Die Leistungspflicht der Krankenkassen bezüglich Drei- und Therapieräder für Kinder



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Hartmann Rechtsanwälte Die Leistungspflicht der Krankenkassen bezüglich Drei- und Therapieräder für Kinder Eine Information der Kanzlei Hartmann Rechtsanwälte 1

I. Anspruch auf Hilfsmittel zur Mobilität Hilfsmittel zur Mobilität sind für die Betroffenen von erheblicher Bedeutung, da durch diese häufig erst die Möglichkeit gegeben wird, ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu gestalten. Der Anspruch auf ein Hilfsmittel zur Mobilität in der gesetzlichen Krankenversicherung richtet sich immer nach 33 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), der wie folgt lautet: Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. (Hervorhebungen durch den Verfasser) Der Anspruch auf ein Hilfsmittel zur Mobilität setzt immer voraus, dass es im Einzelfall erforderlich ist entweder zur Krankenbehandlung, zur Vorbeugung einer Behinderung rung, oder - in der Praxis am bedeutendsten zum Behinderungsausgleich. Wichtig ist, dass es nach den gesetzlichen Vorgaben auf die Erforderlichkeit im Einzellfall ankommt. Pauschale Ablehnungen mit der Behauptung, ein bestimmtes Hilfsmittel stehe grundsätzlich nicht in der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse oder es handele sich bei dem Produkt um kein Hilfsmittel, sollten daher immer hinterfragt werden. 1. Was ist überhaupt ein Hilfsmittel? Das Gesetz selbst definiert den Begriff des Hilfsmittels nicht. Nur beispielhaft und nicht abschließend werden Hörhilfen, Körperersatzstücke und orthopädische Hilfsmittel aufgeführt. Was unter den Begriff der anderen Hilfsmittel fällt, wird durch die Gerichte in zahlreichen Einzelfällen entschieden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich im August 2006 noch ausführlich mit der Frage befasst, was ein Hilfsmittel im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen ist. In diesem Verfahren war zwar kein Hilfsmittel zur Mobilität Gegenstand des Rechtsstreits, sondern eine sog. Vojta-Liege (eine besondere Therapieliege, mit der die Krankengymnastik zu Hause durchgeführt wird), aber die Definition des Hilfsmittelbegriffs gilt für alle in Betracht kommenden Produkte. 2

Das BSG hat klargestellt, dass es für die Frage der Hilfsmitteleigenschaft und damit der Kostenübernahme durch die Krankenkassen nicht darauf ankommt, ob die Gegenstände von professionellen Anwendern oder Laien benutzt werden oder die Mittel unmittelbar am Körper der kranken oder behinderten Person wirken. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob das Mittel im Einzelfall der behinderten Person dadurch zu Gute kommt, dass die Auswirkungen ihrer Behinderung behoben oder gemildert werden, selbst wenn dies dadurch geschieht, dass eine Hilfsperson in die Lage versetzt, die beabsichtigten Ziele zu erreichen. Nach dieser Definition fallen alle Arten von Rollstühlen, Rollatoren, Therapieräder, Handbikes, Rollstuhl-Fahrrad-Kombinationen und vergleichbare Produkte unter den Hilfsmittelbegriff. Um eine Ersatzpflicht der Krankenkassen auszulösen, kommt es aber entscheidend darauf an, ob es auch wirklich im Einzelfall erforderlich ist. 2. Erforderlichkeit im Einzelfall Ein Hilfsmittel ist immer dann im Einzelfall erforderlich, wenn kein kostengünstigeres und zumindest gleich geeignetes Hilfsmittel zur Krankenbehandlung oder zum Behinderungsausgleich zur Verfügung steht. Ein Hilfsmittel kann zur Krankenbehandlung erforderlich sein, wenn es der Krankheitsbekämpfung dient und spezifisch im Rahmen einer Krankheitsbehandlung eingesetzt wird. Durch den gezielten Einsatz von Dreiund Therapierädern kann u.a. die Muskulatur und das Herz-Kreislauf-System gestärkt werden. Allein mit diesem Argument kann jedoch der Anspruch nicht begründet werden, da sowohl die Krankenkassen als auch die Gerichte oft krankengymnastische Übungen als die kostengünstigere und vorzugswürdigere Maßnahme zur Stärkung der Muskulatur ansehen. Es kann daher nur ausnahmsweise einen Anspruch begründen, wenn der Einsatz eines Therapie- oder Dreirades in ein ärztliches Therapiekonzept eingebunden ist. Drei- und Therapieräder können aber zum Behinderungsausgleich erforderlich sein. Damit es dazu geeignet ist, muss es der Sicherstellung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens dienen. Es wird oft darüber gestritten, was alles zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zählt. Nach der Rechtsprechung des BSG gehören zu derartigen Grundbedürfnissen u.a. die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, 3

Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes. Das allgemein anerkannte Grundbedürfnis auf Mobilität gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern beschränkt sich auf die Wege (den Bewegungsradius), die ein gesunder Mensch üblicherweise zu Fuß zurücklegt. Zum Grundbedürfnis der Mobilität zählen daher die so genannten Alltagswege oder Alltagsgeschäfte, also Wege zum Supermarkt, Behörden, Arztbesuche oder vergleichbare Wege. Nicht dazu gehören darüber hinausgehende Wege wie Wanderungen, Radtouren oder sportliche Betätigungen. Auch das Fahrradfahren ist grundsätzlich nicht als Grundbedürfnis anerkannt. Begründet wird dies damit, dass der gesetzlichen Krankenversicherung allein die medizinische Rehabilitation obliegt, also die möglichst weit gehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Bei erwachsenen Versicherten kann ein Anspruch auf Versorgung mit einem Drei- oder Therapierad nur dann in Betracht kommen, wenn er etwa mit einem Rollstuhl oder anderen Hilfsmitteln die nähere Umgebung nicht erschließen kann und nur mit einem Dreirad es ihm möglich ist, sich ohne Hilfe anderer Personen im Nahbereich zu bewegen. Bei Kindern und Jugendlichen in der Entwicklungsphase gilt jedoch ein großzügigerer Maßstab. Die Krankenkassen und Gerichte erkennen bei Kindern und Jugendlichen bis ca. 15 Jahren auch das Fahrradfahren unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme an der sonstigen üblichen Lebensgestaltung nichtbehinderter Gleichaltriger und der Integration in Gruppen Gleichaltriger als Bestandteil des sozialen Lernprozesses als allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens an. In der Entwicklungsphase von Kindern und Jugendlichen, zumindest bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres, ist auch die Möglichkeit zu spielen bzw. allgemein an der üblichen Lebensgestaltung Gleichaltriger teilnehmen zu können, zu beachten. Denn in diesen Lebensabschnitten soll entscheidend die Fähigkeit entwickelt und gefördert werden, gesellschaftliche Kontakte aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Hieraus ergibt sich, dass behinderte Kinder, die kein handelsübliches Fahrrad führen können, Anspruch auf ein behindertengerechtes Fahrrad haben. Dieser Anspruch setzt nicht voraus, dass das begehrte Dreirad nachweislich unverzichtbar ist, um eine Isolation des Kindes zu verhindern. Es reicht aus, wenn dadurch die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wesentlich gefördert wird. Zwei- und Dreiräder für Kinder sind auch in i einem sog. Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt. Das Hilfsmittelverzeichnis ist ein Verzeichnis, welches von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen umfasste Hilfsmittel beinhalten soll und als Auslegungshilfe dient. 4

Die Krankenkassen begründen ihre Ablehnung häufig damit, dass der Versicherte bereits mit anderen Hilfsmitteln ausreichend versorgt sei und dass das beantragte Mittel nicht notwendig sei (Überversorgung). Wichtig ist also bei der Beantragung eines Hilfsmittels genau darzulegen, für welche Zwecke das Hilfsmittel benötigt wird. Ärztliche Verordnungen, die lediglich auf die Vorteile einer körperlichen Ertüchtigung allgemein hinweisen, sind nicht hilfreich. 3. Kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens Ein Anspruch auf ein bestimmtes Produkt als Hilfsmittel setzt voraus, dass es sich um keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt. Damit sollen Produkte von der Leistungspflicht der Krankenkasse ausgenommen werden, die allgemein von Gesunden und Nichtbehinderten im täglichen Leben verwandt werden, aber einen positiven Nebeneffekt auf die Gesundheit haben. Als Leitlinie gilt, dass sobald s ein Produkt für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt wurde und ausschließlich oder überwiegend von diesem Personenkreis benutzt wird, handelt es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens und kann damit in die Leistungspflicht der Krankenkassen fallen. Therapie- und Dreiräder wie z.b. das Momo Dreirad oder Momo Therapierad, die speziell für behinderte Kinder hergestellt werden, sind somit keine allgemeinen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. 4. Selbstkostenbeitrag des Versicherten Grundsätzlich hat zwar jeder Versicherte gem. 61 i.v.m. 33 Absatz 8 SGB V Zuzahlungen für Hilfsmittel zu leisten. Diese Zuzahlungen sind von dem Leistungserbringer einzuziehen. Zuzahlungen müssen jedoch nur von Versicherten nach Vollendung des 18. Lebensjahres gezahlt werden. Kinder und Jugendliche müssen daher keine Zuzahlungen für Hilfsmittel leisten. Davon zu unterscheiden ist jedoch der Eigenanteil der Versicherten. Dient ein Hilfsmittel nicht nur dem Behinderungsausgleich oder der Krankenbehandlung, sondern ersetzt er zum Teil auch einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, berechnen die Krankenkassen den auf den Gebrauchsgegenstand entfallenen Kostenanteil dem Versicherten als Eigenanteil. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben eine Empfehlung zur Höhe der Eigenanteile der Versicherten abgegeben. Für Zwei- und Dreiräder beträgt der empfohlene Eigenanteil 255,00 Euro. 5

II. Geltendmachung des Anspruchs 1. Antrag Sie müssen Hilfsmittel im Regelfall bei der Krankenkasse unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung und eines Kostenvoranschlages eines Leistungserbringers, der zur Hilfsmittelversorgung berechtigt ist, beantragen. Genehmigt die Krankenkasse das Hilfsmittel nicht oder lehnt sie den Antrag wegen Unzuständigkeit ab, erfolgt in der Regel ein Ablehnungsbescheid, der eine Rechtsmittelbelehrung enthalten muss. 2. Widerspruch Gegen die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse können Sie innerhalb eines Monats nach Zugang Widerspruch erheben. Es reicht nicht aus, dass der Widerspruch innerhalb eines Monats abgeschickt wird, sondern er muss innerhalb der Monatsfrist auch bei der Krankenkasse eingegangen sein. Achten Sie darauf, ob der ablehnende Bescheid eine Rechtsmittelbelehrung enthält oder nicht. Fehlt diese gesetzlich vorgeschriebene Belehrung, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr. Sie können den Widerspruch entweder schriftlich erheben (nicht: mündlich, telefonisch oder per e-mail) oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse (zu Protokoll) geben. 3. Klage Die Krankenkasse kann nach eingelegtem Widerspruch entweder Abhilfe schaffen, indem sie das beantragte Hilfsmittel gewährt. Bleibt sie jedoch bei ihrer ablehnenden Auffassung, erlässt sie einen Widerspruchsbescheid. Auch der Widerspruchsbescheid muss die Rechtsmittelbelehrung enthalten, dass dagegen innerhalb eines Monats schriftlich Klage beim zuständigen Sozialgericht erhoben werden kann. 4. Selbstbeschaffung der Leistung und Kostenerstattungsanspruch Grundsätzlich können sich Versicherte die Leistungen nicht selbst beschaffen und diese vorfinanzieren. Es gilt das Verbot der Kostenerstattung. Lehnt die Krankenskasse den Anspruch jedoch zu Unrecht ab, können sich Versicherte die Leistung selbst beschaffen und anschließend einen Kostenerstattungsanspruch geltend machen. Aber auch hier müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: 6

1. Die selbstbeschaffte Leistung muss ihrer Art nach den Leistungen der Krankenkasse entsprechen 2. Es muss eine vertragsärztliche Verordnung vorliegen 3. Die selbstbeschaffte Leistung muss notwendig und zweckmäßig sein 4. Ablehnung der Krankenkasse zu Unrecht 5. Nachweis der durch die Selbstbeschaffung entstandenen Kosten (etwa durch Vorlage einer Rechnung) Wichtig ist, dass in einem solchen Fall die Ablehnung der Krankenkasse vorliegt und ursächlich für die Selbstbeschaffung gewesen ist. 7