Institut für Völkerrecht. Völkerrechtsquellen. Vorlesung vom 30. Oktober 2013 Prof. Christine Kaufmann. Modul Transnationales Recht Bachelor of Law

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Transkript:

Völkerrechtsquellen Vorlesung vom 30. Oktober 2013 Prof. Christine Kaufmann Modul Transnationales Recht Bachelor of Law

Themen der heutigen Vorlesung 1. Völkerrechtliche Verträge Abschluss Rechtswirkung Auslegung Ungültigkeit/Anfechtbarkeit Vorbehalte Beendigung 2. Völkergewohnheitsrecht (Einstieg) Völkerrecht Prof. Christine Kaufmann, Herbstsemester 2013 Seite 2

Die Rechtsquellen des Völkerrechts: Überblick Wiederholung Anwendbares Recht vor dem IGH (Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut) Völkerrechtliche Verträge (lit. a) Völkergewohnheitsrecht (lit. b) Allgemeine Rechtsgrundsätze (lit. c) Hilfsmittel: Entscheidungen von Gerichten und Lehrmeinungen (lit. d) Völkerrecht Prof. Christine Kaufmann, Herbstsemester 2013 Seite 3

Völkerrechtliche Verträge Begriff Vereinbarungen zwischen Völkerrechtssubjekten auf dem Gebiet des Völkerrechts Elemente Reglungsinhalt: Beziehung auf völkerrechtlicher Ebene Völkerrechtssubjekt Bindungsabsicht Willensbekundung Willensbekundung Völkerrechtssubjekt Bindungsabsicht Völkerrecht Prof. Christine Kaufmann, Herbstsemester 2013 Seite 4

Völkerrechtliche Verträge: Abschluss Ablauf des mehrphasigen Verfahrens Verhandlung Art. 7 WVK, Bundesrat, Art. 184 Abs. 2 BV Paraphierung vorläufige Festlegung des Vertragstextes, Art. 9 WVK Unterzeichnung Art. 7 Abs. 1 WVK; Frustrationsverbot (Art. 18 lit.a) Genehmigung Evtl. Referendum Ratifikation Inkrafttreten Publikation Bundesversammlung, Art. 166 Abs. 2 BV Art. 141 Abs. 1 lit. d, Art. 140 Abs. 1 lit. b BV Art. 14 Abs. 1 und Art. 16 WVK, Bundesrat, Art. 184 Abs. 2 BV Art. 24 WVK Art. 80 WVK Völkerrecht Prof. Christine Kaufmann, Herbstsemester 2013 Seite 5

Völkerrechtliche Verträge: Rechtswirkung Pacta sunt servanda (Art. 26 WVK) Vorrang vor innerstaatlichem Recht (Art. 27 WVK) Bindung nur der Vertragsparteien (Art. 34 WVK) Räumlicher Geltungsbereich entspricht dem gesamten Hoheitsgebiet (Art. 29 WVK) Konkurrenz verschiedener Verträge Lex specialis-regel Jüngerer Vertrag geht vor (Art. 30 WVK) Vorrang der UNO-Charta (Art. 103 UNO-Charta) Anwendbarkeit von Verträgen ratione materiae, ratione temporis und ratione personae Änderung: Art. 39 ff. WVK Völkerrecht Prof. Christine Kaufmann, Herbstsemester 2013 Seite 6

Völkerrechtliche Verträge: Auslegung Treu und Glauben (Art. 31 Abs. 1 WVK) Wortlaut (Art. 31 Abs. 1 WVK) Zusammenhang (Art. 31 Abs. 2 WVK) Jede spätere Übereinkunft, jede spätere Übung und jeder zwischen den Vertragsparteien anwendbare Völkerrechtssatz (Art. 31 Abs. 3 lit. a-c WVK) Ziel und Zweck (Art. 31 Abs. 1 WVK, «effet utile») Ergänzend: Entstehungsgeschichte (Art. 32 WVK) Vgl. LaGrand-Fall (I.C.J. Reports 2001, S. 466 ff.) und Iranian Oil Platforms-Fall (I.C.J. Reports 2003, S. 161ff.) Völkerrecht Prof. Christine Kaufmann, Herbstsemester 2013 Seite 7

Völkerrechtliche Verträge: Vorbehalte (1/2) Definition: Art. 2 Abs. 1 lit. d WVK Abzugrenzen von der bloss auslegenden Erklärung Zulässigkeit : Art. 19 WVK Nicht durch den Vertrag verboten Vereinbar mit Ziel und Zweck des Vertrages Annahme: Art. 20 WVK (ausdrücklich/durch Stillschweigen) Einspruch gegen unzulässigen Vorbehalt möglich Völkerrecht Prof. Christine Kaufmann, Herbstsemester 2013 Seite 8

Völkerrechtliche Verträge: Vorbehalte (2/2) Rechtsfolgen: Reziprozitätsgrundsatz bei Annahme resp. Stillschweigen Vertrag tritt als Ganzes in Kraft (Art. 20 Abs. 4 lit. a WVK) einzelne Vertragsbestimmung modifiziert (Art. 21 Abs. 1 lit. a und lit. b WVK) bei Einspruch Vertrag tritt in Kraft (Art. 20 Abs. 4 lit. b) vom Vorbehalt betroffener Artikel wird zwischen betr. Staaten nicht angewendet (Art. 21 Abs. 3 WVK) Völkerrecht Prof. Christine Kaufmann, Herbstsemester 2013 Seite 9

Völkerrechtliche Verträge: Ungültigkeit und Anfechtbarkeit Ungültigkeitsgründe (Rechtsfolge: Nichtigkeit) Zwang gegen einen Staatenvertreter (Art. 51 WVK) Zwang gegen einen Staat (Art. 52 WVK) Verstoss gegen ius cogens (Art. 53 WVK) Relevante Anfechtungsgründe Irrtum (Art. 48 WVK) Betrug und Täuschung (Art. 49 WVK) Offensichtliche Verletzung grundlegender innerstaatlicher Kompetenznormen (Art. 46 WVK) Ostgrönland-Fall (PCIJ, Urteil vom 5.4.1933) Völkerrecht Prof. Christine Kaufmann, Herbstsemester 2013 Seite 10

Völkerrechtliche Verträge: Beendigung Konsensuale Vertragsbeendigung Vertragsklausel (Art. 54 lit.a WVK) Nachträgliche Vereinbarung (Art. 54 lit. b WVK) Späterer Vertrag über denselben Gegenstand (Art. 59 WVK) Einseitige Vertragsbeendigung Kündigungs- oder Rücktrittsrecht (Art. 54 lit. a, 56 WVK) Erhebliche Verletzung des Vertrages (Art. 60 WVK) Nachträglicher Unmöglichkeit des Vertrages (Art. 61 WVK) Clausula rebus sic stantibus (Art. 62 WVK) Unabhängig von Parteiwillen: neues ius cogens, Art. 64 WVK Völkerrecht Prof. Christine Kaufmann, Herbstsemester 2013 Seite 11

Völkergewohnheitsrecht: Elemente Völkergewohnheitsrecht (Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut) Übung / Staatenpraxis (objektives Element) «opinio iuris» / Rechtsüberzeugung (subjektives Element) allgemein dauerhaft einheitlich Völkerrecht Prof. Christine Kaufmann, Herbstsemester 2013 Seite 12