THÜRINGER VERFASSUNGSGERICHTSHOF
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- Hilke Bauer
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1 THÜRINGER VERFASSUNGSGERICHTSHOF VerfGH 10/03 Beschluß In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn E S, B, B - Beschwerdeführer - Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Wowra, Konstanzer Str. 55, Berlin gegen: a) den Beschluß des Thüringer Oberlandesgerichts vom 24. Februar 2003 (1 Ss 29/03) b) das Urteil des Amtsgerichts Lobenstein vom 16. Oktober 2003 (690 Js 8686/02 Owi)
2 2 hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof durch den gemäß 34 des Gesetzes über den Thüringer Verfassungsgerichtshof (ThürVerfGHG) gebildeten, geschäftsplanmäßig mit dem Präsidenten des Thüringer Verfassungsgerichtshofs Dr. Bauer und den Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs Ebeling und Graef besetzten Ausschuß am 15. Juli 2004 einstimmig b e s c h l o s s e n : 1. Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. 2. Gegen den Beschwerdeführer wird gemäß 28 Abs. 1 Satz 1 ThürVerfGHG eine Gebühr von 150,00 (in Worten: einhundertfünfzig) Euro festgesetzt. Gründe I. Der Beschwerdeführer war Adressat eines Bußgeldbescheides. Ihm wurde vorgeworfen, am 10. November 2001 mit seinem Pkw um 9.38 Uhr auf der BAB 9 im Bereich des Kilometers 237,9 statt der erlaubten 100 km pro Stunde mit 127,9 km pro Stunde gefahren zu sein. Gegen den Bußgeldbescheid hat der Beschwerdeführer Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht Lobenstein hat hierauf Hauptverhandlungstermin auf den 17. April 2002 bestimmt. Zu diesem Termin waren der Beschwerdeführer und ein Vertreter seines Verteidigers erschienen. Der Beschwerdeführer hatte zur Frage, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung ihm als Fahrer zuzurechnen sei, keine Angaben gemacht. Er hatte die Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung gerügt. Das Gericht hat ihm die Bedenken gegen den Erfolg seiner Verteidigung auseinandergesetzt. Er wollte sich wegen einer Einspruchsrücknahme mit seinem Verteidiger besprechen. Im Hinblick auf die gegen die Geschwindigkeitsmessung erhobenen Einwände des Beschwerdeführers ist in dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 17. April 2002 vermerkt: Der Gutachter kann frei gewählt werden. Im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer eröffnete
3 3 Möglichkeit, sich im Anschluß an die Hauptverhandlung zu unterrichten und außerhalb der Hauptverhandlung eine Erklärung abzugeben, hat das Amtsgericht Lobenstein die Hauptverhandlung am 17. April 2002 vertagt. Nachdem der Beschwerdeführer seinen Einspruch nicht zurückgenommen hatte, hat das Amtsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Korrektheit der Geschwindigkeitsmessung angeordnet. Die Gutachtenserstellung hat das Amtsgericht dem Thüringer Landesamt für Eich- und Meßwesen übertragen, obwohl der Beschwerdeführer durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 10. Mai 2002 den Sachverständigen Dipl.-Krim. U D, B, als Sachverständigen für kriminalistische und kriminaltechnische Untersuchungen benannt hatte. Das Amtsgericht Lobenstein hat erneut am 7. und 16. Oktober 2002 über den Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bußgeldbescheid zur Hauptsache verhandelt. Das Gutachten des Thüringer Landesamts für Eich- und Meßwesen ist von einem seiner Mitarbeiter vorgetragen und erläutert worden. In der Beweisaufnahme hatte das Amtsgericht auch die Vernehmung des nach 245 StPO vom Beschwerdeführer präsent gestellten Sachverständigen D beschlossen und durchgeführt. In seinem Urteil vom 16. Oktober 2002 hat das Amtsgericht Lobenstein sodann auf Grund eines Vergleichs mit dem bei seinen Akten befindlichen Lichtbild festgestellt, daß der Beschwerdeführer den fotografierten Pkw zur Tatzeit gefahren hat. Zur Überzeugung des Amtsgerichts stand auch fest, daß der Beschwerdeführer dabei die zugelassene Höchstgeschwindigkeit überschritten hat. Dabei hat das Amtsgericht sich eingehend mit den gegen die Geschwindigkeitsmessung durch den Beschwerdeführer erhobenen Einwänden auseinandergesetzt. Zur Feststellung der am Tatort zugelassenen Höchstgeschwindigkeit hat das Amtsgericht Lobenstein sich auf das Zeugnis eines Polizeibeamten gestützt, obwohl der Beschwerdeführer einen Beweisermittlungsantrag auf Auswertung des zur Tatzeit gültigen Streckenbeschilderungsplans gestellt hatte. Seine Feststellungen hat das Amtsgericht im einzelnen begründet. Besonderes Gewicht hat es dabei auf die Identitätsfeststellung sowie auf die Korrektheit der Geschwindigkeitsmessung gelegt. Nicht erläutert hat das Amtsgericht, warum es anstelle des vom Beschwerdeführer
4 4 benannten Sachverständigen D ein Gutachten des Thüringer Landesamts für Eich- und Meßwesen eingeholt hat. Das Urteil befaßt sich jedoch mit der Frage, warum ein Zweitgutachten nicht erforderlich gewesen sei. Im Ergebnis seiner tatsächlichen Feststellungen hat das Amtsgericht Lobenstein den Beschwerdeführer dem Bußgeldkatalog entsprechend zur Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von 50,00 Euro verurteilt. Der Beschwerdeführer hat gegen das Urteil beim Thüringer Oberlandesgericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Er hat diesen Antrag auf im einzelnen ausgeführte Verletzungen formellen und sachlichen Rechts gestützt. Nach Ansicht des Beschwerdeführers beruht das amtsgerichtliche Urteil auch auf einer Verletzung seines - des Beschwerdeführers - Anspruchs auf rechtliches Gehör; es sei außerdem unvereinbar mit den Grundsätzen eines fairen gerichtlichen Verfahrens. Das Amtsgericht Lobenstein habe dem Beschwerdeführer zugesichert, das Gutachten eines vom ihm, dem Beschwerdeführer, bestimmten Sachverständigen zu verwerten. Dieser Absprache habe das Amtsgericht sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen entzogen und so eine Überraschungsentscheidung herbeigeführt. Im Gutachten des Thüringer Landesamtes für Eich- und Meßwesen seien Fragen nicht gestellt worden, auf die der Sachverständige D eingegangen wäre. Indem das Amtsgericht Lobenstein sich nicht zur Beauftragung eines anderen als mit dem Beschwerdeführer vereinbarten Sachverständigen geäußert habe, sei der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt. Auch das Thüringer Oberlandesgericht habe sich nicht damit auseinander gesetzt, daß dem Beschwerdeführer die Gründe für die Einholung eines Amtsgutachtens unbekannt geblieben seien. Wegen des durch 80 Abs. 2 Nr. 1 Ordnungswidrigkeitsgesetz (OWiG) bei Geldbußen bis zu 50,00 Euro beschränkten Rechtsschutzes sei der Bußgeldsenat gehalten gewesen, die Gehörsrüge mit all ihren Aspekten umfassend zu prüfen. Der Senat sei dem nicht nachgekommen, so daß auch seine Entscheidung in gleicher Weise wie das Urteil des Amtsgerichts auf verfassungsrechtlichen Mängeln beruhe.
5 5 II. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen verletzen weder Art. 88 Abs. 1 Thüringer Verfassung (ThürVerf), noch sind sie in Widerspruch zu dem in Art. 42, 44 ThürVerf verankerten Rechtsstaatsprinzip ergangen, aus dem heraus sich auch für den Geltungsbereich der Thüringer Verfassung das Gebot der Gewährleistung eines fairen Verfahrens und das Verbot von Überraschungsentscheidungen ergeben. Da beide verfassungsrechtliche Gewährleistungen in der Thüringer Landesverfassung in gleicher Weise gelten wie im Grundgesetz, kann der Thüringer Verfassungsgerichtshof die angefochtenen Entscheidungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen, obwohl die Entscheidungen Bundesrecht zur Anwendung bringen und in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind (vgl. BVerfGE. 96, 345 [363]). 1. Ersichtlich haben sowohl das Amtsgericht Lobenstein als auch der Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts das Verteidigungsvorbringen bzw. die im Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde enthaltenen Rügen des Beschwerdeführers vollständig zur Kenntnis genommen und auch in den jeweiligen Entscheidungen umfassend verwertet. Das Amtsgericht hat sich mit sämtlichen, für die Aufrechterhaltung des Bußgeldbescheides maßgeblichen Umständen eingehend auseinander gesetzt. Hierzu gehört nicht die Frage der Sachverständigenauswahl. Daß das Thüringer Amt für Eich- und Meßwesen bzw. der von ihm benannte Mitarbeiter generell nicht geeignet gewesen wären, sich sachverständig zur Korrektheit der hier fraglichen Geschwindigkeitsmessung zu äußern, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Es geht ihm nur darum, daß anstelle des Amtsgutachters ein Privatgutachten der Entscheidung zugrunde gelegt wird. Hierauf hat er indessen auch dann keinen Anspruch, wenn der ins Hauptverhandlungsprotokoll vom 17. April 2002 aufgenommene Vermerk, der Sachverständige könne frei gewählt werden, inhaltlich über den Hinweis auf die Möglichkeit der Vorlage eines Privatgutachtens und des Einbringens darauf gestützter Beweisanträge hinausginge. Es ist Sache des Gerichts, die im Einzelfall geeigneten Sachverständigen zu bestellen. Da der Beschwerdeführer erkennbar die in seinem Fall zum Einsatz gebrachten Meßgeräte einer prinzipiellen Kritik unterzogen hatte, in der ihn der Sachverständige D bestärken sollte, lag es
6 6 nahe, die Begutachtung einer von Amts wegen neutralen Stelle anzuvertrauen. Im übrigen hat ausweislich des Urteilssachverhalts das Amtsgericht Lobenstein auch den Sachverständigen D gehört. Daß nur dieser Sachverständige zu Wort kommen sollte, läßt sich dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 17. April 2002 nicht entnehmen. 2. Überraschen konnte das Urteil des Amtsgerichts Lobenstein den Beschwerdeführer schon deswegen nicht, weil ihm bekannt war, daß das Amtsgericht zumindest auch auf der Grundlage eines Gutachtens des Eichamts entscheiden werde. Der Beschwerdeführer hat insoweit abwehrende Schritte unternommen. Daß er damit das Amtsgericht Lobenstein nicht hat überzeugen können, ist mit dem Rechtsstaatsprinzip keinesfalls unvereinbar. 3. Die Verfassungsbeschwerde stellt sich als Mißbrauch der durch Art. 80 Abs. 1 Nr. 1 ThürVerf, 11 Nr. 1 ThürVerfGHG eröffneten Rechtsschutzmöglichkeit dar. Die verfassungsrechtlichen Rügen verdienen angesichts der vom Amtsgericht Lobenstein unternommenen und in dem angefochtenen Urteil eingehend dargestellten Sachverhaltsaufklärung das Prädikat offenkundig haltlos. Spätestens aus dem Beschluß des Thüringer Oberlandesgerichts vom 24. Februar 2003 hätte der Beschwerdeführer erkennen können, daß es weder rechtsstaatswidrig noch willkürlich ist, zu seinen Lasten für die Tatzeit eine Überschreitung der am Tatort zugelassenen Höchstgeschwindigkeit festzustellen und diese Ordnungswidrigkeit nach Maßgabe des Bußgeldkatalogs zu ahnden. Gemäß 28 Abs. 1 Satz 1 ThürVerfGHG wird, was in der Kompetenz des gemäß 34 ThürVerfGHG berufenen Ausschusses liegt (vgl. ThürVerfGH, Beschluß vom 15. Juli 2004, VerfGH 21/03, Umdrs. 5), gegen den Beschwerdeführer eine Gebühr von 150,00 Euro als dreifacher Betrag des gegen ihn verhängten Bußgeldes als angemessene Reaktion auf die mißbräuchliche Anrufung des Verfassungsgerichtshofs festgesetzt.
7 7 Angesichts des Ergebnisses der Verfassungsbeschwerde ist für eine Kostenerstattungsanordnung kein Raum. Dr. Bauer Ebeling Graef
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