Der juristische Gaspreis Bernd Ruschinzik Verbraucherzentrale Berlin e. V.
Grundsatz Vertragsfreiheit! Angebot und Nachfrage bestimmt den Preis! Problem: Monopolsituation bei Gütern und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, insbesondere Strom, Gas, Wasser, Müllentsorgung Energieversorger bestimmt einseitig den Preis!
315 BGB Bestimmung der Leistung durch eine Partei (1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist. (2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. (3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
315 BGB als Schranke gegen den Missbrauch privatautonomer Gestaltungsmacht Die Preisbestimmung ist nach billigem Ermessen zu treffen. Voraussetzungen: Vorliegen eines mind. faktischen Bestimmungsrechts Fehlen objektiver Beurteilungsmaßstäbe Produkt der Daseinsvorsorge Monopolsituation
315 BGB als Schranke gegen den Missbrauch privatautonomer Gestaltungsmacht Die Preisbestimmung ist nach billigem Ermessen zu treffen. Voraussetzungen: Vorliegen eines mind. faktischen Bestimmungsrechts Fehlen objektiver Beurteilungsmaßstäbe Produkt der Daseinsvorsorge Monopolsituation
Was ist billiges Ermessen? Billiges Ermessen ist gesetzlich nicht näher definiert. Als unbestimmter Rechtsbergriff räumt er dem Berechtigten einen weiten Handlungsspielraum ein, jedoch unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien unter Berücksichtigung des vergleichbaren Üblichen Dies setzt aber einen funktionierenden Wettbewerb voraus, an dem es hier fehlt. Die behauptete Marktüblichkeit der Preise ist jedenfalls kein erhebliches Kriterium, so das LG Hamburg.
Rechtsfolge des 315 BGB Die Preisbestimmung muss der Billigkeit entsprechen Die Beweislast für die Billigkeit der getroffenen Preisbestimmung trägt der Gasversorger. Der Gasversorger ist zur Offenlegung seiner gesamten Kalkulation verpflichtet.
1 Energiewirtschaftsgesetz vom 13.7.2005 Zweck des Gesetzes (1) Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas.
Zwischenergebnis: Der juristische Gaspreis ist also preisgünstig verbraucherfreundlich und entspricht billigem Ermessen
Die Ölpreisbindung ist überholt Die Universalbegründung der Gasversorger Ölpreisbindung existiert weder in den Gesetzen noch in den Verträgen. Die Ölpreisbindung ist allenfalls eine brancheninterne Vereinbarung in den Lieferverträgen zwischen Produzenten und Importeuren. Bundeskartellamt: Lieferverträge mit einer Laufzeit von mehr als zwei (bzw. vier) Jahren und einer Bedarfsdeckung von 80 (bzw. 50) % sind unzulässig Tatsache ist: Steigt der Ölpreis, steigt auch der Gaspreis, sinkt der Ölpreis, sinkt der Gaspreis nicht unbedingt.
Das Zuständigkeiten des Bundeskartellamts Zuständig für ca. 40 der rund 700 Gasversorger Schutz des Wettbewerbs Verhinderung von Absprachen Fusionskontrolle Missbrauchsverfahren wegen überhöhter Preise Nicht zuständig für die Gewährleistung günstiger Preise Nicht zuständig für die Prüfung der Angemessenheit einer Preiserhöhung. Nicht zuständig für die Genehmigung der Preiserhöhung
Aktion Stopp den Gaspreis Die Verbraucherzentrale Berlin initiierte und koordiniert die Aktion Stopp den Gaspreis mit dem Ziel einer Sammelklage. Tausende von Verbrauchern informierten sich bei der VZ über ihre Möglichkeiten, gegen die Gaspreiserhöhung vorzugehen. Empfehlungen der Verbraucherzentrale Berlin: Preiserhöhung widersprechen, Zahlung nur unter Vorbehalt Preiserhöhung widersprechen, nicht zahlen + 2 % Preiserhöhung widersprechen, nicht zahlen Informationspaket, Musterbriefe und FAQ unter: www.verbraucherzentrale-berlin.de
Die Sammelklage der Verbraucherzentrale Berlin 42 Kläger haben - anwaltlich vertreten - die Klage am 25.11.2005 beim Landgericht Berlin eingereicht Termin für die erste mündliche Verhandlung wurde für den 19.06.2006 angesetzt. Termin einer Entscheidung ist noch nicht absehbar. Werden Rechtsmittel eingelegt, kann sich das Verfahren über Jahre hinziehen.
Die Position der Verbraucherzentrale Berlin Feststellungsklage: Die Preiserhöhung vom 1.10.2005 ist unwirksam Bereits 1.12.2004 Erhöhung um bis zu 9,1% Erhöhung 1.10.2005 um bis zu 25,71% GASAG-Preise liegen im oberen Drittel von 632 Gasversorgern Leitungskosten in Ballungsgebieten deutlich geringer als außerhalb Seit 1996 Gaspreise deutlich höher als Ölpreise Einfuhrpreise lagen 2004 deutlich geringer als 2003 Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit trägt die GASAG Offenlegung der Preiskalkulation, ggf. 173 GVG Jahresüberschuss von ca. 50 Mio.
Die Position der GASAG Fehlende Zulässigkeit der Klage Keine Anwendbarkeit von 315 BGB, da Kunde unter mehreren Preismodellen wählen kann, daher kein Preisdiktat Anstieg des Ölpreises, der an den Gaspreis gekoppelt sei Bezugskosten seien deutlich gestiegen
Anteilseigner der GASAG Gaz de France Berliner Investissements SAS: 31,575 % Vattenfall Europe AG: 31,575 % Thüga Aktiengesellschaft: 36,85 % Gaz de France soll einer der Gaslieferanten der GASAG sein. Die GASAG beliefert sich also selbst zu 31,575 %
Fakten: Zitat aus dem Geschäftsbericht der GASAG 2004: "Denn die Kalkulationen der Geschäftskunden sind noch weit differenzierter als im Privatkundenvertrieb. Die GASAG behauptet dazu: Erdgas zur Strom- und Fernwärmeerzeugung unterliege anderen Preisbedingungen als Erdgas für die privaten Haushalte. Es drängt sich hier der Verdacht auf, dass die Privatkunden mit ihren Privattarifen möglicherweise die Großkundentarife subventionieren. Es sind daher auch diese Preiskalkulationen in einem Prozess offen zu legen.
Resümee Eine gefestigte Rechtsprechung ist noch nicht in Sicht Urteile wirken immer nur unmittelbar zwischen den Beteiligten Die 632 Gasversorger werden kaum Urteile, die sie nicht direkt gegen sich gelten lassen Wer unter Vorbehalt gezahlt hat, wird daher nur durch einen eigenen Prozess den Differenzbetrag zurückerhalten. Verbraucherzentrale Berlin berät über die Protestmöglichkeiten. Jeder Haushalt muss aber selbst entscheiden, welche Protestart für ihn die richtige ist.