Innenminister Dietmar Woidke 6. März Pressekonferenz: Zur Kriminalitätsentwicklung in den Grenzregionen des Landes Brandenburg im Jahr 2012

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1 Innenminister Dietmar Woidke 6. März 2013 Pressekonferenz: Zur Kriminalitätsentwicklung in den Grenzregionen des Landes Brandenburg im Jahr 2012 Auch in diesem Jahr möchten wir Ihnen die Kriminalitätsentwicklung in den Grenzregionen des Landes wieder gesondert vorstellen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Sorge um die Kriminalitätsentwicklung war in den letzten Jahren in den Grenzregionen besonders ausgeprägt. Für diese Erschütterung des Sicherheitsgefühls der Bürger gab es auch gute Gründe. Zum einen sind die Grenzgemeinden Brandenburgs stärker von Kriminalität betroffen als der Landesdurchschnitt. Zum zweiten müssen wir seit dem Wegfall der Grenzkontrollen insbesondere bei Diebstahls- und Kfz-Kriminalität besorgniserregende Entwicklungen zur Kenntnis nehmen, von denen die Grenzgemeinden wiederum überdurchschnittlich betroffen sind. Seit 2010 gehen wir mit einem Maßnahmenbündel in enger Abstimmung mit deutschen und polnischen Partnern gezielt gegen diese Herausforderungen im Grenzraum vor. Die Bekämpfung der Kriminalität in unseren Grenzregionen muss auch weiterhin ein Schwerpunkt der polizeilichen Tätigkeit in Brandenburg bleiben. Wir haben es mit einem besonderen kriminalgeografischen Raum zu tun. Das macht ein Blick auf die Landkarte klar: Hier bei uns ist Deutschland zu Ende. Hier verläuft zwischen uns und Osteuropa eine Wohlstandsgrenze und das wird noch auf Jah-

2 re hinaus so bleiben. Auch wenn insbesondere Polen wirtschaftlich aufholt. Und die mit Abstand längste Grenze zu Polen hat Brandenburg. Dieses massive Wohlstandsgefälle produziert Kriminalität. Wir haben extrem kurze Wege zur Grenze; das Zeitfenster für eine wirksame Intervention der Polizei nach einer Straftat ist sehr kurz. Dies stellt uns in der Region vor besondere Probleme. So erklärt sich auch, warum etwa beim Kfz-Diebstahl Berlin und Brandenburg besonders betroffen sind und nicht das Saarland oder Hessen. Wir sind zudem das Haupttransitland zwischen West- und Osteuropa. Hier bei uns rollt fast alles vorbei. Das fordert unsere Polizei zusätzlich. Wir können an unserer regionalen Lage nichts ändern. Deshalb müssen wir mit besonderen Strukturen, Maßnahmen und Einsatztaktiken reagieren, um polizeilich dagegenzuhalten. Nachdem die Kriminalitätsentwicklung im Zuge der Schengen-Erweiterung jahrelang von Bund und Ländern falsch eingeschätzt wurde, haben wir seit 2010 Konsequenzen gezogen. Zunächst wurde die Soko Grenze gebildet bei uns heißt sie BAO, also Besondere Aufbauorganisation. Sie wurde mittlerweile personell verstärkt. Ich habe Anfang letzten Jahres entschieden, dass wir drei unserer vier Hundertschaften schwerpunktmäßig in den Grenzregionen zum Einsatz bringen, um den besorgniserregenden Entwicklungen entgegenzutreten. Die Hundertschaften unterstützen die Polizeidirektionen Ost und Süd und die BAO Grenze. Die Polizeipräsenz im unmittelbaren Umfeld der Grenzübergänge zu Polen besitzt dabei Priorität. Wir haben den ursprünglich befristeten Einsatz zunächst verlängert und ich habe dann angesichts der anhaltenden Herausforderungen festgelegt, dass der Einsatz bis auf weiteres fortgesetzt wird. Also: Ohne Befristung. Seite 2 von 7

3 Die Brandenburger Polizei setzt damit alles ein, was sie hat, um den Grenzregionen zu helfen. Dieser Einsatz erfolgt seit Anfang 2012 auf der Grundlage einer Rahmenkonzeption des Polizeipräsidiums zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Alle Maßnahmen von Präsidium, Direktionen, BAO und Hundertschaften erfolgen also auf einer abgestimmten konzeptionellen Grundlage. Letztlich will ich auch erwähnen, dass die Polizeidirektionen, hier die Polizeidirektion Ost, angewiesen sind, alle verfügbaren personellen und technischen Ressourcen im Einsatz gegen die Grenzkriminalität zu bündeln. Das ist selbstverständlich. Fortschritte sehe ich auch in der Zusammenarbeit mit Polen wurden 214 gemeinsame Streifen mit der polnischen Polizei durchgeführt, vor allem in Schwedt, Frankfurt und Guben. Stichwort Polizeireform und Personalabbau. Ich bin immer bereit, mich dieser Debatte zu stellen. Ich war dazu jüngst in Angermünde und werde demnächst in Frankfurt und Guben an weiteren Veranstaltungen teilnehmen. Das ist völlig klar. Ich weiß, dass diese Themen sehr umstritten sind. Aber ich will auch einmal ganz deutlich sagen: Durch die Kombination der eben genannten Maßnahmen sind die Polizeistärke und die Polizeipräsenz in der Grenzregion nicht reduziert und abgebaut, sondern wesentlich verstärkt worden. Das hat natürlich mit den Hundertschaften und der BAO zu tun. Ich bin auch gewillt, diesen Einsatz fortzusetzen. Aber ich sehe als Innenminister auch die Kriminalitätsentwicklungen in anderen Bereichen unseres Landes. Ich denke da zum Beispiel an Wohnungseinbruch und Einbruch in Einfamilienhäusern insbesondere im Berliner Umland. Wir haben da ein großes Problem. Wir werden darauf in der kommenden Woche eingehen, wenn ich die Polizeiliche Kriminalstatistik für das gesamte Land Brandenburg vorstelle. Seite 3 von 7

4 Glauben Sie nicht, dass die Entscheidungen zu BAO und Hundertschaften vor diesem Hintergrund überall im Land nur auf Beifall stoßen. Ich bin trotzdem gewillt, diese Entscheidung zu vertreten, weil ich die Notwendigkeit hier besonders sehe. Es ist richtig, die Sorgen und Ängste der Bürger in den Grenzregionen ernst zu nehmen. Darauf haben die Bürger einen Anspruch. Ich muss aber auch sagen: Wir können nicht überall sein. Das ist ausgeschlossen. Ich werde als Innenminister keine falschen Erwartungen wecken, die ich dann nicht einlösen kann. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Wir werden Ihnen nun schwerpunktmäßig die Kriminalitätsentwicklung in den sogenannten Grenzgemeinden unseres Landes vorstellen. Es handelt sich bei ihnen um ein Band von 24 Kommunen an Oder und Neiße, zu denen u.a. Schwedt, Angermünde, Bad Freienwalde, Frankfurt, Eisenhüttenstadt, Guben und Forst gehören. In den Grenzgemeinden leben rund Einwohner; 80 Prozent davon in den genannten Städten. Über 90 Prozent der Kriminalität in den Grenzgemeinden ereignet sich in den sieben genannten Städten. Die Entwicklung der Kriminalität in diesen Gemeinden ist ein wichtiger Indikator für die Entwicklung der grenzüberschreitenden wie auch der Grenzkriminalität insgesamt. Allerdings gilt natürlich auch, dass längst nicht alle Kriminalität in dieser Region auf die Grenzlage selbst kausal zurückzuführen ist. Sie kennen das bekannte Beispiel aus Schwedt: Dort gab es von Oktober bis Januar eine massive Häufung von Einbrüchen in Eigenheimen. Aber diesmal war weder die offene Grenze noch die Grenzkriminalität dafür verantwortlich. Die Polizei hat am 4. Februar eine Gruppe von Tatverdächtigen festgenommen, denen diese Einbruchsserie zur Last gelegt wird. Die Tatverdächtigen stammen aus Schwedt selbst echt Schwedter Jungs. Das macht die Sache nicht besser, lässt sie aber in einem anderen Licht erscheinen. Seite 4 von 7

5 Ich möchte einige allgemeine Trends der Kriminalitätsentwicklung in der Grenzregion hervorheben, bevor dann Herr Feuring und Herr Starigk die Details vorstellen werden. Insgesamt ist die Kriminalität in den Grenzgemeinden im vergangenen Jahr um fast 8 Prozent zurückgegangen verzeichneten wir dort knapp registrierte Straftaten, im Jahr 2012 waren es Das heißt: Die Gesamtkriminalität sinkt auch und gerade in der Grenzregion an Oder und Neiße. Das verdient hervorgehoben zu werden, weil in der politischen Debatte manchmal absichtsvoll ein anderer Eindruck erweckt wird. Für wichtiger halte ich allerdings einen anderen Befund: Die Aufklärungsquote der Straftaten hat sich entlang der Grenze im letzten Jahr deutlich verbessert. Sie war zuvor seit 2007 kontinuierlich zurückgegangen auf zuletzt 48,2 Prozent im Jahr Im vergangenen Jahr dagegen stieg die Aufklärungsquote erstmals wieder an auf 53,4 Prozent. Also ein Plus um gut 5 Prozent. Sie liegt damit höher als vor der Polizeireform und ebenfalls höher als im Jahr Außerdem wurden rund 350 Tatverdächtige mehr ermittelt als im Jahr Ich ziehe daraus zwei Schlussfolgerungen: Zum einen ist der reformbedingte Durchhänger bei der Aufklärungsquote offenbar überwunden. Die Polizeiarbeit in den neuen Strukturen fasst zunehmend Tritt. Zum zweiten zeigen unsere polizeilichen Maßnahmen im Grenzraum ganz offensichtlich Wirkung. Weniger Straftaten und mehr aufgeklärte Straftaten sprechen hier eine deutliche Sprache. Das eigentliche Problem, mit dem wir in der Grenzregion konfrontiert sind, bildet sich allerdings nicht so sehr in der Gesamtkriminalität ab. Sondern es konzentriert sich seit Jahren auf alles rund um das Thema Eigentumsdelikte: Autodiebstähle, Wohnungseinbrüche, Entwendungen von landwirtschaftlichen Maschinen, Einbrüche in Firmen usw. Es sind nicht Mord und Totschlag, Vergewaltigungen und Körperverletzungen, die in der Seite 5 von 7

6 Grenzregion das Sicherheitsgefühl zuletzt massiv beeinträchtigt haben. Sondern es ist die Sorge um das eigene Hab und Gut, vor Diebstahlsdelikten aller Art. Diese Verunsicherung der Bürger ist auch sehr gut nachzuvollziehen. Denn tatsächlich haben Diebstahlsdelikte in den Grenzgemeinden nach dem Wegfall der Grenzkontrollen seit 2007 kontinuierlich Jahr für Jahr zugenommen wurden rund Diebstähle bekannt hatten wir es mit fast Diebstählen zu tun. Der Anteil der Diebstähle an der Gesamtkriminalität in der Grenzregion nahm ebenfalls zu, von 35 Prozent im Jahr 2007 auf über 51 Prozent im Jahr Es ist meines Erachtens genau dieser Zusammenhang, der die verständliche Verunsicherung der Bürger begründet hat. Für 2012 kann ich heute feststellen, dass Diebstahlsdelikte in der Grenzregion erstmals seit 2007 auf dem Rückzug sind. Wir stellen einen deutlichen Rückgang von Diebstählen fest wurden noch fast Fälle erfasst wurden etwas über Diebstähle bekannt. Das entspricht einem Rückgang von fast 20 Prozent innerhalb eines Jahres. Diebstahlsdelikte in den Grenzgemeinden liegen damit insgesamt auf einem niedrigeren Niveau als vor dem Wegfall der Grenzkontrollen. Auch dass verdient vor dem Hintergrund der politischen Debatte hervorgehoben zu werden. Die verstärkte Präsenz der Polizei in der Region hat dazu sicher einen Beitrag geleistet. Der Rückgang von Diebstahlsdelikten zeigt sich in verschiedenen Bereichen. Er ist aber auch bei dem Thema festzustellen, dass uns in den letzten Jahren vor ganz besondere Probleme gestellt hat: Dem Autoklau. Seit 2007 wurden in den Grenzgemeinden Jahr für Jahr mehr Autos entwendet. Die Grafik zeigt diese besonders bedenkliche Entwicklung wurden 669 Autos geklaut. Erstmals seit 2007 ist diese Zahl nun im letzten Jahr wieder rückläufig. Es wurden 546 Fälle von Kfz-Diebstahl erfasst. Das sind sicherlich noch zu viele. Aber wir können zum Seite 6 von 7

7 ersten Mal seit Jahren einen Rückgang der Kfz-Kriminalität melden. Vergessen Sie nicht, dass wir in der Gesamtregion Berlin-Brandenburg im bundesweiten Vergleich vom Fluch des international organisierten Kfz-Diebstahls besonders betroffen sind. Vor diesem Hintergrund ist ein Rückgang der Autodiebstähle im Grenzraum ein wichtiges Zwischenergebnis auch wenn wir sicherlich noch nicht da sind, wo wir hinwollen. Deswegen setzen wir unsere Maßnahmen auch fort. Ich ziehe folgende Zwischenbilanz aus der Lage: Der verstärkte Einsatz der Polizei hat sehr wohl unter dem Strich klare und teilweise sehr deutliche positive Ergebnisse bewirkt. Insbesondere bei Diebstahlsdelikten und auch beim Kfz-Diebstahl stellen wir einen erheblichen Rückgang fest. Gleichwohl sind und bleiben die Grenzgemeinden stärker von Kriminalität betroffen als der Landesdurchschnitt. Dies zeigt uns die Kriminalitätshäufigkeitszahl, also die Zahl der erfassten Straftaten auf Einwohner. Sie ist deutlich gesunken auf Im Land insgesamt liegt sie hingegen bei Vor diesem Hintergrund muss die Bekämpfung der Kriminalität in der Grenzregion ein Schwerpunkt der Politik der Landesregierung bleiben. Trotz Fortschritten sind wir nicht über den Berg. Aber ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Und wir können diese Einschätzung für die Grenzgemeinden auch mit Fakten eindeutig unterlegen. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Soweit zunächst von meiner Seite. Herr Feuring wird nun auf weitere wichtige Entwicklungen des letzten Jahres im Detail eingehen *** Seite 7 von 7