Vergaberechtliche Strukturen im Sozialwesen. von Dr. Caspar David Hermanns und Ansgar Messow



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Transkript:

Vergaberechtliche Strukturen im Sozialwesen von Dr. Caspar David Hermanns und Ansgar Messow Das Sozialwesen ist derzeit geprägt durch den insbesondere in Zeiten leerer Kassen und des gesellschaftlichen Umbruchs notwendigen Handlungsbedarf und die damit verbundene anhaltende politische wie rechtliche Diskussion in diesem Bereich. Stand lange Zeit die bestmögliche Integration der sozial Schwachen im Vordergrund des Sozialrechts, muss es sich für nicht wenige Sozialrechtler ungewohnt mit Forderungen nach Kosteneffizienz auseinandersetzen. Nicht minder in Bewegung als das Sozialrecht ist das, wenn auch weitaus jüngere, Rechtsgebiet Vergaberecht 1, das geradezu, um einen derzeit gerne verwendeten Begriff zu gebrauchen, heuschreckenartig in alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung einfällt und nun auch das Sozialrecht nicht außen vor lässt. Ein weites und von vielen Facetten geprägtes Betätigungsfeld und so überrascht es auch nicht, dass sich am 27.04.2006 auf Einladung des Instituts für Sozialrecht (IfS) und der Forschungsstelle für Verwaltungsrechtsmodernisierung und Vergaberecht (FVV) der Ruhr-Universität Bochum unter Leitung des Geschäftsführenden Direktors des IfS Professor Dr. Stefan Huster und des Leiters der FFV Professor Dr. Martin Burgi mehr als 100 mit dem Sozialrecht und/oder Vergaberecht auf verschiedenste Art befasste Personen aus allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Krankenkassen, der Sozialgerichtsbarkeit und der Rechtsanwaltschaft trafen, um unter dem Aspekt des Vergaberechts die Themen- Der Verf. Hermanns ist Partner der Sozietät Dr. Hermanns & Partner, Rechtsanwälte, in Osnabrück, der Verf. Messow ist Referendar. 1 Zur aktuellen Entwicklung des Vergaberechts Hermanns/Klein, DVBl. 2006, 1227 ff..

2 felder des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung, des Rechts der Arbeitsförderung sowie des Sozial- und Jugendhilferechts zu beraten. Nach der obligaten Begrüßung durch Prorektorin Prof. Dr. Notburga Ott (Bochum) erläuterte zunächst Prof. Huster die das Sozialrecht prägenden Leitideen, woran Prof. Burgi nahtlos die das Vergaberecht prägenden Leitideen und erste damit verbundene Schnittstellen aufzeigte. I. Gesetzliche Krankenversicherung Nachdem Prof. Huster und Prof. Burgi die das Sozialrecht beziehungsweise das Vergaberecht betreffenden Grundlagen erörtert hatten, erläuterte Professor Dr. Markus Kaltenborn (Siegen) die Vergaberechtlichen Strukturen im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung. Ausgehend von den Ausschreibungspflichten im SGB V schloss er die Fragestellung nach dem Wettbewerbsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung durch das Kartellvergaberecht an. So sei seiner Auffassung darüber nachzudenken, inwieweit 69 SGB V als Spezialnorm des Sozialrechts das Kartellvergaberecht ausschließen könne. Als allgemeine Ausschlussnorm sei der 98 Nr. 2 GWB in diesem Zusammenhang denkbar, wobei jedoch schon die staatliche Behandlung sowie die Frage der Rechtsaufsicht problematisch sei, da eine klare Abgrenzung zur Fachaufsicht nicht oder nur schwer möglich wäre, so dass die Krankenkassen drohen, in der Fachaufsicht gefangen zu werden. Ein weiterer Aspekt seines Vortrages befasste sich mit dem europäischen Einfluss auf das nationale Vergaberecht. Prof. Kaltenborn zeichnete die Gefahr eines rechtsfreien Raumes durch eine Anwendung des Europarechts, was ihn zu der Frage veranlasste, ob 98 Nr. 2 GWB in diesem Zusammenhang in seiner Anwendung nicht teleologisch zu reduzieren sei. Eng verbunden mit dem 98 GWB ist die Anwendung des 99 GWB. Zur Frage, ob Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber unter 99 Abs. 1 GWB subsumiert werden können, ging er vertieft auf die Voraussetzung der Entgeltlichkeit ein. So sei beispielsweise bei Hausärzten die Bestimmung beziehungsweise die Entgeltlichkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht gegeben, da der Versicherte bei der Arzt- und Leistungswahl stets frei auswählen könne. Weiter erläuterte Prof. Kaltenborn den Zusammenhang von Verträgen mit den Leistungserbringern als öffentliche Verträge sowie den damit verbundenen Konsequenzen. Hierbei sei wie sich in der aktuellen politischen Diskussion zeige zwischen dem Einzelvertragsmodell, welches zu einer Kollision mit verfassungsrechtlichen Aspekten führen könne und bei dem einzelne Ärzte durch die Krankenkassen als Leistungserbringer beauftragt werden, sowie dem derzeit angewandten Kollektivmodell, bei dem die Systemgerechtigkeit zur Verhinderung

3 willkürlicher Entscheidungen im Vordergrund stehe, zu differenzieren. Beide Modelle beinhalteten jedoch prägende Vor- und Nachteile, so dass nicht eines von beiden als das zu bevorzugende Modell zu sehen sei. Geprägt ist das Vertragswettbewerbsmodell beispielsweise durch das Problem der freien Arztwahl, da nur bestimmte Ärzte den einzelnen Versicherten behandeln dürften, so dass sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG für den Versicherten stelle. Herausgearbeitet wurde, dass es auf der Seite der Leistungserbringer zur Gefährdung der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG durch das Einzelvertragsmodel kommen könne, da in Abhängigkeit von der Länge der Vertragslaufzeit eine Planungssicherheit für den Einzelnen nicht gegeben sei und auch junge Leistungserbringer Schwierigkeiten haben könnten, überhaupt an Leistungsverträge zu gelangen. Eine Rechtfertigung des Eingriffs sei durch ein eigenes Vergaberecht oder die Anwendung des GWB denkbar. II. Recht der Arbeitsförderung Abschied vom Sozialen? Das Recht der Arbeitsförderung (SGB III) zwischen Sozial- und Vergaberecht war Gegenstand der Ausführungen von Privatdozent Dr. Stephan Rixen (Köln), der damit zugleich in das Themenfeld Recht der Arbeitsförderung einführte. Hierbei mahnte der Kölner Wissenschaftler die Vergaberechtsoffenheit des Sozialrechts und die Sozialrechtsoffenheit des Vergaberechts an, damit letztlich das Soziale erhalten bleibe und keine vom Sozialrecht unerwünschte, aber durch die Reformen gleichwohl bereits erfolgte Individualfeindlichkeit entstehe beziehungsweise sich verfestige. Problematisch sei vor allem, dass durch die Norm des 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB I nur das ob des Beschaffungsermessens im Sozialleistungsbereich geregelt werde, so dass diskussionswürdig sei, was unter dem Begriff der Beschaffung verstanden werden könne. So wies der Rechtswissenschaftler aus der Domstadt darauf hin, dass es sozialrechtlicher Modifikationen des Beschaffungsermessens bedürfe. Denkbar wäre unter anderem eine explizite Beschränkung des Beschaffungsermessens durch spezialgesetzliche Regelungen, wie dies in 37c SGB III a. F. der Fall war. In Betracht käme auch eine Modifikation des Beschaffungsermessens durch die Wertungen des SGB IX. Jedoch könne das SGB III über das SGB IX nicht suspendiert werden, da die Bundesagentur ein erweitertes Auswahlermessen habe, so dass die Anwendung des SGB IX auf das SGB III keinen Einfluss habe. Im Rahmen seiner Ausführungen zum Rechtsschutz gegen das Vergabeverfahren also gegen die Wahl der Auftragsvergabe als Beschaffungsweg zeigte Dr. Rixen auf, dass bei der Zu-

4 lässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ein besonderes Augenmerk auf die Klagebefugnis zu legen sei, die sich nur ergebe, wenn eine Verletzung auf Zugang zu einem staatlich gesteuerten Nachfragemarkt bestehe. Dagegen müsse beim Rechtsschutz im Vergabeverfahren unterschieden werden, ob das Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorgenommen wird, so dass das Kartellvergaberecht maßgeblich sei oder ob das Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich erfolge und somit wie im Rechtsschutz gegen das Vergabeverfahren das Verwaltungsgericht zuständig sei. Fazit seiner Ausführungen war, dass zwischen dem Vergaberecht und dem Sozialrecht eine wechselseitig gestaltende Offenheit bestehe, die zur Schaffung von Gerechtigkeit genutzt werden solle. Im Anschluss an Rixens Ausführungen erläuterte Herbert Keck (Nürnberg) umfassend den Einkauf der Bundesagentur. Dabei sparte Keck, in der Bundesagentur Geschäftsbereichsleiter des Einkaufs, nicht daran, Daten und Verbesserungen innerhalb der Bundesagentur hervorzuheben und legte so ein beredtes Zeugnis für den Reformprozess innerhalb der Bundesagentur, die Entwicklung und Qualitätsbewertung des Einkaufs für Arbeitsmarktdienstleistungen oder Aufbau und Organisation der Bundesagentur ab. III. Sozial- und Jugendhilferecht Zum Themenkreis Sozial- und Jugendhilferecht erläuterte Rechtsanwalt Dr. Hans-Joachim Prieß (Berlin) unter der Überschrift Das Vergaberecht und seine Umsetzung in der Sozialund Jugendhilfe die damit verbundenen Fragestellungen. Dr. Prieß, vor allem als die Querschnittsmaterie Vergaberecht noch nicht allgemein bekannt war und gleichsam eingebrochen war, sicherlich einer der Motoren des Vergaberechts in der Bundesrepublik, mahnte, dass vor den Auswirkungen des Vergaberechts vielfach zu große Angst vorherrsche, weshalb insbesondere im Sozialrecht die seines Erachtens unzulässige Frage gestellt werde, ob die verfahrensrechtlichen Anforderungen des Vergaberechts anzuwenden seien und dadurch ein ökonomisches Handeln erreicht werden könne oder ob diese Anforderungen außen vor bleiben müssten. Das Vordringen des Vergaberechts, betonte Dr. Prieß, beruhe letztlich auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, die, in Verbindung mit der Anwendung des Primärrechts, keinen rechtsfreien Raum zuließen. Zu Zeiten knapper Kassen und einem durch Ineffizienz geprägten Handeln bedürfe es überdies auch im Fürsorgebereich verstärkt der Wirtschaftlichkeit und Effektivität, um nicht zu einem Leistungsabbau oder einer Erhöhung der Schulden zu gelangen. Dass Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch im Sozialrecht Anwendung finden sollen, regele darüber hinaus

5 ohnehin 75 SGB XII. Um diese Vorgabe zu erreichen, bedürfe es eines mit Hilfe des Vergaberechts zu erreichenden Wettbewerbes. Grundvoraussetzung eines gesunden Wettbewerbs aber ist, dass der Auftraggeber eine aussagekräftige und erfüllbare Leistungsbeschreibung für die potentiellen Auftragnehmer zur Verfügung stelle. In concreto problematisch werde es, wenn durch den Auftraggeber der Leistungsbeschreibung Allgemeine Geschäftsbedingungen beigefügt werden würden, die letztlich zu einem Ausschluss potentieller Auftragnehmer führten, was dem Wettbewerb abträglich sei. Damit hänge die praktische Umsetzung der Ziele des Vergabe- und Sozialrechts in Form der wirtschaftlichen, sparsamen und transparenten Beschaffung von sozialen Dienstleistungen bei leistungsfähigen Unternehmen letztlich maßgeblich von der Leistungsbeschreibung des Auftraggebers ab. Denn nur so stehe den abgegebenen Angeboten eine einheitliche Bewertungsgrundlage zur Verfügung, mit der auch ihre Vergleichbarkeit erreicht werde. Allgemein gelte überdies, dass bei der anschließenden Auftragsvergabe primär auf eine fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Leistungsausführung durch das Anbieterunternehmen zu achten sei, da der Preis des Angebotes nur etwa ein Drittel in der Gesamtbewertung der Zuschlagskriterien ausmachen solle. Der Anwendbarkeit und Reichweite des Vergaberechts widmete sich Professor Dr. Thorsten Kingreen (Regensburg) in seinem Vortrag Vergaberecht und Verfahrensgerechtigkeit in der Jugend- und Sozialhilfe am Beispiel des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Der Einfluss des Vergaberechts auf das Leistungserbringungsrecht bei Ausschreibung von sozialen Dienstleistungen ergebe sich aus dem Aspekt, dass dieser öffentlicher Auftraggeber nach 98 Nr. 3 GWB sei, so dass Vereinbarungen des jugend- und sozialhilferechtlichen Leistungserbringungsrechts als öffentliche Aufträge im Sinne des 99 GWB zu qualifizieren seien. Dabei griff er vertiefend die Frage auf, ob diese Vereinbarungen den in 99 GWB vorausgesetzten Begriff der Entgeltlichkeit erfüllen. Im Gegensatz zum Dienstleistungsauftrag fehle es bei den seiner Meinung nach hier vorhandenen Dienstleistungskonzession an der Entgeltlichkeit, da die Gegenleistung für die Erbringung des Auftrags nicht durch eine bestimmte Vergütung erfolge, sondern in dem Recht, die eigene Leistung auf eigenes Risiko zu nutzen oder zu verwerten. Bei der Verfahrensgerechtigkeit, so Kingreen weiter, handele es sich um die sozial- und verfassungsrechtliche Voraussetzung. Als Beispiel hierfür nannte er das in den 78 a ff. SGB VIII sowie 75 ff. SGB XII niedergelegte so genannte Neue Steuerungsmodell, durch das ergebnis- und produktorientierte Vertragsmodelle eingeführt werden würden, die im Gegensatz zur reinen Bedarfsplanung die durch Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Qualität geprägte Leistungsplanung in den Vordergrund treten lasse. Hierbei müsse darauf

6 geachtet werden, dass wegen der Nichtvergabe eines Auftrages nicht die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG verletzt würde. Eine Ausschreibungsnotwendigkeit ergebe sich nicht nur aus den Paragraphen des SGB VIII und SGB XII, sondern insbesondere auch aus der in Art. 49 EGV kodifizierten Dienstleistungsfreiheit. Darüber hinaus enthalte auch das Beihilfenrecht der Art. 87, 88 EGV verfahrensrechtlich einzuhaltende Vorgaben. Eine soziale Dienstleistung müsse, unabhängig davon, ob das Vergaberecht anwendbar sei, schon aus sozial- und verfassungsrechtlichen Gründen in einem öffentlichen und transparenten Verfahren ausgeschrieben werden. Jedoch reiche ein Interessenbekundungsverfahren mithin als Sozialvergaberecht light bezeichnet aus, damit nicht ein verfahrensrechtlicher Doppelgänger entstehe. Professor Kingreen schloss mit einem Plädoyer für die Etablierung des Sozialvergaberechts light, welches nur dann Erfolgsaussichten habe, wenn die Ausschreibungen nicht auf das Ziel der Kostensenkung und die Auswahlentscheidungen nicht auf die Kriterien der Wirtschaftlich- und Sparsamkeit reduziert, sondern zur Steigerung von Effizienz und Qualität genutzt würden. Professor Dr. Volker Neumann (Berlin) erörterte anschließend Vergaberechtliche Strukturen im Sozial- und Jugendhilferecht?. Als eine Möglichkeit, die Ausgabensteigerungen in diesem Bereich in Grenzen zu halten, werde eine Subventionierung freier Träger im Jugendhilferecht vorgenommen, statt eine Finanzierung durch Leistungsentgelte zu sichern. Diese Subventionierung könne aber nur dann zulässig sein, wenn kein anderweitiger Anspruch auf finanzielle Mittel bestehe, da ansonsten die übrigen Anspruchsinhaber benachteiligt würden. Eine andere denkbare Form der Budgetierung sei der Abschluss von Leistungserbringungsverträgen nach dem Vorbild des Neuen Steuerungsmodells. Fraglich sei, inwieweit das Vergaberecht auf die Leistungsverträge Anwendung finde, da nach Ansicht von Neumann keine entgeltlichen Verträge vorlägen, sondern lediglich eine Klärung für die Bedingungen der Leistungserbringung erfolge, so dass er die Frage erläuterte, ob Leistungsverträge als öffentliche Verträge im Sinne des 99 GWB zu qualifizieren seien. Im Folgenden ging er noch kurz auf eine denkbare Vergabe aufgrund des Haushaltsrechts ein, um schließlich deren Unzulässigkeit, aufgrund eines darin vorliegenden Eingriffs in die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, festzustellen. IV. Fazit Burgi schloss die Beratungen mit dem Fazit, dass das Vergaberecht im Sozialrecht nicht komplizierter zu machen sei, als es ist, es aber andererseits auch nicht grundsätzlicher gefasst

7 werden dürfe, was angesichts der wachsenden Bedeutung des Vergaberechts nicht nur ein berechtigter Hinweis für alle Teilnehmer, die in der täglichen Praxis mit dem Vergaberecht in Berührung kommen, war, sondern auch die rundum gelungene Veranstaltung sachgerecht zusammenfasste. Doch auch wer nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnte, muss nur begrenzt traurig sein, werden doch Vorträge und Beratungen in Kürze in einem Tagungsband zusammengefasst werden.