Straflose Selbstanzeige Verweigerung der pauschalen Steueranrechnung



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Transkript:

Straflose Selbstanzeige Verweigerung der pauschalen Steueranrechnung Edouard Maibach lic. iur., dipl. Steuerexperte, Prokurist, Gfeller + Partner AG, Bern Seit der Veröffentlichung des neuen Kreisschreibens Nr. 40 der Eidgenössischen Steuer - verwaltung (ESTV) vom 11. März 2014 in Sachen Verwirkung des Anspruchs von natürlichen Personen auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer (nachfolgend KS 40) haben die kantonalen Steuerbehörden die für die Verrechnungssteuer geltende Praxis zur Verweigerung der Steuerrückerstattung im Rahmen einer straflosen Selbstanzeige auf die Anrechenbarkeit von ausländischen Steuern auf ausländischen Vermögenser - trägen (sog. pauschale Steueranrechnung) ausgedehnt. Die Steuerbehörden verweigern neuerdings auch die Anrechnung einer ausländischen Steuer mit der Begründung, mangels ordentlicher Deklaration der ausländischen Erträge in den jeweiligen Steuerformularen der letzten drei Jahre (u. a. das DA-1 Formular) sei der Rückerstattungsanspruch gänzlich verwirkt. Mathias Keller dipl. Steuerexperte, Betriebsökonom FH, Mitglied des Kaders Bommer + Partner Treuhandgesellschaft, Bern 1 Verrechnungssteuer 1.1 Rechtsgrundlage Bei der Verrechnungssteuer besagt das Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (VStG), dass folgende Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine natürliche Person Anspruch auf Rückerstattung der schweizerischen Verrechnungssteuer hat: Bei Kapitalerträgen muss sie bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung das Recht zur Nutzung des steuerbaren Ertrags des Vermögenswertes haben (beneficial ownership); Die natürliche Person muss bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung im Inland Wohnsitz haben; Nr. 7-8/2015 Seite 570

Die mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte oder Vermögen müssen der Steuerbehörde angegeben werden, andernfalls verwirkt der Anspruch auf Rückerstattung (Art. 23 VStG). Die mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte sowie das Vermögen, woraus solche Einkünfte fliessen, sind ordnungsgemäss deklariert, wenn die steuerpflichtige Person sie in der Steuererklärung ausweist. Inhaltsverzeichnis 1 Verrechnungssteuer 1.1 Rechtsgrundlage 1.2 Steuerpraxis 2 Pauschale Steueranrechnung 2.1 Rechtsgrundlage 2.2 Steuerpraxis 3 Pauschale Steueranrechnung und straflose Selbstanzeige 3.1 Vereinbarkeit der Praxis zur PStA mit dem Legalitätsprinzip 3.1.1 Inhalt des Legalitätsprinzips 3.1.2 Anspruch auf pauschale Steueranrechnung 3.1.3 Fazit 3.2 Vereinbarkeit der Praxis zur PStA mit Art. 8 BV 3.2.1 Inhalt des Schlechter stellungsverbots 3.2.2 Schlechterstellung im Nachsteuerverfahren 3.2.3 Fazit 4 Schlussfolgerung 1.2 Steuerpraxis Gemäss Ziff. 3.2 des Kreisschreibens Nr. 40 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) vom 11. März 2014 gilt eine Deklaration insbesondere in den folgenden Fällen als nicht ordnungsgemäss: Die Deklaration der mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte erfolgt nach Eintritt der Rechtskraft der ordentlichen Veranlagung. Die Deklaration der mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte erfolgt aufgrund einer Anfrage, Anordnung oder sonstigen Intervention der Steuerbehörde im Zusammenhang mit diesen Einkünften. Rein rechnerische Korrekturen von bereits deklarierten Erträgen durch die Steuerbehörde (Schreibfehler, Deklaration von Nettoerträgen, Anpassung von geschäftsmässig nicht begründeten privaten Unkostenanteilen der Beteiligungsinhaber, Bewertungsdifferenzen etc.) führen noch nicht zu einer Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs auf dem aufgerechneten Teilbetrag. Die Deklaration der mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte durch die steuerpflichtige Person oder durch deren Erben erfolgt im Rahmen einer spontanen Selbstanzeige gemäss Artikel 153a, Artikel 175 Absätze 3 und 4 DBG sowie Artikel 53a und Artikel 56 Absätze 1 bis und 1 ter des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14). Die Deklaration von mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünften nach Eintritt der Rechtskraft der ordentlichen Veranlagung gilt als nicht ordnungsgemässe Deklaration im Sinne von Artikel 23 VStG. Der Verzicht auf die Eröffnung eines Strafverfahrens im Bereich der direkten Steuern lässt den Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer nicht wieder aufleben. 2 Pauschale Steueranrechnung 2.1 Rechtsgrundlage Die von der Schweiz abgeschlossenen Doppel - besteuerungsabkommen beseitigen die Doppel- Nr. 7-8/2015 Seite 571

Im Rahmen der straflosen Selbstanzeige verweigern die Steuerbehörden, wie erwähnt, die pauschale Steueranrechnung. Die Steuerbehörden stellen sich in ihrer Argumentation in Nachsteuer - verfahren jeweils auf den Standpunkt, dass der Verweis der Verordnung über die pauschale Steueranrechnung (VO PStA) wie auch des ESTV Merkblatts zur pauschalen Steueranrechnung (Ziff. 1 DA-M) auf das VStG die analoge Anwendung der für die Verrechnungssteuer aufgestellten Steuerpraxis rechtfertigt. Obwohl die Erhebung der Quellensteuer/Verrechnungssteuer und die Anrechnung im Grundsatz zwar ähnlich ausgestaltet sind und die VO PStA bei den Verfahrensnormen (z. B. Verweis in Art. 16 VO PStA auf die Mitwirkungspflichten von Art. 48 ff. VStG) auf das VStG verweist, erscheint eine analoge Anwendung der Verwirkung gemäss Art. 23 VStG bei der pauschalen Steueranrechnung nach der hier vertretenen Auffassung jedoch als nicht sachgerecht, da die schweizerische Verrechnungssteuer und die pauschale Steueranrechnung ganz unterschiedliche Zwecke verfolgen. Die Verrechnungssteuer dient der reinen Sibesteuerung dadurch, dass die in der Schweiz wohnhaften Empfänger, zum Ausgleich der von diesen Staaten erhobenen und nicht zu erstattenden Steuern auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, eine Entlastung von den schweizerischen Steuern verlangen können. Die Entlastung erfolgt durch die pauschale Steueranrechnung gemäss Verordnung des Bundesrates vom 22. August 1967 über die pauschale Steueranrechnung. Die Verordnung zur pauschalen Steueranrechnung stützt sich auf die Artikel 1 und 2 Absatz 1 Buchstaben e und f des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (BG DBA). Das BG DBA ist ein reines Delegationsgesetz und enthält keine eigenen inhaltlichen Bestimmungen in Bezug auf die konkrete Umsetzung eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA). Vielmehr werden die Kompetenzen im Bereich der konkreten Umsetzung der jeweiligen Abkommen an den Bundesrat delegiert, worauf der Bundesrat die VO PStA erlassen hat. Weitergehende Ausführungen dazu sind ebenfalls im Merkblatt der ESTV über die pauschale Steueranrechnung für ausländische Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren aus Vertragsstaaten (DA-M) enthalten. 2.2 Steuerpraxis Anspruch auf die pauschale Steueranrechnung haben alle natürlichen und juristischen Personen und Kollektiv- und Kommanditgesellschaften, die ihren Wohnsitz im Sinne der Doppelbesteuerungsabkommen in der Schweiz haben und hier für die ausländischen Erträgnisse den schweizerischen Steuern vom Einkommen unterliegen (vgl. DA-M). Die pauschale Steueranrechnung ist zu beantragen, und zwar für Dividenden und Zinsen: mit dem Ergänzungsblatt pauschale Steueranrechnung zum Wertschriftenverzeichnis: Formular DA-1 für natürliche Personen; Formular DA-2 für Aktiengesellschaften, Kommandit-AG, GmbH, Genossenschaften, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften sowie Vereine und Stiftungen; für Lizenzgebühren: mit dem Formular DA-3 für alle Antragsteller. Anträge auf pauschale Steueranrechnung können dabei frühestens nach Ablauf der Steuerperiode, in der die ausländischen Erträgnisse fällig geworden sind, gestellt werden. Der Anspruch auf pauschale Steueranrechnung erlischt, wenn der Antrag nicht innert drei Jahren nach Ablauf der Steuerperiode, in der die Erträgnisse fällig geworden sind, gestellt wird. 3 Pauschale Steueranrechnung und straflose Selbstanzeige Nr. 7-8/2015 Seite 572

cherung der allgemeinen Einkommenssteuer auf Kapitalerträgen; im Gegensatz dazu bezweckt die pauschale Steueranrechnung ausschliesslich die Vermeidung der Doppelbesteuerung (reine Anwendungsnorm zur Umsetzung des in den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen verankerten Doppelbesteuerungsverbots) und verfolgt damit nicht einen reinen Sicherungszweck wie dies bei der Verrechnungssteuer der Fall ist. Obwohl die Gesetzesbestimmung von Art. 23 VStG dazu führt, dass eine Verrechnungssteuer nicht mehr vergütet wird (wodurch im Grundsatz eine Ungleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigen im ordentlichen Verfahren und solchen in einem Nachsteuerverfahren resultiert; auf diesen Aspekt sowie die Rechtmässigkeit der von der ESTV strengen und im KS 40 festgehaltenen Praxis zur Verrechnungssteuer wird vorliegend nicht eingegangen), beruht diese Praxis zumindest auf einer klaren formell-rechtlichen Grundlage, welche eine Einschränkung von den allgemeinen Verfassungsgrundsätzen im Bereich des Abgaberechts ansatzweise zu rechtfertigen vermag. Eine solche Bestimmung bei der pauschalen Steueranrechnung fehlt jedoch gänzlich, weshalb zumindest fraglich ist, weshalb die Steuerbehörden die Verrechnungssteuerpraxis bei der pauschalen Steueranrechnung analog anwenden. 3.1 Vereinbarkeit der Praxis zur PStA mit dem Legalitätsprinzip 3.1.1 Inhalt des Legalitätsprinzips Die Verweigerung der pauschalen Steueranrechnung ist auch aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bedenklich. Im Verwaltungsrecht gilt generell der Grundsatz der Gesetzmässigkeit das sog. Legalitätsprinzip. Besondere Bedeutung kommt dem Legalitätsprinzip namentlich im Bereich des Abgaberechts zu. Die verfassungsmässigen Grundsätze der Besteuerung sehen vor, dass die Ausgestaltung einer Steuer, namentlich der Kreis der Steuerpflichtigen, der Gegenstand der Steuer und deren Bemessung in den Grundzügen vom formellen Gesetz zu regeln ist (Art. 127 Abs. 1 BV). Als solche Grundzüge gelten u. a. auch die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Anspruchs sowie die Ausschlussgründe hierzu. Im Bereich des Abgaberechts ist das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage ein selbstständiges verfassungsmässiges Recht, dessen Verletzung gestützt auf Art. 127 Abs. 1 BV geltend gemacht werden kann. Gemäss dem Bundesgericht besagt das Legalitätsprinzip «dass ein staatlicher Akt sich auf eine gesetzliche Grundlage stützen muss, die hinreichend bestimmt und vom staatsrechtlich hierfür zuständigen Organ erlassen worden ist. Es dient damit einerseits dem demokratischen Anliegen der Sicherung der staatsrechtlichen Zuständigkeitsordnung, anderseits dem rechtsstaatlichen Anliegen der Rechtsgleichheit. Das Legalitätsprinzip gilt für das ganze Verwaltungshandeln mit Einschluss der Leistungsverwaltung.» Zugleich bildet das Gesetz eine Schranke der Verwaltungstätigkeit. Verwaltungstätigkeiten, welche ohne genügende gesetzliche Grundlage erfolgen, sind unzulässig. 3.1.2 Anspruch auf pauschale Steueranrechnung Art 3 VO PStA hält im Zusammenhang mit der Anwendung der pauschalen Steueranrechnung Folgendes fest: 1. Die pauschale Steueranrechnung kann nur für Erträgnisse beansprucht werden, die den Einkommenssteuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden unterliegen. 2. Unterliegen Erträgnisse entweder nur der Einkommenssteuer des Bundes oder nur den Einkommenssteuern der Kantone und der Gemeinden, so kann die pauschale Steueranrechnung nur für einen Teil der in einem Vertragsstaat von diesen Erträgnis- Nr. 7-8/2015 Seite 573

3.1.3 Fazit Die Praxis der Steuerbehörden zur Verweigerung der pauschalen Steueranrechnung verletzt nach der hier vertretenen Rechtsauffassung damit das Legalitätsprinzip. Ein formell-abstrakter Rechtssatz muss insbesondere mit dem jeweils über - geordneten Recht vereinbar sein (materielle Rechtsmässigkeit). Ob dies vorliegend erfüllt ist, ist fraglich. Von einer Gesetzeslücke, welche von Verwaltungsbehörden oder Gerichten zu füllen ist, kann nicht die Rede sein, da die Praxis der Steuerbehörden dem Normzweck der pauschalen Steueranrechnung klar zuwiderläuft. Eine Auslegung von Normen zur Festlegung der anzuwendenden Praxis hat unter Berücksichtigung des Normzwecks und des übergeordneten Rechts zu erfolgen, d. h. namentlich unter Berücksichtigung des Legalitätsprinzips, aber auch der in Art. 127 BV verankerten Besteuerungsgrundsätze und dem Gleichbehandlungsgebot (vgl. nachstehend). Hinzu kommt, dass im Gegensatz zur Verrechnungssteuer es sich bei den Bestimmunsen erhobenen Steuer beansprucht werden. [...]. 3. Erträgnisse, für die die pauschale Steueranrechnung beansprucht wird, sind ohne Abzug der Steuer des Vertragsstaates zu deklarieren; gehören sie indessen zum Ertrag eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens, so sind die Nettoerträgnisse, der Betrag der vom Vertragsstaat gewährten Steuerrückerstattung und der Betrag der pauschalen Steuer - anrechnung als Ertrag zu verbuchen. Wird nun die pauschale Steueranrechnung im Rahmen einer Nachdeklaration geltend gemacht, sind die von der VO verlangten Voraussetzungen nach der hier vertretenen Auffassung erfüllt, da mit der formellen Nachdeklaration eine (nachträgliche) Besteuerung der Vermögenserträge in der Schweiz erfolgt. Die VO PStA enthält, anders als dies bei der Verrechnungssteuer der Fall ist, jedoch keinerlei Bestimmungen, wonach ein Anspruch infolge fehlender (ordentlicher) Deklaration verwirkt. Der Hinweis auf die Deklaration im Rückerstattungsantrag gemäss Art. 3 Abs. 3 VO PStA stellt selbst keine solche Norm dar, sondern bezieht sich lediglich auf die Art des Ausweises in den Rückerstattungsanträgen, äussert sich jedoch keineswegs zu einer Verwirkung. Eine Verwirkung wäre bei der pauschalen Steuer anrechnung zudem völlig zweckfremd. Dass ein Anspruch auf pauschale Steueranrechnung nicht verwirkt, ergibt sich bereits aus der Formulierung in Art. 13 f. VO PStA, wonach die pauschale Steueranrechnung nur auf Antrag und innerhalb von drei Jahren gewährt wird. Damit obliegt es jedem einzelnen Steuerpflichtigen selbst, frei darüber zu entscheiden, ob dieser die pauschale Steueranrechnung geltend machen will. Ob die Geltendmachung der Anrechnung schlussendlich mit einem formellen Antrag ausserhalb einer straflosen Selbstanzeige oder eben gerade im Rahmen einer sol- chen (ohne vorherige ordentliche Deklaration der entsprechenden Vermögenserträge in der Steuer erklärung) erfolgt, kann nicht massgebend sein. Die VO PStA hält abschliessend fest, in welchen Konstellationen eine pauschale Steueranrechnung nicht möglich ist (Verweis von Art. 3 VO PStA auf die Ausschlussgründe in Art. 4 bis 7 VO PStA). Aufgeführt sind die Aufwandsbesteuerung, die Behandlung von Beteiligungserträgen mit Ermässigungen, Missbrauchsfälle gemäss BRB 1962 und den internationalen DBA Missbrauchsbestimmungen sowie Bagatellfälle. Das Nichtdeklarieren von Vermögenserträgen in der Schweizer Steuererklärung, die einer ausländischen Steuer unterliegen, stellt keinen Ausschlussgrund noch einen Missbrauchstatbestand gemäss BRB 1962 i. V. m. den KS 1999/2010 bzw. den DBA Missbrauchsbestimmungen dar. Nr. 7-8/2015 Seite 574

gen zur pauschalen Steueranrechnung um reine Verordnungsbestimmungen handelt, welche nach der hier vertretenen Auffassung keine genügende Gesetzesgrundlage für einen derartigen Durchgriff in die Rechte der Steuerpflich - tigen darstellen. Die Anforderungen an die Normstufe und Normdichte dürfen insbesondere bei der Eingriffsverwaltung nicht zurückgenommen werden. 3.2 Vereinbarkeit der Praxis zur PStA mit Art. 8 BV 3.2.1 Inhalt des Schlechter - stellungsverbots Nach dem Grundsatz der Gleichmässigkeit der Besteuerung sind Personen, die sich in gleichen Verhältnissen befinden, in derselben Weise mit Steuern zu belasten und müssen wesentliche Ungleichheiten in den tatsächlichen Verhältnissen zu entsprechend unterschiedlichen Steuerbelastungen führen. Gemäss dem Bundesgericht ist «Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln». Schliesslich besagt das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV), dass die Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an den Steuerlasten beizutragen haben. Mit anderen Worten darf sich eine Besteuerung nicht konfiskatorisch auswirken. 3.2.2 Schlechterstellung im Nachsteuerverfahren Im Nachsteuerverfahren, welches auf eine gesetzeskonforme Besteuerung abzielt, wird eine nachträgliche Besteuerung der damaligen wirtschaftlichen Situation vorgenommen, wie wenn die Vermögenserträge in den jeweiligen Jahren ordentlich deklariert worden wären. Eine steuerpflichtige Person, welche ein derartiges Verfahren durchläuft, darf damit nicht schlechter gestellt werden als eine andere Person in der gleichen wirtschaftlichen Situation, welche die Deklaration ordentlich und jährlich vornimmt. Insofern sind zwei Steuerpflichtige zu vergleichen, welche sich wirtschaftlich in den gleichen Verhältnissen befinden und lediglich zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt besteuert werden. Eine Ungleichbehandlung erfolgt aber eben gerade dann, wenn die Steuerbehörden die pauschale Steueranrechnung gänzlich verweigern. Wird im Nachsteuerverfahren die pauschale Steueranrechnung aberkannt, führt dies zu einer steuerlichen Bestrafung der offenlegenden Person, welche sich mit der von der VO PStA gebotenen Möglichkeit der freien Wahl der Anrechnung selbst und des Anrechnungszeitpunktes (3-Jahresfrist) kaum vereinbaren lässt. Durch die Nichtgewährung der pauschalen Steuer anrechnung wird zudem (nachträglich) eine internationale Doppelbesteuerung herbeigeführt, welche gesamthaft zu einer steuerlichen Mehrbelastung führt, die über das ordentliche Mass hinausgeht. Der Steuerpflichtige muss in der Schweiz die im Ausland erzielten Einkünfte zusätzlich zur bereits erhobenen ausländischen Quellensteuer in vollem Umfang versteuern und kann gestützt auf die von den Steuerbehörden angewandte Praxis keine Entlastung im Sinne einer pauschalen Steueranrechnung geltend machen. Damit wird der Steuerpflichtige im Nachsteuerverfahren schlechter gestellt als derjenige Steuerpflichtige im ordentlichen Steuerverfahren, der die pauschale Steuer - anrechnung geltend machen kann. Mit der Verweigerung wird der Zweck der pauschalen Steueranrechnung vollumfänglich ausgehöhlt und damit auch der Sinn des Methodenartikels in den jeweiligen Staatsverträgen ausgehebelt. Schliesslich ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber mit der Selbstanzeige eben gerade eine «straflose» Nachdeklaration ermöglichen will, welche durch die von den Steuerbehörden angewandte Praxis jedoch ebenfalls ausgehebelt wird Nr. 7-8/2015 Seite 575

indem mit der Verweigerung der pauschalen Steueranrechnung eben gerade eine nicht gesetzeskonforme Bestrafung resultiert. 3.2.3 Fazit Die resultierende Ungleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigen im ordentlichen Verfahren und solchen im Nachsteuerverfahren erscheint mit Blick auf die verfassungsmässigen Grundprinzipien sowie unter Berücksichtigung der Bestimmungen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung heikel, da sich beide steuerpflichtigen Personen in der gleichen wirtschaftlichen Situation befinden. Eine Ungleichbehandlung liesse sich nur dann rechtfertigen, wenn sachliche Gründe hierfür vorlägen. Solche sind nach der hier vertretenen Auffassung jedoch nicht vorhanden, da abgesehen vom zeitlichen Faktor keine tatsächlichen Unterschiede bestehen. 4 Schlussfolgerung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass nach der hier vertretenen Auffassung die Praxis der Steuerbehörden sowohl gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aber auch gegen das Legalitätsprinzip verstösst. Wie der Name «straflose Selbstanzeige» bereits verrät, soll eine Nachdeklaration ja gerade eben straflos sein. Oder mit anderen Worten, der Steuerpflichtige soll so gestellt werden, wie wenn er die Angaben bereits anlässlich der ordentlichen Steuererklärung deklariert hätte. Eine «Nichtgewährung» der pauschalen Steueranrechnung jedoch bestraft genau diesen Steuerpflichtigen, indem die Erträge sowohl im Ausland aber auch in der Schweiz besteuert werden und dadurch eben seine Anzeige nicht straflos ist. Nr. 7-8/2015 Seite 576