Du machst das nur, um mich zu ärgern über Altern, Pflege und Gewalt Aktuelle Entwicklungen in Deutschland und in Baden-Württemberg
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- Volker Müller
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1 Du machst das nur, um mich zu ärgern über Altern, Pflege und Gewalt Aktuelle Entwicklungen in Deutschland und in Baden-Württemberg Vortrag auf der Veranstaltung Fünf Jahre Krisentelefon im Landkreis Böblingen e.v. 7. Juli 2011 Prof. Dr. Dieter Kulke Hochschule Würzburg-Schweinfurt Folie 1
2 Themen 1. Alterung der Gesellschaft 2. Pflegebedürftigkeit und ihre Entwicklung 3. Gewalt in der häuslichen Pflege 4. Fazit Folie 2
3 Alterung der Gesellschaft Demographischer Wandel: starke Zunahme der Altersbevölkerung; Ursachen: Fruchtbarkeit unter Bestandserhaltungsniveau 1,41 Kinder pro Frau LK BB(B-W: 1,37, D: 1,34) weniger Haushalte mit Kindern konstante Zunahme der Lebenserwartung Rückgang der Säuglingssterblichkeit fernere Lebenserwartung jährige Frauen: 13 Jahre 75jährige Männer: 11 Jahre Folie 3
4 Alterung der Gesellschaft unser Bundespräsident, evtl. beim Schreiben von Glückwunschkarten Folie 4
5 Alterung der Gesellschaft Einige Folgen 1. Finanzielle Belastung der Gesellschaft nimmt zu 2. Altersarmut nimmt zu aber auch Positives: 1. Produktivität der Wirtschaft steigt 2. Zusammenleben der Generationen: Vier- Generationen-Haushalte werden möglich 3. Gesundheitszustand wird immer besser Folie 5
6 Bsp.: Zusammenleben der Generationen 1996, 2002 und 2008 Folie 6
7 Bsp.: Anzahl berichteter Erkrankungen 1996, 2002 und 2008 Folie 7
8 Alterung der Gesellschaft Folie 8
9 Pflegebedürftigkeit und ihre Entwicklung 1. Zahl der Pflegebedürftigen nimmt zu Pflegerisiko steigt mit dem Alter aber: nur ein Sechstel der gewonnen Jahre in Pflege Folie 9
10 Pflegebedürftigkeit und ihre 2. Demenz wird Thema Entwicklung Kommunikation, Verständnis wird schwieriger 3. Veränderung im Pflegeort Häusliche Pflege wird relativ rückläufig werden, stationäre an Bedeutung gewinnen Folie 10
11 _01.asp Pflegebedürftige in Baden-Württemberg am Folie 11
12 Hochrechnung für 2031 mit dem Verhältnis zu 2009 wie für Baden- Württemberg nach Statistisches Landesamt: Presseheft 2/2010, S. 2; abzgl. einer Steigerung von 2007 auf 2009 und im Landkreis Böblingen 1999, 2007, 2009 und 2030 (Hochrechnung) Pflegegeld ambulante Pflege stationäre Pflege Folie 12
13 Landkreis Böblingen 2030 Rückgang der Bevölkerung von (2010) auf (2030) 60- b.u. 85-Jährige: > Jährige u.ä.: > Altenquotient von 31 auf 47, d.h. 2030: auf 1 Person 65+ kommen 2 Personen Jahre Zunahme bis 2031 der zu Hause lebenden Pflegebedürftigen um mind Quelle: diverse Veröffentlichungen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg; eigene Berechnungen Folie 13
14 Gewalt - Begriffe Margret Dieck: individuelle Gewalt als personale Dimension, Formen: Vernachlässigung (neglect): passive und aktive Misshandlung (abuse): körperliche und psychische, finanzielle Ausbeutung und Einschränkung des freien Willens Johan Galtung: strukturelle Gewalt jedes Handeln, das potentiell realisierbare grundlegende menschliche Bedürfnisse durch personelle, strukturelle oder kulturelle Determinanten beeinträchtigt, einschränkt oder deren Befriedigung verhindert Folie 14
15 Formen von Gewalt I körperliche Medikamentenmissbrauch Demütigung psychische Vorenthalten Unangemessene oder unnötige Anwendung Beeinträchtigung Übersehen von medizinischen Bedürfnissen Mangelhafte Hygiene Fehl-/Mangelernährung Störung der Ruhe Tätlicher Angriff Äußere Verletzungen Innere Verletzungen Vergewaltigung Selbstmord / Totschlag nach Johnson 1991, Hirsch 2000 Beschämung Beschuldigung Bloßstellung Ablehnung Quälen Beleidigungen Einschüchterung Furchtauslösung Aufregen Manipulation Informationen zurückhalten oder verfälschen Reizentzug Einmischen in Entscheidungen Folie 15
16 Formen von Gewalt II Isolation soziale rechtliche Materieller Missbrauch Erzwungener Rückzug Freiwilliger Rückzug Unangemessene/ungeeignete Beaufsichtigung Rollenkonfusion Konkurrenz Überlastung Umkehrung Auflösung Lebensraum Desorganisierter Haushalt Mangel an Privatsphäre Unangemessene Umgebung Aufgabe des gewohnten Umfeldes nach Johnson 1991, Hirsch 2000 Misswirtschaft bei Eigentumsfragen Misswirtschaft bei Verträgen Zugang zu Eigentum / zu Verträgen sperren Diebstahl Stehlen von Eigentum oder von Verträgen Erpressen von Eigentum oder von Verträgen Missbrauch von Gesetzen Leugnung von Verträgen Unfreiwillige Unterwerfung Unnötige rechtliche Betreuung Missbrauch von professioneller Autorität Folie 16
17 Triade der Gewalt nach Galtung nach Galtung 1993; Hirsch 2001; Quelle: Folie 17
18 Häufigkeit von Gewalt 1. kriminelle Handlung im öffentlichen Raum: 7,5 % der Über-60- Jährigen Opfer 2. im häuslichen Bereich: 6,6 % der über 60-Jährigen in in gerontopsychiatrischen Abteilungen: 25 % in 24 Std. mind. eine bewegungseinschränkende Maßnahme 4. in offenen Stationen: bei 51% der Bewohner Freiheitseinschränkungen in 48 Std. 5. ambulante Pflegedienste: in 12 Monaten 39,7% mit Gewalterfahrung v.a. verbal/psy. Misshandlung, pfleger./psychosoziale Vernachlässigung, kaum schwere Misshandlung 67,5 % erlebten verbale, körperliche und sexuelle Übergriffe durch Pflegebedürftige vgl. hierzu und zum Folgenden: Hirsch 2004, Gewalt gegen alte Menschen aktuelle Traumatisierungen, in Psychotherapie im Alter; Görgen und Nägele 1999, Präventions- und Interventionskonzepte: Zur Problematik der Gewalt gegen ältere Menschen im persönlichen Nahraum. In Hirsch und Kranz-Hoff (Hrsg.): Prävention von Gewalt gegen alte Menschen: Im häuslichen Bereich und in Einrichtungen, Bonn Folie 18
19 Erklärungsansätze von Gewalt I 1. Pflegestress, -belastung: Stress -> Frustration -> Gewalt Erschöpfung, soziale Isolation, psychische Belastung, oft doppelte Belastung durch Kindererziehung unzureichendes pfleg. Wissen 2. Täterpersönlichkeit: oftmals gestörte Personen finanzielle Abhängigkeit Suchtmittelmissbrauch Strategien der der Problembewältigung Aggressivität (->Gewalt) und Flucht (-> Vernachlässigung) Folie 19
20 Erklärungsansätze von Gewalt II 3. Transgenerationale Gewalt, Gewaltzyklus: Fortführung eines gewalttätigen Kommunikationsstils Rache für frühere Misshandlungen in der Generationenumkehr 4. Gewalt gegen Frauen männliche Gewalt auch im Alter auch sexuelle Gewalt Folie 20
21 Risikofaktoren I 1. auf Seiten des Opfers sehr hohes Alter, körperliche Behinderung, Aggressivität des zu pflegenden, frühere Misshandlungen der pflegenden durch die zu pflegende Person u.v.m. 2. auf Seiten des Gewaltausübenden Alkoholmissbrauch, Depression, Lebenskrisen, lange Pflegedauer, u.a. Folie 21
22 Risikofaktoren II 3. im sozialen Umfeld wechselseitige Abhängigkeitsbeziehungen, Familienkonflikte, soziale Isolation, schlechte Wohnverhältnisse 4. in der Gesellschaft sozialstrukturelle Benachteiligung alter Menschen, negative Einstellung gegenüber alten Menschen (ageism) Folie 22
23 Assessment von Gewalt nach Hirsch (2001) Folie 23
24 Prävention von Gewalt I bei Pflegestress 1. beim alten Menschen selbst Förderung von Gesundheit und Selbstständigkeit, medizinische Diagnostik technische Ausstattung der Wohnung Hauswirtschaftshilfen Lernen der Rolle als pflegebedürftige Person bei hohem Pflegebedarf: stationäre Pflege! 2. bei den Pflegepersonen Verteilung auf mehrere Pflegepersonen Selbsthilfegruppen, Gesprächskreise Pflegekurse ganz wichtig: Verzicht auf Pflege! Folie 24
25 Prävention von Gewalt II 3. bei der Pflegebeziehung Entlastung der Pflegebeziehung (ambulante Dienste, Kurzzeitpflege, Tagespflege) ehrenamtliche Helfer bessere Kooperation Arzt/Sozialstation/Familie Schaffung von Kontaktmöglichkeiten, z.b. Besuchsdienste Folie 25
26 Prävention von Gewalt III bei schwieriger Täterpersönlichkeit auch: finanzielle Motive, Abhängigkeiten Beratung und Therapie, z.b. Suchtberatung bei weiteren Problemlagen: Aufgabe der Pflege bei transgenerationaler Gewalt Bearbeiten der Familiendynamik bei Gewalt gegen Frauen gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen politische Öffentlichkeitsarbeit Folie 26
27 Dienste und Angebote 1. seit Ende der 80er Jahre Entstehen verschiedener Angebote, Bonn Helfen statt Mißhandeln, Prof. Dr. Hirsch; Hannover u.a. 2. Krisentelefon im Landkreis Böblingen seit 2006 auf den ersten Blick geringe Fallzahlen die sind aber üblich - zum Glück! dahinter steht oft großes Leid sehr verdienstvolles Angebot bürgerschaftlichen Engagements Folie 27
28 Fazit 1. Demographischer Wandel führt zu steigendem Bedarf an Pflege begleitenden Angeboten und ressourcenärmeren Lebenslagen 2. Lernen aus dem Umgang mit anderen Formen der Gewalt (v.a. gegen Kinder, gegen Frauen); Landratsamt Böblingen mit großer Kompetenz 3. Aufgaben für das Krisentelefon, v.a.: Anamnese, Beratung, Vermittlung Vernetzung Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit evtl. Bachelorarbeit 4. Vision einer gewaltfreieren Gesellschaft Folie 28
29 Ende Herzlichen Glückwunsch an das Krisentelefon und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Folie 29
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