Gelebte Fachkräftesicherung in Mittelhessen: Hohe Organisations- und Netzwerkkompetenzen

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1 Gelebte Fachkräftesicherung in Mittelhessen: Hohe Organisations- und Netzwerkkompetenzen Die Teilzeitausbildung ist vor allem für junge Mütter eine Chance, sich neben der Kinderbetreuung zu qualifizieren und zum Fachkräfteangebot in Hessen beizutragen (-). Die ressortübergreifende Stabsstelle Fachkräftesicherung in Hessen im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration zeigt in Kooperation mit dem Regionalmanagement Mittelhessen Best Practice -Beispiele für eine gelungene Fachkräftesicherung in mittelhessischen Betrieben und Unternehmen auf. Ein Weg zur Ausschöpfung zusätzlicher Potentiale kann Teilzeitausbildung sein. Wer beispielsweise jung Mutter wird und noch keine Berufsausbildung aufweisen kann, hat in der Regel ein Problem: Um sich im Dualen System zu qualifizieren, sind betriebliche Arbeitszeiten nötig, die sich meist schwer mit der Kinderbetreuung vereinbaren lassen. Eine Lösung kann hier eine Teilzeitausbildung sein, wie sie das Berufsausbildungsgesetz (BBiG) bei solchen Fällen mit berechtigtem Interesse vorsieht wie für Marianne Stieler, Mutter eines sechsjährigen Jungen, die aller Voraussicht nach im Sommer ihren Berufsabschluss als Friseurin im er Salon von Carmen Zarra machen wird. Ein Beispiel aus der Praxis, wie in Hessen neue Wege zur Fachkräftesicherung helfen, dem Bedarf an Fachkräften gerecht zu werden. Die Hessische Landesregierung setzt mit den Gestaltungspartnern des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes auf einen Strategiemix aus Bildung, potenzialorientierter Arbeitsmarktpolitik, Internationalisierung und Attraktivität des Landes, der Arbeitgeber und Regionen, um möglichst alle verfügbaren Arbeits- und Fachkräfteressourcen für das Land zu heben und zu nutzen. Weit verbreitet ist die Teilzeitausbildung in Hessen allerdings nicht: Von mehreren Tausend Ausbildungsverträgen sind es laut Handwerkskammer regelmäßig nur einige Dutzend, die in Teilzeit absolviert werden. Die Mindestausbildungszeit beträgt 25 Stunden in der Woche; die Ausbildungsdauer verlängert sich dadurch nicht. Die Zeit in der Berufsschule muss dabei voll absolviert werden. Einen anderen Weg zur Berufsausbildung hätte es für Marianne Stieler nicht gegeben: Ich bin mit 18 Jahren relativ früh Mama geworden, erzählt die 24-Jährige im Pausenraum des Salons in der Nauborner Straße in. Trotzdem wollte die junge Frau nach dem Hauptschulabschluss unbedingt eine Ausbildung absolvieren. Zunächst führte sie ihr Weg zum Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (BEHW), wo sie an der Maßnahme Perspektive nach der Elternzeit teilnahm. Die Initiative hilft Menschen wie Marianne Stieler durch Trainings, Coaching und Praktika, den Einstieg ins Berufsleben zu finden. Auch ein Computerkurs gehörte dazu. Dann habe sie aus dem Freundeskreis von der Möglichkeit gehört, sich in Teilzeit ausbilden zu lassen. Da habe ich gedacht, das ist das, was für mich noch in Frage kommt. Eine Vollzeit-Ausbildung hätte ihrer Meinung nach auf keinen Fall funktioniert. Als sie ihre Ausbildung begann, war ihr Sohn gerade im Kindergarten. Da war die Betreuungszeit nur bis Uhr gegeben. Für die meisten Arbeitgeber wäre sie dadurch als Mitarbeiterin nicht mehr in Frage gekommen. Seite 1

2 Bei eben jenem Bildungswerk war auch Carmen Zarra zehn Jahre als Dozentin tätig. Ich kannte das Konzept der Teilzeitausbildung also bereits, als man schließlich von dort auf sie zugekommen sei. Marianne war dennoch meine erste Teilzeitauszubildende, sagt die Friseurin. Und: Sie ist jetzt unsere Computerspezialistin, fügt die Inhaberin mit einem Schmunzeln hinzu. Vor zwei Jahren hat die Friseurmeisterin den Traditionsbetrieb übernommen, nachdem sie selbst dort 33 Jahre angestellt gearbeitet hatte. Vor allem habe die 24-Jährige sie menschlich überzeugt, sagt sie über ihre Teilzeitauszubildende auch wenn zunächst Zweifel im Raum gestanden hätten. Stieler kann statt der üblichen 40 nur 30 Stunden im Betrieb sein. Dafür merkt man das Verantwortungsbewusstsein als Mutter bei ihr in jeder Hinsicht und auch die Lebenserfahrung. Ich bekomme auch gutes Feedback von meinen Kunden über sie. Dass sich der Betrieb auf diese Weise sozial engagiere, komme bei der Kundschaft ebenfalls gut an. Das bestätigt, was die Diplompädagogin Dr. Ilka Benner vom Zentrum für Lehrerbildung (ZfL) der Gießener Justus-Liebig-Universität bereits vor Jahren im Rahmen des Projekts MOSAIK Transfer Kompetenzentwicklung für junge Mütter erforscht hat: Nach anfänglicher Skepsis hätten in den untersuchten Betrieben die hohen Organisations- und Netzwerkkompetenzen der Mütter überzeugt. Sie hätten sich oft durch besondere Motivation und Verlässlichkeit ausgezeichnet. Alle Frauen haben das als Chance begriffen. Die Tatsache, dass die Teilzeitausbildung dennoch kaum in hessischen Unternehmen verbreitet ist, macht Benner vor allem an der Unkenntnis darüber fest, was diese Ausbildungsform in der Praxis als Nutzen parat hat. Unsere Studien haben ergeben, dass es Informationsbarrieren bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt, sagt Benner. Und ein weiteres Problem benennen die Forschungsergebnisse: Schwierigkeiten bei der Nachwuchsbetreuung seien auch im Forschungsprojekt MOSAIK Transfer eine häufige Klage gewesen, berichtet die Diplom-Pädagogin. Ich glaube, wenn ich nicht so eine großartige Chefin hätte, wie ich sie heute habe, hätte ich das nicht geschafft, sagt Marianne Stieler. Ein anderer Friseur-Salon, bei der sie vor ihrer Bewerbung bei Zarra ein Vorstellungsgespräch hatte, habe ihr klar gesagt, dass sie bis 18 Uhr im Betrieb bleiben müsse. Bei Zarra kann sie im Rahmen der Teilzeitausbildung um 16 Uhr gehen, um sich um ihren Jungen zu kümmern. Aber ich würde mir definitiv bessere Betreuungsmöglichkeiten wünschen. Im Betrieb hält man in dieser Hinsicht zusammen, auch wenn die junge Mutter einmal wegen einer Erkrankung des Sohnes nicht zur Arbeit erscheinen kann. Da muss ich zwar umplanen mit meinen Leuten hier; das geht aber, da habe ich Verständnis, sagt Zarra. Schließlich seien die Mitarbeiterinnen im Salon selbst Mütter. Wir haben das auch alle durch. Weitergehende Informationen Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ( Ansprechpartner für Ausbildung in Teilzeit ( Seite 2

3 Fotos: Cloud-Link zum Download: Urheber-Nachweis: Tilman Lochmüller / Regionalmanagement Mittelhessen GmbH Nutzungsrechte: unbegrenzt DSC_3028.jpg Seite 3

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