Arbeitsprogramm für 2. und 3. Demografiegipfel. Arbeitsgruppe Allianz für Menschen mit Demenz
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- Carin Graf
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1 Arbeitsprogramm für 2. und 3. Demografiegipfel Arbeitsgruppe Allianz für Menschen mit Demenz Vorsitz: Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit Ko-Vorsitz: Heike von Lützau-Hohlbein, 1. Vorsitzende des Vorstands der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V. Selbsthilfe Demenz
2 - 2 - Gemeinsame Erklärung anlässlich der Gründung einer Allianz für Menschen mit Demenz zum Welt-Alzheimer-Tag 2012 Berlin, 19. September 2012 Warum brauchen wir eine Allianz für Menschen mit Demenz? In Deutschland sind etwa 1,2 Millionen Menschen an Demenz erkrankt. Bis zum Jahr 2020 werden es voraussichtlich 1,4 Millionen sein. Die Lebensqualität Betroffener zu erhalten und ihr soziales Umfeld zu stabilisieren ist eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung, da Prävention und Therapie bisher nur sehr begrenzt möglich sind. Menschen mit Demenz brauchen unsere Hilfe und unser Verständnis. Wichtig für sie sind soziale Nähe, Kontakte und das Gefühl, gebraucht zu werden. Wenn sie ins Alltagsleben einbezogen werden ohne sie dabei zu überfordern, trägt das zu Zufriedenheit und positivem Lebensgefühl bei. Demenz im fortschreitenden Verlauf führt zu Beeinträchtigungen von Gedächtnis, Denkvermögen, Orientierung, Lernfähigkeit und Urteilsvermögen. Eine selbstständige Lebensführung wird bereits in Frühstadien erschwert, Spätstadien sind durch umfassende Hilfe- und Pflegebedürftigkeit gekennzeichnet. Zwei Drittel der Erkrankten leben im vertrauten sozialen Umfeld, meist bei Angehörigen. Die Versorgung und Begleitung in der gewohnten häuslichen Umgebung entspricht dem Wunsch der meisten Menschen. Für Menschen mit Demenz ist eine vertraute Umgebung von besonderer Bedeutung, weil die Krankheit auch das Orientierungsvermögen schwächt. Allerdings dürfen pflegende Angehörige nicht überfordert werden. Sie brauchen ihrerseits Hilfe und Unterstützung. Um dem wachsenden Bedarf an Hilfen auf Dauer gerecht zu werden, werden mehr funktionierende soziale Netzwerke auch jenseits der Familie benötigt, die im Lebensumfeld der Erkrankten alltäglich wirksame Unterstützung leisten können.
3 - 3 - Auch gilt es, den Wirkungsgrad von Hilfeangeboten vor Ort und deren Koordination zu verbessern. Zudem stehen qualitativ hochwertige Hilfen und eine ganzheitliche Versorgung, welche die individuellen Bedürfnisse demenziell erkrankter Menschen wie auch ihrer Angehörigen berücksichtigt, noch nicht überall zur Verfügung. Was wollen wir tun? Mit der "Allianz für Menschen mit Demenz" wollen wir ein Netzwerk auf Bundesebene aufbauen. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen mit Demenz ein möglichst gutes Leben führen können. Wir haben dabei oft weniger ein Erkenntnis- als ein Umsetzungsproblem. Wir wollen die Aufklärung über die Erkrankung verstärken und die Tabuisierung von Demenz aufbrechen sowie den Transfer aus Forschung und Modellprojekten in die Versorgungswirklichkeit befördern. Das Leitbild unserer "Allianz für Menschen mit Demenz" ist dabei geprägt vom Ziel eines selbstständigen und selbstbestimmten Lebens und zwar auch dann, wenn Unterstützung, Begleitung und Pflege erforderlich sind. Auch bei schwerster Demenz gilt es, die noch vorhandenen Kompetenzen zu erkennen und zu fördern. Dieses Leitbild erfordert vielfach eine Veränderung des Bildes von Demenz in unserer Gesellschaft, das zu oft defizitär und einseitig medizinisch geprägt ist. Menschen mit Demenz werden zu selten mit ihren Kompetenzen und eigenen Vorstellungen wahrgenommen. Auch in späten Krankheitsstadien hören individuelles Erleben und sensible Wahrnehmung nicht auf. Das Ausdrucksverhalten ändert sich, Kommunikationsfähigkeit und soziale Bezogenheit bleiben grundsätzlich erhalten. Unsere Gesellschaft würdigt diese Tatsachen bislang nicht ausreichend. Sie muss daher die neueren Erkenntnisse der Demenzforschung stärker berücksichtigen. Ein offener und angstfreier Umgang mit Menschen mit Demenz ist das gemeinsame Ziel. Demenzspezifisches Wissen und mehr Verständnis für Erkrankte können Grundlagen einer neuen Haltung sein und der Demenz ihren Schrecken für uns alle nehmen. Wir wollen gemeinsam die Aufklärung über die Krankheit befördern,
4 - 4 - Verständnis und Sensibilität für die Erkrankung stärken, Einfluss auf den Umgang mit dem Thema Demenz nehmen und gesellschaftlicher Ausgrenzung entgegenwirken, Menschen mit Demenz die Teilhabe in der Gesellschaft sichern, die vielfältigen Initiativen und Maßnahmen wirkungsvoll miteinander verknüpfen und damit deren Wirksamkeit erhöhen, sie aber auch ergänzen und weiterentwickeln, die Bildung von Hilfenetzen im Lebensumfeld Betroffener (lokale Allianzen) unterstützen. Wir verstehen uns als Motor eines Prozesses, der die Einbeziehung, Anerkennung, Wertschätzung und Unterstützung von Menschen mit Demenz, ihren Angehörigen und ihres sozialen Umfeldes entsprechend den Forderungen des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (UN-Behindertenrechtskonvention) voranbringt. Als Mitgestalter der Allianz sehen wir die Notwendigkeit, vor Ort Netzwerke für Menschen mit Demenz und deren Angehörige zu schaffen oder auszubauen, um die nachhaltige Wirksamkeit unserer Bundesallianz zu stärken. Wie gehen wir vor? Unser Ziel ist es, bis Ende 2013 eine Agenda von Maßnahmen zu entwickeln, die sodann in unterschiedlicher Trägerschaft und Verantwortung umgesetzt werden soll. Hierzu haben wir uns auf zwölf Themenbereiche in vier zentralen Handlungsfeldern verständigt: Grundlagen und Information Im Handlungsfeld "Grundlagen und Information" wollen wir die Wissensgrundlagen in den Forschungsfeldern der Gesundheitsforschung zu Ursachen, Diagnostik und Therapie der Demenz erweitern sowie die Versorgungsforschung stärken, um über bisherige Erfahrungen
5 - 5 - und Erkenntnisse hinaus Beispiele guter Praxis und Indikatoren einer optimalen Versorgung zu entwickeln. Zudem wollen wir dazu beitragen, dass dem noch wenig entwickelten Feld der sozialwissenschaftlichen Forschung zu sozialen Dimensionen der Demenz, z. B. Fragen des Zugangs zu Hilfeangeboten oder Fragen der Bewältigungsstrategien, eine größere Bedeutung beigemessen wird. Schließlich wollen wir Forschungsaktivitäten, die sich auf die Schaffung statistischer Grundlagen zur Epidemiologie beziehen, fördern. Gesellschaftliche Verantwortung Im Mittelpunkt der im Handlungsfeld "Gesellschaftliche Verantwortung" zu entwickelnden Maßnahmen steht die einzelne Bürgerin und der einzelne Bürger. Es geht um Fragen der individuellen Haltung zu demenziell erkrankten Menschen, um Sensibilisierung für die Erscheinungsformen und Bedürfnisse der Menschen mit Demenz und um eine Veränderung der Wahrnehmung von der reinen Defizitorientierung hin zu einem ressourcenorientierten Blick. Wir wollen eine nachhaltige Änderung der gesellschaftlichen Perspektive erreichen, das Lebensumfeld bedürfnisgerecht gestalten und Teilhabe verbessern. Unterstützung von Betroffenen und ihren Familien Im Handlungsfeld "Unterstützung von Betroffenen und ihren Familien" wollen wir Kompetenz und Selbstbestimmung von Menschen mit Demenz durch geeignete Maßnahmen fördern sowie verstärkt zur Wertschätzung der pflegenden Angehörigen und ihrem Schutz vor Überforderung beitragen. Schließlich wollen wir erreichen, dass Ehrenamtliche, Selbsthilfegruppen und professionelle Unterstützung besser zusammenarbeiten. Gestaltung des Unterstützungs- und Versorgungssystems Im Handlungsfeld "Gestaltung des Unterstützungs- und Versorgungssystems wollen wir Maßnahmen zur Versorgungsoptimierung entwickeln. Im Hinblick auf Versorgungsstrukturen sollen Wege aufgezeigt werden, die Versorgung Demenzkranker u.a. im Krankenhaus sowie Diagnostik und Behandlung in niedergelassenen Arztpraxen angemessen auszurichten. Der Ausbau ambulanter Hilfestrukturen mit dem Ziel
6 - 6 - "zu Hause wohnen bis zum Lebensende" soll verstärkt werden. Pflegeheime müssen noch konsequenter auf die Bedürfnisse demenziell erkrankter Menschen ausgerichtet werden. Zudem wollen wir die Verwirklichung neuer Wohnformen voranbringen. Zur Versorgungsoptimierung gehört auch die Qualifizierung von Pflegekräften sowie Medizinerinnen und Medizinern und anderen insbesondere therapeutischen Berufsgruppen. Zudem wollen wir anknüpfend an die Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung Initiativen gegen den Fachkräftemangel einen Raum geben. Qualitätssicherung verlangt nicht zuletzt die Identifizierung geeigneter Prüfkriterien und Qualitätssicherungsverfahren. In einem zweimonatigen Rhythmus werden die Handlungsfelder von Arbeitsgruppen inhaltlich bearbeitet und mit abgestimmten Maßnahmen unterlegt. Dabei wollen wir ein beteiligungsorientiertes Vorgehen realisieren. Beteiligung ist nach unserem Verständnis kein Selbstzweck oder eine lediglich demokratische Übung, sondern erschließt ein Potential für Lösungsmöglichkeiten, welches im Erfahrungs- und Expertenwissen einer Vielzahl von Akteuren liegt. Sie kann als solche bereits als ein erster Schritt zur gesellschaftlichen Aktivierung und Sensibilisierung betrachtet werden, welche für das Thema Demenz als so dringend geboten erscheint. Die gemeinsame Federführung liegt beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und beim Bundesministerium für Gesundheit. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. Selbsthilfe Demenz hat den Co-Vorsitz inne. Die Allianz für Menschen mit Demenz ist in der Demografiestrategie der Bundesregierung verankert. Ihre Arbeit wird einem kontinuierlichen Begleitungs- und Evaluierungsprozess unterzogen.
7 - 7 - Anlage: Arbeitsplan mit Handlungsfeldern Grundlagen und Information 1. Gesundheitsforschung (medizinische, pflegerische, sozialwissenschaftliche Forschung; Versorgungsforschung) 2. Statistische Grundlagen Gesellschaftliche Verantwortung 3. Gesellschaftliche Teilhabe (Inklusion; Milieu-Schaffung; Barrierefreiheit) 4. Vernetzung (kleinräumig; demenzfreundliche Kommunen; Quartiere) 5. Rechtliche Fragen (Versicherung, Verkehrsrecht, Vorsorgevollmacht, Geschäftsfähigkeit, Betreuungsrecht) 6. Information und Öffentlichkeitsarbeit (geeignete Partner, effiziente Verfahren) Unterstützung von Betroffenen und ihren Familien 7. Menschen mit Demenz (Förderung von Kompetenz und Selbstbestimmung) 8. Pflegende Angehörige (Ausgestaltung gesetzlicher Unterstützungsleistungen, Zugänglichkeit und Akzeptanz) 9. Ehrenamtliches Engagement (bürgerschaftliches Engagement; Selbsthilfegruppen, Kooperation mit Professionellen) Gestaltung des Unterstützungs- und Versorgungssystems 10. Versorgungsstrukturen (bauliche Maßnahmen; geriatrisches Know-how; Personalmangel bei medizinischer wie pflegerischer Versorgung; Vernetzung der Versorgungsinstitutionen, z. B. Leuchtturmprojekte; Zukunftswerkstatt Demenz)
8 Gewinnung qualifizierten Personals, Fort- und Weiterbildung (Multiprofessionalität; kulturadäquate Versorgung; Aspekt der ganzheitlichen Betrachtung; Struktur der häuslichen Versorgung) 12. Qualität der Versorgung (u. a. Identifizierung geeigneter Prüfkriterien und Qualitätssicherungsverfahren)
Allianz für Menschen mit Demenz
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