Rechtliche Rahmenbedingungen zur Beantragung und Durchsetzung der mikroprozessorgesteuerten Kniegelenk-Prothesensysteme C-Leg und Genium



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Transkript:

GOßENS Rechtsanwälte Rechtliche Rahmenbedingungen zur Beantragung und Durchsetzung der mikroprozessorgesteuerten Kniegelenk-Prothesensysteme C-Leg und Genium

Sehr geehrte Interessentin, sehr geehrter Interessent, die Sozialgerichtsbarkeit hat mit mehreren Urteilen zum Thema C-Leg/Genium Ihr Recht auf eine dem Stand der Technik entsprechende, moderne prothetische Versorgung gestärkt. Danach hat jede(r) Versicherte mit einer Oberschenkelamputation, die/der die Gebrauchsvorteile des C-Leg/Genium nutzen kann, auch Anspruch auf Versorgung mit dem Prothesenkniegelenk. In der Genehmigungspraxis der Kostenträger (insb. Gesetzlichen Krankenversicherung und Berufsgenossenschaften) besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem rechtlichen Anspruch auf die Versicherungsleistung und dem tatsächlichen Bewilligungsverhalten. Für Sie bedeutet das, dass Sie Ihre rechtlichen Ansprüche gegenüber Ihrem Leistungsträger kennen müssen. Dabei ist die Hinzuziehung spezialisierten Rechts rates zu empfehlen. Diese Broschüre soll Ihnen einen Überblick über die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen geben und die Möglichkeiten aufzeigen, die Sie bei der Beantragung eines C-Leg und Genium, insb. gegenüber Ihrer Krankenversicherung, haben. Berlin im Mai 2015 Rechtsanwälte Goßens 3

4 Rechtsanwälte Goßens

Rechtliche Rahmenbedingungen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln 1. Gesetzliche Krankenversicherung Gesetzlich Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung. Dieser Anspruch umfasst auch die Versorgung mit Hilfsmitteln. Die Voraussetzungen für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind in 33 SGB V wie folgt geregelt: Versicherte haben Anspruch u. a. auf Versorgung mit Körperersatzstücken und orthopädischen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Das C-Leg sowie das Genium als Prothesen sind Hilfsmittel im Sinne dieser Regelung. Die Versorgung mit Prothesen nach einer Amputation ist notwendig, um eine bestehende Behinderung auszugleichen. Beinprothesen wie das C-Leg oder Genium stellen keine allgemeinen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens dar, weil sie für die speziellen Bedürfnisse des Patienten hergestellt und ausschließlich von diesem benutzt werden. 2. Private Krankenversicherung Ansprüche von privat Krankenversicherten auf Versorgung mit Hilfsmitteln ergeben sich aus dem individuell abgeschlossenen Versicherungsvertrag und den vereinbarten Versicherungstarifen und müssen zivilrechtlich durchgesetzt werden. Grundsätzlich ist auch hier die Versorgung mit einem C-Leg oder Genium in Abhängigkeit vom Vertragsinhalt möglich. Rechtsanwälte Goßens 5

Ablauf einer Versorgung mit einem orthopädischen Hilfsmittel (hier am Beispiel des Prothesensystems Genium) Rechtlicher Ablauf einer Versorgung in schematischer Darstellung Beantragung durch Versicherten: Arzt Rezept - mit ärztlicher Begründung - Hilfsmittel sind nicht budgetiert Sanitäts- bzw. Orthopädiehaus Erstellung eines Kostenvoranschlages - Erhebungsbogen - evtl. Probeversorgung beantragen - Begründung/orthopädietechnische Beurteilung Genehmigungsverfahren des Leistungsträgers: Beurteilung des Kostenvoranschlages Ggf. Probeversorgung und/oder Gutachten durch orthopädietechn. Sachverständigen, MDK Bewilligung des Kostenvoranschlages Positiver schriftlicher Bescheid => Genium Versorgung => Kostenübernahme durch Leistungsträger Ablehnung des Kostenvoranschlages/ Negative schriftliche Bescheidung des Antrags Achtung! Bescheid mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung: Frist zur Einlegung des Widerspruchs beträgt 1 Monat! Bescheid ohne oder mit unzureichender Rechtsbehelfsbelehrung: Frist zur Einlegung des Widerspruchs beträgt 1 Jahr! 6 Rechtsanwälte Goßens

Widerspruchsverfahren Widerspruch einlegen Widerspruch möglichst schriftlich sofort begründen. Bereits hierbei wird die Hinzuziehung eines spezialisierten Rechtsanwaltes angeraten. Bescheidung des Widerspruchs (schriftlich) durch Widerspruchsausschuss des Kostenträgers Ablehnender Bescheid der KV aufgehoben/ Abhilfebescheid => Genium Versorgung Ablehnender Bescheid des Leistungsträgers wird beibehalten => keine Genium Versorgung Achtung! Der Widerspruchsbescheid ist mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen: Die Frist zur Erhebung einer Klage beträgt 1 Monat ab Erhalt des Widerspruchsbescheides. Gerichtsverfahren Klage beim zuständigen Sozialgericht einreichen Klage möglichst sofort schriftlich begründen. Spätestens hier wird die Hinzuziehung eines spezialisierten Rechtsanwalts angeraten. Wegen der für Sie entstehenden Kosten für ein Widerspruchs- oder Klageverfahren wenden Sie sich direkt an Ihren Rechtsanwalt. Die Dauer eines Gerichtsverfahrens ist abhängig von der Auslastung des Gerichts und der Anzahl der Instanzen. Informieren Sie sich auch hierüber bei Ihrem Rechtsbeistand. Rechtsanwälte Goßens 7

Die wichtigsten Begründungen im Überblick: Das Bundessozialgericht (BSG) ist die höchste Sozialgerichtsinstanz in Deutschland. Das BSG hat inzwischen mehrere Entscheidungen zur Hilfsmittelversorgung mit einem C-Leg erlassen. In allen Fällen wurde der/dem Versicherten das C-Leg zugesprochen. Hinzu kommen eine Reihe von Entscheidungen der Sozialgerichte und Landessozialgerichte, die auch bereits Entscheidungen zum Genium erlassen haben. Da immer nur der jeweilige Einzelfall beurteilt wird, spielen zudem die jeweiligen gutachter lichen Äußerungen von medizinischen Sachverständigen eine maßgebliche Rolle. Eine Übersicht der relevanten Urteile und deren Aktenzeichen finden Sie im Anhang. Grundaussagen zu den Beurteilungskriterien: Abwehr von Gefahren (eigene Sturzgefahr sowie seltene andere Gefahrenlagen wie z. B. Gefahrenlagen im Straßenverkehr durch unachtsames oder rücksichtsloses Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer oder Gefahren der Wohnumgebung), Förderung der Selbstbestimmung des behinderten Menschen und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, Verbesserung des Laufbildes. Verringerte Belastung und Fehlbelastung anderer Gelenke und Muskeln des Körpers, Folgeschäden des Bewegungsapparates werden somit verringert. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt im Bereich der Prothetik. Der Einsatz der Beine zum Gehen, Laufen und Stehen ist jederzeit und überall erforderlich und damit ohne weiteres ein Grundbedürfnis. Der Gebrauchsvorteil hängt maßgebend von den körperlichen und geistigen Voraussetzungen des Prothesenträgers und seiner persönlichen Lebensgestaltung ab. Die Erheblichkeitsschwelle bzgl. des Gebrauchsvorteils darf nicht zu hoch angesetzt werden und kann sich auch in einer subjektiven Einschätzung des Prothesenträgers äußern ( positive Erfahrungen hierzu LSG Berlin- Brandenburg, LSG Niedersachsen-Bremen, s.u.). Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist. 8 Rechtsanwälte Goßens

Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen Zwar ist das C-Leg/Genium nicht im Hilfsmittelverzeichnis ( 139 SGB V) aufgeführt; das Hilfsmittelverzeichnis ist aber nicht abschließend, insb. keine Positivliste. und zum notwendigen Ermittlungsaufwand der Kostenträger im Einzelfall: Bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer prothetischen Versorgung bietet sich regelmäßig die Einholung des Gutachtens eines erfahrenen Orthopädietechnikers und/oder eines Facharztes für Orthopädie an. Dabei sollte auch geprüft werden, ob die beschriebenen Schwierigkeiten mit der vorhandenen Laufprothese möglicherweise (auch) darauf beruhen, dass diese nicht ordnungsgemäß angepasst worden ist. Bei der Begutachtung sollten auch praktische Versuche mit vorhandenen Modellen durchgeführt werden. Nur wenn dies nicht möglich oder zur sicheren Beantwortung der Beweisfrage nicht ausreichen sollte, für eine positive Antwort aber schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, kann der Kostenträger verpflichtet sein, auf eigene Kosten eine Prothese probeweise anfertigen und anpassen zu lassen, um die Eignung des Hilfsmittels prüfen zu können. Selbst wenn sich die zu Probezwecken eigens angefertigte Prothese letztlich als ungeeignet herausstellen sollte, hätte der Kostenträger die Kosten für das vergebens (zur Prüfung des Leistungsanspruches) hergestellte Hilfsmittel zu tragen, weil Kosten des Prüf- und Genehmigungsverfahrens bei der Hilfsmittelversorgung von den Kostenträgern zu übernehmen sind. Die o.g. Kriterien in der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Gesetzlichen Unfallversicherung als hauptsächlich in Frage kommenden Versorgungsbereichen sind weitestgehend identisch. Diese Rechtsprechung ist einzelfallbezogen und anhand der konkreten Gebrauchsvorteile auch auf andere Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich zu übertragen (Harmony, Genium, Myoelektrische Armprothetik, Aqualine). Sofern dies im Einzelfall gegeben ist, können zur Begründung des Anspruchs auf eine C-Leg/ Genium Versorgung auch weitere Beeinträchtigungen, Erschwernisse oder Krankheitsbilder hinzugezogen werden. Gründe können sein: Sehschwäche, eingeschränkte Gesamtkonstitution, Blutgerinnungsprobleme, Gleichgewichtsstörungen und erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, erhebliche Vorschädigung des übrigen Bewegungsapparates (kontralateralen Seite), Beeinträchtigungen der Hände oder/und Arme. Bei akutem Versorgungsbedarf kann es sogar angezeigt sein, zur Überbrückung der Verfahrensdauer eine Prothetik nach Maßgabe des Kostenträgers zu akzeptieren, ohne aber auf die Versorgung mit einem C-Leg/Genium zu verzichten bzw. eine Ablehnung gerichtlich prüfen zu lassen. Rechtsanwälte Goßens 9

Sie wollen Ihr C-Leg oder Genium besonders schnell bekommen: Genehmigungsfiktion, 13 Abs. 3a SGB V Die gesetzliche Krankenkasse (GKV) hat über einen Leistungsantrag innerhalb von drei Wochen und falls eine gutachtliche Stellungnahme vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen zu entscheiden. Hält die GKV eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich, muss sie die Stellungnahme unverzüglich einholen und den Versicherten unterrichten. Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Kann die Krankenkasse diese Frist nicht einhalten, teilt sie dem Leistungsberechtigten dies unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist das erforderliche Hilfsmittel selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der entstandenen Kosten verpflichtet. Rechtsschutz: Erfolgt keine Kostenerstattung, so kann der Versicherte vor dem Sozialgericht mit der Feststellungsklage oder der Erstattungsklage den Kostenersatz gerichtlich durchsetzen. Selbstbeschaffung Es besteht die Möglichkeit, sich bei Nicht-Handeln der Krankenkasse ein orthopädisches Hilfsmittel selbst zu beschaffen und die Kosten hierfür der Krankenkasse in Rechnung zu stellen bzw. sich von den hierfür entstehenden Kosten freistellen zu lassen ( 13 Abs. 3 SGB V). Hier sind in formaler Hinsicht einige Besonderheiten zu beachten, insb. der einzuhaltende Beschaffungsweg. Die Krankenkasse hat 3 Wochen Zeit den Antrag des Leistungserbringers zu bearbeiten. Ist zur Bescheidung ein Gutachter notwendig und beauftragt worden, verlängert sich der Zeitraum um 4 Wochen ( 14 SGB IX). Spätestens nach 7 Wochen muss Ihnen ein Bescheid Ihrer Krankenkasse vorliegen. Im Übrigen sollte grundsätzlich bereits eine Entscheidung des Kostenträgers vorliegen, bevor die Selbstbeschaffung in die Wege geleitet wird. Um Verfahrensfehler auszuschließen, ist es auch hier empfehlenswert, vorher einen Rechtsanwalt aufzusuchen. 10 Rechtsanwälte Goßens

Anhang Die Aktenzeichen der wichtigsten Gerichtsurteile im Überblick: Urteil vom BSG LSG SG C-Leg 06.06.2002 B 3 KR 68/01 R 25.02.2004 LSG BRB L 4 KR 39/01 16.09.2004 B 3 KR 1/04 R 16.09.2004 B 3 KR 2/04 R 16.09.2004 B 3 KR 6/04 R 16.09.2004 B 3 KR 20/04 R 24.11.2009 LSG Nds.-Bremen L 4 KR 47/08 09.03.2011 LSG BRB L 9 KR 152/09 Genium 15.08.2013 Gerichtsbescheid des SG Trier, Az. S 5 KR 70/13 30.08.2013 Beschluss des SG Halle, Az. S 16 KR 231/13 ER (einstweiliger Rechtsschutz) 18.12.2013 Urteil des SG Desssau-Roßlau, Az. S21 KR 282/13 10.04.2014 Urteil des SG Hannover, Az. S 2 KR 525/13 21.05.2014 Urteil des SG München, Az. S 29 KR 610/13 03.06.2014 Urteil des SG Augsburg, Az. S 6 KR 339/13 Harmony 28.05.2009 SG Stuttgart S 16 KR 7956/07 Myoelektr. Prothese 14.12.2009 SG Frankfurt S 25 KR 479/08 Aqualine 25.06.2009 B 3 KR 19/08 R 25.06.2009 B 3 KR 2/08 R LSG NRW L 16 KR 618/11 28.11.2012 SG München S 3 KR 991/11 Die vollständigen Urteilstexte finden Sie unter www.bundessozialgericht.de oder www.sozialgerichtsbarkeit.de Rechtsanwälte Goßens 11

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