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Transkript

1 SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Wenn Schule Schule macht (2) Mit Nele Freudenberger Sendung: 31. Januar 2017 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/ oder swr2.de 1

2 Signet Mit Nele Freudenberger. Heute befassen wir uns mit gleich zwei italienischen Schulen, die beide zeitgleich unglaublich wichtige Impulse für die weitere Entwicklung der europäischen Musik gegeben haben. Wenn Schule Schule macht! In Bologna für die Instrumentalmusik und in Neapel für die Oper so geschehen. Titelmusik Wir begeben uns zunächst nach Bologna etwa ins Jahr Das ist nämlich das Jahr, in dem Maurizio Cazzati sein Amt als Kapellmeister an der Basilika San Petronio in Bologna antritt. Schon zuvor ist er Kapellmeister in unterschiedlichsten Kirchen unterschiedlichster Städte aber erst in Bologna wird es richtig interessant: in San Salvatore feiert er mit einigen seiner Kompositionen nämlich so große Erfolge, dass er nach San Petronio berufen wird. Kurz zuvor lässt er sich von seinen priesterlichen Verpflichtungen befreien. Vielleicht, um mehr Zeit für die Musik zu haben, vielleicht, weil ihm klar ist, dass das, was er vorhat ungeheuerlich ist. Nicht mehr und nicht weniger als die komplette Reform der damaligen Kirchenmusik steht auf dem Programm. In wieweit das bewusst geschehen ist, kann man natürlich nicht genau sagen. Ich stelle mir jedenfalls vor, wie Cazzati grüblerisch irgendwo sitzt und bei sich denkt: immer dieses Gesinge in der Kirche das ist doch langweilig da kann doch auch mal ein Orchester spielen Denn das ist der wesentliche Punkt den Cazzati ändert: er bringt verstärkt die Instrumentalmusik in die Kirche! Musik1 Maurizio Cazzati Vespro di Sant'Andrea Un solenne vespro mantovano del 1641 alla corte dei Gonzaga ( op. 1) 010 XI. Antiphona: Andreas Christi famulus ( ) 011 Canzona "La Gonzaga" a due violini e bassocontinuo ( ) Accademia degli Invaghiti / Leitung: Francesco Moi M W00, 4 32 Die Accademia degli Invaghiti unter der Leitung von Francesco Moi mit dem Antiphon: Andreas Christi famulus und der Canzona La Gonzaga a due violini e bc von Maurizio Cazzati aus der Kantate Vespro di Sant Andrea, hier in der SWR2 Musikstunde wenn Schule Schule macht. Cazzati also gilt als Gründer der Bologneser Schule. Sein Verdienst besteht vor allem darin, der Instrumentalmusik im Allgemeinen und in der Kirche im Besonderen mehr Bedeutung beizumessen. Das fängt schon im Kleinen an und praktisch mit Antritt seines Amtes als Kapellmeister macht er sich unbeliebt: er lässt sämtliche Musiker der capella der Basilika San Petronio erneut eine Art Probespiel absolvieren quasi eine erneute 2

3 Aufnahmeprüfung. Wer sich weigert fliegt raus, wer schlecht spielt auch. Das hat unterschiedliche Folgen: 1. Die Anzahl der Musiker sinkt auf Die die Qualität des Ensembles steigt sprunghaft an. 3. Die Musiker können ihn nicht leiden. Letzteres ist vermutlich der Grund, warum er nicht in die Accademia Filarmonica aufgenommen wird eine bedeutende Institution, die uns in der heutigen SWR2 Musikstunde noch häufiger begegnen wird und in deren Bibliothek interessanterweise inzwischen die meisten seiner Handschriften liegen Cazzati gibt der Kirchensonate der Sonata da chiesa mehr Bedeutung und entwickelt sie weiter, andere machen sich an die Entwicklung der weltlichen Sonate der Sonata da camera. Zum Beispiel der Cellist Guiseppe Maria Jacchini. Er ist in Bologna geboren, wird an der Basilika San Petronio ausgebildet, ist später in deren capella musicale Cellist. Im Gegensatz zu Cazzati wird er sehr wohl in der Accademia Filarmonica aufgenommen. Damals gibt es in Bologna keinen Fürstenhof. Deshalb hat die Accademia Filarmonica den Status einer Hofkapelle ohne eine zu sein. Und im damaligen musikalischen Wettrüsten will auch sie nichts weiter, als die besten Musiker Europas vereinigen. Mitglieder werden später übrigens auch Johann Christian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart. Aber zurück zu Jacchini. Er schreibt vor allem für sein Instrument, das Cello. Und das zu einer Zeit, in der das Cello erst allmählich beginnt der Gambe den Rang abzulaufen, also zu einer Zeit, in der Solorepertoire für das Cello erst noch geschaffen werden muss! Jacchinis spätere Werke sind in der Regel dreisätzig: langsam-schnell-langsam, ein Generalbaß ist nicht mehr vorgesehen. Stattdessen ist es wohl üblich eine Begleitstimme zu haben, die frei improvisiert wird und nur das harmonische Gerüst festgelegt ist. Eine hohe Kunst, die Jacchini selbst exzellent beherrscht haben soll. Wie das im Endergebnis klingt, kann man besonders schön in seinem op. 1 hören, hier die Nr. 8 in a-moll Musik2 Giuseppe Maria Jacchini Sonate für Violoncello und Basso continuo a-moll, op. 1 Nr. 8 Bassorum vox M W06, 3 55 Die Sonate für Vc und bc a-moll op 1,8 von Giuseppe Maria Jacchini hier in der SWR2 Musikstunde gespielt von bassorum vox. Jacchini ist in Bologna geboren und hat dort Zeit seines Lebens gewirkt. Als Cellist hat er vor allem die Sololiteratur für Cello in dieser Zeit maßgeblich geprägt. Ein Instrument, das sich damals als Soloinstrument erst zu etablieren beginnt. Jacchini komponiert nicht nur etliche Sonaten für Cello, sondern auch das erste Cellokonzert. Vielleicht nach dem Vorbild Giuseppe Torellis ein Zeitgenosse von ihm, nur wenige Jahre älter. Der komponiert nämlich das erste Violinkonzert überhaupt eine Gattung, die heute so präsent und selbstverständlich ist, dass man sich kaum vorstellen kann, dass ja jemand den Anfang gemacht haben muss! Also: Torelli war s. 3

4 Es ist mehr als wahrscheinlich, dass Torelli und Jacchini sich kennen sie sind beide zur selben Zeit Mitglieder der Accademia Filarmonica und spielen beide in der Capella San Petronio, kommen also beide aus derselben Tradition. Eine Tradition, in der die Trompete das Soloinstrument der Wahl ist, weil es die fürstliche Macht repräsentiert. Cazzati hatte bedeutende Sonaten für Trompete und Streicher komponiert Nachahmer folgen. Aber es ist Torelli, der auf die Idee kommt, die Trompete durch eine Geige zu ersetzen. Er führt auch die dreisätzige Form ein: schnell-langsam-schnell. Wenn man den Weg zum Konzert andersherum denkt nicht von den Trompetenkonzerten bzw. Sonaten aus, sondern von den concerti grossi ausgehend, ist der Gedanke einen Violinsolisten gegen eine Gruppe zu stellen nicht weniger bahnbrechend es wird vermutet, dass er diesen Versuch in Anlehnung an das Konzept einer Opernarie gemacht hat also nach der Idee einer begleiteten gesanglichen Stimme. Wie Torelli nun tatsächlich auf die Idee gekommen ist, die Violine als Soloinstrument einzusetzen weiß man natürlich nicht, aber eines kann man sagen: Guiseppe Torellis Concerti musicali a quattro op. 6 gelten als die ersten Violinkonzerte überhaupt. Hier die Nr. 1. Musik 3 Giuseppe Torelli ( ) Concerto grosso für Streicher und Basso continuo, op. 6 Nr Satz: Pesto ( ) Satz: [Allegro] ( ) Satz: Adagio ( ) Satz: Allegro ( ) Concerto Italiano / Leitung: Rinaldo Alessandrini M W04, 5 46 Concerti musicali a quattro op.6,1, Guiseppe Torelli Rinaldo Alessandrini, Concerto Italiano Die Sammlung op. 6 von Guiseppe Torelli gelten als die ersten Violinkonzerte überhaupt und damit stehen sie in der Tradition der Bologneser Schule, die die Instrumentalmusik im Blick hatte. Auch hier sollte man sich kurz mit der Begrifflichkeit der Schule auseinandersetzen. Es handelt sich lediglich um eine Gruppe von Komponisten, die sich eben verstärkt mit der Instrumentalmusik beschäftigt hat. Es gibt keinen konkreten Lehrer und keine konkreten Schüler hier werden lediglich Ideen weiterentwickelt. Vermutlich einer der Gründe, weshalb man in den einschlägigen Lexika den Begriff Bologneser Schule selten findet wenn überhaupt, dann in Älteren Ausgaben. Wir haben es hier also mit einer Gruppe von Komponisten zu tun, die sich wahrscheinlich nicht persönlich kannten außer im Falle von Jacchini und Torelli und die samt und sonders ein Interesse an Instrumentalmusik hatten. Und eben auch daran, die Instrumentalmusik in die 4

5 Kirchen zu bringen. Und da gibt es noch ein Verdienst der Bologneser Schule ob es sie so nun gab oder nicht: erstmals wurden Kantaten mit einer Orchesterbegleitung versehen! Den Anfang machen Giovanni Paolo Colonna und Guiseppe Felice Tosi beides übrigens Mitglieder der bereits erwähnten Accademia Filharmonica aber es ist Alessandro Stradella der die Orchestrierung der Kantate zu wahrer Meisterschaft bringt. Bei ihm kann man übrigens nur annehmen, dass er zur Bologneser Schule gehörte: denn ein konkreter Aufenthalt in Bologna kann gar nicht nachgewiesen werden. Nur der Umstand, dass Stradella in mehreren Quellen als bolognese bezeichnet wird, lässt darauf schließen. Das wiederum lässt den Rückschluss zu, dass Komponisten explizit zum Studium nach Bologna gegangen sind, was den Schulbegriff rechtfertigen würde. Ein weites Feld mit vielen Konjunktiven. Alessandro Stradellas musikalisches Ergebnis ist übrigens hörbar im Bologneser Sinne. Hier der Beweis mit einem Auszug aus seiner Kantate Crocifissione e morte di Giesú christo für Alt, 2 Vl und bc Musik 4 Alessandro Stradella ( ) Crocifissione e morte di N. S. Giesù Christo. Kantate für Alt, 2 Violinen und Basso continuo Kreuzigung und Tod unseres Herren Jesus Christus 001 (1) Da cuspide ferrate su la funesta trave ( ) 002 (2) Già compito è de tormenti ( ) 003 (3) Così conchiude al suo morir ( ) Gérard Lesne (Countertenor) Il Seminario Musicale M W01 (07873) VIRGIN CLASSICS Crocifissione e morte di Giesu Christo. Kantate für Alt, 2 Vl und bc, Alessandro Stradella Il Seminario musicale Gérard Lesne Eine der ersten Kantaten mit Orchesterbegleitung überhaupt eine Spezialität, die aus der Bologneser Schule stammt. Natürlich sind Kantaten als Gattung weit verbreitet und auch in Neapel werden Kantaten aufgeführt. Die typische neapolitanische Kantate besteht im wesentlichen aus 2 bis 3 dacapo Arien mit Rezitativen und schon kann man sich denken, wo der Schwerpunkt in Neapel gesetzt wird: auf den Gesang! Aber nicht auf den polyphonen, der kommt allmählich aus der Mode, sondern hier entsteht ein Zentrum der Oper, mit europaweitem Ruf! Als Begründer der neapolitanischen Schule bzw. expilzit der neapolitanischen Opernschule gilt Francesco Provenzale. Von ihm sind zwar nur zwei Opern überliefert, aber eine nicht mehr erhaltene ist die erste eines Neapolitaners, die in Venedig aufgeführt wird. Das ist überhaupt das erste Dokument in dem Provenzale als Komponist erwähnt wird. Dass Provenzale als Gebürtiger Neapolitaner nicht die ersehnten wichtigen Ämter bekommt, ist ein Politikum hat nichts mit seiner 5

6 Kompetenz, sondern seiner Herkunft zu tun. Neapel steht damals zunächst unter spanischem Einfluss, dann sind die Habsburger am Zuge und einen Einheimischen als Kapellmeister der königlichen Kapelle einzusetzen kommt offenbar nicht in Frage. Mehrmals wird Provenzale übergangen. Aber er hat trotzdem Ämter inne, die zumindest aus musikhistorischer Sicht von großer Bedeutung sind. Neapel hat damals nämlich etwas Neues zu bieten, womit später vor allem Venedig berühmt wird: Konservatorien. Vier dieser Waisenhäuser gibt es in Neapel gegründet in einer Zeit zwischen 1537 und Die Konservatorien unterstehen dem Vizekönig bzw. dem Erzbischof und sie finanzieren sich einerseits durch Spenden andererseits durch die Einnahmen der musizierenden Schüler, die in Kirchen, Klöstern oder auch Privat auftreten. Im Laufe der Zeit wird klar, dass die Schülerinnen und Schüler eine solide musikalische Ausbildung brauchen und so werden sie ab dem 17. Jahrhundert in den Fächern Kontrapunkt, Gesang und Instrumentalspiel ausgebildet und führen durchaus auch musiktheatralische Produktionen auf. Ganze Generationen erfolgreicher Komponisten stammen aus diesen Konservatorien: Jommelli, Piccini, Paisiello und Cimarosa um nur einige zu nennen alles Namen, die bis heute bekannt sind. An einigen dieser Konservatorien unterrichtet und wirkt Provenzale und wird wenn schon nicht Hofkapellmeister, so doch wenigstens Maestro della Fedelissima Citta di Napoli. Das Geld für den Unterhalt der Konservatorien verdienen die Waisen wie gesagt selbst vermutlich häufig, indem sie Kompositionen ihres Lehrers aufführen. Musik 5 Francesco Provenzale ( ) Pange lingua à 9. Hymnus für 9 Stimmen in 2 Chören und Instrumente Satz: Verbum caro, panem verum Cappella della Pietà de' Turchini / Leitung: Antonio Florio M W01/ 004, 2 50 Verbum caro, panem verum, aus Pange lingua - Hymnus für 9 Stimmen in 2 Chören zu 5 und 4 Stimmen und Instrumente von Francesco Provenzale, der als Begründer der neapolitanischen Opernschule gilt. Antonio Florio leitete di Capella della Pieta de Turchini Zur Kirche della Pieta de Tuchini gehört übrigens eins der Konservatorien, in denen Provenzale unterrichtet hat. Auch wenn er eigentlich als Begründer der neapolitanischen Opernschule gilt: sehr viel erfolgreicher und prominenter ist dann doch Alessandro Scarlatti. Er ist es auch, der den Posten als königlicher Kapellmeister erhält. Scarlatti trennt ganz klar Rezitativ und Arie, kürzt die vorher oft episch langen Rezitative, verwendet ausschließlich die da Capo Arie und entwickelt die Italienische Ouvertüre auch Opernsinfonie genannt. Inhaltlich liegt der Focus auf ernsten, meist antiken Stoffen. Das dramma per musica bzw. später die opera seria erobert Neapel, Spielstätten werden geschaffen, erstmals hat auch das zahlende bürgerliche Publikum Zutritt. 6

7 Opernsänger werden zu wahren Stars: diejenigen, die eine Hauptrolle singen, haben Anspruch auf 2-3 anspruchsvolle Arien mit denen sie brillieren können. Die ersten Opernsingenden Kastraten treten in Neapel auf. Das überrascht insofern nicht, als Neapel lange unter spanischer Herrschaft stand und Kastraten in Spanien schon längst musikalisch eingesetzt wurden. Auch Scarlatti nutzt sie, die erwachsenen Knabenstimmen. Hier in der SWR2 Musikstunde übernimmt der Countertenor Max Emanuel Cencic die da capo Arie Tutto appoggio il mio disegno aus der Oper Cambise Musik 6 Alessandro Scarlatti ( ) Textdichter: Domenico Lalli aus: Il Cambise. Dramma per musica in 3 Akten Tutto appoggio il mio disegno. Arie des Cambise,1. Akt Max Emanuel Cencic (Countertenor) Il pomo d'oro / Leitung: Maxim Emelyanychev M , 3 00 Tutto appoggio il mio disegno Arie des Cambise aus dem 1. Akt von Alessandro Scarlattis Oper Cambise, die 1719 in Neapel uraufgeführt wurde. Max Emanuel Cencic wurde von Il pomo d oro unter Maxim Emelyanychev begleitet. Die Geschichte des Cambise wird aus der Perspektive des Kyros - auch von Neapels Librettist Nummer eins zu einer Geschichte für die Oper verwendet: Pietro Metastasio. Bei dem Stoff geht es im Groben um den König Astyage, der träumt, dass der Sohn seiner Tochter ihn stürze weswegen er kurzerhand Enkel und Schwiegersohn entfernt: Cambise wird nach Persien geschickt, damit er nicht noch mehr Enkel zeugen kann, den Enkel Kyrus lässt er in den Bergen aussetzen. Bei Metastasio heißt das Libretto Ciro riconosciuto und es ist keiner seiner großen Würfe, was man daran erkennt, dass es weniger als 30 Mal vertont wurde! Das muss man sich mal vorstellen! Metastasio verdanken wir eine tiefgreifende Opernreform. Er legt etliche Rahmenbedingungen fest, die wir bis heute kennen. Seit Metastasio haben Opern 3 Akte, Rezitativ und Arie wechseln sich ab und die Arien bekommen den damals typischen Affektgehalt. Allein 28 Opernlibretti hat er geschrieben. Von diesen 28 ist Artaserse wohl das erfolgreichste: 90 mal wird das Libretto vertont! Seine anderen Werke werden zwischen 25 und 70 mal vertont, einzelne Ausreißer unter 10 mal aber kein Werk ist einmalig vertont worden. Jeder Komponist der damals auf sich hält, komponiert Libretti von Metastasio. Einer, der dessen Libretti besonders treu in Musik setzt und so überhaupt den ganzen neapolitanischen Stil in Europa verbreitet, ist der damals überaus beliebte Johann Adolph Hasse. Er gehört auch zu jenen, die besagtes Libretto Ciro riconosciuto vertont haben. Hier die Ouvertüre ganz im neapolitanischen Stil gehalten 7

8 Musik 7 Johann Adolph Hasse Ouvertüre zu Il Ciro riconosciuto, Capella Gabetta Deutsche Harmonia Mundi LC00761, 5:05 Die Ouvertüre zu Il Ciro riconosciuto von Johann Adolph Hasse, hier in der SWR2 Musikstunde gespielt von der Capella Gabetta. Das Libretto zu dieser Oper stammt von Pietro Metastasio, der so manche Wende in der Operngeschichte herbeigeführt hat. Zum Beispiel nimmt er erstmals eine klare Trennung in ernste und heitere Stoffe vor: also in opera seria und opera buffa. Zu Zeiten von Scarlatti ist es nämlich noch nicht üblich überhaupt heitere Stoffe zu vertonen. Ernst muss es sein, antik, erhaben aber keinesfalls lustig! So bleibt es ziemlich lange Zeit, bis sich jemand denkt: das hält doch keiner aus, immer diese tragischen Stoffe und das Opernintermezzo erfand. Das Opernintermezzo ist eine eigenständige, lustige Kurzoper, die einfach zwischen die ernste Oper geklemmt wird meist zwischen den zweiten und dritten Akt. Das berühmteste Intermezzo stammt von Giovanni Battista Pergolesi und trägt den Titel la serva padrona. Die Aufführungsdauer beträgt etwa 45 Minuten man muss also für ein dramma per musica plus Intermezzo etwas Zeit mitbringen. La serva padrona wurde explizit zu Pergolesis opera seria il prigioniero superbo komponiert Es sind auf jeden Fall diese Intermezzi, die auch heiteren Stoffen den Weg auf die Opernbühnen ebnen: die commedia musicale erobert Neapel und das Volk hat daran sehr viel mehr Freude: innerhalb kürzester Zeit werden drei Kommödienbühnen in Neapel gebaut. Pergolesi ist bei der Entwicklung der opera buffa eine wichtige Figur! Hier das Duett aus dem zweiten Finale des Intermezzos la serva Padrone : Contento tu sarai Musik 8 Giovanni Battista Pergolesi ( ) aus: La serva padrona. Intermezzo in musica Die Magd als Herrin Contento tu sarai. Duett (Appendice) (Umberto, Serpina) (Finale II) Isabelle Poulenard (Sopran)(Serpina) Philippe Cantor (Bass)(Uberto) Ensemble Baroque de Nice / Leitung: Gilbert Bezzina M , 2 45 Contento tu sarai das Duett aus dem zweiten Finale des Opernintermezzos la serva padrone von Giovanni Battista Pergolesi. Die Neapolitanische Opernschule ist begrifflich weniger problematisch als die anderen Schulen obwohl es auch hier keine konkreten Einrichtungen oder Lehrer 8

9 gegeben hat. Aber die Musikwissenschaft ist eher bereit, den Begriff Schule hier anzuwenden. Denn eines lässt sich nicht bestreiten: die wichtigen Impulse für die Barockoper sind aus Neapel gekommen. Wie gewohnt finden Sie die Sendung zum nachhören oder die Manuskripte zum herunteladen im Internet unter SWR2.de und Morgen werden wir uns dann mit einer Schule beschäftigen, die wirklich sehr offiziell Schule genannt wird: die Mannheimer Schule. Mein Name ist Nele Freudenberger, ich sage Tschüss und verabschiede mich mit einem Ausschnitt aus der Sinfonia zu Die verlassene Armida von Niccolo Jommelli einer der Komponisten, die in den Konservatorien Neapels ausgebildet wurde. Musik 9 Niccolò Jommelli ( ) Sinfonia zur Oper Armida abbandonata Die verlassene Armida Sinfonia Les Talens Lyriques / Leitung: Christophe Rousset M ,