Predigt am , im Gottesdienst mit Musik aus dem Requiem von Gabriel Fauré
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- Marielies Gerber
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1 Predigt am , im Gottesdienst mit Musik aus dem Requiem von Gabriel Fauré Zittern befällt mich und Angst, denn die Rechenschaft naht und der drohende Zorn. O jener Tag, Tag des Zorns, des Unheils, des Elends, o Tag, so groß und so bitter, da Du kommst, die Welt durch Feuer zu richten. Das haben wir gerade gehört, liebe Gemeinde, und das beschreibt ziemlich gut, was Menschen seit dem frühen Mittelalter über Jahrhunderte von Gott nach ihrem Tod erwartet haben, Gericht und Strafe für ihre Sünden und Feuer über die sündige Welt. Dem Neuen Testament, Jesus und Paulus, ist diese Vorstellung fremd. Wir haben es gerade gehört, für Paulus ist die Erwartung, dass das Sterbliche verschlungen wird vom Leben. Es lässt sich nicht genau eingrenzen, wann das mittelalterliche Denken überwunden wurde. Zu Beginn der Neuzeit war es, wie wir bei Luther sehen können, noch voll da. Vor dem Zorn Gottes rettet nur der Glaube an Jesus, der für uns durch Gott schon mit dem Tod bestraft wurde. Schreckliche Vorstellung. Auch wenn sich nach meiner Kenntnis ein neues Gottesbild erst im 20 Jahrhundert entwickelt hat, hat es doch erste Ansätze für ein Umdenken schon im 19. 1
2 Jahrhundert gegeben und ein Beispiel dafür ist Gabriel Faurés Requiem. Ein Wiegenlied des Todes hat es jemand genannt, weil er selbst den Tod als eine freudvolle Erlösung, eine Erwartung von Glückseligkeit jenseits des Grabes, nicht als eine schmerzvolle Erfahrung gesehen hat. Faurés Requiem richtet daher unseren Blick aus auf die Endlichkeit unserer menschlichen Existenz, die der Verheißung einer ganz anderen, ewigen, nicht auf eine Lebenszeit begrenzte Existenz in der Gegenwart Gottes begegnet. Requiem aeternum ewige Ruhe, diese Hoffnung zieht sich durch das Requiem. Diese auch jetzt gerade kirchenjahreszeitliche Thematik ist viel weniger auf die Endlichkeit des Menschen und damit auf den Tod bezogen, als viel mehr auf die mit dem Gedanken an die Endlichkeit verbundene Überschreitung unserer endlichen Existenz hin zu Gott. Allerdings ist die ewigkeitliche Existenz des Menschen ohne das Auskosten der Endlichkeit, also ohne das Durchschreiten der Pforte des Todes nicht zu haben. Daher müssen wir, bevor wir uns mit der Ewigkeit befassen, erst unseren Tod in den Blick nehmen. 2
3 Memento Mori, so haben die mittelalterlichen Mystiker gemahnt, sei dir der Sterblichkeit bewusst. Aber wir tun das als Christen, also als Menschen, die durch die Auferstehung Jesu Christi zu einer neuen Existenz, eben zu einer endzeitlichen, schon auf das Reich Gottes ausgerichteten Existenz berufen sind, die also schon jetzt als Bürger des Reiches Gottes leben. Das bedeutet, dass wir den Tod nicht sehen müssen als eine übermächtige Gewalt, die unser Leben gänzlich zerstört indem sie es beendet und uns in das ewige Nichts stürzt, sondern als Begleiter beim Übergang von einer Daseinsweise in die gänzlich andere. Franz von Assisi nannte den Tod "Bruder Tod" und meinte genau das damit, dass der Tod uns ein Bruder ist, weil er uns aus dem irdischen Leben in das ewige geleitet. Er übernimmt also eine für uns gute und notwendige Aufgabe. Jesus widerspricht vehement der vielen seiner Zeitgenossen eigenen Vorstellung, Gott sei ursächlich für Unglück, Krankheit und Tod der Menschen verantwortlich. Die Frage eines Kranken, wer denn schuldig geworden ist, er oder seine Eltern, weist Jesus zurück, indem er ihn in der Vollmacht des Gottessohnes heilt. 3
4 Dem toten Mädchen ruft er zu talita kumi, Mädchen steh auf, und sie kommt ins Leben zurück, ebenso der schon seit drei Tagen tote und stinkende Freund Lazarus. Jesus sagt damit, Gott will nicht Unglück, Krankheit und Tod des Menschen, nie! Gott straft nicht, nie! Sonst hätte ja sein Sohn Jesus nicht sterben müssen, sonst, wenn das so wäre, wäre er umsonst gestorben. Die mittelalterliche Gesetzesideologie denkt Gott in Kategorien von Schuld und Strafe. Dem widerspricht Paulus, wenn er sagt: wenn die Gerechtigkeit Gottes durch das Gesetz kommt, ist Christus vergeblich gestorben. Das dürfen wir als Christen doch ernst nehmen. Warum gehen wir immer wieder hinter diese frohmachende Botschaft des Evangeliums zurück, indem wir den Tod total überbewerten, indem wir ihm eine gottgleiche Macht zusprechen? Ein orthodoxer Theologe, Olivier Clémont, schreibt: Ein Christ ist jemand, der vor Freude tanzt, weil er weiß, dass die Liebe stärker ist als der Tod, weil er weiß, dass wir in unserem durch den Tod versiegelten Raum-Zeit-Gebilde nicht länger eingeschlossen sind. Es gibt keinen Tod mehr! Es gibt Durchgänge, vielleicht schwierige, vielleicht schmerzhafte, aber es sind immer Durchgänge in die Auferstehung. 4
5 Ein wunderbares evangelisches, froh machendes Wort. Der Tod ist nur die Tür, die Tür von einer Existenzweise in die andere, von der irdisch menschlichen Daseinsweise mit ihren vielen Varianten von Freude und Leid, in die neue, ganz andere, von der wir nichts wissen, außer, dass sie die Daseinsweise Gottes ist und deshalb ja nicht ganz schlecht sein kann. 5
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