PRÄVENTION DEPRESSIVER STÖRUNGEN IM KINDES- UND JUGENDALTER
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- Gerrit Adenauer
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1 CAMPUS INNENSTADT PRÄVENTION DEPRESSIVER STÖRUNGEN IM KINDES- UND JUGENDALTER Gerd Schulte-Körne
2 Die Depression gehört zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen weltweit. 121 Millionen Menschen leiden an einer Depression (WHO). ist die wichtigste Krankheitsursache für den Verlust von gesunden Lebensjahren durch gesundheitliche Einschränkungen. Die geschätzten Kosten in Europa, verursacht durch depressive Störungen über die gesamte Lebensspanne, liegen bei 113 Milliarden Euro Stationären Behandlungszahlen von 10- bis 18-Jährigen wegen einer depressiven Störung in NRW innerhalb von 8 Jahren verfünffacht (von 500 auf 2500). 2
3 HÄUFIGKEIT DEPRESSIVER STÖRUNGEN Vorschulkinder ca. 1% Schulkinder 2-3% Jugendliche 9,4 18,5% Geschlechtsunterschiede ab Pubertät > (2:1) 3
4 INANSPRUCHNAHME PROFESSIONELLER HILFEN Depressive Störungen werden im allgemeinen Gesundheitssystem zu wenig erkannt. Hilfen werden zu wenig in Anspruch genommen. Finnland: Nur die Hälfte der Familien mit einem 8Jährigen mit psychischen Problemen sucht professionelle Hilfen auf. Nur 2% der 18Jährigen sucht professionelle Hilfe auf. Deutschland: 12,7% Rate der psychische Auffälligkeiten, nur 3,3% der Kinder und Jugendlichen sind in professioneller Behandlung. 4
5 Warum wird ein Großteil der Depressionen bei Kindern und Jugendlichen übersehen? Andere Probleme stehen im Vordergrund, z. B. Verhaltensauffälligkeiten (z.b. hyperaktives und oppositionelles Verhalten). Angst der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien vor psychiatrischer Diagnose bzw. Kontakt zur Psychiatrie ( Ich bin doch nicht krank ). Diagnostische Abgrenzung von normaler Entwicklung in der Pubertät schwierig. Emotionen, Stimmung, Gefühle der Jugendlichen für Eltern und Lehrer häufig schwierig einzuordnen. Jugendliche nehmen ihre veränderte Stimmung und Emotionen anders wahr. Angst vor Stigmatisierung. Fehlendes Wissen über depressive Störungen und ihre Behandelbarkeit. 5
6 WIE KANN WISSENSVERMITTLUNG DEN WEG IN EINE BEHANDLUNG EBNEN? Erhöhung des Hilfesuchverhaltens Reduktion von Berührungsängsten gegenüber Betroffenen Abbau von Stigmata 6
7 FORMEN VON PRÄVENTIONSMAßNAHMEN Selektive Prävention Indizierte Prävention Universelle Prävention 7
8 SELEKTIVE PRÄVENTION Selektive Prävention Ziel, ein bereits bestehendes Erkrankungsrisiko zu vermindern. Richtet sich an ausgewählte Kinder, Jugendliche und ihre Familien. z.b.: Indizierte Prävention Kinder von Eltern mit einer psychischen Erkrankung (Depression), Kinder, mit einem erhöhten Risiko (z. B. länger bestehende Angststörung) wenn Symptome vorliegen, aber noch nicht das vollständige Krankheitsbild. 8
9 SELEKTIVE PRÄVENTION Inhalte: Orientieren sich an Ätiologiemodelle sowie an den Ergebnissen der Therapieforschung zur Depression. Hierzu gehören: Modell von Beck (Beck, 1967) Seligmann (Seligman, Abramson, Semmel & von Baeyer, 1979). interpersonalen Psychotherapieansatz psychoedukative Methoden Entspannungsverfahren 9
10 UNIVERSELLE PRÄVENTION Ziel, allgemeine Risikofaktoren, wie z. B. mangelnde Stressverarbeitungs- und Problemlösungsstrategien zu vermindern. richtet sich unselektiert an Kinder und Jugendliche der Allgemeinbevölkerung. Methodik Stärkung von Resilienz z. B. durch das Lernen von alternativen Denk- und Problemlösestrategien, der Verbesserung des Umgangs mit Stresssituationen durch Stärkung der sozialen Kompetenz, durch das Lernen von Entspannungstechniken. 10
11 UNIVERSELLE PRÄVENTION Zielgruppen: Schule bzw. Schulklassen Methodik: Prävention in Gruppen, zum Teil ergänzt um ein Elterntraining. Vorteile: Größere Populationen werden erreicht. Prävention erfordert nicht den Kontakt zu Stellen des Gesundheitswesens. Meist kostengünstig und wenig zeitintensiv. 11
12 SYSTEMATISCHER REVIEW ZUR PRÄVENTION DEPRESSIVER STÖRUNGEN BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN (SCHULTE-KÖRNE UND SCHILLER, ZKJP 2012) 12
13 ERGEBNISSE DES REVIEWS Selektive Prävention: Im Prä-Post-Vergleich signifikante Reduktion der Depressionswerte mit meist moderaten und teilweise kleinen Effekten. Mittel- und langfristigen Ergebnisse selektiver und indizierter Präventionsansätze variieren stark, meist signifikante Effekte. Follow-up-Zeiträume von 9 12 Monate moderate bis kleine Effekte, ab 24 Monate nur in einzelnen Studien. Effekte deutlich geringer, wenn Vergleich mit Placebo- Kontrollgruppe. Allerdings Placebo-Effekte vernachlässigbar, wenn Effekt in einem Katamnesezeitraum ab 10 Monate nachweisbar. Höherer Effektstärken als für universelle Prävention. 13
14 ERGEBNISSE DES REVIEWS Universelle Prävention: Insgesamt heterogene Ergebnisse der Reviews im Prä-Post- Vergleich. Kleine oder sehr kleine Effektstärken im Vergleich zu keiner Intervention. Cochrane-Review (Merry et al., 2011): im 3- bis 9-Monats- Follow-up zumindest kleine Effekte in der Reduktion der Erkrankungshäufigkeit und der depressiven Symptome, auch mittelfristig (bis 9 Monate), aber nicht mehr längerfristig (ab 12 Monate). Keine Präventionsstudie, die signifikante Ergebnisse der Prävention gegenüber einer Placebo-Kontrollgruppe berichtet. 14
15 FAKTOREN DER PRÄVENTIONSEFFEKTE Qualifikation und Berufsgruppe der Durchführenden: Effekt höher wenn- Prävention von Psychologen oder anderen auf dem Gebiet psychischer Krankheiten tätigen Personen durchgeführt wird Dauer der Prävention: mittlere Dauer wirksamer (8-12 Sitzungen als kürzer oder länger (Calear und Christensen 2010). Prävention wirksamer in Risikopopulationen Kein Geschlechtseffekt 15
16 BEISPIEL FÜR INDIZIERTE PRÄVENTION: ADOLESCENT COPING WITH DEPRESSION COURSE (CWD-A), VON LEWINSOHN, HOBERMAN, TERI & HAUTZINGER, 1985 Modellannahmen Fehlender positiver Verstärkung führt zu einem vermehrten sozialen Rückzug. Soziale Rückzug führt zu weiterem Verlust positiver Verstärkung und Abnahme positiver Handlungen. Dies führt zu Stimmungsverschlechterung, Motivationsverlust und Passivität führt. Gesteigerte Wahrnehmung für negative Ereignisse. Mangel an persönlichen Kompetenzen, negative Ereignisse und Wahrnehmungen zu bewältigen. Mangelnde Fähigkeiten, positive Verstärkung zu erlangen. 16
17 BEISPIEL FÜR INDIZIERTE PRÄVENTION: ADOLESCENT COPING WITH DEPRESSION COURSE (CWD-A), VON LEWINSOHN, HOBERMAN, TERI & HAUTZINGER, 1985 Deutschsprachige Adaption des Programms: Stimmungsprobleme bewältigen. Ein kognitivverhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm zur Prävention, Behandlung und Rückfallprophylaxe depressiver Störungen im Jugendalter nach Clarke, Lewinsohn und Hops (Ihle & Herrle, 2003). Evaluation (Ihle, Jahnke, Spieß & Herrle, 2002): Deutlichen Reduktion der depressiven Symptomatik und des irrationalen Denkens. Zunahme der Selbstakzeptanz, des Wohlbefindens, die Alltagsbewältigung und die Persönlichkeitsentwicklung. 17
18 BEISPIEL UND EFFEKTE EINZELNER PRÄVENTIONSANSÄTZE POD-TEAMS Depression Prevention Program Indizierte Prävention in Gruppen Manual liegt vor. Durchführung: erfahrene Therapeuten, 8 Wochen,jeweils 90 Minuten Evaluation (Garber et al. 2009): um 11% geringere Inzidenz depressiver Störungen im Vergleich zu unspezifisch behandelten Kontrollgruppe. 18
19 UNIVERSELLE SCHULBASIERTE PRÄVENTION: EVALUATION EINER NEU ENTWICKELTEN BROSCHÜRE FÜR JUGENDLICHE Paul ganz unten 19
20 AUFKLÄRUNGSBROSCHÜRE Inhalte Depression als Erkrankung Symptome Ursachen Behandlung Antidepressiva Suizidalität Hilfeverhalten Zielgruppe: 13- bis 17-Jährige Format: 20 Seiten, Pocket Guide (DIN A6) 20
21 BROSCHÜRE - GESTALTUNG 21
22 BROSCHÜRE - GESTALTUNG 22
23 ZIEL UNSERER STUDIE UND FRAGESTELLUNGEN Evaluation einer Aufklärungsbroschüre zu Depression im Jugendalter Vergrößert sich durch das Lesen der Broschüre das Wissen zu Depression und lassen sich Vorurteile abbauen? Wie wird die Broschüre von den Jugendlichen angenommen und bewertet? 23
24 Fragebögen Demografische Daten Wissen und Einstellungen zu Depression - 50 Items Bewertung der Aufklärungsbroschüre Studiendesign Hauptschüler Realschüler Gymnasiasten PRÄ 1 Demografie Vorwissen und Einstellungen zu Depression B R O S C H Ü R E POST 2 Wissen und Einstellungen zu Depression Bewertung 1 M O N A T Follow-UP 3 Wissen und Einstellungen zu Depression 24
25 STICHPROBE N = % Hauptschüler 36% Realschüler 30% Gymnasiasten 60% aus München Stadt 40% aus München Land Jahre (M = 15,08; SD =.86) 42% 58% 45% Migrationshintergrund 29% Vorerfahrung mit Depression 25
26 WISSENSZUWACHS: MITTLERE EFFEKTE Themenblock Effektstärke η 2 Beispiel-Items Depression als Erkrankung 0.07 Depression ist eigentlich gar keine richtige Krankheit. Ursachen 0.10 Man ist nicht selbst Schuld, wenn man depressiv wird. Hilfeverhalten 0.09 Wenn jemand über Selbstmord redet, muss das ernst genommen werden. Mittlerer Effekt: η 2 >
27 WISSENSZUWACHS: STARKE EFFEKTE Themenblock Effektstärke η 2 Beispiel-Item Symptome 0.45 Es fällt schwer, sich über etwas zu freuen. Behandlung 0.17 Psychotherapie kann bei Depression helfen. Antidepressiva 0.56 Antidepressiva machen abhängig. Suizidalität 0.36 Selbstmord ist eine häufige Todesursache bei Jugendlichen. Starker Effekt: η 2 >
28 WISSENSZUWACHS: SCHULFORMEN UND GESCHLECHT Haupt Real Gym Mädchen Jungen Prä Post Follow-up Prä Post Follow-up 28
29 BEWERTUNG DER BROSCHÜRE Gesamturteil 76% vergeben die Schulnoten 1 und 2 17,8% 4,8% 0,9% 0,2% 16,4% ,9% Nutzen 81% geben an, sich jetzt besser mit dem Thema Depression auszukennen 29
30 ZUSAMMENFASSUNG International erste evaluierte Aufklärungsbroschüre zu Depression im Jugendalter. Signifikante Zunahme des Wissens zu Depression in allen Themenblöcken: Stärkste Effekte für Symptome, Behandlung, Antidepressiva und Suizidalität, Wissenssteigerung auch im 1 Monats-Follow-Up signifikant. Schülerinnen und Schüler aller Schulformen konnten ihr Wissen zu Depression signifikant steigern. Hohe Akzeptanz der Broschüre in der Zielgruppe. 30
31 FAZIT UND AUSBLICK Broschüre kann dazu beitragen, dass betroffene Schüler weniger stigmatisiert werden. Broschüre kann dazu beitragen, Hürden auf dem Weg in eine Behandlung abzubauen. Verbreitung der Aufklärungsbroschüre in weiterführenden Schulen in Bayern wünschenswert. Einsatz auch in anderen Regionen Deutschlands möglich. 31
32 ZUSAMMENFASSUNG Selektive und universelle Prävention sind wirksam, depressive Symptome oder das Risiko für eine depressive Störungen zu reduzieren. Der Präventionseffekt zeigt sich auch in einem Post- Interventionsintervall von 3-9 Monaten an, bei indizierter Prävention sogar bis zu 12 Monaten. Indizierte und selektive zeigen eine höhere Wirksamkeit als universelle Präventionsprogramme. 32
33 AUSBLICK Der Einsatz selektiver und universeller Präventionsprojekte zur Risikoverminderung einer depressiven Störung, zur Reduktion das Wiedererkrankungsrisiko sind gerechtfertigt. Zur Abschätzung der längerfristiger Effekt sind Längsschnittstudien notwendig. Es bedarf an entsprechenden Manualen, die in Deutschland eingesetzt werden können und die evaluiert sind. Modellvorhaben zur Implementierung von Präventionsansätzen in der Praxis sollen initiiert werden. 33
34 34 34
35 35 35
36 VIELEN DANK AN Gesund.Leben.Bayern. Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus Staatliche Schulämter Landeshauptstadt und Landkreis München Alle teilnehmenden Schulen und Schüler in München Studienteam Dr. Dipl. Psych. Antje Kathrin Allgaier, Dipl. Psych. Kathrin Dolle, Dipl. Psych. Kathrin Pietsch, Dipl.-Psych. Yvonne Schiller
37 ÖFFENTLICHKEITSARBEIT, AUFKLÄRUNG, INFORMATION Münchener Bündnis gegen Depression: Arbeitskreis Kinder und Jugendliche Aktivitäten: Flyer für medizinische Fachkräfte und Lehrer Fortbildungen für Schulen Filmprojekt 37
38 ÖFFENTLICHKEITSARBEIT, AUFKLÄRUNG, INFORMATION 38
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