Wirtschaftsausblick Winter 2016/17 - Libyen

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1 Wirtschaftsausblick Winter 2016/17 - Libyen Inhalt Wirtschaftsentwicklung: Libyens Wirtschaft vor dem Kollaps Investitionen: Eiszeit bei Projekten in Libyen Konsum: Geld ist nur für das Nötigste da Außenhandel: Öleinnahmen bestimmen Einfuhrmöglichkeiten Libyen kommt nicht zur Ruhe / Von Christian Glosauer Bonn (GTAI) - Die libysche Wirtschaft ist Anfang nach Einschätzung der Weltbank kurz vor dem Kollaps. Zu den internen Problemen kommen hunderttausende Flüchtlinge aus Afrika, die nach Europa streben. Der finanzielle Spielraum des Landes ist wegen niedrigen Ölexports extrem eingeschränkt. Erst mit einer politischen Lösung der internen Auseinandersetzungen ist wieder mit einer Rückkehr zum Wachstumspfad zu rechnen. Wirtschaftsentwicklung: Libyens Wirtschaft vor dem Kollaps Nach Einschätzung der Weltbank befindet sich die libysche Wirtschaft Ende 2016/ Angang 2017 kurz vor dem Kollaps. Verschiedene Machtzentren konkurrieren um die Herrschaft und zögern auch nicht, ihren Forderungen mit Bombardierungen aus der Luft Nachdruck zu verleihen, wie Anfang 2017 in der Luftwaffenbasis Jufra geschehen. Auch der sogenannte Islamische Staat ist seit 2014 in Libyen aktiv und tritt mit Überfällen auf Botschaften und Erdölinstallationen auf. Libyen als solches existiert seit 2011 nicht mehr, als die Nato mit über Bombardierungen die Gaddafi-Regierung regelrecht weggebombt hat. Seitdem herrscht das Chaos in diesem riesigen nordafrikanischen Flächenstaat mit den größten Erdölreserven des Kontinents. Die traditionelle Stammesstruktur der Gesellschaft füllt seitdem in vielfachen Schattierungen das entstandene Machtvakuum aus. Gleichzeitig versuchen sich ausländische Interessen zu positionieren und unterstützen die verschiedenen Gruppierungen. Auch militärische Operationen ausländischer Mächte finden weiterhin statt. 1

2 MKT Die Prognosen für die Erholung der Erdölförderung als Lebensader der libyschen Wirtschaft sind verhalten. Die Förderung liegt derzeit bei einem Fünftel des Vorkrisenniveaus (bis 2011) von rund 1,6 Mio. Barrel pro Tag. Nicht nur die Förderung ist eingeschränkt, auch die Exporthäfen werden von konkurrierenden Gruppierungen kontrolliert, die nach Gutdünken die Ausfuhr abwürgen können. Wirtschaftliche Eckdaten Libyens Indikator Vergleichsdaten Deutschland 2015 BIP (nominal, Mrd. US$) 39,7 39, ,6 BIP pro Kopf (US$) Bevölkerung (Mio.) 6,3 6,4 81,6 Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro/US$ = Libysche Dinar (LD)) 1,53 1,52 - Quellen: IWF, Statistisches Bundesamt Inzwischen wird bereits von einer humanitären Krise im Lande gesprochen, die etwa 40% der Bevölkerung in den untersten Einkommensgruppen betrifft. Die Lage wird durch den Zustrom von Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen aus Afrika südlich der Sahara verschärft, die Libyen als Sprungbrett nach Europa benutzen wollen. Ihre Zahl wurde 2016 auf Menschen geschätzt. Die Flüchtlinge sind Spielball in den Verhandlungen zwischen der EU und libyschen Vertretern. 2

3 Investitionen: Eiszeit bei Projekten in Libyen Fast alle größeren Investitionsvorhaben in Libyen sind derzeit eingefroren. Im Erdölsektor ist bezeichnend, dass nur ein größeres Offshore-Vorhaben ernsthaft vorangetrieben wird, da hier die Sicherheitsbedenken offenbar keine größere Rolle spielen. Es sind nicht nur die Sicherheitsbedenken, die gegenwärtig größere Projekte mit ausländischer Beteiligung im Land ausbremsen. Auch Haftungs- und Versicherungsfragen machen derzeit viele Engagements unmöglich. Dazu kommen noch ungeklärte Kompensationsansprüche aus Infrastrukturprojekten aus der Gaddafi-Ära, die bis heute nicht geklärt sind. Es fehlt auch schlicht das Geld, da Staatsfinanzen, soweit überhaupt davon gesprochen werden kann, unter dem doppelten Joch implodierter Ölförderung und niedriger Erdölpreise ächzen. Die Wiederaufnahme größerer Infrastrukturprojekte ist nur in einem stabilen politischen Umfeld denkbar. Das Zurückdrängen des Islamischen Staates in Syrien ist auch für Libyen ein gute Botschaft. Ohne ausländische Einmischung ist eine Einigung der sich bekämpfenden einheimischen Interessen wahrscheinlicher, was Voraussetzung zur Rückkehr zu einer wie auch gearteten Staatlichkeit darstellt. Dann kann der Investitionsstau in kritischen Bereichen der Infrastruktur wie Energie-und Wasserversorgung in Angriff genommen werden. Ausgewählte Großprojekte in Libyen Projektbezeichnung Investitionssumme (Mio. US$) Projektstand Libya ESDF - Marsa el-brega Energy City Gestoppt Libya ESDF - Ras Lanuf Energy City Gestoppt Zorco - Zuwarah Refinery Gestoppt GFH - Energy City Gestoppt ODAC - Tripoli Greens: People's Congress Palace Gestoppt SOC - New Marsa el Brega LNG Plant Gestoppt Mellitah Oil & Gas BV (MOG) - Bahr Essalam Development Project Phase II Ausführung (28% verwirklicht) HIB - Ghanfuda Housing Complex in Benghazi Gestoppt LERCO - Ras Lanuf Refinery Upgrade Gestoppt GECOL - Tripoli IWPP Gestoppt Quellen: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen Konsum: Geld ist nur für das Nötigste da Der Spielraum für öffentlichen und privaten Konsum ist in Libyen sehr begrenzt. Die seit 2014 stark negative Leistungsbilanz trotz ebenfalls stark rückläufiger Einfuhren von Waren und Dienstleistungen sprechen eine deutliche Sprache. Diese Zahlen sind das Spiegelbild der kollabierten Erdöleinnahmen So verwundert es auch nicht, dass die öffentliche Verschuldung, die noch unter Gaddafi praktisch nicht existierte, inzwischen wieder stark angestiegen ist. 3

4 Die Weltbank sagt für 2017 immerhin nach drei Jahren rückläufiger Einfuhren mit +8,7 wieder einen positiven Wert voraus. Auch der private Verbrauch soll 2017 mit +2,6% wieder in den positiven Bereich drehen. Nur der Staatsverbrauch könnte 2017 und auch noch 2018 weiterhin rückläufig sein. Außenhandel: Öleinnahmen bestimmen Einfuhrmöglichkeiten Die Entwicklung der nominalen Ausfuhrerlöse zeigt die dramatische Beschneidung des finanziellen Spielraums Libyens. Die Exporteinnahmen aus dem Kohlenwasserstoffexport lagen selbst ein Jahr nach Sturz der Gaddafi- Regierung in 2012 noch bei 61 Mrd. US$. Auch 2013 konnte 46,0 Mrd. US$ noch ein mit normalen Zeiten vergleichbares Ergebnis eingefahren werden. Seitdem liegen die Einnahmen bei jährlich knapp 11 Mrd. US$ und auch für 2017 wird ein ähnlicher Wert vorausgesagt. Die noch bis 2012 üblichen zweitstelligen Überschüsse in Mrd. US$ in der Warenhandelsbilanz sind leicht defizitären Werten gewichen. Der entsprechende Rückgang der Einfuhren eilt den Exporten hinterher, da offenbar auf gewisse Importe wie zum Beispiel subventionierte Lebensmittel nicht verzichtet werden kann. Die Dienstleistungsbilanz hat seit 2014 Leistungsbilanzdefizite im deutlich zweitstelligen Bereich der Wirtschaftsleistung. Für 2016 wird der Leistungsbilanzfehlbetrag auf rund 60% des BIP geschätzt (Weltbank). Um die Fehlbeträge zu finanzieren, werden die Devisenreserven Libyens abgeschmolzen. Sie haben sich von geschätzten 107 Mrd. US$ in 2013 auf nur noch 43 Mrd. US$ Ende 2016 mehr als halbiert. Der deutsche Handel mit Libyen spiegelt die Gesamtentwicklung wider exportierte Deutschland für 351,5 Mio. Euro Waren nach Libyen, das war etwas mehr als im absoluten Krisenjahr 2011 (Sturz Gaddafis) mit 319,2 Mio. Für 2016 ist ein Rückgang auf 297,8 Mio. Euro zu verzeichnen. Die deutschen Einfuhren (im wesentlichen Erdöl) haben sich gegenüber 2015 von 1,2 Mrd.auf 0,6 Mrd. Euro im Jahr 2016 halbiert. Außenhandel Libyens (in Mrd. US$; Veränderung in %) Veränderung 2016/2017 Importe *) 9,8 9,3-5,1% Exporte *) 10,7 10,7 0,0% Handelsbilanzsaldo 0,9 1,4 - *) Warenhandel (fob) Quelle: EIU Weitere Informationen finden Sie unter Christian Glosauer GTAI/Rheinfoto 4

5 KONTAKT Christian Glosauer Ihre Frage an uns Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck auch teilweise nur mit vorheriger ausdrücklicher Genehmigung. Trotz größtmöglicher Sorgfalt keine Haftung für den Inhalt Germany Trade & Invest Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. 5