWs verbunden? Seit im Rahmen der Executive Order 12291 fuèr neu zu erlassende Regulierungen in den USA (z. B. im Rahmen des Clean Water Act oder des Clean Air Act) KNA verbindlich durchzufuèhren sind, werden umweltrelevante Gesetzesvorschriften bei ihrer EinfuÈhrung auf die oèkonomische Sinnhaftigkeit uèberpruèft. Allerdings ist die fuè r die Interpretation sowie die Um- und Durchsetzung von Umweltgesetzen verantwortliche BehoÈrde (Environmental Protection Agency) in ihren Entscheidungen nur im Rahmen zweier Gesetze (Federal Insecticide, Fungicide, and Rodenticide Act sowie der Toxic Substances Act) 14 unmittelbar an die Ergebnisse von KNA gebunden. Eine oèkonomische Analyse aller gesetzlichen Umweltvorschriften, die in den USA zwischen 1973 und 1993 erlassen wurden, hat jedoch gezeigt, dass Kosten und Nutzen auch dann beruè cksichtigt wurden, wenn ihre AbschaÈtzung legistisch nicht notwendig gewesen waère (vgl. Houtven und Cropper, 1993). In Europa existieren vergleichsweise wenige GegenuÈberstellungen von Kosten und Nutzen fuèr den Zweck der Ausgestaltung von Umweltgesetzen. 13. Nur in Groûbritannien wurden in den sogenannten,,treasury and Scottish Office guidelines`` aus dem Jahr 1991 Vorschriften uèber monetaère Bewertungsinstrumente aufgenommen (vgl. Bonnieux and Rainelli, 1999). 14. Diese beiden Rechtsgrundlagen regeln die Herstellung und die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln sowie den Umgang mit gefaèhrlichen Stoffen. 108 ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000

Braucht die deutsche Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall? DaruÈ ber hinaus werden in den LaÈndern Europas die Ergebnisse solcher KNA praktisch nicht ± oder nur zufaèllig ± umgesetzt. Navrud (1991) stellt fest, dass entsprechende Studien entweder uèberhaupt nicht oder nur dann beruècksichtigt werden, wenn sie zur UnterstuÈtzung bereits vorher festgelegter Ziele verwendet werden koènnen. Beispielsweise wurden in Deutschland UmweltschaÈden empirisch bewertet (vgl. Schulz und Schulz, 1991; Wicke, 1986) mit dem Zweck, die oèffentliche Aufmerksamkeit fuèr die Bedeutung und Notwendigkeit umweltpolitischer Regulierungen zu foèrdern. KuÈnftig ist allerdings damit zu rechnen, dass innerhalb der EuropaÈischen Union eine staèrkere BeruÈcksichtigung umweltoèkonomischer Bewertungen erfolgen wird: Hinweise darauf finden sich im Artikel 130r des Maastricht Vertrages. Dennoch muss zum gegenwaèrtigen Zeitpunkt abgewartet werden, inwieweit die AnkuÈ ndigungen seitens der EU Kommission uè ber bloûe AbsichtserklaÈrungen hinausgehen. Konkrete Schritte zur Umsetzung der Ergebnisse oèkonomischer Umweltbewertungen stehen bis dato noch aus. Festlegung von SchadenersatzanspruÈ chen aufgrund von UmweltschaÈden: Die ZerstoÈrung beziehungsweise der Schaden an natuè rlichen Ressourcen, der einem Verursacher kausal zuzuschreiben ist, wird in vielen FaÈllen vor Gericht geltend gemacht. FuÈr diesen Zweck sind die an der Umwelt entstandenen SchaÈden monetaèr zu bewerten. Bislang existiert allerdings ausschlieûlich in den USA ein Verfahren, welches regelt, wie diese Wertverluste zu ermitteln sind. Im Rahmen des sogenannten,,natural Resource Damage Assessment`` werden dort die in diesem Beitrag angesprochenen Bewertungsverfahren herangezogen. Bemerkenswerterweise erfolgte fuè r diesen Zweck eine gesetzliche Verankerung der Angemessenheit von Contingent Valuation als Instrument zur Bewertung von intangiblen UmweltschaÈden (non-use values!) (NOAA 1996). 15 In Europa ist man von einer solchen Regelung ± insbesondere von einer Einbeziehung der non-use values ± weit entfernt. Die Feststellung von SchadenersatzanspruÈchen aufgrund von UmweltbeeintraÈchtigungen sind in Deutschland im Umwelthaftungsgesetz und in OÈ sterreich im Allgemeinen BuÈ rgerlichen Gesetzbuch (ABGB) geregelt. FuÈr beide Rechtsgrundlagen gilt das Primat der Naturalherstellung. Dies bedeutet, dass SchadenersatzanspruÈche im Ausmaû der Kosten der Wiederherstellung des urspruènglichen Zustandes geltend gemacht werden koènnen. FuÈ r den Fall einer Kontamination eines GrundstuÈ ckes wuèrde das bedeuten, dass saèmtliche Aufwendungen zu beruè cksichtigen sind, um die urspruèngliche BodenqualitaÈt zu garantieren. In diesem Sinn entspricht die Gesetzgebung der Idee des Ersatzkostenansatzes. Lassen sich die SchaÈden nur sehr schwer naturwissenschaftlich fundiert bewerten, liegt zumindest in OÈ sterreich die Schadenersatzfestsetzung im Ermessen des zustaèndigen Richters ( 273 Zivilprozessordnung). Somit waère 15. FuÈr einen kurzen historischen Abriss zur umweltpolitischen Bedeutung der Umweltbewertungsverfahren in den USA vgl. Pruckner (1994). ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000 109

Franz Hackl und Gerald J. Pruckner beispielsweise in der oèsterreichischen Gesetzgebung prinzipiell der Einsatz monetaèrer Bewertungsmethoden moèglich, wenngleich eine entsprechende Anwendung bis jetzt ausgeblieben ist. 16 4.3. Deutsche UmweltoÈkonomie ± Quo Vadis? Die Suche nach den GruÈnden fuèr den geringen Beitrag der deutschsprachigen UmweltoÈkonomie in der Bewertungsdiskussion ist von spekulativer Natur: Eine mangelnde Akzeptanz des Wohlfahrts- und Rentenkonzepts sowie eine PraÈferenz deutschsprachiger Politiker fuèr out-of-pocket 17 Kosten mag zu diesem geringen Stellenwert umweltoèkonomischer Bewertung genauso beitragen wie eine geringe Anzahl von OÈ konomen an wirtschaftspolitisch entscheidenden Stellen. WaÈhrend in den Vereinigten Staaten in den relevanten BehoÈrden (z. B. Environmental Protection Agency) zahlreiche von OÈ konomen in umweltpolitische Entscheidungen einbezogen werden, sind es im deutschsprachigen Raum sehr viele Nicht-OÈ konomen, meistens Juristen, die uèber umweltoèkonomische Sachverhalte urteilen. Aus einer erweiterten Perspektive gewinnt man den Eindruck, dass in den Vereinigten Staaten tendenziell staèrker auf den Markt als LoÈsungsmechanismus ± auch in Umweltfragen ± vertraut wird als im deutschsprachigen Europa. Dies kommt auch in einem Vergleich der GroÈûenordnung staatlicher BuÈrokratien zum Ausdruck. Frey und Schneider (1997) stellen fest, dass es im Bereich der umweltpolitischen Regulierung starke Anreize fuè r die vorhandenen buè rokratischen Einheiten gibt, ihre GroÈûe, ihre Bedeutung und damit ihre konkrete Einflussnahme uè ber moèglichst viele und komplizierte administrative Regelungen abzusichern. Eine staèrkere Schwerpunktsetzung im Bereich marktkonformer umweltpolitischer Instrumente wuè rde die GroÈûe vorhandener BuÈ rokratien moèglicherweise signifikant beschneiden. Diese geringere PraÈferenz fuè r den Marktmechanismus im deutschsprachigen Raum mag in einer staèrkeren PraÈferenz fuèr Verteilungsargumente zu finden sein. Einzelne umweltpolitische Maûnahmen werden in Deutschland, OÈ sterreich oder der Schweiz staèrker in Bezug auf die zu erwartenden Verteilungseffekte beurteilt, waèhrend Fragen der Effizienz eher in den Hintergrund treten. 16. Die zwei aus PlatzgruÈnden nicht naèher diskutierten Bereiche umfassen das Environmental Costing und das Environmental Accounting. Im Bereich des Environmental Costing geht es um die Feststellung von gesellschaftlich effizienten Preisen fuèr GuÈter, deren Produktion negative ExternalitaÈten mit sich bringt (z. B. die Festlegung von Energiepreisen unter BeruÈcksichtigung von Umweltkosten). Im Rahmen des Environmental Accounting wird die Berechnung von Bruttosozialprodukten um die Bewertung natuèrlicher Ressourcen (LuftqualitaÈt, WasserqualitaÈt, BodenschaÈtze usw.) erweitert. 17. Darunter versteht man unmittelbare EinkommensveraÈnderungen, die sich direkt in der GeldboÈrse und auf den Einkommenskonten der WaÈhler niederschlagen und welche somit leichter verstaèndlich gemacht werden koènnen als das Konzept der Wohlfahrtsrente. 110 ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000

Braucht die deutsche Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall? Faktum ist, dass der Verzicht auf den Einsatz des umweltoèkonomischen Bewertungsinstrumentariums 18 mit Effizienzverlusten verbunden ist. BezuÈglich dieser Effizienzverluste meint Pearce (1998):,,There is a challenge here for the European policy analysis community, and a contrast with the USA where such policy evaluations are commonplace. Nonetheless, some information exists and this suggests that policy inefficiency may have been substantial.`` In diesem Sinn muèssen wir uns die Frage stellen, wie lange wir uns diese Effizienzverluste noch leisten wollen. Die Aufgabe der (Umwelt-)OÈ konomie kann und darf sich nicht darin erschoèpfen, festzustellen, dass die bisherigen umweltpolitischen Maûnahmen im deutschsprachigen Raum ineffizient und damit von hohen volkswirtschaftlichen Kosten begleitet waren. Vielmehr geht es darum, wie die praktische Umweltpolitik staèrker nach Wohlfahrtskriterien ausgestaltet werden kann. Zur Erreichung dieses Zieles sollten unterschiedliche Schritte gesetzt werden: Die naheliegendste Forderung scheint jene nach mehr Geld fuèr Forschungsagenden im Bereich der Bewertung natuè rlicher Ressourcen zu sein. Diese Forderung hat sicher ihre Berechtigung, Geldmangel alleine als Ursache verantwortlich zu machen, erscheint allerdings nicht uè berzeugend. So existieren bereits zahlreiche Studien, die empirische Evidenz uè ber monetaère AbschaÈtzungen unterschiedlichster Umweltmedien liefern koènnen. Unter bestimmten UmstaÈnden lassen sich auf kostenguè nstige Art und Weise bereits gemessene GroÈûenordnungen fuè r Zahlungsbereitschaften auf andere AnwendungsfaÈlle uè bertragen (Benefit Transfers). In diesem Sinne sollten umfassende und leicht zugaèngliche Datensammlungen uèber WertschaÈtzungen fuè r natuè rliche Ressourcen erstellt werden. Die bereits angesprochenen Bibliographien ENVALUE und EVRI waèren als Beispiele dafuèr zu nennen. Die mangelnde Umsetzung umweltoèkonomischer Ergebnisse scheitert somit weniger an der VerfuÈ gbarkeit wissenschaftlicher Grundlagen als am fehlenden politischen Willen. Dass die obligatorische DurchfuÈ hrung von Kosten/Nutzen Analysen im deutschsprachigen Raum nicht gesetzlich verankert ist, kann als Ausdruck dieses fehlenden politischen Willens interpretiert werden. NatuÈ rlich ergibt sich eine oèkonomisch motivierte Umorientierung der praktischen Umweltpolitik nicht automatisch, sondern es bedarf zusaètzlicher Anstrengungen, die politisch Verantwortlichen von der Sinnhaftigkeit oèkonomischer Kriterien zu uè berzeugen. So veranstalten beispielsweise norwegische UmweltoÈkonomen regelmaèûig Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen fuèr umweltpolitische EntscheidungstraÈger mit dem Resultat, dass Norwegen im Bereich der Umsetzung umweltoèkonomischer WohlfahrtsuÈberlegungen in Europa zu 18. Auch Barde und Pearce (1991) analysieren die Bewertungspraxis in Europa und machen (i) ethisch-philosophische, (ii) politische und (iii) methodisch-technische GruÈnde fuèr den mangelnden Einsatz der Bewertungsinstrumente in der europaèischen Umweltpolitik verantwortlich. ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000 111

Franz Hackl und Gerald J. Pruckner den Vorreitern zaèhlt. Vermutlich muss aber auch das SelbstverstaÈndnis der deutschsprachigen UmweltoÈkonomie uè berdacht werden. Ein groèûeres Engagement in der umweltpolitischen Beratung in Richtung einer verstaèrkten Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus oèkonomischen Bewertungsstudien scheint dafuèr unabdingbar. 5. Epilog In der Nacht zum 24. MaÈrz 1989 ist der OÈ ltanker Exxon Valdez vor der KuÈste Alaskas am Prince William Sound auf Grund gelaufen. Bei diesem groèûten Tankerunfall der amerikanischen Geschichte wurden mehr als 40 Millionen Liter RohoÈl freigesetzt. In Folge dieses Unfalls verendeten 36.000 SeevoÈgel, 1.000 Seeotter und uèber 150 Weisskopfadler (vgl. Bateman and Willis, 1999). Diese Umweltkatastrophe hat den Bundesstaat Alaska veranlasst, eine groû angelegte Contingent Valuation Studie (vgl. Carson et al., 1992) in Auftrag zu geben, um die verursachten SchaÈden bewerten zu lassen. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung standen non-use values! Die Erwartung bisher ungeahnt hoher Schadenersatzforderungen im Ausmaû von rund 2,8 Milliarden US-$ veranlasste Exxon, ebenso prominente OÈ konomen zu nominieren, um die ZuverlaÈssigkeit der Contingent-Valuation Methode kritisch zu hinterfragen. 19 An der Debatte, ob die gemessenen non-use values tatsaèchlich von Exxon zu bezahlen seien, entzuèndete sich in den Vereinigten Staaten eine oèffentlich gefuèhrte Debatte auf breiter Ebene. NobelpreistraÈger und andere fuèhrende OÈ konomen des Landes (NOAA-Panel) 20 wurden beauftragt, die Sinnhaftigkeit der Messung von non-use values sowie die ZuverlaÈssigkeit der oèkonomischen Bewertungsinstrumente auf wissenschaftlicher Ebene zu klaèren. Parallel dazu wurden Informationskampagnen mit dem Ziel initiiert, breite BevoÈlkerungsschichten uè ber die Bedeutung von umweltoèkonomischen Prinzipien aufzuklaèren. Sich sonst in akademischer ZuruÈckhaltung uèbende OÈ konomen vermittelten auf einfache Art und Weise einer breiten OÈ ffentlichkeit das wohlfahrtstheoretische Rentenkonzept. Den Richtlinien des NOAA-Panels folgend, hat die zustaèndige BehoÈrde dahingehend entschieden, dass fuè r den Fall von UmweltbeeintraÈchtigungen durch OÈ lverschmutzungen die Contingent Valuation Methode zur Feststellung von SchadenersatzanspruÈ chen herangezogen werden duè rfe. Damit wurde die Methode im Rahmen der amerikanischen Gesetzgebung (NOAA, 1996) verankert. Braucht die deutschsprachige Umweltpolitik einen Exxon Valdez Tankerunfall? 19. Ein UÈ berblick uèber diese Auseinandersetzung findet sich beispielsweise im Journal of Economic Perspectives 8, 1994. 20. National Oceanic Atmospheric Administration. 112 ß Verein fuèr Socialpolitik und Blackwell Publishers Ltd. 2000