Arzneimittelversorgung in Deutschland und Europa

Ähnliche Dokumente
Reinhard Busse, Prof. Dr. med. MPH

Arzneimittelmarkt in Europa

Arzneimittelmarkt in Europa

Europäische Perspektiven bei der Nutzenbewertung onkologischer Arzneimittel: die Sichtweise von Public Health

Politische und ökonomische Grundlagen. des deutschen Gesundheitssystems (Einführung in das Management im Gesundheitswesen) Wrap-up

Herausforderungen des Arzneimittelmarktes in Deutschland

Apotheken-Regulierung: Überlegungen und europäische Entwicklungen angesichts des EuGH-Urteils zum Versandhandel

Gesundheitsreformdiskussion 2003: Modernisierungsgesetz, Eckpunkte, Bürgerversicherung und Kopfpauschalen

MSD Forum Gesundheitspartner Innovationen für eine gesunde Zukunft. Dr. med. Wolfgang LangHeinrich München,

Disease-Management-Programme (DMP)


Zusatzfolien (nicht klausurrelevant) Arzneimittel und Medizintechnik

Arzneimittelbewertung am Beispiel des AMNOG Bewertung im Gesundheitswesen Fluch oder Segen?

Einsatz der IQWiG-Methode zur Kosten- Nutzen Bewertung zur Unterstützung der Höchstbetragsbestimmung im GKV-System

Preisgestaltung und Verhandlungen mit der GKV

(Des-)Integration der Versorgung im internationalen Vergleich. Reinhard Busse, Prof. Dr. med. MPH FFPH

Gesundheitspauschale, Bürgerversicherung & Co.: Worüber reden die Parteien beim Thema Gesundheitsreform? Reinhard Busse, Prof. Dr. med.

Disease-Management-Programme (DMP)

Internationale Gesundheitssysteme

Management im Gesundheitswesen Krankenversicherung und Leistungsanbieter

Management im Gesundheitswesen Krankenversicherung und Leistungsanbieter

Krankenkassen im internationalen Kontext und ihre historische Entwicklung

Zukunft des Gesundheitswesens Umfragereihe 2010

Auf dem Weg zu einem evidenzbasierten. auch in der Onkologie

MARKTDATEN. Schuhe in Europa EU 15 JAHRGANG 2011

Solidarisch finanzierte Gesundheitssysteme in unterschiedlichen Ländern

Die Verfahrensordnung zur Arzneimittelbewertung gemäß AMNOG Informationsveranstaltung des G-BA Berlin, 2. März 2011

Die frühe Nutzenbewertung und ihre rechtlichen Herausforderungen

Internationale Gesundheitssysteme

Förderverein für ärztliche Fortbildung in Hessen e. V. Frankfurt am Main, 27. Mai 2015

Auswirkungen der frühen Nutzenbewertung auf fdie forschendem Pharmaunternehmen

Werkstattbericht Nr. 10/2001. Werkstattbericht. Werkstattbericht

Frühe Nutzenbewertungen nach AMNOG: Einblicke in die aktuellen Verfahren und mögliche Auswirkungen für Ärzte und Patienten

Die Neuordnung des Arzneimittelmarktes

AMNOG: Wenn Innovation aufs System trifft: Ist das AMNOG System fit für Innovation- Beispiel Onkologie

Innovative Arzneimittelversorgung im Spannungsfeld zwischen Nutzenbewertung und Sicherstellung des medizinischen Fortschritts

Ökonomische Aspekte der


Was kann getan werden, damit die Ergebnisse der Nutzenbewertung nach 35a SGB V im Praxisalltag besser genutzt werden können?

Veränderungen bei der Nutzenbewertung # I

Dossierbewertung A14-26 Version 1.0 Empagliflozin Nutzenbewertung gemäß 35a SGB V

Ohne Zusatznutzen keine Verordnung! Stimmt das?

ARZNEIMITTELAUSGABEN

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am abschließend beraten und beschlossen:

Bewertung von Arzneimitteln. Überblick über den AMNOG Prozess

Frühe Nutzenbewertung erhöht Studiendatentransparenz

Innovative Gesundheitsversorgung

Mehrwerte und Nutzen gesundheitsökonomischer Evaluationen von Impfungen aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes

Erste Entscheidung zu früher Nutzenbewertung Verfahren stabil etabliert

im europäischen Vergleich?

AMNOG-Check Schwerpunktthema: Gefährdungsmomente der GKV-Versorgung bei AMNOG-Präparaten

Frühe Nutzenbewertung in der Onkologie aus ethischer Sicht

Kosten-Nutzen-Bewertung bei medizinischen Leistungen - zwischen Patientenwohl und Rationierung. Dr. Stefan Etgeton, Verbraucherzentrale Bundesverband

Informationen zum Thema Europäische Krankenversicherungskarte

Almirall Hermal GmbH Dr. Silvia Sickold. Frühe Nutzenbewertung und Preisbildung Berlin, 30. April 2014

Arzneimittelversorgung in Deutschland

Qualitätsmanagement II: Ansätze und Weiterentwicklung

IQWiG Herbstsymposium / Unterschied zwischen Risiko-Nutzenabwägung (nach AMG) und Nutzen-Schadenabwägung (nach SGB V)

Vorsitzender Dr. med. Friedrich Overkamp

Politische Balance zwischen Innovationsförderung und Kostenkontrolle 10 Thesen

Woran erkennt man ein gutes Gesundheitssystem?

AMNOG: Mehr Mitspracherechte für Experten und Patienten

Versorgung und Finanzen. Dr. Norbert Gerbsch, stv. Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.v.

Einflussfaktoren und Entwicklung des europäischen Arbeitsmarktes für Mitarbeiter im Gesundheitswesen

Postoperative. aus Public Health Sicht

Frei Rampe Schlachthofpreise in der EU exkl. USt. Jungrinder R3 in Euro je kg Kaltschlachtgewicht

Ambulanter Sektor II: Leistungsmanagement und Beurteilung im internationalen Vergleich

Bericht Beisitzer Arzneimittel Paradigmenwechsel im deutschen Arzneimittelmarkt

IQWiG im Dialog 21.Juni Bedeutung der Zulassung für die Nutzenbewertung Stellenwert des Zulassungsstatus bei G-BA- Entscheidungen


Frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln: Ergebnisse und Wirkung

Drei Jahre frühe Nutzenbewertung: Erfahrungen Standortbestimmung Weiterentwicklung Sicht der DKG

1. Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie

Personalisierte Medizin Status Quo und Perspektiven aus Sicht der pharmazeutischen Industrie

Public Health in Deutschland internationale Bezüge: Fokus auf Gesundheitssysteme und ihr Einfluss auf Bevölkerungsgesundheit

Beschluss. I. Die Anlage XII wird in alphabetischer Reihenfolge um die Wirkstoffkombination Empagliflozin/Metformin wie folgt ergänzt:

VATTENFALL-Cyclassics

Management im Gesundheitswesen Industrie. Preisbildung. Reinhard Busse, Prof. Dr. med. MPH FFPH

Modellierung des Gesundheitssystems/ Wesentliche Akteure und Reformen in europäischen Ländern

Der G-BA und seine Aufgaben sowie Zielsetzungen

Vorstellung des Innovationsreports 2017

Wettbewerb im Gesundheitswesen im internationalen Vergleich Reinhard Busse, Prof. Dr. med. MPH FFPH

Die wichtigsten Handelspartner Deutschlands (Teil 1)

Nutzenbewertung, Methoden, Entwicklungen und Trends in der Onkologie

Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) - Welche Auswirkungen hat das Gesetz auf die Apotheken?

Frühe Nutzenbewertung im Gemeinsamen Bundesausschuss

Dr. Michael Bartke, Daiichi Sankyo Europe GmbH, Okt München 23. Oktober 2012

Finanzierung von Medizintechnikprodukten in Deutschland im internationalen Kontext

Auswirkungen des LSG-Beschlusses zu Mischpreisen auf die Verordnung von neuen Arzneimitteln. Pressegespräch Berlin,

Wettbewerb im. Gesundheitssystemperspektive

Die Distribution von Medikamenten im Rahmen des Arzneimittelmarktes

Frühe Nutzenbewertung aus Sicht des IQWiG. Jürgen Windeler

Capacity building in health systems research and management in Ghana

Orphan Drugs. Arzneimitteltherapie seltener Krankheiten

Beschluss vom: 15. Dezember 2016 gültig bis: unbefristet In Kraft getreten am: 15. Dezember 2016 BAnz AT B6

Finanzierung von Medizintechnikprodukten in Deutschland im internationalen Kontext

Workshop zur Ethik der Kosten-Nutzen- Bewertung medizinischer Maßnahmen

Transkript:

Arzneimittelversorgung in Deutschland und Europa Reinhard Busse, Prof. Dr. med. MPH FG Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin (WHO Collaborating Centre for Health Systems Research and Management) & European Observatory on Health Systems and Policies 4. Novemberi 2015 1

Die Arzneimittelversorgung in der deutschen GKV weist im Vergleich zu den betrachteten europäischen Ländern auch nach den Änderungen durch das AMNOG eine sehr geringe Verzögerung zwischen Marktzulassung eines neuen Arzneimittels und der tatsächlichen, öffentlich finanzierten Nutzung dieses Präparates auf. Eine Erstattungsfähigkeit besteht für praktisch alle Präparate und je Produkt für alle zugelassenen Indikationen, während Einschränkungen auf bestimmte Indikationen oder Patientengruppen in anderen Ländern häufig auftreten. 4. Novemberi 2015 Handelsblattkonferenz 2

Erstattungsfähigkeit und Verzögerung (Zulassung bis 2010/11) Erstattungsfähigkeit/ Verfügbarkeit >95%; <3 Monate 85%; 6 Monate Ca. 50%; 9 Monate Durchschn. Zeit nach Zulassung (Monate) 4. Novemberi 2015 Handelsblattkonferenz 3

+ und das ist auch seit dem AMNOG noch so hier Daten zur Erstattung und zum Preis der 2013 in Europa neu eingeführten Arzneimittel mit Stand April 2014: In Deutschland wurden 8 von 9 erstattet (und eigentlich 9) in Dänemark 6, in den Niederlanden 3, in Spanien 2, und in Frankreich, Italien und Schweden jeweils 1. 6 der 8 Präparate erzielten gegenüber der Vergleichstherapie einem um mind. 21% höheren Preis (zum Vergleich: in Großbritannien 6 von 9). 4. Novemberi 2015 Handelsblattkonferenz 4

4. Novemberi 2015 Handelsblattkonferenz 5

Preis Bewertung und Entscheidungskategorien Typ A: mit Preis (z.b. Schweden) Typ B: ohne Preis (z.b. Frankreich) Nutzen (auch für Subgruppen & einzelne Indikationen) Zusatznutzen (im Vergleich; auch für Subgruppen & einzelne Indikationen) Kosten-Nutzen (im Vergleich; auch für Subgruppen) erstattungsfähig nur erstattungsfähig für bestimmte Patientengruppen Indikationen Versorgungszentren nur erstattungsfähig im Rahmen von Forschung (zur Gewinnung weiter Daten) nicht erstattungsfähig 4. Novemberi 2015 Handelsblattkonferenz 6

Zusatznutzen Preis Preis Bewertung und Entscheidungskategorien Typ A: mit Preis (z.b. Schweden) Typ B: ohne Preis (z.b. Frankreich) Nutzen (auch für Subgruppen & einzelne Indikationen) Zusatznutzen (im Vergleich; auch für Subgruppen & einzelne Indikationen) Kosten-Nutzen (im Vergleich; auch für Subgruppen) I II wesentlicher therapeutischer Fortschritt deutliche Verbesserung III mäßige Verbesserung IV geringfügige Verbesserung erstattungsfähig nur erstattungsfähig für bestimmte Patientengruppen Indikationen Versorgungszentren nur erstattungsfähig im Rahmen von Forschung (zur Gewinnung weiter Daten) nicht erstattungsfähig V keine Verbesserung Preissetzung/ -verhandlung in Abhängigkeit von (Zusatz-)Nutzen 4. Novemberi 2015 Handelsblattkonferenz 7

GELB = Erstattungseinschränkungen ( Optimierung ) aufgrund von: Erkrankung/ Indikation Andere Patientencharakteristika Verordner (z.b. nur bestimmte Fachgruppen) Verordnungskontext (z.b. nur second-line ) 4. Novemberi 2015 Handelsblattkonferenz 8

Preisfindung und Erstattungsfähigkeit Preis ist ein implizit (oder explizit) gemittelt gilt vermutlich (bedingt) auch für post-amnog-periode Preis ist umso höher, je mehr sich die Erstattung auf Subgruppen mit hoher Wirksamkeit konzentriert 4. Novemberi 2015 Handelsblattkonferenz 9

2013: DE 678 FR 622 Auch unter Einbezug der privaten Gesundheitsausgaben weist Deutschland im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hohe Arzneimittelausgaben auf: (1) In absoluten Zahlen lag Deutschland 2013 auf Platz 1, während es 2004 noch im Mittelfeld lag und seitdem u.a. Belgien, Italien und Frankreich überholt hat. Der Abstand zu Österreich hat sich von 2% auf 23% vergrößert. 4. Novemberi 2015 Handelsblattkonferenz 10

2013: FR 1,65% DE 1,55% Auch unter Einbezug der privaten Gesundheitsausgaben weist Deutschland im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hohe Arzneimittelausgaben auf: (2) Relativ zum Bruttoinlandsprodukt lag Deutschland 2013 zwar nur auf Platz 5 (hinter Griechenland, Frankreich, Spanien und Italien) aber mit 1,55% ist der Anteil deutlich höher als in den Niederlanden (0,86%), Schweden (1,11%) oder Österreich (1,22%). 4. Novemberi 2015 Handelsblattkonferenz 11

Schlussfolgerungen Insgesamt sieht sich Deutschland primär weder vor der Herausforderung einen besseren Zugang zu neuen Arzneimitteln zu gewährleisten, noch niedrigere finanzielle Hürden für Patienten einzuführen. Kosten und Qualitätsaspekte verdienen weiterhin die meiste Aufmerksamkeit. Um das Preis-Leistungs-Verhältnis bei (neuen) Medikamenten zu verbessern, sollte auch in Deutschland eine gezieltere Nutzungssteuerung bei neuen Arzneimitteln erwogen werden. Da die Nutzenbewertung bereits auf der Ebene von Subgruppen stattfindet, liegen die hierfür notwendigen Informationen vor und können bei der Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit (und nicht nur über den Erstattungspreis) genutzt werden. 4. Novemberi 2015 Handelsblattkonferenz 12